Die ganz kurze Fassung des Vortrags
Um etwas historisch beweisen zu können, bedürfen wir in der Regel zweier unabhängiger Zeugen. Das gilt bis heute vor Gericht so. Behauptet nur eine Seite was und die andere Seite das Gegenteil, so lässt sich kein wirkliches Urteil fällen. Erst ein zweiter Zeuge, der völlig unabhängig vom ersten ist, kann die Richtigkeit einer Aussage bestätigen. Diese Erkenntnis findet sich auch schon im Alten Testament: „Wenn es um ein Verbrechen oder ein Vergehen geht, darf ein einzelner Belastungszeuge nicht Recht bekommen, welches Vergehen auch immer der Angeklagte begangen hat. Erst auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen darf eine Sache Recht bekommen“ (Dtn 19,15).
Wendet man dieses Kriterium auf historische Aussagen zu David an, dann ist der Vortrag eigentlich an dieser Stelle beendet. Außer den biblischen Texten der Samuelbücher, deren Entstehung sich zudem auch noch über einen längeren Zeitraum erstreckt, haben wir keinerlei zeitnahe Belege zu David in außerbiblischen Texten des Vorderen Orients. Weder die Ägypter noch die Assyrer noch sonst ein altorientalischer Text aus dem Bereich Palästinas oder den Nachbarstaaten kennt David. Wir haben also nur die Bibel und keinen anderen unabhängigen Zeugen.
Allerdings darf das auch nicht unbedingt verwundern. Die Zeit um 1000 v.Chr., in die wir David nach der biblischen Chronologie ansetzen müssen, ist eine höchst quellenarme Zeit für die Region der südlichen Levante. Die ägyptischen Quellen schweigen, da Ägypten seit ca. 1130 v.Chr. seinen Einfluss auf die Levante verloren hat. Für die Assyrer wird die Levante erst im 9. Jh. v.Chr. interessant, so dass es dort auch keine Quellen gibt. In der Levante selbst ist die Zahl der Schriftfunde aus dem 10. Jh. v.Chr. trotz vieler Grabungen noch so gering, dass wir keinerlei relevante Texte erwarten dürfen.
Genaue chronologische Daten zu David und Salomo sind höchst problematisch. Bis in die Mitte des 9. Jh. v.Chr. ist die biblische Chronologie mit einer Ungenauigkeit von ca. ± 2-3 Jahren dank der Nennung von recht gut dokumentierten und berechenbaren assyrischen Königsdaten völlig gesichert. Mit derselben Ungenauigkeit darf man wohl auch den Tod Salomos auf die Zeit um 926 v.Chr. ansetzen, auch wenn wir für die Zeit des späten 10. und frühen 9. Jh. nur die biblischen chronologischen Angaben haben. Problematisch ist aber die Regierungszeit der beiden Könige David und Salomo, die jeweils 40 Jahre geherrscht haben sollen. Die Zahl 40 steht, wie ihre häufige Erwähnung deutlich zeigt, symbolisch für eine lange Zeitspanne und kann nicht als historisch exakte Zeitspanne genommen werden.
Die etwas längere Fassung des Vortrages
Immerhin haben wir aber einen, vielleicht sogar zwei Texte aus dem 9. Jh., also gerade einmal 100 Jahre nach David, die uns die Existenz eines Königs dieses Namens bestätigen. 1993 und 1994 wurden in Tel Dan am Nordrand Israels drei Fragmente einer beschrifteten Stele gefunden, die das „Haus Davids“ nennen (Abb. 1). Dort heißt es vom aramäischen König Hasalel: „[Ich tötete den Jo]ram, den Sohn [Ahabs], 8den König von Israel, und [ich tötete Ahas]ja, den Sohn [Jorams, den Kö-] 9nig von Bet-David.“ Im 1. Jahrtausend v.Chr. wurden häufig Staaten als „Bet“ (= Haus) und der Nennung des Dynastiegründers benannt. Damit haben wir aus dem 9. Jh. v.Chr. den Beleg, dass es einen Staat gab, der vermutlich mit Juda identisch ist, und der von David gegründet wurde. Möglicherweise, so hat es A. Lemaire vorgeschlagen, ist dieses „Haus Davids“ auch auf der etwa zeitgleichen Meschastele aus Dibon im Ostjordanland zu lesen. Beide Texte – Dan-Inschrift und Mescha-Stele – gehören zu den ältesten und längsten historischen Inschriften überhaupt, die in der südlichen Levante gefunden wurden.
