Schlusswort aus Anlass der Verleihung des Romano Guardini Preises 2018 an Ottmar Edenhofer

Verehrter, lieber Herr Edenhofer, liebe Familie Edenhofer, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste dieses wunderbaren Festaktes, der uns inspiriert!

Danke für Ihre bewegende Rede, die alle Facetten von ermutigender Predigt, wissenschaftlicher Analyse und politischem Diskurs aufgegriffen hat. Daran können sich viele ein Beispiel nehmen, wie man interessant und in einem weiten Horizont Menschen bewegen kann, antreiben kann, inspirieren kann. Danke dafür! Uns ist deutlich geworden, was Sie bewegt.

Die erste Begegnung mit Professor Edenhofer, an die ich mich erinnere, war, so glaube ich, ein brieflicher Kontakt. Das ist sicher über zwölf Jahre her, als ich noch Präsident von Justitia et Pax war und Bischof von Trier, und er, wie er eben schon erzählt hat, die große Sorge hatte, dass sich im Vatikan und bei der Vorbereitung der Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ möglicherweise hier und dort Personen zu Wort melden könnten, die in eine Richtung gehen, wie er sie eben geschildert hat, das heißt: zu leugnen, dass der Klimawandel von Menschen gemacht oder überhaupt verändert werden könnte. Daraufhin haben wir Kontakt aufgenommen, und Gott sei Dank ist ja dann – auch durch die Kongresse, wie Sie geschildert haben –, vieles deutlicher geworden.

Dann haben wir uns genau an dem Tag wieder getroffen, den er gerade geschildert hat. Das war zufällig, weil ich damals in Rom war, im Gästehaus Santa Marta. Wir hatten uns ein paar Jahre nicht gesehen, eher schriftlich wahrgenommen, und so musste ich zunächst fragen: Ich kenne Sie doch … Ach, das ist ja der Edenhofer. Was machen Sie denn hier? „Ja, ich treffe den Papst.“ Und Sie haben vorhin erzählt, was daraus geworden ist, und welche Bedeutung diese Begegnung hatte. Ich bin wirklich sehr beeindruckt von den Fragen, die Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato si´ aufgegriffen hat.

Aber die Inspiration geht ja weiter. Als Erzbischof von München und Freising hat man ja zuweilen belastende Erlebnisse, Sorgen und Probleme. Manches lesen Sie in den Medien, aber nicht alles. Manches kommt auf den Schreibtisch, was nicht bekannt wird und trotzdem Sorgen macht. Aber es gibt eben auch viel Schönes, so etwa, als ich eben das Titelblatt des Programms für unseren Festakt gesehen habe, fiel es mir ein: die Einweihung der Zugspitzbahn. Das sind Ereignisse, die natürlich für einen Erzbischof von München und Freising etwas Großartiges sind. Diese neue Zugspitzbahn mit den faszinierenden technischen Möglichkeiten, mit der einen Säule zwischen Tal und Bergspitze – ich war fasziniert, obwohl ich jetzt technisch nicht so unbedingt informiert bin – im Gegensatz zu meinem Bruder und meinen Neffen.

Was mich aber dann am meisten inspirierte, war nicht unbedingt die Technik. Das war auch schon spannend für mich, vor der Einweihung war nämlich eine Einführung in die technischen Herausforderungen. Es sprach auch der zuständige Geologe, der in seiner Tracht dort stand, ein älterer Herr, der so anfing: „Meine Damen und Herren, die Zugspitze ist eine afrikanische Schönheit, die sich vor 130 Millionen Jahren auf den Weg hierher gemacht hat, und vor einigen tausend Jahren gab es noch einmal eine Erderschütterung, und seitdem sehen wir die Zugspitze, wie sie ist.“ Da ging durch meinen Kopf die Fantasie: Was ist das für ein einmaliges Geschehen, unsere Erde! Ich sage es oft auch den Firmlingen: das Universum, unendlich groß, jedenfalls für unsere Verhältnisse. Dass es diese Erde gibt, diesen wunderbaren Planeten, ist, ich bin kein Mathematiker, aber ich vermute, mathematisch gesehen sehr unwahrscheinlich, absolut unwahrscheinlich. Bis jetzt haben wir nichts Vergleichbares in allen Weiten des Universums gefunden. Nichts Vergleichbares! Dass Sie auf der Welt sind, und Sie, ist mathematisch gesehen absolut unwahrscheinlich. Und dieser Planet ist etwas Einzigartiges!

