Das bayerische Bier ist, weit über seine wirtschaftliche Bedeutung hinaus, heute ein fester Bezugspunkt im Selbstverständnis des Freistaats und seiner Bewohner. Aber war dies schon immer so? Und wo liegen die Gründe hierfür?
Bayern war, nimmt man dessen schriftliche Ersterwähnung bei dem gotischen Schriftsteller Jordanis um das Jahr 550 zum zeitlichen Maßstab, in den ersten Tausend Jahren seiner Geschichte kein Bier-, sondern ein Weinland. Die bayerischen Klöster hatten bereits früh ihren Weinbergbesitz bis Südtirol und in die Wachau ausgedehnt, und in die Pflege, in den Transport und in den Handel mit dem Wein steckte man viel Mühe und Aufwand. Aber auch im Bayerland selber wurde der Wein großflächig angebaut. Er prägte ganze Landstriche, wurde er doch nicht nur im Donauraum, sondern auch entlang der Flusstäler von Isar, Rott und Inn bis weit hinein in das Voralpenland gepflegt. Zahlreiche Orts- und Flurnamen wie Weingarten und Weinberg, aber auch Weinleite und Weinkreppe erzählen von dieser Vergangenheit. Selbst für das heute größte Hopfenanbaugebiet der Welt, die Hallertau, ist bis in das späte 13. Jahrhundert Weinbau belegt, und auch in der Stadt Spalt, Zentrum des fränkischen Hopfenbaus, wuchsen noch im 15. Jahrhundert Wein- und Hopfengärten einträglich nebeneinander.
Zögerliche Anfänge
Freilich, es gibt auch für den bayerischen Raum genügend Hinweise auf die frühe Existenz von Bier. Im Gegensatz zum Salz oder eben zum Wein war jedoch mit Bier zunächst kein Geld zu verdienen. Dies belegt bereits ganz deutlich der erste schriftliche Nachweis von Bier in Bayern überhaupt. Im Jahr 815 verzeichnete die bischöfliche Kanzlei auf dem Domberg in Freising die exakten Abgaben, die der Pfarrer von Oberföhring seinem Bischof Hitto an jährlichem Zins zu leisten habe: „eine Fuhre Bier, 2 Scheffel Mehl, 1 Frischling, 2 Hühner und 1 Gans.“
Der Eintrag „una carrada de cervisa“ belegt zwar, dass in Bayern vor 1.200 Jahren Bier getrunken wurde, als Nachweis für die Existenz eines organisierten Braugewerbes kann er jedoch kaum dienen. Das aus Feldfrüchten hergestellte Bier war, wie zahlreiche weitere Quellen aus jener Frühzeit der bayerischen Geschichte belegen, nichts anderes als ein Teil des Naturalabgabensystems. Dieses damalige Steuersystem, das nicht auf Geld, sondern auf Naturalien basierte, war wie in ganz Europa auch in Bayern bis weit in das 13. Jahrhundert hinein üblich. Bier wurde also als Beitrag zur Bestreitung des täglichen Lebens verstanden, es war, wie das Brot, ein alltägliches Nahrungsmittel aus landwirtschaftlicher Produktion.
Gebraut wurde es in den Bauernhofküchen des Landes, als Brauwerkzeug reichten ein Kupferkessel, ein Rührstab und ein offenes Feuer. Brauhäuser, also Gebäude, die eigens und allein zum Zwecke des Bierbrauens errichtet wurden – das Mittellatein als damals gebräuchliche Schriftsprache kannte hierfür das Wort praxatorium –, gab es zu dieser Zeit in Bayern noch nicht. Selbst die viel beschworene Existenz von Klosterbrauereien ist in Bayern bis in das 13. Jahrhundert hinein quellenmäßig nicht belegbar. Die angeblichen Gründungsjahre 1040 für die Klosterbrauerei Weihenstephan und 1050 für die Klosterbrauerei Weltenburg können wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden.
