Neue Batterietechniken als Unterpfand für Mikrooptomismus

Eine sozialethische Einordnung

Im Rahmen der Veranstaltung "Energiespeicher der Zukunft", 05.02.2025

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Endlich einmal gute Nachrichten von der Ökofront!

Neue Batterien als Energiespeicher für das postfossile Zeitalter sind ein Hoffnungsträger, ein Unterpfand für Mikrooptimismus in Zeiten der Bedrängnis durch globale Katastrophennachrichten. Während die Klimaverhandlungen derzeit in einer Sackgasse zu stecken scheinen und Klimaschutzgesetze reihenweise aufgeweicht werden, gibt es eine starke Dynamik von unten: Technische Innovationen, die ungeahnte Möglichkeiten erschließen und gute Chancen haben, sich auf künftigen Märkten zu behaupten. Dahinter steckt lange Vorarbeit. In keinem Land wurde in den letzten 50 Jahren so intensiv an regenerativen Energien geforscht wie in Deutschland. Gegenwärtig müssen wir uns allerdings strategisch neu aufstellen, um uns nicht ausgerechnet dann, wenn Durchbrüche auf einem neuen Qualitätsniveau möglich werden, die Butter vom Brot nehmen lassen.

So investiert China seit einigen Jahren weit mehr in diesem Bereich, unterstützt Forscher und Unternehmen großzügig, wenn Erfolge auf sich warten lassen und die neuen Produkte anfangs zu teuer sind. Die umfangreichen Förderprogramme Chinas für erneuerbare Energien lassen sich schon fast mit dem Manhattan-Projekt der USA im Zweiten Weltkrieg vergleichen, durch das es ihnen gelungen ist, als erste die Atombombe zu bauen. Auch heute braucht es eine strategische Bündelung aller Kräfte, nicht nur für Waffensysteme, sondern vor allem für die Lösung von Menschheitsproblemen. Denn der Klimawandel wartet nicht. Nach neuesten Forschungen könnten wir bereits 2050 die Grenze von drei Grad globaler Klimaerwärmung überschreiten und es dabei gehäuft mit Kollapsphänomenen zu tun bekommen. Vor diesem Hintergrund ist die gegenwärtig politisch geförderte Rückkehr zu fossilen Energien (in Bezug auf die als Übergangsenergie deklarierte Gasversorgung leider auch in Deutschland) hochgradig unverantwortlich. Stattdessen müssten kreative Tüftler, wie Herr Fichtner, sowie Start-up-Unternehmen, die Erfindungen in Märkte bringen, massiv gefördert werden, damit Deutschland seine Potenziale für neue Energietechniken als Motor künftiger Industrieentwicklung entfalten kann.

I.

Der Vortrag von Maximilian Fichtner war ein rhetorisches Paradebeispiel für Wissenschaft für jedermann, die innovative Forschung auch für Laien anschaulich macht und so eine gesellschaftliche Debatte ermöglicht! Das ist genau der Zweck unserer Reihe. Ich wusste bis vor Kurzem nicht, dass Batterien ein so spannendes Forschungsfeld sind und es so zahlreiche Möglichkeiten der Stromspeicherung gibt. Ich muss gestehen, dass mir der Kopf von all den chemischen Fachbegriffen schwirrt. Als Geisteswissenschaftler muss ich jedoch vielleicht auch nicht alles verstehen; zumindest der Eindruck, wie innovativ Materialforschung sein kann, bleibt. Aus sozialethischer Sicht ist die Botschaft klar: Alternativen zu Lithium-Ionen-Batterien mit besser verfügbaren Rohstoffen wie Calcium, Natrium, Kalium oder Magnesium könnten Deutschland erheblich helfen, weniger abhängig und erpressbar zu sein auf den hochumkämpften Rohstoffmärkten.

II.

Energiefragen haben eine hohe gesellschaftspolitische und ethische Brisanz. Durch unsere Abhängigkeit von Öl und Gas finanziert Deutschland seit vielen Jahren erst die Aufrüstung und nun auch den Krieg Russlands. Diese „Nebenkosten“ sind gigantisch – finanziell sowie politisch, sozial, kulturell und moralisch. Mein Lehrer Wilhelm Korff wurde deutschlandweit bekannt durch seine ethischen Analysen der Energiefrage. Er sprach von der Entdeckung ihrer ethischen Dimension. Bereits 1979 stufte er die Kernenergie im Vergleich zur fossilen Energieversorgung als das kleinere Übel ein. Sein prominentester Kontrahent war der Philosoph Robert Spaemann, der die Kernenergie für prinzipiell nicht verantwortbar hielt. Ich habe aus dem erbitterten Streit meiner beiden Ethiklehrer an der LMU viel gelernt. Entscheidend wurde für mich der Versuch, ideologische Konflikte auf eine Differenz unterschiedlicher Methoden der Urteilsbildung zurückzuführen (in diesem Fall die Option für verantwortungsethische Folgenabwägung als Ernstfall der Ethik auf der einen Seite und für kategorische Urteile auf der anderen Seite. Beides hat seine Berechtigung und seine Grenzen. Dass dies so häufig verkannt wird, ist der Ausgangspunkt zahlloser Konflikte in Kirche und Gesellschaft, z. B. auch bei Debatten um Frieden, um Gentechnik oder um Abtreibung). Auch wenn die Folgenabwägung keineswegs eindeutig gegen die Kernenergie spricht, lässt sich kaum leugnen, dass wir unermessliches Leid für Mensch und Schöpfung hätten vermeiden können, wenn wir all die finanziellen und wissenschaftlichen Ressourcen, die in sie geflossen sind und fließen, frühzeitig in erneuerbare Energien investiert hätten. Die Option für Kernenergie kam ursprünglich aus der Politik, nicht aus der Industrie. Für die Batterieforschung haben wir fahrlässig Jahrzehnte verpasst.

