Zwischen Kontinuitäten und Brüchen

Gedanken zu römischen Arbeiten von Christoph Brech

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr verehrter, lieber Herr Schuller, für Ihre freundliche Einladung, heute in die Ausstellung von Christoph Brech, die uns hier im Saal und in den Räumen der Akademie umgibt, einzuführen, möchte ich ganz herzlich Dank sagen. Einen kleinen Beitrag zu Ihrer festlichen Verabschiedung als Akademiedirektor leisten zu dürfen, freut mich besonders, weil ich Ihnen, Herr Schuller, auf diese Weise meine Bewunderung, die ich für Sie und Ihre geleistete Arbeit hege, zum Ausdruck bringen kann.

 

I.

In Ihrer Akademie – so darf man die Katholische Akademie in Bayern mit Fug und Recht bezeichnen – haben Sie konstant aktuelle Themen in einer imposanten Bannbreite aufgegriffen, deren Diskussion Ihre eindrucksvolle Zeitung bzw. Zeitschrift „zur debatte“ – dass man sie in die eine wie in die andere Kategorie einreihen möchte, zeigt, wie überzeugend das Format ist – weit über München hinaus, unter anderem bis zu mir nach Rom trägt. Darin findet man neben den fundierten Behandlungen vielfältiger wissenschaftlicher Themen etwa schon sehr früh präzise Informationen über die italienischen Mafia-Organisationen und ihre Verbindungen nach Deutschland. Immer wieder haben Sie Analysen zu politischen Fragen und zu gesellschaftlichen Entwicklungen angestoßen, etwa zur Digitalisierung oder zur Ökologie. Darin werden konkrete Positionen zu entscheidenden theologischen Problemstellungen formuliert, zu denen man selten Theologen zu präzisen Äußerungen bewegen kann. So etwa die Fragen: Wie hat man sich die Auferstehung der Toten wirklich vorzustellen? Was bedeutet das Jüngste Gericht unter der Voraussetzung der modernen Wissenschaft? Oder wie verhält es sich mit der Seele des Menschen? Wo beginnt der Mensch? Dabei haben Sie der Kultur und der Kunst stets einen breiten Raum eingeräumt. Ich erinnere mich gerne daran, wie Sie auf dem Gerüst, inspiriert von Raffaels Fresko der Begegnung zwischen Papst Leo d. Gr. und dem Hunnenkönig Attila, ein ganzes mehrtägiges Symposion zum Renaissance-Papsttum mit Blick auf das Reformationsjubiläum konzipiert haben. Es ist Ihnen immer um eine ernsthafte Auseinandersetzung gegangen, die auch vor der Herausforderung der zeitgenössischen Kunst nicht halt gemacht hat; davon zeugen Ihre regelmäßigen Fahrten mit Ihrer Akademie zur Biennale nach Venedig, oft in Begleitung des von Ihnen besonders geschätzten Künstlers Christoph Brech, unseres gemeinsamen Freundes. Wenn es im Alten wie im Neuen Testament heißt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort …“, dann ist das Wort immer Kultur. Dahinter steht das Bewusstsein, dass ohne Kultur Verkündigung gar nicht möglich ist.

In Rom ist mit Unterstützung des Vatikan das Jüngste Gericht gegenwärtig zur Multimediashow degeneriert unter dem Slogan: „Last Judgement, best show in town.“ Die Einkünfte der Vatikanischen Museen dienen der Finanzierung des Vatikanstaates. Bildung ist durch Massenkultur ersetzt worden. Demgegenüber zeigt Ihr intellektueller, differenzierter und breiter Ansatz, dass es auch in der katholischen Kirche noch Kompetenz gibt, der es um die kritische Betrachtung der Inhalte geht und die bereit und fähig ist, sich den intellektuellen Herausforderungen zu stellen, und die diese nicht aus Angst und Unkenntnis verdrängen und vertuschen muss. Will sagen: „Ihnen können die Menschen noch glauben.“ Der Text auf der Einladungskarte zur heutigen Veranstaltung legt aus christlicher Überzeugung heraus von alledem ebenso ein beredtes Zeugnis ab wie die Ausstellung mit Bildern von Christoph Brech unter dem Titel „Im Auge des Pantheon“, die Sie sich gewünscht haben.