Da können wir ja wenigstens einmal Dankeschön sagen! Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist das Zufall und sinnlos, oder es ist gewollt, es hat einen Wert, es ist etwas Kostbares, Einmaliges, Unwiederholbares, dieser kleine Erdball, der in den unendlichen Weiten des Universums existiert. Ob es vielleicht noch anderes Leben gibt? Wir wissen es nicht; bisher haben wir keine Information, nichts. Und deswegen glaube ich, ist es wichtig, daran zu erinnern, wie wir mit diesem Erdball umgehen, mit dieser kostbaren Gabe, die uns gegeben ist, und mit dem kostbaren Geschenk unseres eigenen Lebens, etwas Wunderbares, Großartiges. Und daraus kommen die Impulse, von denen Sie auch gesprochen haben.

Romano Guardini schreibt das auch in seinem Werk. Ich will das nicht zitieren, ich kann das alles unterstreichen, und Papst Franziskus nimmt das ja auf. Es geht eigentlich um eine neue Idee des Fortschritts. Laudato si´ inspiriert uns und macht uns deutlich, wir müssen eine neue Idee des Fortschritts haben, wie Romano Guardini an einer Stelle sagt: Nicht die technische Entwicklung und die ökonomische Entwicklung sind die einzigen Daten, um Fortschritt zu messen, sondern, wie es allen geht, wie das gute Leben sich fortsetzt, wie das Glück sich fortsetzt, die Schönheit, die Kultur, wie alle Elemente des menschlichen Lebens sich entfalten. Erst dann kann ich von einem wirklichen Fortschritt sprechen. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich unsere Fortschrittsidee sehr oft auf das rein Ökonomische und Technische reduziert hat. Damit werden wir die Zukunft, wie wir Sie gerade von Ihnen noch einmal aufgerufen bekommen haben, nicht gewinnen. Wir werden an einer anderen Zukunft arbeiten müssen. Darum sind diese Enzyklika und das, was Sie getan haben, lieber Herr Edenhofer, und was Sie weiter tun, von so unglaublich großer Bedeutung. Wir stehen nicht nur an Ihrer Seite; Sie stehen auch an unserer Seite. Danke dafür, dass Sie das auch noch einmal deutlich gemacht haben.

Umso trauriger bin ich dann, wenn ich manchmal in die politischen und kirchlichen Diskurse schaue: kleinkariert und eng! Wir verzetteln uns in neuen Nationalismen und ökumenisch nicht sehr weitreichenden kleinen Diskussionen. Und die Welt steht in Flammen, wir stehen vor großen Herausforderungen, wir müssen als Christen etwas tun, was Menschen zusammenführt. Aber manche Bewegungen sind heute eigentlich die, die wieder zurückführen in die kleinen Identitätsinteressen, in Selbstbehauptungsstrategien gegen andere. Welch ein Wahnsinn! Wir müssen diese Diskussion umdrehen, und da, meine ich, hat die Kirche eine besondere Aufgabe. Sie darf nicht auf der Seite derer stehen, die wieder ins Kleinkarierte zurückfallen und im Grunde die alten Gegensätze zelebrieren, mit dem Vorwand der Tradition. Das dürfen wir nicht zulassen.

Da müssen wir den großen Bogen aufnehmen, und das tut der Papst, mit Hilfe auch von Personen wie Ottmar Edenhofer. Sie haben den Preis verdient, herzlichen Glückwunsch! Wir arbeiten gemeinsam weiter.

Die freie Rede wurde für die Drucklegung nur geringfügig bearbeitet

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