Jüngste Interventionen an Klenzes Königsbau. Der lange Weg zur Pyramide

Munich cultural buildings in the post-war period

As part of the event "Munich Cultural Buildings: Destruction and Revival", 09.05.2019

Der ungewöhnliche Blick auf unseren Königsbau ist nicht vom Hubschrauber oder, moderner, von einer Drohne aufgenommen. Das Foto entstand auf der Suche nach jenem Standort, den die Kupferstecher des 17. und 18. Jahrhunderts eingenommen haben, um das Münchner Stadtschloss von seiner damaligen Schokoladenseite aus, von Westen her, der Nachwelt zu überliefern.

Die südliche Turmkuppel der Theatinerkirche bot schließlich die gewünschte Aussicht – die nicht zuletzt enthüllte, wie elegant Leo von Klenze sein (neben der Petersburger Eremitage) prestigeträchtigstes Bauwerk, mit einem eigenen kleinen Palazzo für die Königin, um die Ecke geführt hat.

Der Zusatz im Titel, „Ein langer Weg zur Pyramide“, soll Sie auf eine nach vorn gewandte Betrachtungsweise einstimmen, die jüngere Errungenschaften für unser Schloss mit einem Ausblick auf unvermeidbare künftige Anstrengungen verbinden will.

Spätestens seit Oktober 1835 besitzt die Münchner Residenz eine neue Schauseite, die sich – über 30 Meter oder 100 Fuß hoch – respektgebietend dem Zentrum der Bürgerstadt zuwendet. Auch der moderne Betrachter verbindet mit Klenzes Monumentalbau weit eher eine Herrschaftsarchitektur als mit der düsteren Straßenfront – weil sie, mit dem Max-Joseph-Platz, spürbare Distanz aufbaut. Wer nun aber denkt, der Königsbau hätte über alle klassischen Attribute eines Schloss-Entrees verfügt – (Vestibül, Gartensaal, Prachtstiege, Gartensaal, Festsaal) oder würde zumindest heute über solche verfügen, sieht sich enttäuscht.

 

Historische Erschließungswege in der Münchner Residenz

 

Wenn der Königsbau und der anschließende Innenhof bis 1918 als repräsentativer Zugang keine Rolle spielte, lag dies nicht zuletzt an der komplizierten Baugeschichte der Palastanlage. Im Süden befanden sich bis zur Säkularisation zwei Ordensniederlassungen – weshalb sich das Zeremoniell festlicher Aufzüge ausschließlich von Westen her entwickelte. Das Reichsoberhaupt zog über Kaisertor und Kaiserhof zur Kaisertreppe – und erreichte von dort aus den großen Festsaal und seine Gästewohnung. Die Herzöge und Kurfürsten empfingen seit Maximilian I. ihre Gäste vom zentralen Brunnenhof aus, wo man über die nördliche Breite Treppe zum Herkulessaal (dem heutigen Max-Joseph-Saal) und durch die Flucht der Antichambres zum Audienzsaal gelangte. Hochrangige Gäste empfingen ihren Besuch über das Portal im Südgiebel des Brunnenhofs, um über eine Treppe aus der Zeit um 1600 zum Schwarzen Saal zu gelangen. Noch Kronprinz Ludwig nutzte diesen Zugang für protokollarische Anlässe, da er bis zu seiner Silberhochzeit im Jahr 1835 die vormaligen Kurfürstenzimmer, die sich nördlich anschließen, mit seiner Familie bewohnte.
Leo von Klenze mag darauf gehofft haben, im Zuge der Errichtung der neuen Königswohnung im Königsbau auch den zeremoniellen Aufgang zum Landesherrn neu ordnen zu können. Was hätte ihm sonst als Ersatzbau vorschweben sollen, als er versuchte, die Grüne Galerie des verhassten Vorgängers Cuvilliés zu beseitigen? Dieser hatte am richtigen Ort auch bereits eine aufwändige Treppenanlage errichtet, die sich wegen des intimen Charakters des beiderseits anschließenden Residenzgartens nicht für festliche Aufzüge eignete und bald schon zum Speisesaal umfunktioniert wurde. Leo von Klenze beseitigte auch diesen vorsorglich bei Baubeginn.
Hier, am Ostende des neu gestalteten und nun nach Süden und Westen offenen Königsbauhofs, wäre der einzige sinnvolle Ort gewesen, um nach der Durchfahrt vom Max-Joseph-Platz aus das Hauptgeschoss des Palastes über eine neue Prachtstiege zu erreichen. Um Missverständnisse zu vermeiden sei darauf hingewiesen, dass die ausgeführte Mitteltreppe des Königsbaus, die bis heute gut erhalten blieb, die Schlichtheit eines reinen Funktionsraumes besitzt und neben den rückwärtigen Nebenräumen lediglich jene Folge kleinerer Festsäle erschloss, in denen heute die Bayerische Akademie der Schönen Künste untergebracht ist.