Dass Sie die Kunst und die Kunstgeschichte zu Ihrem Abschied so prominent auftreten lassen, ist auch im Zeitalter der Bildgeschichte noch ein unschätzbares Vermächtnis. Spätestens 1921 wurde in England der Werbeslogan geprägt: „One Look is Worth A Thousand Words“; Kurt Tucholsky hat ihn 1926 mit seinem literarischen Essay „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ in der deutschen Literatur etabliert. Theologie ist eine Wortwissenschaft. Die mittelalterliche Biblia Pauperum, die für die Menschen geschaffen wurde, die nicht lesen konnten, hat das Bild aus dem Wort entwickelt und dem Wort untergeordnet. Mit der heutigen Bilderflut, die in allen Medien auf uns einstürzt, kann die Theologie jedoch nicht mehr Schritt halten. Um sich diesem Phänomen zu stellen, ist Ihr Ansatz, die Bilder und die Kunstwerke über die Bildwissenschaft hinaus in den Diskurs einzubeziehen, so ungeheuer wichtig. Ein Symbol richtig einzusetzen und ein Symbol richtig zu erkennen, erfordert ein Bildungsniveau; das Lesen von Bildern gehört zur Voraussetzung unserer Allgemeinbildung. Wir müssen z.B. eine Sensibilität dafür wecken, dass es nicht wahr ist, dass man Palmyra wiederherstellen kann. Ein solch falsches Verständnis von Restaurierung verharmlost bloß den Krieg. Der Abriss des völlig intakten und in sich geschlossenen neo-romanischen Immerather Doms, sogar mit Genehmigung der Diözese Aachen, ist aber genauso eine Zerstörung und ein Sakrileg und zeigt, wie sehr wir Menschen Ihres Kulturniveaus, Herr Schuller, brauchen. Die an Heinrich Heine orientierte Devise, die im Januar in Immerath geprägt wurde: „Wer Kultur zerstört, zerstört bald auch Menschen“, wird im Hambacher Forst in diesen Tagen schon traurige Wirklichkeit. Die Devise gilt in gleicher Weise für die Natur und die ganze Schöpfung.

 

II.

Diese Themen brennen auch Christoph Brech auf den Nägeln, und er ist augenblicklich in dieser Richtung engagiert und aktiv. Bereits seine „römischen Arbeiten“ klagen solche Vergewaltigung unserer Umwelt an, sein Rom ist auch heute wieder eine „offene Stadt“, nur mit dem Unterschied, dass die Besatzungsmacht die Touristen sind und die Ideologie die kulturlose Kommerzialisierung. Sie, Herr Schuller, haben mich gebeten, heute den „Kontinuitäten und Brüchen“ in den Bildern von Christoph Brech nachzugehen. Diese treten hervor, wenn man die Bilder kontempliert, nicht wenn man zu schnell daran vorbeigeht. Vordergründig stehen z.B. moderne horizontale Gitterstäbe den vertikalen Kanneluren ehrwürdiger Säulen gegenüber. Während hingegen das Licht wie ein Firnis die zum Ausschnitt komponierten Motive kontinuierlich zu vereinen scheint, manifestiert sich in den ins Auge gefassten Gegenständen ein wachsender Kontrast zwischen dem Ewigen und dem Ephemeren. Aus einer formalen Ästhetik geboren, entwickeln die Formen aus ihrer Relation eine Ikonographie. So weht das in Stein festgehaltene, antikisierende, bewegte Gewand einer Früchte tragenden Ceres im Wettstreit mit den vom Wind real gebauschten Plastikplanen eines Baugerüstes, das für einen Fassadenanstrich aufgebaut worden ist. Das Licht verleiht dem starren Marmorbild mehr Bewegung, als die reale Struktur gegenüber aufweist, und vermittelt das Wesen beider, obwohl beide in einem vollkommen heterogenen architektonischen Ambiente eingezwängt sind.