Unter einem Königtum dürfen wir uns allerdings nichts zu Großes vorstellen. Betrachtet man den Mitarbeiterstab Davids, dann beschränkt sich der auf
- seinen Heerführer Joab (2 Sam 8,16; 20,23 u. ö.),
- seinen Kanzler Joschafat (2 Sam 8,16; 20,24),
- seine Schreiber Seraja (2 Sam 8,17) und dann Schewa (2 Sam 20,25) und
- auf den Oberaufseher der Fronarbeit Adoram/Adoniram (nur 2 Sam 20,24) – nicht gerade ein machtvoller Mitarbeiterstab.
Saul | David | Salomo |
Private Dienerschaft Sauls, angeführt von Doeg (1Sam 21,8) | ||
Leibwache Sauls mit David als Führer (1Sam 22,14) | Leibwache Kreti und Pleti mit Be-naja als Führer (2Sam 8,18; 20,23) | (Zusatz?: Heerführer Benajahu (1Kön 4,4)) |
Waffenträger Sauls (1Sam 31,4ff.) | ||
Heerführer Abner (1Sam 14,50f. u.ö.) | Heerführer Joab (2Sam 8,16; 20,23) | Heerführer Eliab, Sohn des Joab (1Kön 4,6) |
Kanzler Jehoschafat (2Sam 8,16; 20,24) | Kanzler Jehoschafat (1Kön 4,3) | |
Schreiber Schuscha (2Sam 8,17; 20,25) | Schreiber Elichaph und Achija, Söhne des Schischa (1Kön 4,3) | |
Priester Zadok und Ebjatar (2Sam 8,17; 20,25) | Priester Asarja, Sohn des Zadok (1Kön 4,2); zu Ebjatar vgl. 1Kön 2,26; 1Kön 4,4 | |
Oberaufseher der Fronarbeit Adoram (erst 2Sam 20,24) | Fronaufseher Adoram (1Kön 4,6) | |
Vögte (1Kön 4,7-19) unter der Führung von Asarja (1Kön 4,5) | ||
Freund des Königs Sabud (1Kön 4,5) | ||
Palastaufseher Achischar(1Kön 4,6) |
Das Königtum des 10. Jh.s v.Chr. war damit eine höchst einfache und nicht weiter ausgebildete Institution. Damit verbunden ist auch die Frage, ob man von Israel und Juda überhaupt von einem Staat reden könne. Man darf hier nicht von modernen Definitionen oder Begrifflichkeiten ausgehen. Die Bezeichnung des Königstums Davids und Salomos als eines „Stammeskönigtums“ (im Englischen „tribal kingdom“) trifft den Sachverhalt viel besser und nimmt etwas von der großen Last, die mit den Begriffen König und Staat verbunden ist. Es ist ein Königtum im Werden, und die Zeit Davids ist gewissermaßen die Zeit der Geburt und frühen Kindheit.
Ein König hatte damals drei wesentliche Aufgaben:
- Sicherung des Reiches nach außen, um das Einbrechen von Chaos in das Reich zu verhindern;
- Erstellung einer Infrastruktur im Inneren, die ein Leben ermöglichte, das dem Willen Gottes entsprach;
- Aufrechterhaltung des Gottesverhältnisses, denn die Gottheit sorgte letztendlich für Sicherung nach außen und innen.
Unterhalb der Ebene des Königs und seines kleinen Hofstabs hatten die Ältesten der Stämme, aber auch die Ältesten der einzelnen Orte starke Macht, z.B. nahezu ausschließlich im Bereich der Rechtsprechung, aber auch auf der Ebene der Administration.