In familiengeschichtlich begründeter Nostalgie verwehrte der König Klenze den Abbruch der Grünen Galerie und damit letztlich eine sinnvolle Erschließung des Schlosses von Süden her. Klenze musste die Kröte des erhalten bleibenden alten Zugangsweges schlucken, um nicht mehr als den verbliebenen Höhenunterschied von 4,20 Metern – mit der dann um so prächtigeren Gelben Treppe – zu überwinden. Hierauf wird zurückzukommen sein.

 

Zugang zum Residenzmuseum von 1958 bis 2001

 

Ein Museum kann grundsätzlich anders erschlossen werden wie eine Fürstenwohnung; die problematische Lösung für die eine schadet aber auch der anderen. Als man die Residenz nach dem Sturz der bayerischen Monarchie zu einem riesigen Museum machte, verlegte man den Eingang (nach einem ersten, schwer auffindbaren Anlauf aus dem Brunnenhof) ab Mai 1937 an den Max-Joseph-Platz. Hier schien eine halbwegs chronologische Abfolge vom Antiquarium der Spätrenaissance bis zur Raumkunst des Klassizismus am ehesten realisierbar zu sein. Das 1958 mit einem ersten Rundgang durch die Baugeschichte wiedereröffnete Museum behielt diese Form der Erschließung bei, noch dazu bereichert um eine neue Schatzkammer im östlichen Erdgeschoss des Königsbaus. So konnten die Besucher beider, getrennt voneinander organisierter Einrichtungen, in einem vergleichsweise winzigen Vestibül, mit Billetts, amtlichem Führer und – beim Verlassen – kleinen Souvenirs wie Dias oder Postkarten versorgt werden. Auch an eine bescheidene Kleiderablage war gedacht. Danach folgten zwei der reichsten und – im Fall des eigentlichen Schlosses – weitläufigsten Museen Deutschlands.
Man erinnert sich heute kopfschüttelnd an solch eine Lösung, die immerhin bis zur Schwelle unseres Jahrtausends gehalten hat. Bei lediglich 110.000 Gästen im Museum und 87.000 in der Schatzkammer (Zahlen des Jahres 1995) blieb ein übertriebenes Gedränge auch in der Regel aus. Haupthindernis für eine großzügigere Lösung war die Sperrung des Königsbauhofes für die nicht zahlende Öffentlichkeit – was einen ununterbrochenen Führungsweg bis knapp ans Ende der Besichtigung erlaubte und wohl auch für die Museumssicherheit von Vorteil war.

 

Erschließungslösung für die Residenzmuseen seit 2001

 

Es bedurfte schließlich eines Machtwortes aus dem unserer Verwaltung vorgesetzten Finanzministerium, um den Residenzmuseen einen nachhaltigen Innovationsschub zu verpassen. Landauf landab wurde seit der Jahrtausendwende dafür gesorgt, Bayerns staatliche Schlösser mit modernen Empfangsräumen, shops, qualitätsvollem Andenkenverkauf und einer durchgängigen Corporate Identity reif für ein international verwöhntes und hoffentlich auch nicht vergreisendes Museumspublikum zu machen.

