Immuntherapie von Tumoren

Eine Einführung zum Thema

Im Rahmen der Veranstaltung "Immuntherapie von Tumoren", 30.05.2017

Es scheint sich ein alter Traum der Medizin zu erfüllen, den Tumor eines Menschen durch die Mobilisierung körpereigener Abwehrmechanismen behandeln und heilen zu können. Die Darstellung der Wirkprinzipien und des heutigen Wissensstandes gibt für die Zukunft berechtigten Grund zur Hoffnung für die betroffenen Patienten. Man kann sich das so vorstellen: Tumorzellen verstecken sich im Organismus vor dem körpereigenen Immunsystem und lähmen es sogar. Neue Wirkstoffe verhindern dies, indem sie Immunzellen aktivieren. Das verbessert die Behandlung unterschied-licher Tumorerkrankungen eindrucksvoll. Heute schon können körpereigene Immunzellen im Labor mit Erkennungsmolekülen ausgestattet werden, so dass sie später im Patienten Tumorzellen auffinden und zerstören.

Nach dem Grundsatzvortrag von Professor Stefan Endres, Forschungsdekan der Medizinischen Fakultät der LMU sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Rats der Akademie, und dem hier ebenfalls im Wortlaut dokumentierten Referat von Frau Professorin Marion Subklewe aus Großhadern, die sich dem Thema anhand des Beispiels bösartiger Erkrankungen des Blutsystems näherte, beschäftigte sich Professor Alexander Eggermont, der Generaldirektor des Cancer Campus ,Gustave Roussy‘ in Paris, mit der Immuntherapie von soliden Tumoren. Sein Vortrag kann wegen der großen Komplexität der Thematik hier nur kurz zusammengefasst werden.

Das spezielle Forschungsgebiet von Professor Eggermont ist das „Metastasierende Maligne Melanom“, dessen Diagnose bisher wegen weitgehend unwirksamer Therapieansätze gleichbedeutend war mit einem schnellen und unvermeidbaren Tod. Das Wirkprinzip der Immuntherapuie beruht auch hier auf dem Aufbrechen von Toleranz bzw. einer blockierten Immunantwort durch Immun-Checkpoint-Blocker. Spezifische Antikörper führen durch Interaktion mit spezifischen Rezeptoren an der Zelloberfläche von T-Lymphozyten zur „Erweckung“ einer bis dahin ruhenden Immunantwort. Der Einsatz zum Beispiel von Ipilimumab hat bei metastasierenden Melanomen zu einer entscheidenen Verbesserung des Langzeitüberlebensrate auf rund 20 Prozent geführt. In der Zukunft wird voraussichtlich für die Hälfte der Patienten sogar eine Langzeitremission von 50 Prozent möglich sein.

Die gute Verträglichkeit der Therapie bei der Mehrzahl der Patienten bedingt eine mehrheitlich gute Lebensqualität, obwohl auch in Einzelfällen schwerwiegende Nebenwirkungen zum Beispiel an der Haut, der Leber, der Hypophyse und er Schilddrüse auftreten können. Dies erfordert eine exakte Überwachung der Patienten, wobei die zeitlichen Verläufe hinsichtlich der Ansprechbarkeit der Therapie und des Auftretens von Nebenwirkungen eher langwierig sein können und eine „veränderte“ ärztliche Herangehensweise erfordern. Ein großer zusätzlicher Vorteil der Immuntherapie ist die Mit-Behandlung unerkannter „Tumornester“.

In großen Studien wurden nach Professor Eggermont Immuntherapien bei bisher rund 20 verschiedene Tumorarten, zum Beispiel Lungenkarzinom, HNO-Tumore, Nieren- und Blasenkrebs, Magen- und Ösaphaguskarzinom untersucht, wogegen hormonsensitive Tumoren wie etwa Brust- oder Prostatakrebs bzw. Sarkome noch problematisch sind. Wegen unterschiedlicher genetischer Veränderungen in den Tumoren selbst gilt es, auch Kombinationen alter Behandlungsansätze (Chemotherapie, Operation, Bestrahlung) und neuer Immunwirkprinzipien zu berücksichtigen. Auch eine Koppelung von Antikörpern an nuklearmedizinische Wirksubstanzen scheint möglich.

Ein sozio-ökonomisches bzw. ethisches Problem betrifft die hohen Kosten einer Therapie, den begrenzten individuellen Zugang wegen begrenzter Ressourcen und die Kriterien für eine Auswahl geeigneter Patienten. Der seit 2012 in Forschung und Therapie zurückgelegte Weg legt nahe, dass es auch in den nächsten Jahren zu entscheidenden therapeutischen Fortschritten in der Onkologie kommen wird und die Krebsdiagnose künftig nicht mit einem vermeintlich nahen Tod assoziiert wird, sondern eher mit dem Auftreten einer langwierigen chronischen Erkrankung. Soweit zum Vortrag von Professor Eggermont.

Unsere Veranstaltungsreihe hat sich der Darstellung wegweisender Entwicklungen im Gesundheitssystem angenommen. Es war und ist beabsichtigt, über die engen fachlichen Grenzen der Medizin hinaus einem breiten Publikum neue und wichtige medizinische Aspekte rasch nahezubringen. Ferner soll die Einbeziehung von Vertretern aus Politik und Kultur, von Universitäten und Medien aus Deutschland und Frankreich ein solches Vorhaben unterstützen. Die Katholische Akademie in Bayern hat als akademisches Forum von Anfang an dieses Vorhaben im Rahmen der deutsch-französischen Partnerschaft begrüßt und gefördert.

Gerade in einer Zeit politischer, sozio-ökonomischer bzw. religiöser Krisen ist es wichtig, sich auf gemeinsame Werte zu besinnen. Im Verwirrspiel um das „Postfaktische“ darf die wissenschaftlich-humanistische Denkweise nicht verloren gehen. Auch der Rückblick auf das Jahr 2017 bestätigt, wie wichtig grenzüberschreitende Veranstaltungen waren und sind. Unsere Reihe darf als gutes Beispiel dafür gelten, wie sich die Zukunft und speziell die deutsch-französische Kooperation auch künftig gestalten lassen.

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