Bier war auch kein allein bayerisches Phänomen, wie ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt. Die im ersten Viertel des 8. Jahrhunderts niedergeschriebene Lex Alamannorum etwa hielt bereits rund 100 Jahre vor der bayerischen Erstnennung von Bier fest, dass auch dem schwäbischen Klerus an Naturalabgaben neben einem Schwein, Brot, Hühnern und Eiern eben auch Bier zustehe. Die Theorie des Gesetzbuches wird bestätigt durch ein Abgabenverzeichnis der Benediktinerabtei St. Gallen in der Schweiz, das für das Jahr 754 regelmäßige Bierabgaben aufführt.
Weit voraus war man auch in Norddeutschland: Hier hatte sich, begünstigt durch die Vertriebsmöglichkeiten der Hanse, das Braugewerbe spätestens im 14. Jahrhundert zu einem florierenden Wirtschaftszweig mit enormen Absatzmärkten entwickelt. Hamburg, auch Brauhaus der Hanse genannt, belieferte England, Holland, Flandern und Brabant mit Bier, Wismar den skandinavischen Markt, und Danzig das gesamte Baltikum.
Landesverordnungen als Garant der Bierqualität
In Bayern dagegen dominierte bis weit in das Spätmittelalter hinein der Wein, der nicht nur weitaus haltbarer war – was seine hohe Tauglichkeit als Handelsgut erklärt – sondern auch weitaus besser schmeckte als das Bier, das zu jener Zeit noch je nach Belieben aus den unterschiedlichsten Ingredienzen zusammengebraut wurde. Wollte man das Bier also als Wirtschaftsprodukt etablieren, musste man zunächst für eine entsprechende Qualität sorgen. Die Grundlagen hierfür schuf der Landesherr. Vorbereitet durch einzelne städtische Verordnungen – als die derzeit älteste im altbayerischen Raum darf sich diejenige der Stadt Landshut aus dem Jahr 1409 rühmen – war es schließlich die bayerische Landesordnung aus dem Jahr 1516, die den entscheidenden Schritt hierzu leistete. Der entsprechende Passus über das Bierbrauen im Land nennt mit Gerste, Hopfen und Wasser die einzig erlaubten Zutaten zum Bierbrauen und garantiert somit die Güte und vor allem die Gesundheitsverträglichkeit des bayerischen Biers.
Wie wichtig diese Neuregelung war, zeigt ein Brauereid der Zeit vor 1516: Demnach war es gang und gäbe, in den Braukessel neben Gerste, Hopfen und Wasser allerhand obskure Wurzeln, Kräuter und andere Geschmacksverstärker hineinzumischen, wie Wacholderbeeren, Süßholz (ein stark nach Lakritze schmeckendes Kraut), Pariskörner (ein giftiges Gewürz zur Verfälschung des Safrans), Pech, Asche und dergleichen mehr.
Welche positiven Folgen das Reinheitsgebot zeitigte, lassen sehr schön die Reaktionen auf dem bayerischen Landtag 1542 – dem ersten nach Einführung des Reinheitsgebots – erkennen: Mit Unbehagen erinnerten sich die Vertreter der Landstände daran, dass vor einiger Zeit noch ein „solch Bier gebrauet, das Niemand geniessen, noch wohl brauchen mögen, davon auch etlich Personen grosse Krankheiten, Gefährlichkeit und Nachtheil ihres Leibes erlangt.“ Jetzt aber stellten die Abgeordneten verwundert fest, dass „vor kurzen Jahren nicht der zehente Theil Bierbrauer im Land gewest, der doch ietzt ob tausend darinnen gefunden, die alle reich, und zu Herrn wurden.“ Der hier konstatierte Aufschwung war vermutlich eine klare Folge des 25 Jahre zuvor erlassenen Reinheitsgebots.