Die Langfassung: Eine Annäherung an David, oder: eine archäologische und biblische Spurensuche
Die biblischen Texte sind in vielen Fällen keine zeitnah verfassten historischen Berichte. An diesen Texten hat eine Vielzahl von Autoren mitgewirkt. Sie
- sind in einem Redaktionsprozess entstanden, der Jahrhunderte andauerte;
- sind Königstexte, die den König im richtigen Licht darstellen und verherrlichen wollen;
- sind Texte, die das gerade erst entstehende Reich Israel stabilisieren wollen;
- sind Texte, die Erinnerungen aufbewahren wollen;
- sind königskritische Texte, die schon am Beispiel Davids Verfehlungen der späteren Könige exemplarisch darstellen wollen;
- wollen zeigen, wie ein idealer König wirkt;
- wollen zeigen, welche Fehler ein König machen kann.
Die biblische Davidsgeschichte lässt sich ganz grob in drei Teile einteilen:
- Die Aufstiegsgeschichte oder Saul-David-Geschichte (1 Sam 16-31);
- Davids Weg zum Königtum über Juda, Israel und Jerusalem (2 Sam 1-8);
- Thronfolgegeschichte/Jerusalem Hofgeschichten (2 Sam 9-20; 1 Kön 1-2).
Innerhalb dieser Erzählungen gibt es auch unterschiedliche Schwerpunkte und Sichtweisen Davids. Wie bereits erwähnt, entstand der heutige Text in einem längeren Redaktionsprozess. Darauf soll hier nicht eingegangen werden, da dies Thema eines anderen Vortrags sein wird. Ziel meiner „Langfassung“ soll sein, ein wenig von dem aufzuzeigen, in welcher konkreten Welt und Umwelt damals David seinen Aufstieg machte. Es geht hierbei nicht darum aufzuzeigen, dass die Bibel doch recht hat oder die Bibel zu illustrieren. Vielmehr soll unter starkem Rückgriff auf die Archäologie ein kleiner Ausschnitt von dem gezeigt werden, was man heute über das 10. Jh. sagen kann. Dem sollen biblische Informationen gegenübergestellt werden, so dass sich ein Gesamtbild für diese Zeit ergibt. Dabei muss aber auch immer die Entwicklungsgeschichte der Texte mitberücksichtigt werden. Die biblischen Texte mythologisierten David immer. Sie bauten in späterer Zeit u.a. das Bild des Poeten (viele Psalmen werden auf David zurückgeführt), des Helden schon in frühen Tagen (David und Goliath) und des frommen Gefolgsmanns Gottes (z.B. Davids Reue) stark aus. So entstand immer mehr ein theologisiertes Bild von David, was sich dank der Literarkritik deutlich aufzeigen lässt. Es gibt aber auch ein Bild eines eher historisch greifbaren David, das sich gut in die Welt des 10. Jh. einpasst – in eine Welt der Umbrüche von einer stark tribalen zu einer immer mehr staatlich organisierten Welt.
Das 2. Jahrtausend v.Chr. war größtenteils geprägt von einer Stadtstaatenkultur. Dieses Gesellschaftssystem brach am Ende des 2. Jahrtausends allmählich zusammen. Hungersnöte auf Grund ausbleibender Niederschläge, der zunehmende Verlust der ägyptischen Hegemonie über die Levante und das Expansionsbestreben der Hetiter, innere Unruhen, soziale Probleme u.a.m. waren die Gründe dafür. Viele Menschen wanderten in einem lang anhaltenden Prozess von ca. 1300 bis ca. 1100 v.Chr. aus den Stadtstaaten aus, ließen sich in Ägypten nieder oder aber im bis dahin weitgehend unbesiedelten Bergland. Dort bildeten sich zunächst Clans (hebr. bet abot – mehrere kleine Ortschaften, die untereinander zusammenhielten) und dann kleine, noch instabile Territorialstaaten (die biblischen Stämme), die aber keinesfalls geeint auftraten (vgl. Ri 4-5). Es gab im 12. und 11. Jh. v.Chr. noch kein geeintes Israel, sondern einzelne, separat agierende Stämme mit lokalen Richtern als ihre Führer.