Immer wieder konfrontieren Gerüste in Rom, die längst heute nicht mehr stehen, den Betrachter in Brechs Bildern damit, sich über seine eigene Wirklichkeit Rechenschaft abzulegen. Komplexe Anordnungen von Verhüllungen, von Photographien im Photo, von Reflexen, Gemälden, Plakaten und von vielem mehr müssen durchdrungen werden, wenn man den eigenen Standpunkt gegenüber dem Bild bestimmen will. Vor der Kirche S. Carlo al Corso, inmitten der Planen, auf denen die Fassade in Originalgröße aufgedruckt, aber teilweise verschoben ist, die sie selbst und das vorgestellte Gerüst verdecken, sticht eine weiße platte Projektionsfläche hervor, deren Leere darauf wartet, ein Werbeplakat zu tragen. Fast entsteht der Eindruck des Ateliers eines Malers, in dem Leinwände, bemalt, angefangen oder leer, hintereinander gestapelt sind. Die weiße Leinwand wird von einem Kabel mit einer weißen Straßenlampe durchquert, ohne Licht. Aus der Negation heraus und mit einem leisen Anflug eines kleinen Sonnenflecks rechts oben wird das Licht zum Protagonisten, mit dem Rom gesegnet ist und das alle natürlichen und künstlichen, atmosphärischen und elektrischen Lichter malerisch verwandelt. Ähnliches gilt von den Spiegelungen in den Aufnahmen. Da es sich bei Christoph Brechs Bildern um Photographien und nicht um Malerei handelt, bleibt die Realität die regierende Logik der Bilder. Das Licht wandelt sich derweil stetig, und selbst die Photographie kann es nicht festhalten, sondern sich nur daran inspirieren. Im Spiel der Standortbestimmung lehren Christoph Brechs Photos Sehen und steigern unsere visuelle Ästhetik.

 

III.

Aus meiner Arbeit im Vatikan unter drei verschiedenen Päpsten, zu der auch ein großes Gemeinschaftsprojekt mit Christoph Brech gehört, das unter dem Titel „Freie Blicke“ hier in München publiziert worden ist, sind mir Brüche einer Kontinuität sehr vertraut. Unter Papst Johannes Paul II. haben Kunst und Kultur ihr traditionelles Dasein geführt und standen nie in Frage. Papst Benedikt XVI. hat dies gesteigert und ungeahnte neue Energien freigesetzt. Selbst Sekretäre von Kardinälen konnten jetzt beschreiben, wie ein Fresko gemacht wird. Der Vatikan trat plötzlich auf der Biennale in Venedig auf. Nie für möglich gehaltene Restaurierungen, auch in privaten Räumen von Kurienmitgliedern, waren auf einmal möglich, selbst wenn sie sich über lange Zeiträume erstreckten. Während der Restaurierung der Cappella Paolina ist Papst Benedikt persönlich zur Planung der Altaraufstellung und zur Erörterung der liturgischen wie kunsthistorischen Implikationen wie zu Zeiten von Bramante, Raffael und Bernini zur Baustelle gekommen und hat die Arbeiten auf dem Gerüst in Augenschein genommen. Heute herrscht Massenkultur.

Christoph Brech nimmt dazu Stellung. Sein Bild von den unordentlichen Gerüsten auf dem Petersplatz in Rom mit vorgelagertem, erloschenem, riesigem Fernsehbildschirm ohne Bild, unter einem düsteren Himmel, scheint bange zu fragen: Was hält den Vatikan noch? Christoph Brech zählte zu den 250 Künstlern, die Papst Benedikt am 21. 11. 2009 in die Sixtinische Kapelle eingeladen hatte. Dieses Ereignis ist in den vier Bildern im Speisesaal der Akademie präsent und spannt einen Bogen zwischen Intentionen von Papst Benedikt und Florian Schuller. Benedikt wollte mit seiner Initiative an die wegweisende Rede seines Vorgängers Johannes Paul II. anknüpfen, die dieser im Herkulessaal der Münchner Residenz gehalten hatte und in der er Künstler und Publizisten zum „authentischen Dienst an der Wahrheit und am Menschen“ aufgefordert hatte. Christoph ist Benedikts Aufforderung zur Zusammenarbeit von Künstlern und Kirche unmittelbar gefolgt, hat ein genuines Projekt mit den Vatikanischen Museen entwickelt und hier drei Jahre über Licht, Kunst und die Rezeption der Werke durch die Menschen kontempliert. Eines der Bilder in der hiesigen Ausstellung entstammt diesem Projekt. Vom höchsten Punkt des Mons Vaticanus, der nach einer kürzlich erfolgten Restaurierung heute schon anders aussieht als auf Brechs Bild, blickt man hinüber auf die Peterskuppel, mit der Bramante das Pantheon auf das Templum Pacis, den vermeintlichen antiken Friedenstempel, setzen wollte.