Ein weiterer, ganz entscheidender gesetzlicher Eingriff kam mit der von Herzog Albrecht V. erlassenen Landesordnung im Jahr 1553, in der die Brauzeit auf die kühlen Monate von Ende September bis Ende April beschränkt und damit die latent vorhandene Gefahr des verdorbenen Biers ausgeschlossen wurde. Für die Biertrinker ergab sich daraus der angenehme Nebeneffekt, dass die Bierbrauer nun ab März ein besonders kräftiges, weil dadurch weit in den Sommer hinein haltbares Bier brauten, das sogenannte Märzenbier – ein Biertyp, der noch heute zu den beliebtesten Biersorten im Land gehört.
Die im 16. Jahrhundert obrigkeitlich festgelegte Bierqualität führte zu einem spürbaren Aufschwung des bayerischen Brauwesens. Während zur selben Zeit das Brauwesen der norddeutschen Städte, durch keinerlei landesherrliche Verordnungen diszipliniert, in einen nicht mehr aufzuhaltenden Verfall geriet. Im ganzen Land finden wir jetzt Belege für die Existenz von Brauhäusern. Zu den selten gewordenen, noch erhaltenen Brauhaus-Gebäuden aus jener Zeit gehören das in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts errichtete Brauhaus Isareck bei Moosburg im Landkreis Freising, ein mit der Jahreszahl 1548 bezeichnetes Brauhaus in der oberpfälzischen Stadt Nabburg sowie das in prominenter Lage am städtischen Kirchplatz stehende stattliche Brauereigebäude im schwäbischen Weißenhorn, das dort die Fugger im Jahr 1565 hatten errichten lassen; zu den ältesten Brauhäusern in Bayern überhaupt zählt das noch vor 1525 errichtete Brauhaus in Haag in Oberbayern.
Für die gesellschaftliche Etablierung des Biers sorgten die Landesfürsten. Um die Kosten der in jener Zeit rapide gestiegenen Repräsentationsbedürfnisse zu reduzieren, begannen sie, das Bier für den Hofstaat auf eigene Rechnung zu brauen. Vorreiter war der Fürstbischof von Freising, der sich im Jahr 1537 ein Hofbrauhaus auf dem Domberg errichten ließ. Auch auf den Wittelsbacher Burgen in Landshut und Burghausen entstanden jetzt kleine Brauhäuser – dasjenige auf der Burghauser Burg lebt heute als Burgcafé fort –, und in der Residenzstadt München ließ Herzog Wilhelm V. 1589 das Bad- und Hennenhaus im Alten Hof durch ein Brauhaus ersetzen – Gründungsakt des bis heute existierenden Staatlichen Hofbräuhauses.
Herzog Maximilian I. und das Weißbiermonopol
Eine gänzlich neue Epoche in der bayerischen Bierbrauereigeschichte begann mit dem Herzog und späteren Kurfürsten Maximilian I. Keiner der bayerischen Landesherren vor und nach ihm übte einen derart großen Einfluss auf die Entwicklung des Brauwesens aus wie er. Als Maximilian im Jahr 1598, im Alter von nur 25 Jahren, von seinem abgedankten Vater Wilhelm V. das Land übernahm, stand dieses am Rande des Staatsbankrotts – ein Schlüsselerlebnis für den jungen Herzog, der daraufhin nur eine Maxime kannte: Ausgaben sparen und Einnahmen steigern.
Ständig auf der Suche nach neuen Einnahmequellen, verfiel er schließlich auf die wegweisende Idee, als selbstständiger Unternehmer in den bayerischen Biermarkt einzugreifen. Hierbei kam dem Herzog das Aufkommen eines gänzlich neuen Biertyps zugute. Das von den bayerischen Bierbrauern seinerzeit hergestellte Bier war ein untergärig gebrautes Braunbier, das nur bei kühlen Temperaturen produziert werden konnte. Im Laufe des 16. Jahrhunderts drang nun – freilich zunächst nur sehr zögerlich – eine bis dato unbekannte Biersorte von Böhmen aus nach Altbayern vor: das Weißbier. Dessen entscheidender Vorteil war der, dass es – weil obergärig – problemlos auch in den warmen Sommermonaten gebraut werden konnte.