David war in seinen Anfangsjahren ein sog. Habiru-Führer. Habirus sind im Vorderen Orient für das 2. Jahrtausend bestens belegt. Es handelt sich um Personen, die in den Stadtstaaten auf Grund wirtschaftlicher Probleme nicht mehr überleben konnten und sich durch Kleinkriminalität, Überfälle, Söldnertum etc. am Leben erhielten.
Habiru | David |
Keine Stadtbewohner, keine Landbesitzer, keine Viehbesitzer (Nomaden); soziale Gruppe, keine ethnische Gruppe | Versammelt 400/600 Leute um sich herum: „Und es sammelten sich bei David allerlei Männer, die in Not und Schulden und verbitterten Herzens waren, und er wurde ihr Oberster; und es waren bei ihm etwa vierhundert Mann“ (1 Sam 22,2). |
Leben als Söldner, einfache Händler, billige Arbeiter ohne festen Wohnsitz, Tagelöhner, Kleinkriminelle | David fordert Schutzzoll von Nabal (1 Sam 25); David und seine Truppe wirkten als Söldner der Philister (1 Sam 27; 29), aber auch gegen die Philister (1 Sam 23,1-13); Überfälle auf Amalekiter (1 Sam 30) |
Überfallen gelegentlich Händler, um sich so zu bereichern -> führt zur Verunsicherung des überregionalen Handels | Überfälle im Negev (1 Sam 27; 30) |
Vereinigen sich zu Gruppen und stellen so eine Gefahr für die Städte dar | Überfall auf Philister bei Kegila (1 Sam 23,1-13); Überfälle auf Amalekiter (1 Sam 30) |
Auf Grund politischer Notlagen und weil sie allmählich eine Gefahr für das ganze Land darstellten, wurden solche Habiru-Führer zu Königen eingesetzt, wenn es eine militärische Notlage gab. Anfangs handelte es sich offenbar nur um zeitlich begrenzte Hilfen bei Kriegsfällen (vgl. 1 Sam 23,1-13), allmählich verfestigte sich aber die Struktur, indem die Heerführer dauerhafte Führungspositionen erhielten (Titel: Haupt oder König). Hierfür gibt es aus derselben Zeit inneralttestamentliche Parallelen:
David | Jiftach | Reson |
2 Sam 2,2 So zog David dort [nach Hebron] hinauf … 3 Auch die Männer, die bei ihm waren, führte David hinauf, … und sie wohnten in den Städten von Hebron. 4 Und die Männer Judas kamen und salbten dort David zum König über das Haus Juda.
2 Sam 5,3 Und es kamen alle Ältesten in Israel zum König nach Hebron. Und der König David schloss mit ihnen einen Bund in Hebron vor Jahwe, und sie salbten David zum König über Israel. |
Ri 11,1 Jeftah, der Gileaditer, war ein streitbarer Mann. Er war der Sohn einer Hure. … 5 Als nun die Ammoniter mit Israel kämpften, gingen die Ältesten von Gilead hin, um Jeftah aus dem Lande Tob zu holen, 6 und sprachen zu Jeftah: Komm und sei unser Hauptmann, dass wir gegen die Ammoniter kämpfen. … 9 Jeftah sprach zu den Ältesten von Gilead: Wenn ihr mich wieder holt, um gegen die Ammoniter zu kämpfen, und der HERR sie vor mir dahingibt, werde ich dann euer Haupt sein? | 1 Kön 11,23 Auch erweckte Gott dem Salomo noch einen Widersacher, Reson, den Sohn Eljadas, der von seinem Herrn, Hadad-Eser, dem König von Zoba, geflohen war. 24 Der hatte Männer um sich gesammelt und war Hauptmann einer Schar geworden – als David die Aramäer schlug –, und sie zogen nach Damaskus und nahmen es ein und herrschten in Damaskus. |
Die Zeit des frühen 10. Jh. stellte offenbar eine Zeit von Expansionsbewegungen der Seevölker dar. In dieser Zeit scheint es mehrere militärische Maßnahmen der Seevölker gegeben zu haben, die ihr Gebiet bis ins Bergland hinein ausweiten wollten. Dies wird in unterschiedlichen biblischen Texten festgehalten, ist aber außerbiblisch oder archäologisch nicht zu verifizieren:
Kampfmaßnahme der Seevölker/Philister gegen | Beleg |
Kampf bei Afek/Eben-Eser, Verlust der Lade | 1 Sam 4,1-11 |
Kampf bei Mizpa, Sieg der Israeliten bei Bet-Kar | 1 Sam 7,7-13 |
Wachposten der Philister bei Gibea/Geba Gottes, von Jonatan besiegt | 1 Sam 10,5; 13,3-5; 14 |
Racheschlacht nach der Tötung der Wachposten, Schlacht zwischen Geba und Michmas | 1 Sam 13,15-18 |
Dauerhafter Krieg zwischen Philister und Saul | 1 Sam 14,52 |
Schlacht David und Goliath zwischen Socho und Aseka | 1 Sam 17 |
Forderung Sauls von 100 philistäischen Vorhäuten als Brautpreis für Michal | 1 Sam 18,25-27 |
David kämpft gegen die Philister | 1 Sam 19,8 |
Philister kämpfen gegen Kegila | 1 Sam 23 |
Einfall der Philister ins Land | 1 Sam 23,27 |
Einfall der Philister ins Land, Kampf bei Afek (ohne Beteiligung Davids) | 1 Sam 28,1-2; 29 |
Schlacht bei Gilboa, Tod Sauls | 1 Sam 31; 2 Sam 1 |
Davids Sieg über Philister südwestlich von Jerusalem (Refaim-Ebene) | 2 Sam 5,17-25 |
Summarium Siege Davids gegen Philister | 2 Sam 8,1 |
Krieg gegen Philister, David wird beinahe getötet bei Nob | 2 Sam 21,15-17 |
Wachposten der Philister in Betlehem | 2 Sam 23,14 |
Heldentaten der Helden Davids gegen die Philister | 2 Sam 23 |
Angesichts der Vielzahl von weitgehend unabhängigen Texten kann man durchaus von einem Expansionsdrang der Philister/Seevölker im 10. Jh. sprechen. Diese militärische Bedrohung erforderte neue Maßnahmen, und hier scheint die biblische Darstellung, dass ein erfahrener Habiru-Führer zum dauerhaften König wird, durchaus vorstellbar und realistisch. Die militärische Gefahr begünstigte somit trotz einer weitgehend egalitären Gesellschaft die Etablierung einer militärisch geschulten Führungskraft. David schien angesichts seiner Erfahrung hierfür ein idealer Kandidat zu sein. Und er war offenbar erfolgreich. In der Folgezeit hören wir von keinen größeren Expansionsbestrebungen der Philister mehr; es gab nach der Reichsteilung nur noch kleinere Grenzscharmützel. David hatte hier offenbar erfolgreich die Philister zurückgedrängt.
Die Philister kontrollierten mit ihren fünf Hauptstädten Gaza, Aschkelon, Aschdod, Ekron und Gat die Küstenregion. (Abb. 2) Sie siedelten vor allem in Städten mit wenigen sonst belegten kleineren Orten. Nördlich davon lebten die Daniten, deren Gebiet später von den Philistern erobert oder in ihr Reich eingegliedert wurde. In der Schefela gab es zwischen dem Philistergebiet und dem allmählich entstehenden Stamm Juda im frühen 10. Jh. v.Chr. einige noch existierende Stadtstaaten: Lachisch (nach 1156 v.Chr. von den Philistern erobert), Kegila (1 Sam 23: Philister bedrohen Kegila, die Stadt wird durch Davids Truppen gerettet, war also wohl noch ein selbstständiger Stadtstaat), Bet-Schemesch und Gezer (vgl. 1 Kön 9,15-17). Jerusalem war auch ein noch existierender Stadtstaat, dessen Territorium vielleicht entlang des Sorek-Tals bis an das Gebiet von Bet-Schemesch reichte. Südlich von Jerusalem war das Gebiet des sich allmählich etablierenden Juda, nördlich davon das der Stämme Benjamin und Efraim, die später zu Israel gehörten. Judäer und Israeliten hatten andere Siedlungsmuster als die Philister. Sie siedelten in kleinen Dörfern mit max. 100 Einwohnern.
