Geschlechtliche Vielfalt im kirchlichen Raum

Ein Tagungsbericht zur zweiten Veranstaltung zum Thema Inter* und Trans*

Im Rahmen der Veranstaltung "Inter* und Trans*", 05.06.2024

© kichigin/ canva

Nach einer ersten Tagung zum Thema Inter* und Trans* im Gespräch mit Theologie, Kirche und Erfahrung vom 26. bis 28. Oktober 2022 an der Katholischen Akademie in Bayern kam schnell die Idee auf, dieser eine zweite folgen zu lassen. Ausgestattet mit positiven wie negativen Erfahrungswerten fand sich ein erweitertes Organisationsteam – Michael Brinkschröder, Achim Budde, Andreas Heek, Miki Herrlein, Mara Klein, Julia Monro, Ursula Rosen, Astrid Schilling und Raphaela Noah Soden – zusammen, um schließlich die Tagung Inter* und Trans* in Seelsorge, Beratung und Bildung vom 5. bis 7. Juni 2024 auf die Beine zu stellen.

Bei Diskussionen kristallisierte sich heraus, dass es bei Seelsorge, Beratung und Bildung noch erhöhten Informations- und Weiterbildungsbedarf gebe. Dies war der Katholischen Kirche schon beim Synodalen Weg mitgegeben worden: Hier hatte man sich für einen neuen Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt entschieden, der eine von Akzeptanz geprägte Begleitung von inter* und trans* Personen vorsieht, sowie Bildungsprogramme, die das Bewusstsein und die Sensibilität für das Thema geschlechtliche Vielfalt schärfen.

Ausgangspunkt der Tagung war nun eine psychologische Situationsbeschreibung, die in dem von starken Umbrüchen geprägten Feld klären sollte, welche Konzepte sich für inter* und trans* Personen als hilfreich und welche sich als schädlich erwiesen haben; die Frage lautete konkret: Wo kann Psychologie/Psychotherapie helfen (und wo hätte sie sich bisher besser herausgehalten)? Antworten darauf gaben Prof. Dr. Katinka Schweizer, Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie in Hamburg, und Annette Güldenring, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Supervisorin Sexualtherapie (DGFS) in Weddingstedt.

Dem folgte eine kritische Auseinandersetzung mit Vorstellungsmustern und Haltungen aus der Bibel, die für die Thematik der geschlechtlichen Vielfalt heute relevant sein können. Den Vortrag von Prof. Dr. Irmtraud Fischer (Alttestamentliche Perspektiven) haben wir hier abgedruckt.

Die Ergebnisse von zwei aktuellen, sozialethischen Forschungsprojekten, die sich vom Konzept der Anerkennung leiten lassen, stellten Dr. Katharina Mairinger-Immisch, wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Theologische Ethik in Bochum (Mehrdeutige Körper. Über die Anerkennung intergeschlechtlicher Menschen in Theologie und Kirche) sowie Mara Klein und Lea Quaing, beide wiss. Mitarbeiterinnen am Institut für Christliche Sozialwissenschaften in Münster (Prekäre Anerkennung: Das ‚dritte Geschlecht‘ in sozialethischer Perspektive) vor.

In einem dritten Schritt ging es um die Umsetzung der genannten Themen in den Praxisfeldern Seelsorge, Beratung und Bildung. Dabei gaben Vorträge einen Überblick über den Stand in den Handlungsfeldern Bildung und Beratung und reflektierten, wie dies im Bereich der Katholischen Kirche umgesetzt werden könnte.

Zunächst beleuchtete Mic Herbertz-Floßdorf, Pädagog:in, Supervisor:in, Heilpraktiker:in für Psychotherapie, Mediator:in und Autor:in in Düsseldorf, den Bereich Schulungsbedarf in der außerschulischen Pädagogik.

Ihr antwortete in einer Response aus dem katholischen Kontext Raphaela Noah Soden, Referent:in für Junge Erwachsene am Erzbischöflichen Seelsorgeamt in Freiburg.

Für den Bereich Beratung hielt Mari Günther, Väterin, systemische Therapeutin (SG), Familientherapeutin (BIF Berlin) sowie Dipl.-Gemeindepädagogin (GPA) in Berlin, einen Vortrag.

In Workshops wurden zwischen dem zweiten und dritten Teil etwas spezifischere Fragestellungen gemeinsam bearbeitet. Die sakramentalen Auswirkungen im katholischen Kirchenrecht erläuterte Dr. Martin Zumbült, wiss. Mitarbeiter am Institut für Kanonisches Recht der Universität Münster. Einen Workshop zum Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt an (katholischen) Schulen bot Ursula Rosen an, die Zweite Vorsitzende von Intergeschlechtliche Menschen e.V.; in einem weiteren Workshop reflektierte Andreas Kemper, Publizist und Soziologe in Münster, die Themen Antigenderismus und Antidemokratismus.

Eine queere Bibelexegese leitete Dr. Michael Brinkschröder, Leiter der Regenbogenpastoral der Erzdiözese München und Freising; und zum Thema Beratung Trans bot Mari Günther einen Workshop an.

Nicht zu kurz kamen auch kulturelle und spirituelle Angebote. Ein eindrückliches Erlebnis waren die Singeinheiten mit Tim Brügmann, dem Leiter des Chors Queerubim. Auch das gemeinsame Abendlob am zweiten Abend mit eigenen Texten von Raphaela Noah Soden hinterließ nachhaltige Spuren.

Zu den Lernerfahrungen der ersten Tagung hatte das Fehlen eines professionell aufgestellten Awareness-Teams gehört. Dieses Mal war das Team bestens eingerichtet, in einem eigens vorbereiteten Aufenthaltsraum mit einer Fülle an Infomaterial und praktischer Versorgung, der von teils professionellen Seelsorger:innen betreut wurde.

Insgesamt verlief die zweite Tagung ruhiger als die erste, die teilweise unter starken Spannungen gestanden hatte, und lieferte gutes Hintergrundwissen und anschauliche Beispiele aus der Praxis.

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