Im Herzogtum Bayern war das Bierbrauen mit Weizen zu dieser Zeit noch verboten, hielt man doch den Weizen als Grundnahrungsmittel für so wertvoll, dass dessen Verwendung zum Bierbrauen als reine Verschwendung galt. Nur zwei Familien in Niederbayern war es, herzoglich privilegiert, erlaubt, Weißbier zu brauen: Die Reichsfreiherren der Degenberger, ein mächtiges Ministerialen-Geschlecht mit Sitz in Schwarzach, das durch eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik vor allem im vorderen und mittleren Bayerischen Wald zu reichem Güterbesitz gelangt war, hatten im August 1548 ein entsprechendes Privileg erhalten. Und die aus dem Fränkischen stammenden Reichsgrafen der Schwarzenberger hatten für ihre kleine Herrschaft Winzer an der Donau in Ansehung ihrer langjährigen Dienste für den Herzog im Juni 1586 ein ebensolches verliehen bekommen.
Als die Degenberger im Juni 1602 im männlichen Stamm ausstarben, erkannte Maximilian I. sofort die finanziellen Möglichkeiten, die sich durch ein Weißbierbrauen in Eigenregie boten. Aufgrund eines alten Erbschaftsvertrags aus dem Jahr 1488 zog er das Degenberger Weißbierprivileg ein und erklärte es zum herzoglichen Eigentum. Um daraufhin nicht mit der Familie der Schwarzenberger in eine unnötige Konkurrenzsituation zu geraten, kaufte Maximilian deren Privileg kurzerhand um eine hohe Bargeldsumme zurück. Der Übergang des Degenberger Weißbierbrauwesens auf den bayerischen Herzog gestaltete sich rasch und unkompliziert: Nur sechs Wochen nach dem Tod des letzten Degenbergers notierte das Hofkammerprotokoll, dass der Herzog deren Brauwesen unverändert übernehmen und auf eigene Rechnung weiter betreiben werde. Diese Anweisung, datiert auf den 1. August 1602, bedeutet nicht nur die Geburtsstunde des herzoglichen Weißbierbrauens, sondern auch den endgültigen Durchbruch des Biers als bayerisches Nationalgetränk.
Bedenken der Landstände gegen das neue Weißbier
Zunächst freilich sah sich der Herzog mit massiven Bedenken der Landstände konfrontiert.
Diese hatten sich auf den beiden Landtagen von 1605 und 1612 über die heraufziehende Konkurrenz des herzoglichen Weißbiers vehement beschwert. Zahlreiche Bierbrauer, so die Vertreter der Landstände, hätten bereits ihren Beruf aufgeben müssen, das schöne Brot werde aufgrund des hohen Weizenbedarfs der Weißbierbrauereien immer kleiner, und überhaupt schade das Weißbier der Gesundheit, ohne auch nur halbwegs den Durst zu löschen.
Maximilian I. widerlegte die Vorwürfe Punkt für Punkt und zeigte sich gerade über den letzten Einwurf sehr befremdet, bezeuge doch „die tegliche Erfarung, […] das khein Tranckh mer khielt, noch den Dursst belder lesche, als eben das weiß Pier.“ Und bezüglich der angeblichen Gesundheitsgefährdung entgegnete der Herzog knapp, dass es durchaus viele Länder gebe, in denen man „schyer am maisten weiß Pier thrinkht, vnd dannoch dieselben leith, nit dursts sterben.“ Maximilian ließ sich durch die Beschwerden der Landschaft nicht vom weiteren Ausbau seines Weißbierwesens abbringen; zu einer neuerlichen Einberufung des Landtags kam es unter seiner Regierung freilich nicht mehr.