Die Öffnung des seit gefühlten zwei Jahrhunderten geschlossenen Portals im klassizistischen Seitenflügel an der Residenzstraße wirkte Wunder. Endlich erkannten die Flaneure auf der Einkaufsmeile, dass sich hinter dem damals noch düsteren Gemäuer unseres Schlosses ein lichter Hof verbarg, an dessen Ende eine noble Rokokofassade winkte. Neue rote Banner in den Torlunetten informierten endlich wirkungsvoll über das hier Gebotene. Im Grund genommen drängten sich die Münchner und ihre Gäste aber ganz von selbst in den geheimnisvollen neuen Freiraum ihrer Stadt. Seither stiegen die jährlichen Besucherzahlen für Museum und Schatzkammer bis zur runden halbe Million.

Cuvilliés’ Portal zur Grünen Galerie wurde zum natürlichen Eingang in das Innere des Schlosses, die dahinter liegende Alte Schatzkammer nahm – erklärtermaßen provisorisch – den Shop und auch den Kartenverkauf auf. Die Garderobe ist in jüngster Zeit vom alten Eingangsraum im Vorfeld der Schatzkammer nach Norden, in den Ersten Gartensaal gewandert, um auch dem Sicherheitsaspekt mit Einziehung größerer Taschen und konservatorisch übler feuchter Kleidung gebotenen Raum zu geben. Ein ausreichend großer Versammlungs- und Orientierungsraum für die Gäste mit gut erreichbaren Toiletten, eine dezentere Ausgabe für Audioguides und vor allem eine direkte, rollstuhlgerechte Verknüpfung des Eingangs mit dem Hauptgeschoss des Hauses und eine behindertengerechte Schatzkammer blieben aber immer noch Desiderat.

 

Neubewertung der nordwestlichen Nebenraumzone des Königsbaus

 

Der unzugängliche Königsbauhof hatte durchaus auch den Charakter eines Werkhofs gehabt, an dessen Südseite die Schreiner der Residenzwerkstätten arbeiteten. Mit der Hoföffnung zog diese Einrichtung nach Schleißheim, wie die Bildhauer und Vergolder aus den darüber liegenden Geschossen die Residenz schon länger Richtung Nymphenburg verlassen hatten. Auch einzelne Dienstwohnungen für das Schlosspersonal waren nicht mehr praktikabel und wurden aufgelöst. Somit war eine Nachnutzung für die auf vier Geschosse verteilten ehemaligen Dienst- und Privaträume der Königsfamilie gefragt.

Zunächst fand hier, im Erdgeschoss, eine Ausstellung zum Thema Das Libretto im Rahmen des Münchner Opernjubiläums 2003 statt. Die Schlösserverwaltung konnte den niveauvoll gestalteten provisorischen Ausbau des Münchner Architekten Wenz übernehmen, um hier die ursprünglich in der Alten Schatzkammer (jetzt Kasse und Shop) gezeigte Schau über Zerstörung und Wiederaufbau des Schlosses im und nach dem II. Weltkrieg neu und großzügiger zu präsentieren.
Durch ein Großfoto des eingestürzten Antiquariums mit den Titel-Schlagwörtern betrat man einen Gang, der die seitlich gelegenen Kabinette erschloss und mit Großdias vor den Fenstern die unwiederbringlichen Verluste des großen Brandes vom April 1944 zeigte. Ein erster Schauraum führte in die Bemühungen um Dokumentation des Bestandes in Form von Fotos, Malerei, Zeichnung und mittels Spolien ein. Es folgte ein Erinnerungsort an die Kriegszeit mit einer (zunehmend desaströsen) Folge von Zerstörungsbildern. Die restlichen Räume waren, mit Bildern und charakteristischen ramponierten Fundstücken aus der jeweiligen Epoche, den drei großen Phasen des Wiederaufbaus gewidmet.

Zusammen mit den vom üblichen Museumsrundgang abgetrennten Nibelungensälen war das westliche Erdgeschoss des Königsbaus kostenlos zugänglich, was dankbar vom Publikum und den professionellen Stadtführern angenommen wurde. Auch dem übrigen Museum wurden so neue Interessenten zugeführt. Entscheidender Gewinn der kleinen temporären Schau war aber die Erkenntnis, dass sich der auch klimatisch günstige, nach Norden orientierte Schlossflügel bestens als Präsentationsfläche eignete.

