Rückkehr zu den Wurzeln

Zur Eröffnung der Ausstellung "Kraft Körper Form" von Alf Lechner

Wir freuen uns nicht nur, die 117. Kunstausstellung der Katholischen Akademie Bayern eröffnen zu können unter dem Motto „Alf Lechner. Kraft Körper Form. Skulpturen, Collagen, Zeichnungen“. Sondern dieser Abend bewegt wirklich das Herz. Und zwar aus mehreren Gründen. Ich fasse diese Gründe zusammen mit der einen Überschrift: „Rückkehr zu den Wurzeln“.

 

I.

 

Es ist erstens eine Rückkehr in die Schwabinger Mandlstraße, zu den Wurzeln der Kindheit, der Jugend. Alf Lechner, am 17. April 1925 in München geboren, wuchs in Altschwabing auf. Seine Familie lebte genau hier gegenüber, auf der anderen Straßenseite, im Haus Mandlstraße 24.

1956 zog er aus und hat sich die Dachgeschoßwohnung im Eckhaus, beim Eingang zum Englischen Garten renoviert: Mandlstraße 28. Dort sind auch seine drei Töchter geboren und anfangs aufgewachsen.

Das heißt, er konnte als unmittelbarer Nachbar den Bau unseres Kardinal Wendel Hauses der Katholischen Akademie Bayern von seinem Dachfenster aus beobachten. Am 25. November 1960 hatte Weihbischof Dr. Johannes Neuhäusler den Grundstein gelegt, und Julius Kardinal Döpfner weihte am 29. September 1962 die Hauskapelle und segnete den fertiggestellten Bau.

 

II.

 

Die Ausstellung ist zweitens eine Rückkehr Alf Lechners zu den Wurzeln seines künstlerischen Schaffens. Denn in der Mandlstraße 1c lernte er noch als Schüler ab 1940 bei dem Marine- und Landschaftsmaler Alf Bachmann Pastell- und Ölmalerei. Nach dem Notabitur 1943, der Verpflichtung zur Kriegsmarine und der Kriegsgefangenschaft setze er von 1946 bis 1950 diese mehr oder weniger private Ausbildung fort.

1948 machte er dann eine Ausbildung zum Schlosser, arbeitete als Gebrauchsgrafiker, baute Messestände, gründete die Firma Litema  für Lichttechnik und Metallverarbeitung und stellte erfolgreich eigene Erfindungen her, unter anderem Operationsleuchten für Zahnärzte.

1962 zog Lechner mit seiner Familie nach Degerndorf am Starnberger See, verkaufte die Firma Litema, und verwirklichte seinen Traum, sich voll und ganz der Kunst zu widmen.

 

III.

 

Damit in Zusammenhang steht eine dritte Rückkehr, die unsere Ausstellung initiiert, nämlich eine Rückkehr zum Beginn der Ausstellungsgeschichte Alf Lechners. Denn bereits im November 1968 hatte Alf Lechner eine erste Einzelausstellung in München, und zwar im Preysingpalais in der Galerie Heseler. So kehrt er heute nach 50 Jahren wieder nach München zurück, und zwar erstmals seit seinem Tod im Jahr 2017.

Während dieser vergangenen 50, bzw. 49 Jahre, hatte er mit über 800 Skulpturen und mehr als 4500 Zeichnungen und Collagen eines der bedeutendsten künstlerischen Werke der Nachkriegszeit in Deutschland geschaffen und wurde mit den über 80 öffentlich ausgestellten Werken allein in Deutschland einer von dessen populärsten Stahlkünstlern. Hier in München findet man seine Werke zum Beispiel vor der Alten Pinakothek, vor dem Kulturzentrum Gasteig oder am Münchener Flughafen.

Wir können nun drei Skulpturen zeigen, alle drei 2014 mit insgesamt knapp 90 Tonnen Stahl entstanden. Dazu kommen Collagen und Zeichnungen verschiedener Werksserien der vergangenen 20 Jahre.

Die Skulpturen stammen vom faszinierenden, 23.000 Quadratmeter umfassenden Skulpturenpark in Obereichstätt, einem in einem alten Steinbruch angelegten ehemals Königlich-Bayerischen Eisen-Hüttenwerk. 2001 war Alf Lechner mit seiner Frau Camilla von Geretsried dorthin gezogen und hat sowohl ein Freiluftmuseum wie eine große Ausstellungshalle geschaffen. Dort starb er auch am 25. Februar 2017, im Alter von 91 Jahren, nachdem er noch am gleichen Tag an einer Zeichnung gearbeitet hatte. Die ausgestellten Collagen und Zeichnungen wurden vom Alf Lechner Museum in Ingolstadt zur Verfügung gestellt.

 

IV.

 

Vor allem an seinen graphischen Arbeiten lassen sich die Überlegungen und Studien Alf Lechners nachvollziehen, wie er sich mit den Grundformen Quadrat, Rechteck oder besonders dem Würfel auseinandersetzt. Da entwickelt er Bildräume aus Kontrasten, bearbeitet positiven und negativen Raum, zerteilt Würfel und ordnet neu die entstandenen Formen.

Hier nun zeigt sich eine vierte Wendung, diesmal hin zu den Aufgaben, die sich einer Akademie wie der unseren stellen. Denn tun wir eigentlich nicht das Gleiche wie Alf Lechner mit seinen Würfeln? Nämlich Themen wahrnehmen, zerteilen, neu kombinieren, zu versuchen, hinter das Geheimnis klassischer Formen zu kommen, Selbstverständliches neu zu sehen und zu denken.

Das ist harte, nüchterne, manchmal schwere Arbeit. Auch Theologie hat es – wie bei Stahl – mit Feuer zu tun und einem Material, das verwandelt wird, das manchmal vielleicht etwas roh aussieht oder sogar Rost angesetzt hat. Aber gelingt es, kann das Ergebnis faszinieren.

Mit ganz großem Dank an Frau Camilla Lechner und Herrn Daniel McLaughlin, ohne die diese Ausstellung nicht zustanden gekommen wäre, sei deshalb abschließend und hinführend gesagt: Die Ausstellung „Alf Lechner. Kraft Körper Form. Skulpturen, Collagen, Zeichnungen“ gehört wirklich in unser Haus und vor unser Haus.

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