Der Anfangserfolg des landesherrlichen Brauwesens war derart groß, dass zur Befriedigung der allgemeinen Nachfrage die von den Degenbergern übernommenen drei Brauhäuser in Schwarzach, Linden und Zwiesel bald nicht mehr ausreichten. Neue, leistungsstärkere Brauhäuser mussten gebaut werden. Innerhalb von nur fünf Jahren, zwischen 1607 und 1612, entstanden auf diese Weise die herzoglichen Brauhäuser in München, Kelheim und Traunstein.
Am Ende der Regierungszeit Maximilians waren es fünfzehn Brauhäuser, die auf Rechnung des Landesherrn liefen – der Grundstock für eine flächendeckende Versorgung des Landes mit Weißbier war gelegt. Maximilian I. hatte das weiße Brauwesen zu einem umsatzstarken und vor allem gewinnträchtigen Staatsunternehmen ausgebaut. Unter seiner Regie war es zum einträglichsten Einzelposten der kurfürstlichen Einnahmen geworden: nur ein Jahrzehnt nach seinem Tod hatten die Einnahmen des Weißbiermonopols diejenigen des Salzmonopols überflügelt.
Brauhäuser als landesherrliche Ausrufezeichen
Die hohe Bedeutung des Brauwesens schlug sich, für jedermann sichtbar, in der Architektur der Brauhäuser nieder. Zum Teil von bedeutenden Hofbaumeistern errichtet, verkörperten sie bereits durch ihre Größe und Lage einen herrschaftlichen Anspruch. Die in ihrem äußeren Erscheinungsbild bis heute nahezu unverändert erhaltenen Brauhäuser in Kelheim, Schwarzach und Vilshofen, mit Längen zwischen 70 und 90 Metern von für Gewerbebauten ihre Zeit außergewöhnlicher Stattlichkeit, wissen bis heute zu beeindrucken. Die Schwemme des Münchner Hofbräuhauses am Platzl, baulicher Rest der einstigen Weißbierbrauerei an dieser Stelle, gibt mit ihrer lichten Höhe und Weite trotz des im Jahr 1896 hier eingezogenen Großausschank-Betriebs noch heute ein imponierendes Bild eines frühneuzeitlichen Sudhauses des 17. Jahrhunderts.
Noch eindrucksvoller zeigt sich das Sudhaus der Schwarzacher Weißbierbrauerei. Der 1685-89 hochgezogene Neubau des Münchner Hofbaumeisters Giovanni Antonio Viscardi – die Pläne aus seiner Hand haben sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv erhalten – ist eine zweischiffige hohe Halle, deren fein gemauerte Ziegelgewölbe auf sorgfältig gearbeiteten Steinsäulen ruhen.
Der große Erfolg des weißen Brauwesens hatte vielfältige Gründe und basierte prinzipiell auf dem bewährten maximilianeischem Grundprinzip des Ausgaben-Sparens und Einnahmen-Steigerns. Was einfach klingt, erforderte eine straffe und effektive Organisation. Maximilian hatte hierzu das weiße Brauwesen in die Behördenstruktur der bayerischen Staatsverwaltung eingegliedert. Die alleinige Verantwortung über das Brauwesen lag in den Händen der obersten Finanzbehörde des Landes, der Hofkammer – wie ja auch noch heute das Staatliche Hofbräuhaus in den Zuständigkeitsbereich des bayerischen Finanzministers fällt. Als neuer Bestandteil der bayerischen Unterbehörden wurden Brauämter geschaffen, die in der Regel aus einem Bräuverwalter und einem Bräugegenschreiber bestanden. Die neugeschaffenen Brauämter hatten von Anfang an einen hohen Stellenwert innerhalb der bayerischen Ämterhierarchie. Bereits für das Amt des – niedriger gestellten – Bräugegenschreibers war eine ausgewiesene Berufserfahrung in anderen Ämtern Grundvoraussetzung: Berufsanfänger blieben unberücksichtigt.