 

Sicherung der Bausubstanz im Gefolge der 2007 eingeleiteten Techniksanierung

 

Ausgelöst durch eine bevorstehende Umstellung der Fernwärmeversorgung für die Umgebung der Residenz, immer deutlichere Defizite bei den Installationen aus den 50er Jahren und zunehmend verschärften Vorschriften hinsichtlich Brandschutz, Energieeinsparung und Hygiene, musste seit den mittleren Nuller-Jahren über eine fundamentale technische Erneuerung nachgedacht werden. Parallel lief auch die – aus ähnlichen Gründen nötige – Restaurierung des Cuvilliéstheaters. Da der Königsbau mit seinen hoch installierten Kellern eine wichtige haustechnische Schaltstelle darstellt, begannen hier die Arbeiten im Jahr 2007.

Bald schon wurde deutlich, dass eine Beschränkung auf die rein dienenden Funktionen im Haus unwirtschaftlich sein würde – schließlich zwangen die oft erheblichen Eingriffe in die Bausubstanz, speziell durch neue Leitungen, ohnehin zu einer staubintensiven Öffnung und anschließenden Überholung aller betroffenen Oberflächen, was damit auch den Restauratoren ein breites Tätigkeitsfeld verschaffte. Die aus Sicherheitsgründen und zum Schutz der Objekte nötige Räumung und Deponierung von musealem Kunstgut bot nicht zuletzt die Chance, lange aufgeschobene Anpassungen im didaktischen Konzept endlich anzugehen. Letztlich hob  im Genehmigungsverfahren auch die Koppelung der nicht zu diskutierenden Sicherheitsbelange mit den nur wünschenswerten kulturellen Anliegen die Chance auf deren Umsetzung.

Aus den 2007 eingeleiteten architektonischen Maßnahmen am Königsbau ragt die umfassende Sanierung aller Fassaden heraus – schon allein wegen der riesigen Flächen von rd. 4500 Quadratmeter2 allein für die Natursteinoberflächen. Das aus Lager- und Transportgründen weit in den Platz vorgeschobene Gerüst mit seiner illusionär bedruckten Bespannung und dem aus den Fenstern lugenden Königspaar gehörte bald schon regelrecht zum Stadtbild.

Gestützt auf ein präzises digitales Aufmaß zeigte die Schadensanalyse einen dramatischen Befund: Die kurz vor 1958 noch mit geringem Aufwand gemachten Ergänzungen von Kriegsschäden hatten sich verbraucht; die rostenden Armierungen der Betonplomben sprengten darüber liegende Schichten ab und bedrohten die Passanten, die sich gern am Fuß der Schauwand sonnten. Dazu kamen allerlei Feuchteschäden und die bei Sandstein fast schon sprichwörtlichen Verfallsprozesse. Schon seit mehreren Jahren hatte die Bauverwaltung mehrmals jährlich Befahrungen durchgeführt, bei denen alle losen oder auch nur locker scheinenden Bauteile tonnenweise abgeschlagen wurden. Dies traf auch die Gesimse und die Ornamentik. Man kann sich denken, wie stark auch eigentlich noch Rettbares auf diesem Weg verloren ging.

Als zentrale denkmalpflegerische Frage war zu klären, ob man dem Prinzip der 1950er Jahre, etwa im Stil einer Betonsanierung, treu bleiben sollte, oder ob man die Rückführung der Fehlstellen auf die präzise Maßlichkeit Leo von Klenzes unter Verwendung von Originalmaterial wagen sollte. Ein Kompromiss wurde gefunden, indem man sich entschloss, zunächst einmal alle potentiell sprengenden Eisenteile auszubauen. Schadstellen unter 50 Prozent eines betroffenen Quaders wurden mit modernen, edelstahlarmierten Steinersatzmassen geschlossen – war die Fehlstelle größer, kam Naturstein zum Einsatz.

Der benötigte Abbacher Grünsandstein ist nicht mehr im Handel. Ein Vorkommen in einem Steinbruch bei Kelheim – im Geburtsort des Autors Saal an der Donau – konnte allerdings genutzt werden und ermöglichte hochwertige traditionelle Steinmetzarbeit, die von den schon bei der Hofkirche bewährten Bamberger Natursteinwerken Graser geleistet wurden. So waren die Weichen in Richtung auf einen zunehmend wieder steinernen Königsbau gestellt – statt ihn allmählich zur Betonkopie zu machen.
Die Entschlüsselung der Formprinzipien, nach denen Klenze seine unten dorische, ionische und oben korinthische Palastfassade gliederte, war Aufgabe der denkmalpflegerisch verantwortlichen Bauabteilung. Die überaus lehrreiche Detektivarbeit war entscheidend, um nach vielen unpräzisen Ergänzungen wieder den reinen Klang einer fast vergessenen Architektursprache zurückzugewinnen.