 

IV.

Das Pantheon ist vielleicht der eindrucksvollste Bau Roms. Seine Proportionen sind aus der Kugel entwickelt, die nur zur Hälfte in seiner Kuppel sichtbar wird – und das auch nur im Innern. Mit seiner korinthischen Ordnung und dem mächtigen Bronzeportal ist es der Inbegriff der Antike. Alle Kuppeln des Abendlandes scheinen von hier inspiriert.

Kaiser Hadrian hatte das Pantheon als paganen Tempel errichtet. Papst Bonifaz IV. weihte es im Jahre 609 als christliche Kirche, wo als Hauptreliquie das Schweißtuch der Veronika verehrt wurde, als das Allerheiligenfest noch ein Frühlingsfest war. Als Bonifaz den fensterlosen Raum betrat, hätten die heidnischen Dämonen keinen anderen Ausweg gewusst, als durch den Kuppelscheitel zu flüchten. Dabei hätten sie einen Oculus, das Auge, an dieser zentralen Stelle, an der normalerweise der Schlussstein jedes Gewölbe hält, eingebrochen und seien mit dem grossen bronzenen Pinienzapfen, der das Gebäude außen bekrönt habe, wie mit einem Sektkorken bis ins Atrium vor St. Peter geflogen. So dramatisch schildern es die mittelalterlichen Legenden, die Mirabilia Urbis Romae, um sich das Continuum dieses suggestiven Raumes mit dem Loch an der entscheidenden Stelle zu vergegenwärtigen und begreifbar zu machen.

Keines der Bilder von Christoph Brech zeigt dieses Auge, und doch empfangen alle seine Pantheon-Bilder von diesem Oculus ihr subtiles Licht, gleichgültig welche willkürlich eingebauten elektrischen Lichtquellen sonst damit in Kontrast treten und in diesen Lichtfluss einbrechen. Nur das Licht des Auges im Zenit erzeugt die Reihe von Schatten auf den ohnehin schon dunklen Bronzetüren und ruft das Spiel der kleinen Schmuckelemente hervor. Dasselbe Tageslicht, das sich durch das Auge ergießt und das draußen vor der Tür gleißend alles umgibt, ist im Innern gewandelt und hat eine eigene Konnotation.

So sehr das Licht des Auges den Innenraum verzaubert, so surreal ist der Punkt außen, oben, auf der Kuppel, neben dem offenen Oculus. Da die Wölbung der Kuppel unter dem Rand zurückweicht, entsteht für den, der an die Öffnung tritt, ein Gefühl wie beim Fliegen. An diesem Punkt kann nur stehen, wer vollkommen frei von Höhenangst ist. Hier spielt eine weitere der vielen römischen Geschichten, die zumindest seit 1802 erzählt wird, aber vielleicht gar keine Legende ist, sondern sich wirklich zugetragen haben mag. Es heißt, dass Kaiser Karl V., als er 1536 nach seinem Tunis-Feldzug Rom besuchte, eben diesen Punkt des Pantheon habe besteigen und durch das Auge in den Innenraum schauen wollen. Dem Sohn des Pantheon-Aufsehers sei die Ehre zuteil geworden, den Kaiser zu begleiten. Als der Vater hinterher seinen Sohn fragt, wie der Besuch gewesen sei, habe dieser dem Vater geantwortet: „Weißt Du, Vater, als ich dort oben mit dem Mann stand, der den fürchterlichen Sacco di Roma und die grauenvolle Plünderung der Stadt durch die Landsknechte über uns gebracht hat, kam in mir das Verlangen auf, ihn in das Loch hinabzustoßen. Darauf habe der Vater zu seinem Sohn gesagt: „Mein Sohn, so etwas sagt man nicht, so etwas tut man!“ Denn er wusste, dass schon der Gedanke an einen Tyrannenmord genauso tödlich sein kann wie eine solche Tat selbst.