Ein weiterer wichtiger Faktor für den Verkaufserfolg war die hohe Qualität des herzoglichen Weißbiers. Hierfür entscheidend war die Güte des verwendeten Hopfens. Seine Inhaltsstoffe, die dem Bier sein würziges und bitteres Aroma verleihen und zur Festigkeit der Schaumkrone beitragen, wirken klärend und – für die damalige Zeit wichtig – konservierend zugleich. Die Brauhäuser des Landesherrn bevorzugten den teuren böhmischen Hopfen, der bereits in der frühen Neuzeit eine europäische Spitzenposition einnahm und noch heute zum teuersten des Weltmarktes gehört. Andere Hopfenregionen, darunter diejenigen des Inlandes, spielten dagegen nur eine
untergeordnete Rolle.
Der Landesherr verdrängt den Wein
Möglicherweise noch wirkungsvoller als die konstante Qualität des Weißbiers waren die landesherrlichen Maßnahmen zur Ausschaltung der Konkurrenz. Hierzu gehörte zunächst das Verbot des Weißbierbrauens für sämtliche Bierbrauer im Herzogtum. Betroffen waren alle, also auch die Klöster, der Adel und die Städte. Als Kontrolleure fungierten die Rentmeister, die im Zuge ihrer jährlichen Umritte etwaige Verstöße dagegen unverzüglich nach München zu melden hatten.
Zum durchschlagenden Erfolg der Weißbierpolitik Maximilians trug auch die gezielte Verdrängung des Weins bei. Gerade bei kühlen Temperaturen bevorzugten die Menschen bis in das 17. Jahrhundert hinein nach wie vor den Wein. Der Straubinger Rentmeister zum Beispiel erklärte die niedrigen Verkaufszahlen von Weißbier im Jahr 1605 mit dem schlechten Wetter im August, das die Leute bevorzugt Braunbier und Wein trinken ließe. Und als fünf Jahre später ein erneuter Rückgang der Weißbierproduktion festzustellen war, wurden die Ursachen u. a. in dem ausgesprochen gelungenen Weinjahrgang des Vorjahres vermutet. Um den Weinkonsum wirkungsvoll einzudämmen, erließ Maximilian im Jahr 1605 – also drei Jahre nach Einführung des Weißbiermonopols – kurzerhand eine Instruktion, mit der die Getränkesteuer auf den in den Wirtshäusern ausgeschenkten in- und ausländischen Wein um fünfzig Prozent erhöht wurde. Gleichzeitig wies der Herzog an, dass jeder Wirt im Land jederzeit einen ausreichenden Vorrat an Weißbier im Keller zu lagern habe. Die landesherrlichen Maßnahmen verfehlten ihre Wirkung nicht: Der Weinhandel in den Städten und Märkten ging rapide zurück, und immer mehr Weinwirte im Land baten, da der Weinausschank in den Gasthäusern kein ausreichendes Auskommen mehr garantierte, um die zusätzliche Konzession zum Weißbierausschank.
Vorbildfunktion für die Fürstbischöfe
Der wirtschaftliche Erfolg, der Maximilian mit seinen Weißbierbrauereien beschieden war, sprach sich rasch im Reich herum. Im Laufe des 17. Jahrhunderts begannen nahezu sämtliche Landesfürsten im süddeutschen Raum mit der Bierbrauerei in Eigenregie. Hierzu gehörten die Fürstentümer Pfalz-Neuburg und Pfalz-Sulzbach ebenso wie die fränkischen Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth. Noch heute ein besonders eindrucksvolles Zeugnis hierfür ist die 1674 durch den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach gegründete Brauerei Zirndorf im Landkreis Fürth. Im dortigen Sudhaus, einem 1735/43 errichteten Sandsteinbau des großen Barockbaumeisters Johann David Steingruber, wird nach wie vor Bier gebraut.
Geschlossen unter die Bierbrauer gingen die süddeutschen Fürstbischöfe: Ob Salzburg oder Passau, ob Freising, Regensburg oder Eichstätt, ob Augsburg oder Bamberg, ja selbst im weinverwöhnten Würzburg: Jeder der genannten Fürstbischöfe gründete ein eigenes Brauwesen, die meisten unter ihnen ließen gleich mehrere Hofbrauhäuser errichten (die Pläne für dasjenige in Würzburg lieferte Balthasar Neumann).