 

Die endgültige Adaption von Raumreserven für das Residenzmuseum

 

Die Rückwärtigen Räume des Königsbaus, die mit genau der Hälfte der südlichen Prunkraumhöhe eher wohnlichen Charakter zeigen, sind gut geeignet für konservatorisch nicht zu sensible oder kleinere Ausstellungsstücke. Nachdem man zunächst an Wechselausstellungen gedacht hatte, rückte die Idee einer Verlagerung von vorhandenen Beständen aus dem Raumkunstmuseum in den Vordergrund. Die dort freiwerdenden Räume – etwa die bisherige Porzellansammlung des 18. Jahrhunderts oder die Silberkammern – würden für eine didaktische Einführung in die begleitende Raumkunst gut geeignet sein oder lange schon beengte Bereiche, wie die Ausstellung sakraler Textilien bei der Hofkapelle, sinnvoll erweitern. Die für Bayerns Verfassungsgeschichte wertvollen Staatsratszimmer, von denen aus der König mit seinem Kabinett regierte, würden dadurch endlich frei für eine Neupräsentation.
Ein zusammenhängender Cluster von eher neutralen Schauräumen mit hochwertigen Gebrauchsgegenständen und Kunstgut erläutert im Kontext des Königsbaus die Funktionen einer Königswohnung (Stichwort Tafelkultur) und bietet dem Fachpublikum Gelegenheit, edle Porzellane, Silber oder Miniaturen fern vom lauteren Betrieb der Hauptroute zu studieren. Nach einem Konzept unserer Museumsabteilung wurde die Ausstellungsarchitektur vom Stuttgarter Büro space4 entwickelt und – wie alle hier genannten Bauaufgaben – vom Staatlichen Bauamt München 1 unter Leitung meines geschätzten Kollegen Norbert Achatz realisiert. Der gesetzte Kostenrahmen von 4,9 Millionen € wurde wie fast durchgängig gehalten.
Der Einbau einer internen Treppenanlage war aus Brandschutzgründen nötig und erlaubt in enger Verknüpfung der Geschosse auch einen raschen Themenwechsel. Bis zur Vollendung eines durchgehenden Erschließungskonzepts für die Residenz bildet diese Treppenanlage auch den einzigen Zugang zu den tiefer gelegenen Schauräumen und den Nibelungensälen, ausgehend von der Königswohnung im Hauptgeschoss.

Die Verknüpfung mit diesen vorgelagerten Prunkräumen wurde durch Öffnung bisheriger Scheintüren verbessert, auch um historische Bezüge (etwa zum verlorenen Speisesaal des Königsbaus) besser ablesbar zu machen. Schließlich sind die im Erdgeschoss erhaltenen Balkendecken, Parkettböden, Türflügel und Fensterläden eine besondere Kostbarkeit im 1944 ausgebrannten Schloss. Sie wurden sorgsam restauriert. Nur hier hat man noch, bei aller Reduzierung an den Oberflächen, sechsseitig originale Raumschalen vor sich, die Nebenräume zeigen, was in der schon fast ermüdenden Folge prunkender Säle vom Publikum dankbar angenommen wird.

 

Das Programm zur Sicherung wertvollster Wandmalerei der Residenz wird fortgeführt

 