III.

Der Energiewende kommt eine exemplarische Bedeutung für das Gelingen oder Misslingen der „Großen Transformation“ zu. Ähnlich wie die Erfindung der Dampfmaschine vor 200 Jahren hat auch der heutige Übergang in eine postfossile Zeit massive Auswirkungen auf gesamtgesellschaftliche Strukturen und kann daher nicht allein als Frage der Technik begriffen werden. Die verspätete Forschung zu Batteriesystemen ist die Achillesferse der Energiewende. Sie ist ein menschheitsgeschichtlich relevantes Versagen der Wissenschaftspolitik, auch in Deutschland. Hat sich das jetzt geändert? Stehen wir vor einem Innovationsschub der Energiesysteme, der als „schöpferische Zerstörung“ (Schumpeter) der fossilen Machtstrukturen beschrieben werden muss und daher von deren Vertretern mit allen Mitteln bekämpft wird?

Maximilian Fichtner ist Pionier neuer technischer Lösungen. In der interdisziplinären Innovationsforschung zeigt sich, dass der Weg zu deren Durchsetzung lang ist. Es braucht nicht nur wissenschaftliche und technische Innovationen, sondern auch unternehmerischen Mut, geänderte politische Rahmenbedingungen sowie einen Kulturwandel im Nutzerverhalten. Es braucht insbesondere „Exnovationen“, also ein aktives Herausgehen aus Altem und eine Überwindung tradierter Machtstrukturen, die Innovationen nicht hochkommen lassen. Von daher ist die „Große Transformation“ ein gesamtgesellschaftliches Projekt, das einer breiten Akzeptanz und Mitwirkung bedarf. Die Überwindung von Innovationsblockaden ist auch eine Frage der Kritik verkrusteter mentaler Infrastrukturen. Dazu könnte christliche Theologie, der es von ihrem biblischen Ursprung her immer auch um Umkehr geht, wesentlich beitragen. Wir brauchen eine auch christlich fundierte Innovationsethik, um Mentalität und Strukturen der Zukunftsblockade zu überwinden.

Vor diesem Hintergrund ist die Batteriefrage auch ein Thema für Kirche und Gesellschaft, allerdings nicht hinsichtlich der technischen Details, sondern hinsichtlich der Rahmenbedingungen und der „Grammatik der Akzeptanz“ (Korff). Hierzu bedarf es der kommunikativen Vermittlung zwischen Forschung und Öffentlichkeit durch Wissenschaft für jedermann, wozu das Deutsche Museum auch im weltweiten Vergleich Vorbildliches leistet. Auch Theologie und Kirchen sind in der Pflicht. Denn der Appell für Schöpfungsverantwortung und ökologische Umkehr ist leer und nichtig, wenn er sich nicht mit den Weichenstellungen für eine gesellschaftliche Umsteuerung befasst.

IV.

Aus ethischer Sicht sind einzelne Techniken immer mit vielfältigen Ambivalenzen verbunden. Das gilt beispielsweise auch für das E-Auto: Ob die Klimabilanz wirklich so positiv ist, wie propagiert wird, hängt von vielen Faktoren ab, z. B. Lebensfahrleistung, Energieverbrauch, Strombereitstellung, Batteriekapazität und deren Energiedichte. Problematisch ist nicht zuletzt der Abbau der notwendigen Rohstoffe, beispielsweise wird Cobalt im Kongo unter Bedingungen abgebaut, die weder sozial- noch ökologieverträglich sind. Teilweise sind die Wasserkonflikte zwischen Bergbauunternehmen und indigener Bevölkerung erheblich (saures Grubenwasser). Graphit ist hoch giftig. Die Knappheit von Rohstoffen erzeugt Konflikte oder sogar Kriege. So sind die sehr reichen Lithiumvorkommen in der Ostukraine ein Faktor, der Putin zu seinem Überfall auf die Ukraine verlockt haben könnte. China ist seit Jahren geostrategisch sehr aggressiv unterwegs. Eine wichtige Frage für die Ökobilanz von E-Autos ist auch das Recycling von Batterien. Hier gelingt die Trennung der einzelnen Bestandteile bisher meist schlecht.

