I.
In der Notfallmedizin ist man mit einem breiten Spektrum an Notfällen konfrontiert, die die unterschiedlichsten Ursachen haben und alle Bereiche der Medizin betreffen können. Diese Notfälle muss man gerade im präklinischen Bereich mit einer begrenzten Ausstattung an Geräten und Medikamenten, eingeschränkten diagnostischen Möglichkeiten und limitierten personellen Ressourcen bewältigen. Durch den Zeitdruck, die unbekannte Umgebung und den in der Regel fremden Patienten entstehen besondere Rahmenbedingungen, die eine besondere psychologische Belastungssituation darstellen.
Betrachtet man die Einsatzrealität, ist der überwiegende Teil der Notfälle nicht vital bedrohlich, wenngleich aus Sicht der Betroffenen eine individuelle Notfallsituation besteht, die einer zeitnahen Intervention bedarf. Bei gut einem Viertel der Patienten ist von einer akut lebensbedrohlichen Situation auszugehen, immerhin etwa fünf Prozent der Patienten sind beim Eintreffen des Rettungsdienstes bereits tot oder versterben im weiteren Verlauf. Bei knapp einem Prozent der im Rettungsdienst behandelten Patienten werden Wiederbelebungsmaßnahme im Rahmen einer kardiopulmonalen Wiederbelebung durchgeführt, und zumindest vorübergehend die Wiederherstellung eines Spontankreislaufes erreicht. Das bedeutet, dass in Deutschland etwa 70 Reanimationen pro 100.000 Einwohner durchgeführt werden. In ungefähr 30 Prozent dieser Fälle ist die Reanimation primär erfolgreich.
Wegen der Häufigkeit des Herzkreislaufstillstandes und der Verfügbarkeit von aktuellen Behandlungsleitlinien wurde der Herzkreislaufstillstand als eigenes Krankheitsbild im aktuellen Eckpunktepapier 2016 zur notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung nun auch zu den Tracer-Diagnosen (Schlaganfall, schweres Schädel-Hirn-Trauma, Schwerverletzte/Polytrauma, ST-Hebungsinfarkt, Sepsis) aufgenommen.
Im Bereich des Notarztwesens und im Rettungsdienst sind die akuten Todesfälle und Wiederbelebungen überwiegend den Herz- und Kreislauferkrankungen zuzuordnen. Eine genaue Zuordnung ist nicht zuletzt wegen der niedrigen Sektionsraten nur schwer möglich. Beim plötzlichen Herztod geht man davon aus, dass etwa ein Viertel der zugrundeliegenden Erkrankungen eine genetische Komponente hat (bestimmte Herzrhythmusstörungen, Fettstoffwechselstörungen) und eine familiäre Häufung möglich ist. Daneben sind natürlich auch durch Trauma bedingte Todesfälle eine regelmäßig zu beobachtende Ursache für den plötzlichen Tod. Hierbei sind Schädel-Hirn-Traumata und Verletzungen des Brustkorbes oft die führenden Verletzungsmuster.
Für die verschiedenen Arten und Umstände des Herz-Kreislaufstillstandes (Erwachsene, Kinder, Neugeborene, Unterkühlung, Trauma, Schwangerschaft) werden standardisierte Behandlungsleitlinien und Ablaufschemata (Algorithmen) herausgegeben, die den aktuellen Stand der Wissenschaft abbilden. Die Umsetzung dieser Algorithmen auch unter hohem Zeitdruck und die Durchführung der notwendigen, teilweise invasiven Maßnahmen in der angemessenen Reihenfolge macht es für die behandelnden Ärzte und Notfallsanitäter nötig, regelmäßig die Abläufe und Techniken zu trainieren. Im Vordergrund stehen hierbei eine möglichst lückenlose und effektive Herzdruckmassage, die Sicherstellung der Atemfunktion, die Anwendung einer Elektrotherapie (Defibrillation, Kardioversion, Herzschrittmacher) und die Gabe von geeigneten Medikamenten. Ein weiterer wesentlicher Schritt ist neben dem Durchführen der Maßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation das Erkennen von potenziell reversiblen Ursachen für den Kreislaufstillstand wie Sauerstoffunterversorgung, Volumenmangel, Elektrolytentgleisung, Unterkühlung, Spannungspneumothorax, oder Thrombose und eine konsequente Therapie dieser Zustände.
