Ins Gebet genommen

Ein Tagungsbericht vom Guardini-Tag 2025

Im Rahmen der Veranstaltung "Vom Sinn des Betens", 17.02.2025

Mönch am Meer (1808/1810), Caspar David Friedrich / Wikimedia Commons, Public Domain

Eröffnet wurde die Veranstaltung an Guardinis 140. Geburtstag an seiner früheren Wirkungsstätte, der Universitätskirche St. Ludwig, mit einem von Bischof Gregor Maria Hanke OSB zelebrierten Gottesdienst. Guardini hatte 1948 bis zu seiner Emeritierung 1964 den Lehrstuhl für Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität inne und wirkte zwischen 1949 und 1962 als Universitätsprediger.

Im Anschluss fanden sich die knapp einhundert Tagungsteilnehmer:innen in der Akademie ein, wo sich Direktor Dr. Achim Budde mit dem Eichstätter Bi-
schof Gregor Maria Hanke OSB unter dem Titel Vorschule des Betens über das Beten, insbesondere über die Sprache des privaten sowie des liturgischen Gebets austauschte. Dabei ermöglichte Hanke auch Einblicke in seinen persönlichen Lebensweg und seine private Gebetspraxis. Dabei thematisierte er nicht nur die Grenzen der Sprache, sondern lud vornehmlich dazu ein, Beten nicht als regelhaften Prozess, als abgeschlossenes Werk zu verstehen, sondern es als Sprechen des Herzens, als sehnsuchtsvolles Ringen, als Teil des individuellen Glaubenswegs und als gemeinsamen Prozess zu begreifen.

Am Dienstagvormittag stand das Gebet bei Guardini im Fokus: Der Alttestamentler Prof. Dr. Ludger Schwienhorst-Schönberger führte in seinem Vortrag in das Gebet der Sammlung bei Romano Guardini ein. Darauf folgte ein Referat der Religionsphilosophin Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, das die Beziehung von Christologie und Mariologie bei Guardini zum Thema hatte. Übrigens war dessen Rosenkranz-Sammlung während der Tagung unter kundiger Führung zu besichtigen.

Der frühe Nachmittag war für die Arbeit in kleineren Gruppen reserviert. Dr. Gabriel von Wendt und die Teilnehmenden seines Workshops befassten sich mit der Frage, wie Gott spricht und spürten in diesem Zusammenhang Guardinis melodischem Verständnis von Gebet, Gemeinschaft und Spiritualität nach. Stefan Langenbahn arbeitete mit denjenigen, die sich für seinen historischen Workshop entschieden hatten, an der ersten Krise der Liturgischen Bewegung im Jahr 1919 sowie der Bedeutung des Guardini-Freundes Cunibert Mohlberg OSB, dem dieser seine Vorschule des Betens (1943) gewidmet hatte. Dr. Ulrich Pohlmann setzte sich mit den Zweifeln am Gebet auseinander: Wie gehen wir mit dem unerfüllten Bittgebet um? Was bedeutet Erhörung und Erfüllung in diesem Zusammenhang überhaupt? Aber auch Gründe für etwaige Schwierigkeiten mit dem Beten waren Thema seines Workshops. Prof. Dr. Yvonne Dohna Schlobittens kunsthistorischer Workshop wiederum widmete sich dem Thema Romano Guardini und die Begegnung in der Stille von Christus bis Pascal.

Am späteren Nachmittag bot der Dokumentarfilm Wo ist Gott? (2022) Anlass zur persönlichen Reflexion. Darin suchen vier spirituelle Lehrer:innen aus Christentum, Islam, Judentum und Buddhismus Antworten auf die Frage „Wie wir uns und andere lieben können“. Die vier Protagonist:innen machen deutlich, dass das Ringen um Liebe aller Individualität und den unterschiedlichen religiösen Zugängen zum Trotz ein universaler wie auch existenzieller menschlicher Prozess ist. Dankenswerterweise wurde die Auseinandersetzung mit dem Gesehenen durch die Impulse der Regisseurin des Films, Sandra Gold, gestützt.

Künstlerisch ging es weiter, wenngleich sich Theologe und Dichter Dr. Christian Lehnert eines anderen Mediums bediente. Er ging in seinem Vortrag auf die Sprache des Gebets an der Grenze des Sagbaren ein und gestand gleich zu Beginn, dass er – obgleich er sich schon vielfach damit auseinandergesetzt habe – dieses Thema nie so recht abschließen könne. Gleichwohl ließ er die Tagungsteilnehmer:innen an seinen Gedanken teilhaben und stand im Anschluss für ein Podiumsgespräch mit Sandra Gold zur Verfügung.

Bis zu diesem Zeitpunkt im Tagungsgeschehen hatten diejenigen, die Lust dazu hatten, die Gelegenheit, sich in der „Guardini-Praxis“ spielerisch einer persönlichen Frage zu stellen. Dabei weckte schon die Sammlung unterschiedlichster Gegenstände, die der Initiator, Zeit-Redakteur Patrik Schwarz, auf zwei großen Tischen präsentierte die Neugier Vieler en passant. Die Idee war, sich mithilfe derjenigen Gegenstände, die einen spontan ansprachen, und unterstützt durch Schwarz, der diese Methode schon in unterschiedlichen Kontexten erprobt hatte, einen Tisch des Herrn zu gestalten, an dem man über die zu klärende Frage ins Gebet ging. Erfahrungsgemäß, so der Journalist, entstünde so „ein Satz, der ganz aus Ihnen kommt – und Ihnen gleichzeitig einfach in den Schoß gefallen ist.“ Am Dienstagabend war dann Zeit und Raum dafür, sich die unterschiedlichen Altäre anzusehen und sich über die jeweiligen Erfahrungen auszutauschen.

Der dritte und letzte Tag der Veranstaltung begann mit einem Blick in die Kunstgeschichte: Prof. Dr. Wolfgang Augustyn arbeitete in seinem Vortrag Wie soll man beten? Beispiele aus der Kunst heraus, dass Kunst, so sie auch nicht zeigen kann, was beim Gebet geschieht, genutzt wurde, um darzustellen, wie man beten solle. Darauf folgte der Präsident der Guardini-Stiftung, Prof. Dr. Thomas Brose, der den Vortragsreigen beschloss. In seinem Referat Nur wer Gott kennt, kennt den Menschen. ‚Nicht die Anstrengung, sondern die Anbetung ist das Endgültige‘. Auf dem Weg zu einer vertieften kontemplativen Haltung ging der Philosoph nochmals auf Romano Guardini selbst ein, dessen Werk anschlussfähig und anregend für Gegenwart und Zukunft bleibt.

Die Tagung endete, wie sie begonnen hatte: auf den Spuren Romano Guardinis in München. Nach dem Mittagessen führte Helmut Zenz die Teilnehmenden zu ausgewählten Stationen des Geistlichen durch die Stadt. Ähnlich der allmorgendlichen Laudes und einem Rosenkranzgebet in der Hauskappelle rundete er so das Tagungsprogramm in entscheidender Weise ab.

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