Petrus: Dieser Name ist Programm, und dieser Mann ein Fels. Eigentlich heisst der galiläische Fischer Simon, doch davon gibt es schon eine ganze Menge – ein unterscheidender Zweitname muss also her. Glaubt man den Evangelien, dann hat ihm Jesus diesen Namen persönlich ausgesucht. Im Urchristentum läuft er sowohl in seiner aramäischen Form (Kephas) als auch in einer griechischen (Petrus) um; er verselbständigt sich schliesslich und ersetzt den Namen Simon. Wie auch immer der Name Kephas/Petrus zustande gekommen sein mag, seine historisch wirksamste Deutung erhält er (nur) im Matthäusevangelium, an einer Textstelle, die heute lateinisch in der Kuppel des Petersdoms prangt: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen (petra) werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18).

Petrus, der Fels: Vor meinem Auge erscheint ein blanker Felsgrund, gewachsener Stein, den kein Regen wegschwemmen kann. In den Alpen bekommt man öfter aus nächster Nähe mit Felsen zu tun zu. Im Frühjahr sind die Spitzen noch schneebedeckt, doch in den Sommermonaten zeigen sie sich steinig: dominant und überragend. Für die Ungeübten ist es nicht immer leicht, sich in den Felsen zu bewegen; sie zwingen die menschliche Kraft in die Grenzen. Widerstandsfähig sind diese Felsen, aber auch starr und unbeweglich. Die grauen Formationen sind in unvorstellbarer Langsamkeit von ebenso unvorstellbaren Naturgewalten geformt worden – zeitlose Mahner an Kräfte, die der Mensch nicht beherrscht.

Doch was heisst es, solche Felsen-Eigenschaften auf einen Menschen zu übertragen? Dominant und überragend? Unbezwingbar, aber auch unbeweglich starr? Diese Eigenschaften werden wohl in manchen Kontexten als „Stärke“ ausgelegt: Solche Menschen stellen sich selbstbezogen in den Weg, sie bleiben „tough“ und weichen keinen Millimeter von ihrer Position. Sie gelten als durchsetzungsfähig – echte „harte Hunde“ eben – und damit meine ich nicht nur Männer). Bei einem Blick ins öffentliche Leben kann der Eindruck entstehen, solche provokativen HardlinerInnen gewinnen gerade heute mancherorts an Zuspruch.

Aber entspricht das Profil des „harten Hundes“ dem Petrus-Felsenmann der christlichen Tradition? Der ist doch ein recht beweglicher Menschenfischer: Er lässt sich rufen und schicken, zieht barfuss und im verschwitzen Hemd herum (Mk 1,16f. par; Mt 10,9).  In der Gruppe der Jesusschüler ist er zwar Frontmann, aber kein Solitär. Petrus can auch hart sein – nach Johannes schlägt er bei Jesu Verhaftung mit dem Schwert zu (Joh 18,10). Doch wie oft muss er sich belehren lassen bei seinen kurzsichtigen Interventionen, z. B. als er an Jesu Sendung ins Leiden zweifelt (Mk 8,32f. par), oder als er bei der Fusswaschung vorprescht und erst gar nicht, dann auf einmal ganz gewaschen werden möchte (Joh 13,6–9). Auf seine glorreiche Idee, bei der Jesu Verklärung drei Hütten zu bauen, geht Jesus gar nicht erst ein (Mk 9,5f. par).

Nichtsdestotrotz ist Petrus vielleicht der Konsequenteste von allen Schülerinnen und Schülern: Er wagt sich am weitesten vor. Er will auch aufs Meer hinaus, als er Jesus dort gehen sieht (Mt 14,28–31); er folgt ihm in den Hof des hohepriesterlichen Hauses, als Jesus dort verhört wird, während seine Kollegen längst getürmt sind (Mk 14,50.54 par).

Doch dann geht Petrus, der Fels, unter: beim Seewandel in Zweifel und Furcht, im Hof des Hohenpriesters in seiner Todesangst. Diesen Bedrohungen hält er nicht stand. Er muss um Hilfe betteln, er sieht seiner Schwäche ins Auge. „Und er weinte bitterlich“ (Mt 26,75 par).

Wie passt das zu einem Felsenmann? Die christliche Tradition schleift sich das Idealbild von Petrus zurecht. Sie hat Mut, seine wunden Punkte zu benennen. Eine christliche Führungsfigur der ersten Stunde bekommt keine Herrscherpropaganda.

Doch damit liefert die christliche Tradition auch eine eigenständige Definition dessen, was für sie „Felsenstärke“ bedeutet: gerade nicht das harte Durchgreifen, sondern das Fallen und Aufstehen können. Gerade nicht dass kompromisslose Entscheiden, sondern das Fragen und Lernen eines Menschen, der sich in den Herausforderungen des Lebens entwickelt. Gerade dann ist ein Mensch fest verlässlich, wenn er auch scheitern und wachsen kann. Und schliesslich demonstriert dieser Typ Felsenmann, dass er Stärke nicht aus eigener Kraft generieren kann.

Im christlichen Sinn tragfähig ist also ein Mensch, der gerade nicht immer herausragt, sondern die Tiefen seines Lebens durch Gottes Entgegenkommen bewältigt. Und als solchem traut Jesus ihm eine Führungsrolle zu: Petrus, dem mit Weisheit gewählten „Felsenmann“.

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