All das sind im Prinzip lösbare Probleme. Sie müssen jedoch aktiv angegangen werden. Richtig eingesetzt, haben Batterien eine entscheidende Bedeutung für das Gelingen der Energiewende. Denn Solar- und Windstrom sind volatil (sprunghaft), abhängig vom Wetter. Speicher können dies ausgleichen, was bisher unzureichend praktiziert wird, wie schon ein Blick auf die schwankenden Strompreise zeigt: derzeit ca. 8 Cent Ertrag für Stromeinspeisung und teilweise über 40 Cent Kosten für den Stromeinkauf. Positiv gewendet ist das eine hochattraktive Gewinnspanne für Speichertechniken.

Der gewaltige Boom privat betriebener Solaranlagen macht die Regelung des Netzes zu einer wachsenden Herausforderung. Großspeicher werden derzeit vor allem eingesetzt, um die Frequenz im Stromnetz bei schwankendem Input zu stabilisieren. Darüber hinaus hat sich die Kapazität deutscher Heimspeicher in den vergangenen vier Jahren verzehnfacht, von 1,4 auf 14 Gigawattstunden. Privatleute können hierzulande zusammen achtmal so viel Strom bei sich zuhause speichern wie die Speicherparks von Unternehmen. Die private Kapazität wächst Monat für Monat. Dieser Boom wird weitergehen und die Preise für Strom fallen lassen. Schon jetzt sind die Kosten für Stromspeicher seit 2010 um 80–90 % gefallen (von ca. 6.000 €/kWh auf 500–1.000 €/kWh). In Kombination mit der Preisreduktion bei Photovoltaik-Standardmodulen (seit 2010 um rund 80 % auf derzeit ca. 10 Cent/Wp) entsteht ein Hoffnungssignal, das wenige so erwartet haben.

Künftig könnte die Nutzung der Batterien von E-Autos die Speicherkapazitäten erheblich steigern. Christian Stöcker spricht von einem „Batterie-Tsunami“ durch riesige Autobatteriespeicher für das Stromnetz. E-Autos mit großen Batterien und bidirektionaler Lademöglichkeit bergen enorme Kapazitäten. Renault übernimmt in Frankreich bereits die Garantie für solche Batterien. Die deutsche Autoindustrie hinkt hinterher. Sie hat die Zeichen der Zeit lange nicht erkannt und ruft jetzt nach Subventionen. Es ist eine Blamage, den Markt für E-Autos erst dem politisch skrupellosen Tesla-Besitzer zu überlassen und künftig vermutlich an der um Klassen preisgünstigeren Konkurrenz aus China zu scheitern. Es fehlt nicht an ingenieurstechnischer Qualität, sondern an ethischer Weitsicht als einer „Heuristik“ (Suchanweisung) für das, was sich langfristig auch wirtschaftlich auszahlt. Gegenwärtig sind die Versuche, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern, überwiegend defensiv auf eine Aufweichung des Klimaschutzes ausgerichtet und damit kurzatmig und ethisch orientierungslos.

Die batteriegetriebene Energierevolution ist keineswegs nur für die Auto- und Solarenergie relevant. Auch im Flugbereich ergeben sich durch leichtere und leistungsfähigere Batterien ganz neue Möglichkeiten. So will Skandinavien (wo Klein- und Kurzstreckenflüge wichtig sind,) bereits 2040 weitgehend auf Elektroflüge umstellen. Durch neue Energiespeicher ertüchtigt, könnte sich die Windenergie von einer „Übergangstechnologie“ (Friedrich Merz) zu einem soliden Element im künftigen Energiemix mausern. Die atemberaubenden Fortschritte der Batterietechnik sind für mich Symbol der Hoffnung. In der Politik (und weitgehend auch in den Kirchen) geht es derzeit bestenfalls primär um Schadenbegrenzung angesichts drohender Kollapsphänomene. In der Forschung gibt es dagegen immer wieder überraschende Aufbrüche. Diese berechtigen zu einem Mikrooptimismus, der von einem Grundvertrauen in die Kraft menschlicher Neugier und der je eigenen Handlungsmöglichkeiten getragen ist. Die damit verbundene Resignationsprophylaxe darf allerdings nicht auf der Ausblendung weltpolitischer und wirtschaftlicher Zusammenhänge beruhen. Aus sozialethischer Sicht sollte sich der Mikrooptimismus mit dem kreativen Blick für Skalierungseffekte sowie mit einer mutigen Industriepolitik verbinden. Deshalb ist die Energiewende nicht nur ein ingenieurstechnisches Projekt, sie bedarf auch der geistigen Energiewende durch innovatives Denken in Unternehmen, Politik und Zivilgesellschaft. Ein theologisch-ethischer Impuls hierfür kann das Konzept der integralen Ökologie sein, das Papst Franziskus in den Mittelpunkt seiner vor zehn Jahren veröffentlichten
Enzyklika Laudato si’ gestellt hat.

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