Manche dieser Brauhäuser sind, mittlerweile in Privatbesitz, bis heute in Betrieb. Hierzu zählen das Gräfliche Hofbrauhaus Freising, die aus einem Hofbrauhaus des Salzburger Fürstbischofs hervorgegangen Privatbrauerei Wieninger in Teisendorf östlich von Traunstein, oder, beide Gründungen der Fürstbischöfe von Eichstätt, die Privatbrauerei Hofmühl unterhalb der Willibaldsburg in Eichstätt sowie die sinnigerweise auf Weißbier spezialisierte Brauerei Gutmann im Markt Titting nördlich von Eichstätt. Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang die um das Jahr 1618 im Bereich der einstigen Sommerresidenz Hacklberg gegründete Brauerei Hacklberg des Fürstbischofs von Passau dar, die, als einzige in Bayern, trotz Säkularisation nach wie vor im Eigentum des Bistums Passau ist.
Auch die bayerischen Reichsstädte hatten die Zeichen der Zeit erkannt. Regensburg richtete sich, nachdem der Regensburger Fürstbischof bereits 1608 ein weißes Brauhaus im rund 25 Kilometer östlich gelegenem Wörth an der Donau hatte bauen lassen, im Jahr 1620 ein städtisches Weißbierbrauhaus ein, die Reichsstadt Nürnberg folgte 1643. In Nürnberg war der Weißbierbrauerei ein derartiger Erfolg beschieden, dass der Stadtrat keine dreißig Jahre später den Neubau eines weitaus größeren Brauhauses beschließen musste. Das prächtige, 1672 fertiggestellte Brauhaus mit aufwendiger Barockfassade ging im Luftkrieg über Nürnberg zugrunde.
Die Klöster folgen dem Trend der Zeit
Die Klöster folgten ebenfalls dem Vorbild der Landesherren und begannen, ihre bisher in erster Linie auf den Eigenbedarf ausgerichteten Brauhäuser auf einen gewerblichen Braubetrieb umzustellen. Die Welle intensiver Bautätigkeit, die nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs ganz Bayern erfasst hatte, schlug sich auch im Brauwesen nieder. Im ganzen Land entstanden neue Brauhäuser, und die Klöster machten hier keine Ausnahme. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts, auf dem Höhepunkt der bau- und repräsentationsfreudigen Barockzeit, war das Brauhaus zur eigenständigen Bauaufgabe mit repräsentativem Anspruch geworden.
Eine enorme baukünstlerische Aufwertung war die Folge. Zu den herausragenden Beispielen gehören das neue Stiftsbrauhaus in Kempten, aber auch der prächtige Brauereineubau der Deutschordensresidenz Ellingen. Selbst für vermeintlich nachrangige Brauereinebengebäude wurde ein heute kaum mehr nachvollziehbarer architektonischer Aufwand betrieben. Als das Augustiner-Chorherrenstift Polling südlich von Weilheim ein neues Kellergebäude zur Lagerung des Märzenbiers benötigte, betraute man mit der Planung keinen Geringeren als den damals bereits berühmten (und vermutlich auch sehr teuren) Kirchenbaumeister Johann Michael Fischer, dessen 1746 vollendetes Meisterwerk mit ausgefeilter Gewölbetechnik dort noch heute zu bestaunen ist.
