Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Pflegeversicherung 1995 einen eigenen Zweig in der Sozialversicherung geschaffen, um in einer älter werdenden Gesellschaft die (finanzielle) Unterstützung im Falle des Eintretens von Pflegebedürftigkeit sicherzustellen. Wird ein Mensch gebrechlich oder sogar pflegebedürftig, so müssen in der Regel die ihm nahestehenden Personen in kürzester Zeit eine Versorgung organisieren.
Hierfür stehen zahlreiche Leistungen, Strukturen und Anbieter zur Verfügung, die allerdings für Laien häufig nicht selbsterklärend sind. Die Notwendigkeit, hierbei Unterstützung zu geben, ist auch vom Gesetzgeber erkannt worden. Dies hat dazu geführt, dass seit 2009 ein Anspruch auf Pflegeberatung im elften Sozialgesetzbuch (SGB XI) verankert ist. Das übergeordnete Ziel der Pflegeberatung soll dabei sein, pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen dazu zu befähigen, informierte Entscheidungen zur Bewältigung individueller Pflegesituationen zu treffen und entsprechend zu handeln.
Gesetzliche Grundlagen der Pflegeberatung
Der § 7 des SGB XI führt aus, dass die Pflegekassen die Eigenverantwortung der Versicherten durch Aufklärung und Auskunft über eine gesunde, der Pflegebedürftigkeit vorbeugende Lebensführung zu unterstützen und auf die Teilnahme an gesundheitsfördernden Maßnahmen hinzuwirken haben. Ferner haben die Pflegekassen die Pflicht über alle Fragen, die in Bezug und im Zusammenhang mit Pflegebedürftigkeit stehen, trägerunabhängig zu informieren.
Im Januar 2009 wurde durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz festgelegt, dass jeder Pflegebedürftige Anspruch auf eine individuelle Pflegeberatung nach § 7a SGB XI durch die Pflegekassen hat. Dieses Recht ist ein einklagbarer individueller Rechtsanspruch für alle Personen, die „Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten oder die Leistungen beantragt und erkennbar einen Hilfe- und Beratungsbedarf haben“. Pflegebedürftige haben gemäß § 7a SGB XI „Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegeberater oder eine Pflegeberaterin bei der Auswahl und Inanspruchnahme von bundes- oder landesrechtlich vorgesehenen Sozialleistungen sowie sonstigen Hilfsangeboten, die auf die Unterstützung von Menschen mit Pflege-, Versorgungs- oder Betreuungsbedarf ausgerichtet sind“.
Die Grundlagen der Pflegeberatung sind vollständig in den §§ 7a-c SGB XI geregelt. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Neutralität und die Unabhängigkeit. Die Interessen des Ratsuchenden sollen im Mittelpunkt stehen.
Stellt der Versicherte einen Antrag auf Leistungen des SGB XI, so ist es folglich die Aufgabe der Pflegekasse, innerhalb von zwei Wochen einen konkreten Beratungstermin unter Nennung des zuständigen Pflegeberaters anzubieten. Alternativ gibt es die Möglichkeit einen zweiwöchig geltenden Beratungsgutschein (§ 7b SGB XI) mit Nennung von kooperierenden Beratungsstellen auszustellen. Der Versicherte kann diesen zu Lasten der Pflegekasse einlösen (§ 7a Abs. 4 Satz 5). Es ist dabei die Pflicht der Pflegekasse, über die Möglichkeit der Beratung in häuslicher Umgebung aufzuklären.
Die im § 7c SGB XI gesetzlich geregelten Pflegestützpunkte folgen dem Prinzip der wohnortnahen Beratung, Versorgung und Betreuung der Versicherten. Pflegekassen und Kommunen können Pflegestützpunkte einrichten, sofern die oberste Landesbehörde dies bestimmt. Die Einrichtung von Pflegestützpunkten bleibt eine länderspezifische Regelung. Die Beratung muss auch hier neutral und unabhängig sowie sektorenübergreifend unter Einbeziehung aller möglichen Hilfs- und Unterstützungsangebote erfolgen.
Möglichkeiten der Pflegeberatung in Bayern
Grundsätzlich finden sich auch in Bayern drei mögliche Formen der Pflegeberatung: die aufsuchende und telefonische Pflegeberatung, beide geregelt in §7 a/b SGB XI, sowie die Beratung in Pflegestützpunkten (§ 7c SGB XI). Träger aller drei Formen ist die Pflegekasse, die Pflegestützpunkte werden zusätzlich durch die Kommunen mitgetragen.