Nach der Restaurierung des Antiquariums in den Jahren 1995-2000 sollten auch die ähnlich geschädigten Fresken Julius Schnorr v. Carolsfelds in den Nibelungensälen und die Malerei in der Grottenhalle konserviert und fallweise ergänzt werden. Dies fiel zunächst Sparzwängen zum Opfer. Bei weiterer Zunahme der Schadensbilder – und zur Ergänzung des musealen Angebots im direkten Anschluss an die neu eingerichteten Rückwärtigen Räume gelang es schließlich, ab 2012 die Nibelungensäle, den noch am besten erhaltenen Bestand an Wandgemälden des 19. Jahrhunderts in der Residenz, zusammen mit der rahmenden Raumdekoration zu sanieren. Für rund 3,9 Millionen € wurde die nach Kriegsschäden schon einmal, in den 1950er, Jahren ergänzte Wandmalerei des Nibelungenzyklus restauriert, wurden Wandflächen und Böden aus Stuck und kostbarem Naturstein gereinigt und soweit erforderlich ergänzt. Im Vorfeld waren dramatische Wasser- und daraus resultierende Salzschäden einzudämmen, die sich als Spätfolgen des Krieges, aber auch durch unzugängliche und dabei undichte Regenfallrohre aufgeschaukelt hatten. Wandgemälde, deren Putzgrund sich über mehrere Quadratmeter vom Mauerwerk gelöst hatte, bildeten ein besonders riskantes Schadensbild – die schon allein durch die Vibration der unter der Residenz vorbeifahrenden U-Bahn zu Totalverlusten hätten führen können.

Schließlich wandte man viel Mühe für ein zeitgemäßes Lichtkonzept auf. Die fünf Räume wurden zum Schutz vor allzu grellem Sonnenlicht und schädlichen Klimaschwankungen mit Spannvorhängen ausgestattet, was die bisher fehlende Beleuchtung verschatteter Bereiche nötig machte, aber auch bei einbrechender Dämmerung oder schlechtem Wetter die Farbenpracht der Malereien deutlich hebt.

So konnte mit der begeistert aufgenommenen Eröffnung des erweiterten Museumsrundgangs und der über zehn Jahre geschlossenen Königswohnung im Juni 2018 auch der monumentalste Freskenzyklus des 19. Jahrhunderts in der Hauptstadt – und weit darüber hinaus – wieder zugänglich gemacht werden. Eine Nutzung der Raumflucht für Veranstaltungen, die manches zum Verfall beigetragen haben, soll künftig ausgeschlossen bleiben.

 

Die Rekonstruktion der Gelben Treppe bereichert den Lernort königliches Bayern

 

Die Teilrekonstruktion und Restaurierung der Gelben Treppe bildet einen Sonderfall verglichen mit den bisher vorgestellten Projekten. Da es seit 1973 bereits eine Treppenverbindung zwischen Antiquariumstrakt und Königsbau an dieser Stelle gab, war ihre Überarbeitung nicht zwingend. Betrachtet man das komplexe Raumkunstwerk aber unter dem inszenatorischen Aspekt des feierlichen Aufstiegs zur Audienz beim Bayerischen König, gewinnt ihre Gestalt entscheidend an Bedeutung. Es ist der Edith-Haberland-Wagner-Stiftung München zu verdanken, dass diese Idee, gestützt von einer 50-prozentigen Finanzierungszusage über 3 Millionen €, an unsere Oberbehörde herangetragen werden konnte, die 2016 den Bauauftrag des Landtags übermittelte.
Es geht primär um die Überwindung einer Notlösung aus den späten 1940er Jahren, als man zur Sicherung des Antiquariums vor weiterem Verfall ein dauerhaftes Dach errichtete, das den zur Hälfte erhaltenen Treppenraum durchschnitt. Zweites Ziel der Maßnahme ist die Sichtbarmachung nennenswerter Reste originalen Stucks und Stuckmarmors der Zeit um 1830, während die Ornamentik und Oberflächenqualität des übrigen Königsbaus zu weiten Teilen nach 1945 grundlegend überarbeitet wurde. Schließlich bildet die Prunktreppe einen zentralen Knotenpunkt in einem künftigen Erschließungskonzept für die Residenz, das nicht mehr von ein oder zwei zwingend abzulaufenden Routen durch Sammlungen und Raumkunst ausgeht, sondern dem Gast die Wahl lässt, wie viel Kunstgenuss er sich zumuten will bzw. kann, in welcher Reihenfolge dies geschehen soll und welche Schwerpunkte er setzt.
Die Baumaßnahme kann sich, neben den Originalbefunden, auf historisches Bild- und reichlich präzises Planmaterial stützen. Sie wird in drei Hauptabschnitten durchgeführt, die den Abbruch des den ursprünglichen Raum durchfahrenden Tunnels, den Wiederaufbau des im Krieg verbrannten, vermutlich hölzernen halbrunden Vorraums mit südlicher Portalwand sowie die Verkleidung des Rohbaus mit Stuck, dem namengebenden gelben Stuckmarmor und kostbarem Naturstein umfasst. Wir rechnen mit der Fertigstellung für den Sommer 2020.

