Was bedeutet Aufklärung für Religion? Gibt es so etwas wie aufgeklärte Religion? Oder bedeutet Aufklärung Säkularisierung? Sind einige Konfessionen resistenter oder unwilliger als andere, wenn es um Aufklärung geht?
Viele unserer Vorstellungen von der historischen Epoche der Aufklärung stammen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Evangelische Theologen wie Ernst Troeltsch versuchten, der bis dato als Verfall des kirchlichen Lebens geltenden Aufklärung einen neuen Anstrich zu geben und diese aufzuwerten als Bewegung, die den Protestantismus erfasst und erneuert habe. Diese Neuinterpretation stand im Kontext zeitgenössischer Entwicklungen: Die Wurzeln der eigenen, sich als modern und liberal verstehenden Theologie wurden nun ins 18. Jahrhundert zurückverlagert. „Aufklärung“ und „Protestantismus“ erschienen eng miteinander verzahnt.
Auf katholischer Seite gab es mit dem Würzburger Kirchenhistoriker Sebastian Merkle ebenfalls Versuche, einen aufgeklärten Katholizismus zu rekonstruieren. Auch dies geschah im Kontext zeitgenössischer Entwicklungen, ging es doch darum, seitens der katholischen Theologie und Kirchengeschichte die eigene Zugehörigkeit zur „Moderne“ einerseits, zum (protestantisch dominierten) Deutschen Reich andererseits unter Beweis zu stellen. Ähnliches lässt sich für das 20. Jahrhundert auf christkatholischer, jüdischer und islamischer Seite beobachten.
Mit der historischen Einordnung von Darstellungen von „Aufklärung“ und „Religion“ in verschiedenen Konfessionen und Religionen sind grundsätzliche Fragen aufgeworfen, wie Geschichtsschreibung einerseits von der jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Realität geprägt ist und andererseits diese selbst mitprägt.
Wir laden Sie sehr herzlich zu diesen interdisziplinär gestalteten Historischen Tagen ein, die diese wichtigen Fragen unter dem Titel „Aufklärung Religion. Theologiegeschichtliche Perspektiven des 20. Jahrhunderts“ sowohl aus dem Blickwinkel der Geschichte wie auch der Theologie beleuchten.