II.
Um gewisse Abläufe zu unterstützen oder Organfunktionen zu ersetzen, gibt es heutzutage diverse Hilfsmittel, die regelmäßig oder in besonderen Fällen schon im präklinischen Bereich zum Einsatz kommen. Dies reicht von automatisierten mechanischen Kompressionsgeräten, die einen bei der Herzmassage beispielsweise während des Transportes entlasten, bis hin zu transportablen, miniaturisierten Herzlungenmaschinen. Bei diesen Systemen werden in der Regel Kanülen in der Leistenvene und der Leistenschlagader eingebracht und dann über ein Schlauchsystem mit einer Zentrifugalblutpumpe und einem Gasaustauschmodul (Oxygenator) verbunden und somit der Kreislauf und die Lungenfunktion ersetzt oder unterstützt.
Hierbei kann inzwischen von Patienten berichtet werden, die im Rahmen eines Herzinfarktes einen beobachteten Herzkreislaufstillstand erlitten, dann unter mehrstündiger externer mechanischer Herzdruckmassage und Beatmung in ein Zentrum verlegt wurden, wo schließlich unter Einsatz eines ECLS-Systems die verengten Koronararterien wiedereröffnet wurden und der Patient nach knapp zwei Wochen ohne weitere Schäden in die Rehabilitation entlassen werden konnte.
Im Bereich der traumatisch bedingten Herzstillstände kann es unter bestimmten Umständen lebensrettend sein, durch invasive chirurgische Maßnahmen zum Beispiel einen Pneumothorax durch eine entsprechende Drainage oder gar einen eingebluteten Herzbeutel nach einer penetrierenden Verletzung (zum Beispiel Schuss- oder Stichverletzung) durch die Eröffnung des Brustkorbes zu entlasten. Letztgenanntes Verfahren ist in Deutschland in der präklinischen Anwendung noch eher unüblich, kommt aber in bestimmten Regionen (im Großraum London, nicht zuletzt wegen der dort häufig vorkommenden Gewaltanwendungen) bereits regelmäßig durch speziell trainierte Rettungsteams zum Einsatz.
Bei der Komplexität der Verletzungen muss also ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, potenziell reversible Ursachen in der Frühphase der Behandlung nicht zu übersehen, sondern diese auszuschließen und gegebenenfalls konsequent zu behandeln. Rechtsmedizinische Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere Blutungen und der Spannungspneumothorax gelegentlich schwer zu erkennen sind und übersehen werden.
III.
Zunächst steht man als Notfallmediziner immer vor der großen Herausforderung, den Nutzen der Therapie und das gewünschte Ergebnis vor allem in Bezug auf den Patientenwunsch und die erzielbare Lebensqualität abzuschätzen. Das ist insbesondere beim plötzlich eingetreten Tod und den sofort einzuleitenden Wiederbelebungsmaßnahmen besonders schwierig und a priori nicht immer oder selten möglich. Die Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen und die Entscheidung beeinflussen, sind vielfältig und oft a hoc vor Ort nicht ausreichend zu erheben und zu verifizieren (zum Beispiel Patientenverfügung, Grunderkrankung, Dauer des Kreislaufstillstandes, Effektivität der Erstmaßnahmen und dergleichen).
Die endgültigen Konsequenzen sind dann oft erst in der Klinik mit den erweiterten diagnostischen Möglichkeiten und den dann zur Verfügung stehenden Informationen abzuschätzen. Dies ist insgesamt aber die Ausnahme. In aller Regel kann der erfahrene Notfallmediziner durchaus vor Ort entscheiden, inwieweit überhaupt Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt werden sollten oder ob diese nach frustranen Reanimationsbemühungen abgebrochen werden. Die Verfügbarkeit moderner Technik, die den Transport unter laufender Reanimation für bestimmte sinnvolle Indikationen erlaubt, sollte nicht dazu verleiten, jegliche Entscheidung in die Klinik zu verlagern und unnötige Ressourcen zu binden.