In dieser Episode manifestiert sich für mich Majestät, und sie hat mir immer meinen absoluten Respekt für Karl V., einen der Protagonisten der größten Umbrüche der Weltgeschichte, abverlangt. Er konnte die Situation an diesem einzigartigen Ort nicht vorhersehen, bevor er nicht dort gestanden hatte, und er konnte nicht ahnen, welches Gefühl ihn an dieser Stelle befallen würde. Als er mit dem halbwüchsigen Jungen hier oben ankam, konnte er sich nicht auf den Bauch legen und über den Rand des Oculus lugen, wie man das als Archäologe oder Kunsthistoriker oder auch als Photograph tun kann. Wenn der Kaiser Angst hatte, hatte er keine andere Wahl, als sie zu überwinden und stehend in den über 40 m tiefen Abgrund zu schauen. Der Junge war ihm nicht gewogen, er hätte das Ansehen des Kaisers sofort preisgegeben. Er war nur eine doppelte Gefahr für den Herrscher, sowohl für sein Leben als auch für sein Ansehen. Nur das Individuum Karls konnte hier die Institution des Kaisers befreien.

Die Persönlichkeit Karls offenbart in dieser Situation einerseits Selbstbewusstsein, ohne das er die Situation nicht meistern konnte, und andererseits Demut, indem er sich einem Jungen anvertraute und nicht ein Event seines Protokolls und seines Hofstaates inszenieren ließ. Letztendlich sind es aber seine Achtung vor dem Ort, seine Kultur und seine Fähigkeit, sich faszinieren zu lassen, aus der er seine Haltung bezieht. Das Selbstbewusstsein erwächst aus der Demut. Seine Persönlichkeit, nicht seine Medienerscheinung macht ihn als Kaiser glaubhaft. In jeder Betrachtung des Pantheon, künstlerisch oder wissenschaftlich, schwingt diese Tradition mit.

 

V.

 Christoph Brech hat solche Gedanken in seiner Beschäftigung mit Giordano Bruno auf dem römischen Campo dei Fiori, dem Ort seines Martyriums, wo die Inquisition Bruno im Jahre 1600 verbrannt hat, ein weiteres Mal auf den Punkt gebracht. Die Bronzestatue des Priesters, Philosophen, Wissenschaftlers und Schriftstellers ragt über großen, wallenden Schirmen, die gegen Sonne wie gegen Regen schützen sollen, unter einem trüben Himmel vor dem Palazzo della Cancelleria, dem Palast des päpstlichen Kanzlers, empor. Drei geschlossene Schirme wirken wie Berliner Schutzleute oder Gestapo in Trenchcoats, die den Ketzer beschatten. Der Kontrast zwischen dem Ewigen und dem Ephemeren scheint den Widerruf der Inquisition durch Papst Johannes Paul II. zu suggerieren, der im Jahre 2000 die Hinrichtung Brunos für Unrecht erklärt hat.

Wir verdanken dem Christentum unter anderem die abendländische Kunst. Christoph Brech gehört zu den christlichen Künstlern, die diese Tradition fortsetzen. Im Augenblick arbeitet er an einem Kirchenfenster, das aus den Röntgenplatten der Lungen von Gläubigen aus der Gemeinde komponiert ist, durch die sie also atmet und über den Tod dieser Menschen hinaus atmen wird. Brech spinnt in diesem Fenster den Faden seiner Reflexionen über vereinendes Licht und den Beitrag des Einzelnen, gleich welchen Standes, in der Gesellschaft weiter.

Brechs Photos sind digitale Bilder, die einem binären Code unterliegen. Wir haben bisher kein konservatorisches Konzept, mit dem wir in dieser Technik ausgeführte Werke dauerhaft erhalten können. Unsere Gesellschaft polarisiert sich kontinuierlich, sie gleicht ihre Logik dem binären Prinzip von Strom und kein Strom des Computers an, als ob die Digitalisierung unser Denken und Fühlen strukturierte. Das Licht in den digitalen Photos von Christoph Brech führt vor, dass das Spektrum mit all seinen Nuancen keineswegs aufgegeben werden muss. Das Gleiche gilt für Schwarz und Weiß genauso mit den ungezählten Schattierungen dazwischen. Kontinuität oder Brüche sind nicht entscheidend, sondern die individuelle Ästhetik der Relation. Die Rolle der Schönheit zu erhalten, ihre Herausforderung durch Kunst und Wissenschaft weiter zu öffnen und die Vielfalt der Möglichkeiten zu nutzen und nicht einzuschränken, fordern uns die Bilder von Christoph Brech in der Akademie von Florian Schuller auf. Kompetenz erfordert Demut, um sie mit Selbstbewusstsein einsetzen zu können.

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