Der Landesherr zieht sich vom Bierbrauen zurück – und bleibt präsent
Das Ende des Alten Reiches 1806 bedeutete auch das Ende der feudalen Lebenswelt und damit das Ende des landesherrlichen Brauwesens. Die Wittelsbacher gaben ihr Weißbiermonopol im Jahr 1798 auf, was jedoch mitnichten das Ende des landesherrlichen Einflusses auf die bayerische Bierbrauerei bedeutete. Die Wittelsbacher fühlten sich der Sorge um die bayerische Bierqualität weiterhin verpflichtet. So wurde die Bierbrauerei früh zu einem eigenen Unterrichtsfach an der 1822 in Oberschleißheim gegründeten und 1852 nach Weihenstephan verlegten Königlich Bayerischen Landwirtschaftlichen Lehranstalt. Die 1895 zur Königlich Bayerischen Akademie für Landwirtschaft und Brauerei umbenannte Lehr- und Forschungseinrichtung erhielt im Jahr 1905 schließlich eine moderne Versuchs- und Lehrbrauerei, die, als spektakulärer Eisenbetonbau der Gebrüder Rank, dort noch heute zu bestaunen ist.
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte bereits den Übergang vom Braugewerbe zur Brauindustrie eingeläutet. Durch die Aufhebung des Gewerbezwangs 1868 unter König Ludwig II. setzte sich der starke Konzentrationsprozess innerhalb des Braugewerbes fort, und die dadurch entstandenen Großbrauereien steigerten die Ausstoßzahlen um ein Vielfaches. Technische Neuerungen wie die Einführung der Dampfmaschine 1875 oder – weil Voraussetzung für den überregionalen Vertrieb – die Einführung des Flaschenbiers um 1895 sorgten für enorme Steigerungsraten im Braugewerbe. Bayernweit einen hohen Anteil erreichte dadurch der Bierexport. Insbesondere die Großbrauereien in Franken, allen voran in Nürnberg und Kulmbach, profitierten hierbei von dem durch die bayerischen Könige forcierten Ausbau des Eisenbahnsystems, aber auch des Schiffsverkehrs.
Der wirtschaftliche Erfolg war überzeugend. Zwei Zahlen mögen an dieser Stelle genügen: 1857 gab die bayerische Bevölkerung jährlich rund 50 Millionen Gulden nur für Bier aus, eine Summe, die in etwa dem eineinhalbfachen des damaligen bayerischen Gesamtstaatshaushalts entsprach. Und eine zweite Zahl, um den Export zu dokumentieren: Im Jahr 1913 kam jede zehnte auf der Welt getrunkene Halbe Bier aus Bayern. Spätestens am Ende der Prinzregentenzeit also hatte sich Bayern seinen bis heute legendären Ruf als Bierland erarbeitet.
Fazit
Der Aufstieg des bayerischen Biers zu heutiger Weltgeltung ist in hohem Maße auf die Obhut der bayerischen Landesherren zurückzuführen. Am Anfang stand der Wunsch der Herzöge, das Bier als gesundes und nahrhaftes Getränk im Land zu etablieren. Hierzu wurden mit dem Reinheitsgebot 1516 und dem Sommerbrauverbot 1553 Qualitätsstandards gesetzt, von denen die Bierbrauerei im Freistaat bis heute profitiert.
Die größte Leistung der Wittelsbacher aber war der zwei Jahrhunderte währende professionelle Betrieb des Weißbiermonopols. Der hohe Anspruch, den der Landesherr an die Qualität seines Weißbiers stellte, die straffe Verwaltung seines unternehmerisch geführten Brauwesens und die im ganzen Land verteilten repräsentativen Brauhäuser strahlten als fürstliches Vorbild auf das gesamte Brauwesen in Bayern ab. Und nebenbei verhalfen die Wittelsbacher mit ihrem Weißbiermonopol einer Biersorte zum Durchbruch, die heute das am meisten gebraute Bier im Freistaat ist. Im 19. Jahrhundert schließlich waren es die Grundsteinlegung des Münchner Oktoberfestes und die Erlaubnis zum Bierausschank in den bayerischen Biergärten durch König Max I. Joseph, mit denen die Wittelsbacher weitere, vor allem emotionale Impulse setzten – vielleicht die entscheidenden Impulse für das von der heutigen Bierbranche so werbewirksam vermarktete Bayern-Klischee vom glückseligen Bierparadies auf Erden.