 

Schlussbetrachtung

 

Keine der technischen Sanierungen, die in den letzten Jahrzehnten in der Münchner Residenz erfolgen mussten, ließ sich auf die Bedürfnisse einer zeitgemäßen Betriebsführung beschränken. Immer war es auch der wirtschaftlichste und am schnellsten realisierbare Weg, die oft schon lange aufgelaufenen konservatorischen Probleme und die Erwartungen eines anspruchsvollen internationalen Museumspublikums im selben Zuge mit zu erledigen. Wir haben das am Beispiel einer komplizierten Fassadenrestaurierung und der sichernden Aufwertung der Nibelungensäle ebenso gesehen wie bei der Neugestaltung einer großzügigen Sammlungsarchitektur für das Silber, die Porzellane, Miniaturgemälde und Tischkultur unseres Schlosses.

Die nun anstehende grundlegende Sanierung der kostbarsten Prunkräume des Schlosses – Reiche Zimmer, Ahnengalerie, Hof- und Reiche Kapelle, Grottenhalle – wird genauso eine Reihe begleitender Maßnahmen nach sich ziehen, die viel Geld kosten werden, aber auch die Chance bieten, das ausführlich gezeigte Grundproblem einer brauchbaren Infrastruktur für die Residenz zu lösen. Dabei kommt dem Königsbau und den beiden Höfen, die ihm nördlich vorgelagert sind, eine entscheidende Bedeutung zu. Der Königsbau wird, zusammen mit den gerade dieses Jahr noch grundsanierten Trakten um den Kaiserhof, jene Attraktivität bieten, die man im Kern der Anlage für mindestens ein Jahrzehnt den Gästen vorenthalten muss.

Eine Gruppe unserer Praktikanten hat kürzlich versucht, alternative Standorte für den Museumszugang zu entwickeln. Nimmt man die Koppelung von Schatzkammer und Raumkunst weiter an und schließt man eine Verlagerung der Schatzkunst in andere Bereiche, schon wegen Mangel an Raumreserven aus, kommt nur der naturgemäß empfangsbereite Königsbau als Auftaktort infrage.

Umgeben von unantastbaren Raumkunstwerken wird also der verborgene Küchenhof und wird der Untergrund des Königsbauhofes jene Einrichtungen aufnehmen müssen, auf die ein Schaukomplex der Königsklasse – und niemand wird so einen Ehrentitel unserer Residenz verwehren können – dringend angewiesen ist. Angemessene Kassen- Garderoben- und Sanitärräume, ein Museumsladen und Café, natürlich auch ein Vortragssaal und Flächen zum Empfang von Gruppen und zur Orientierung sowie, ganz entscheidend und bis heute schmerzlich fehlend: Eine Treppen- und Aufzugsanlage zwischen Empfang und Hauptgeschoss sind hier zu nennen. Endlich müssen die weiten Wege zwischen den Hauptattraktionen so verkürzt und organisiert werden, dass auch ältere, ungeduldige und behinderte Gäste ihren Besuch genießen können. Die Alte Schatzkammer, das einzige erhaltene Monument der Prinzregentenzeit wird dann auch wieder angemessen, etwa als Sonderschau für Schatzkunst, genutzt werden können.

Ich hoffe, Ihnen einen Eindruck davon vermittelt zu haben, wie sich die Arbeiten am und um den Königsbau konsequent und beharrlich, auf dieses Ziel hin ausgerichtet haben. Ein kühner Seitenblick auf das Meisterwerk von Ieoh Ming Pei am Louvre mochte uns dabei, im Sinn des Untertitels, gestattet sein. Möge es der Residenz, allen Freunden der Kunst und europäischer Geschichte vergönnt sein, diesen Weg zu einem würdigen Abschluss gelangen zu sehen.

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