Das Jahr 1923 wird in vielen aktuellen Publikationen als „Multikrisenjahr“ beschrieben. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland taten sich sehr schwer, die Verwerfungen durch den Ersten Weltkrieg und die Belastungen durch den Friedensvertrag von Versailles in den Griff zu bekommen: Hyperinflation, politische Gewalt, Ruhrbesetzung, Separatismus, monarchistische Nostalgie und Revanchegelüste sorgten für eine gefährliche Gemengelage. Schon damals, zehn Jahre vor ihrer Zerstörung durch das NS-Regime, drohte der noch jungen Weimarer Republik das Ende.
Zeitlicher und örtlicher Aufhänger unserer Kooperationsveranstaltung mit dem Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ) und dem Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) ist der Münchner „Hitler-Ludendorff-Putsch“, der sich im November 2023 zum 100. Mal jährt. Doch wollen wir in unserem Symposium nicht dieses Ereignis nacherzählen, sondern die Hintergründe und Ursachen der tiefen und multiplen Krisen des Jahres 1923 in Bayern analysieren.
Dabei richtet sich der Blick zunächst auf die Frühphase derjenigen Organisation, die schließlich zur tödlichen Bedrohung der Republik wurde – der NS-Bewegung, die sich Anfang der 1920er-Jahre gerade in Bayern recht ungestört entwickeln konnte. Dass Einzelne schon sehr früh ahnten, wie gefährlich diese Ideologie werden würde, macht sodann die Beschäftigung mit dem Wirken der konservativen bayerischen Politikerin Ellen Ammann, Landtagsabgeordnete der Bayerischen Volkspartei und Gründerin des Katholischen Deutschen Frauenbundes Landesverband Bayern, deutlich. Nach einem einordnenden Blick auf die Ereignisse des Jahres 1923 folgt eine Schlussrunde, in der unter anderem darüber diskutiert werden soll, inwieweit das Etikett des „Multikrisenjahres“ auch auf 2023 übertragen werden kann.