Die aufsuchende Pflegeberatung dient dazu, Information und Beratung zu sozialen, rehabilitativen, therapeutischen und pflegerischen Aspekten des täglichen Lebens zu geben. Dabei erfolgt durch den Pflegeberater eine Analyse der individuellen Situation des Pflegebedürftigen mit einer systematischen Erfassung des Hilfebedarfs. Neben der pflegerischen Situation ist es wichtig, die hauswirtschaftliche Situation sowie die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben zu erfassen. Unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden gesundheitsfördernden, präventiven, kurativen, rehabilitativen oder sonstigen medizinischen und pflegerischen Leistungen wird ein individueller Versorgungsplan mit Empfehlungen für die jeweilige spezifische Situation erstellt.
Eine weitere Aufgabe der Pflegeberatung ist es, Hilfestellung bei der Auswahl und Inanspruchnahme von Leistungen zu geben, erforderliche Maßnahmen gegebenenfalls zu veranlassen und auf deren Realisierung hinzuwirken sowie Leistungen und Netzwerke zu koordinieren. Eine aufsuchende Pflegeberatung bietet sich demnach insbesondere bei komplexen Pflegesituationen an, um der persönlichen Wohn-, Lebens- und Beziehungssituation gerecht zu werden. Die aufsuchende Pflegeberatung bietet somit die Möglichkeit des konkreten Fallmanagements.
Die telefonische Pflegeberatung kann direkt durch die jeweilige Pflegekasse erfolgen. In Bayern besteht mit dem Pflegeservice Bayern (Telefon: 08007721111, Montag bis Freitag, 8 bis 18 Uhr) zusätzlich ein pflegekassenübergreifendes, neutrales Angebot. Die telefonische Pflegeberatung hat die Aufgabe, über die Versorgungsmöglichkeiten und Leistungen bei Pflegebedürftigkeit aufzuklären. Dabei ist der Pflegeservice Bayern eine Erstanlaufstelle für Versicherte, Betreuer und Angehörige. Ihr Vorteil liegt in einer schnellen Kontaktaufnahme, der sofortigen Bearbeitung und möglicherweise Lösung des Anliegens. Die telefonische Pflegeberatung hilft unter anderem bei der Suche nach Diensten, Professionen und Einrichtungen. Zudem können auch Entlastungsgespräche mit beispielsweise pflegenden Angehörigen geführt werden, wenn die häusliche Pflegesituationen angespannt ist. Wenn Anfragen telefonisch nicht ausreichend bearbeitet werden können, kann die Vermittlung einer aufsuchenden Pflegeberatung über die jeweilige Pflegekasse erfolgen.
Als dritte Säule ist in Bayern eine Pflegeberatung in einem der insgesamt neun Pflegestützpunkte (Coburg, Nürnberg, Roth, Neuburg-Schrobenhausen, Schweinfurt, Bad Neustadt, Hassfurt, Würzburg und Schwabach) möglich. Die Stützpunkte werden hälftig von den Kommunen und den Pflegekassen getragen. Die Beratung in Pflegestützpunkten ist im § 7c SGB XI festgelegt und definiert. Jeder gesetzlich Versicherte kann den Pflegestützpunkt aufsuchen und zu allen Themen der Pflege und zu Hilfen im Alter Informationen und Beratung erhalten. Bei der Beratung steht vor allem die Abklärung der persönlichen Situation und des individuellen Hilfebedarfs im Vordergrund.
Da Pflegestützpunkte in die kommunalen Strukturen eingebunden sind, kann in der Beratung ein besonderer Aspekt auf die wohnortnahen Besonderheiten gelegt werden. Auch über die Mitarbeiter eines Pflegestützpunktes ist eine Koordinierung der Hilfs- und Unterstützungsangebote möglich. Zudem können Versorgungslücken identifiziert und bei Bedarf Impulse für neue und innovative Versorgungskonzepte in einer Region gegeben werden.
Fazit
Die Pflegebedürftigkeit eines nahestehenden Menschen tritt manchmal schleichend, manchmal unerwartet ein, sodass Bezugspersonen in der Regel und mitunter rasch eine Versorgung initiieren und sicherstellen müssen. Die Angebote, die zur Verfügung stehen, sind häufig aus Betroffenenperspektive unübersichtlich und schwer verständlich. Mit der Pflegeberatung steht ein kostenfreies Hilfeangebot zur Verfügung. Die Pflegeberatung nach §§7a-7c SGB XI dient der Unterstützung und Begleitung der Betroffenen und seiner Bezugspersonen, eine adäquate Versorgung sicherzustellen. Wesentliche Ziele sind dabei der Verbleib der pflegebedürftigen Person in der eigenen Häuslichkeit und die Entlastung pflegender Angehöriger.