In der Zeit Davids entwickelte sich Gat zu Lasten von Ekron zur wichtigeren philistäischen Inlandsstadt, was gut zu den David-Geschichten passen würde. Im 7. Jh. war Gat dagegen völlig unbedeutend. In dieser Zeit hätte wohl niemand mehr eine Geschichte über Gat geschrieben, da niemand den Ort mehr kannte oder ihn für erwähnenswert hielt.
Der Wechsel eines Habiru-Führers von der pro-philistäischen zur anti-philistäischen Seite scheint nicht außergewöhnlich. Söldner arbeiten für den, der am meisten zahlt (vgl. 1 Sam 29,3-4).
David hat Überfälle von Ziklag aus in den Negev unternommen, konkret in das Land der Geschuriter, Gezeriter und Amalekiter (1 Sam 27,8 – dabei handelt es sich um das schlecht erforschte Gebiet des nördlichen Sinai) und in den Negev Judas (das nahezu unbesiedelte Gebiet südlich von Hebron), den Negev der Jerachmeeliter (um En Ruchma südlich des Beckes von Beerscheba) und der Keniter (um die Ortschaft Kina = Khirbet Ghazze). Diese Expeditionen gefährdeten die Handelswege mit Fenan, wo in der damaligen Zeit Kupfer abgebaut wurde – die wichtigste Kupferabbaustätte des damaligen Vorderen Orients mit einem Schwerpunkt der Kupferproduktion im 10. Jh. v.Chr. David ging es somit bei diesen Überfällen um eine wirtschaftliche Schwächung der mit dem Handel verbundenen Regionen. Die biblische Erzählung macht eigentlich nur zur Zeit Davids Sinn, da in der Folgezeit der Negev kaum mehr besiedelt war und ein besiedelter Negev nicht mehr im Vorstellungshorizont von späteren Schreibern war. Vermutlich durch einen Feldzug des Pharaos Schischak/Schoschenk um 922 v.Chr. wurden die Ortschaften im Negev zerstört.
Juda war zur Zeit Davids vor der Eingliederung Jerusalems ein kleiner Stamm mit wenigen Einwohnern (max. 1000 Einwohner – hierbei ist schon ein erheblicher Anteil von Zeltbewohnern mitberücksichtigt). Es lebte einerseits von Landwirtschaft sowie andererseits von Asphalt- und Salzhandel (am Toten Meer abgebaut) und unterhielt offenbar Handelswege zur Schefela. Politisch und militärisch war Juda völlig unbedeutend.
Jerusalem war vor David ein Stadtstaat in der Kontinuität der Spätbronzezeit mit ca. sechs Hektar Größe und wohl kaum mehr als 600 Einwohnern und ein wenig Hinterland. Jerusalem besaß aber eine intakte Administration als Stadtstaat, was für David wichtig war. Der Ort war durch seine Lage zwischen Kidron- und Tyropoiontal sehr gut geschützt, was die Jerusalemer zu ihrem Spott veranlasste, dass David die Stadt nicht erobern werde (2 Sam 5,6). Die Baumaßnahmen aus der Zeit Davids sind unklar, vielleicht kann die Stepped Stone Structure (auf jeden Fall älter als 8. Jh.) mit dem Millo („Füllung“) und mit David verbunden werden. Immerhin lässt sich für das 10. Jh. eine geringe Ausweitung der Bauaktivitäten feststellen, wobei nicht klar ist, ob sie eher David oder Salomo (das ist in manchen Bereichen wahrscheinlicher, zumindest für die neu ausgegrabene Large Stone Structure) zuzuweisen sind. Gut möglich ist, dass David überhaupt keine Bauten errichtet hat.
