Kunst | Kultur

Vernissage zur Ausstellung “Tod und Leben”

Macht und Ohnmacht
Dienstag, 25.04.2023
Herlinde Koelbl/© Johannes Rodach

An einem Wintertag, eisig kalt und im ersten Morgenlicht,
fotografierte ich vor dreißig Jahren mein erstes
„target“: eine zerschossene, durchlöcherte Blechfigur,
die in Ackerfurchen stand. Dieses Bild wurde nie veröffentlicht,
doch es setzte sich in meinem Gedächtnis
fest. Als ein Symbol für Gewalt und Tod.
Herlinde Koelbl, Im kalten Morgenlicht
Damit beginnt die Fotografin, Dokumentarfilmerin und
Autorin Herlinde Koelbl ihren Essay zu einem Projekt,
das sie „targets“ nannte. Rund um die Welt fotografierte
sie die Schießziele von Soldaten, die lernen, so effizient
wie möglich zu töten, Leben mit einem Schuss auszulöschen.
Zerfetzte Pappkameraden, blecherne Köpfe,
Plastikkörper. Kein Gaming, sondern Übung für den
Ernstfall. Generalprobe für den Krieg. Menschenfiguren
als Schießziele. Die Ausstellung zeigt das Gegenüber als
bedrohliches Objekt in Menschengestalt, dem jede
Individualität genommen ist, wie auch die Gleichförmigkeit
den uniformierten Soldat:innen die Fülle ihrer Persönlichkeit
entzieht. Dabei werten Fotos nicht, sondern
verdichten Bild für Bild eindrucksvoll.
Herlinde Koelbl wirft damit viele Fragen auf: etwa
nach dem Verhältnis von Macht und Ohnmacht. Nach
Ethik und Moral menschlichen Handelns angesichts
des Tötens. Nach einem Töten, um Leben zu retten, das
eigene und das anderer. Nach dem Wert eines Menschenlebens,
gegeben von Gott in seiner individuellen
Besonderheit. Auch dies spiegelt sich in der Ausstellung
in vielen Portraits, die einem die Individualität, Würde
und Kostbarkeit des geschenkten Lebens nahebringen.
Tod und Leben eben.
Wilhelm Warning

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