Zunächst wird man anstreben, dem kritisch kranken Patienten auch in der präklinischen Situation die bestmögliche Lösung anzubieten. Der technologische Fortschritt lässt dies zunehmend auch für invasive und technisch aufwändigere Verfahren, die bislang nur in der Klinik zur Verfügung standen zu und erweitert somit das Behandlungsspektrum vor Ort teilweise erheblich. Diese Maßnahmen sollten aber immer in Hinblick auf die Sicherheit, Effektivität, Dringlichkeit und die technische Umsetzbarkeit überprüft werden. Um den Nachweis der Wirksamkeit solcher Maßnahmen führen zu können, ist es unerlässlich, auch in diesem Bereich der Versorgung eine umfassende Datenerhebung, durchzuführen und das kurz- und langfristige Ergebnis zu dokumentieren.
Nicht zuletzt muss auch reflektiert werden, was der Umgang mit dem plötzlichen Tod und die hierbei durchgeführten Maßnahmen für die Mitarbeiter des Rettungsdienstes bedeuten. Jeder startet trotz der professionellen Aufgabe und Grundhaltung mit unterschiedlichen Erfahrungen und psychischen Ko-Faktoren aus der momentanen individuellen Lebenssituation in den Einsatz. Beim Eintreffen am Notfallort ist zunächst das Handeln in der Regel von der Akutsituation und klar strukturierten Ablaufalgorithmen geprägt. Eine differenzierte Reflektion kann zu diesem Zeitpunkt kaum stattfinden, die emotionale Auseinandersetzung mit der Situation steht noch im Hintergrund und ist womöglich bei der sachlichen Entscheidungsfindung eher hinderlich.
Tritt der Tod dann ein, wird die Situation von einer Reihe begleitender Faktoren (Angehörige, Pflegende, Patientenverfügung etc.) beeinflusst. Entsprechend der Umstände und persönlichen Haltung wird man den Tod in dieser spezifischen Situation eher akzeptieren oder aber auch womöglich den Tod für sich nicht annehmen können. Hierbei spielt eine besondere Rolle, dass man als Notarzt den Tod eines Patienten oder die gescheiterten Wiederbelebungsversuche oft als eigenes Versagen wahrnimmt und sich mit Gefühlen von Schuld, Ohnmacht und Insuffizienz auseinandersetzen muss. Dies kann dann unmittelbar teilweise weitreichende Konsequenzen für das eigene Leben haben, und es stellt sich die Frage, inwieweit die eigenen Coping Strategien ausreichen, um mit der Situation fertig zu werden oder ob es notwendig wird, eine Krisenintervention in Anspruch zu nehmen. Schließlich gilt es, die Einstellung zum Beruf und der Tätigkeit als Notallmediziner immer wieder neu zu bewerten und in den eigenen Lebenskontext einzuordnen.
IV.
Betrachtet man sich abschließend diese Rettungskette, kann man feststellen, dass es im Bereich der Notfallmedizin einige Strategien gibt, um mit teilweise großem Aufwand dem plötzlichen Tod aus verschiedenen Ursachen zu begegnen und durch geeignete Maßnahmen ein sinnvolles Überleben zu ermöglichen.
Es sei aber auch nochmal explizit auf das erste Glied der Rettungskette verwiesen: Derjenige, der das akute Todesereignis beobachtet, kann durch die richtigen Erst- und Basismaßnahmen ganz entscheidend Einfluss auf eine Verbesserung der Überlebenschancen nehmen und die entscheidende Zeit bis zum Eintreffen des professionellen Rettungsdienstes überbrücken. Hier sind Länder oder Regionen, die einen ausgeprägten Gemeinsinn und eine große Bereitschaft zur Ersten Hilfe haben an der Spitze der Überlebensstatistiken. Genauso ist es wichtig, Vorkehrungen zu treffen und klare Formulierungen zu wählen, wenn in bestimmten Situationen der Tod zwar plötzlich, aber vielleicht nicht überraschend eintritt und Wiederbelebungsmaßnahmen nicht erwünscht sind. Dies kann die Arbeit der Notfallmediziner im Sinne einer patientenorientierten Entscheidung deutlich erleichtern und bietet zudem für Angehörige eine zusätzliche Sicherheit in Situationen zwischen Leben und Tod.