Das Gebiet des Stadtstaates Jerusalem lag genau auf der Grenze zwischen Nord- und Südreich. Mit der Eroberung wurde Jerusalem Davids 3. Königtum nach Juda und Israel, und es wurde seine neue Hauptstadt. Er brauchte diese Stadt für seine politischen Ziele. Der Judäer David konnte so auf die Hauptstadt Hebron verzichten. Die wirtschaftlich viel potenteren Israeliten konnten so auf eine Hauptstadt in ihrem Gebiet verzichten. Mit der Übertragung der Lade (transportables Nordreichsheiligtum) wurde Jerusalem für die Israeliten aufgewertet (2 Sam 6). In Jerusalem gab es Schreiber, die David für die Administration eines Reiches benötigte. Die Wahl Jerusalems war eine kluge politische Entscheidung und ein Glücksfall. Jerusalem war eigentlich nie eine wirtschaftlich bedeutende Stadt, aber immer in der Geschichte seit David und Salomo eine religiöse Stadt. (Abb. 3)
Zwischen Bet-Maacha und Naftali war ein 10 km breiter Streifen Niemandsland. Offenbar wollte man hier Grenzkonflikte vermeiden. Die zu Bet-Maacha gehörende Ortschaft Kinneret wurde Mitte des 10. Jh.s verlassen. Die Stadt war vermutlich die südliche Grenzfestung von Bet-Maacha. Dafür wurden im Ostjordanland neue aramäische Festungen in Bet-Saida und En-Gev gegründet.
Nach Ri 5 gab es im Norden offenbar eine Art lockeres Verteidigungsbündnis, das aber nicht verpflichtend für die einzelnen Stämme war. Diese Stämme, die an der Schlacht Ri 5 (nicht) teilnahmen, scheinen sich als „Israel“ (so schon auf der Merenptahstele 1208 und wahrscheinlich schon auf einer Berliner Ortsnamensinschrift um 1300) verstanden zu haben. Eine erste erwähnte gemeinsame Kriegshandlung für ganz „Israel“ unter Saul (Krieg gegen Ammoniter 1 Sam 11). Diese erfolgte unter Gewaltandrohung, also nicht freiwillig. Eine Einigung der Stämme Israels und damit ein Zusammenschluß zu einem Territorialstaat erfolgte offenbar erst unter David. Dies war eine enorme Leistung Davids, denn damit entstand erstmals ein in sich geschlossener Territorialstaat Israel unter der Leitung eines Königs – etwa gleichzeitig mit anderen „Staatsgründungen“ in der ganzen Levante.
Zusammenfassung
Davids Aufstieg war der eines ehrgeizigen Söldnerführers. Die Aufstiegsgeschichte reiht sich gut in die zeitnahe historische Entwicklung der Umwelt ein. David war in der kriegerischen Auseinandersetzung mit den Philistern der geeignete König, um Juda bzw. Israel zu verteidigen. David gelang offenbar eine außenpolitische Absicherung; wir hören in der Zukunft nichts mehr über größere philistäische Expansionsmaßnahmen, und es gibt auch keine archäologischen Hinweise dafür. David gelang es, die Stämme Israels, die bislang keine enge Einheit bildeten, zu einem Territorialstaat zu einigen (= Nordreich Israel). Zudem agierte er als Führungsgestalt im Süden (= Südreich Juda). Die Wahl Jerusalems als Hauptstadt war ein historischer Glücksfall mit Folgen. In die Zeit Davids (und Salomos) fallen zahlreiche Bündnisse in der Levante, um militärisch dominanter auftreten zu können (gegen Ägypten und dann auch gegen Assyrien). David scheint in seiner Regierungszeit das Gebiet von Lachisch, Kegila und Bet-Schemesch in Juda integriert zu haben, möglicherweise auch das Gebiet von Fenan und vielleicht auch Teile des südlichen Ostjordanlandes. David war ein erfolgreicher „Haudegen“ als Militärführer, aber er hat noch keine sinnvolle Herrschaftsstruktur aufgebaut (in Anfängen erst Salomo). David kann deshalb bislang nicht oder kaum mit repräsentativen Bauten (Palast, Tempel) verbunden werden (Ausnahme höchstens Millo/Stepped Stone Structure). David ist damit nicht nur ein Mythos (das ist er auch!), sondern er war ein für seine Zeit typischer Herrscher.