Introduction
In einem 2016 erschienenen Beitrag meines Fachkollegen Thomas Schüller, der sich mit der Frage der rechtlichen Legitimität des deutschen Pfarrgemeinderats auseinandersetzt, heißt es einleitend: „Um den Pfarrgemeinderat ist es in der kirchenrechtlichen Fachdiskussion wie auch im Alltag der stetig größer werdenden Pfarreien still geworden. Die nachkonziliare Euphorie, die in Deutschland durch den Beschluss der Würzburger Synode zur rechtlichen Ausgestaltung der Pfarrgemeinderäte weiteren Aufwind erfuhr, ist der Ernüchterung im ehrenamtlichen Engagement vieler Gläubigen in diesem Rat gewichen. Ein deutlicher Indikator für die immer weiter abnehmende Bedeutung dieses pfarrlichen Rates ist die in der Regel erschreckend geringe Zahl der Wahlbeteiligung bei den Wahlen zum Pfarrgemeinderat.“
Es mag überraschen, dass ein Beitrag anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der deutschen Pfarrgemeinderäte mit dieser eher düsteren Analyse eröffnet wird. An den Aussagen ist zwar manches richtig, aber doch nicht alles. Gewiss hat sich in den fünf Jahrzehnten, seit in den deutschen Bistümern der Pfarrgemeinderat, wie wir ihn heute kennen, eingeführt worden ist, vieles in der Kirche geändert. Dass eine Euphorie nicht jahrzehntelang aufrechterhalten bleibt, scheint mir eher gesund als bedenklich. Nüchternheit ist, auch im Hinblick auf die Wahrnehmung des Lebens und die Umsetzung der Sendung der Kirche, keine schlechte Ausgangsbasis. Zutreffend scheint mir an der Einschätzung, dass das fachkanonistische Interesse am Pfarrgemeinderat, soweit es sich anhand der Zahl einschlägiger Publikationen messen lässt, geringer geworden ist.
Die Wahlbeteiligung bei den Pfarrgemeinderatswahlen ist sicher nicht berauschend, doch wenn man sie in Beziehung zur Zahl der sonntäglichen Kirchgänger setzt, die bei den deutschen Katholiken zuletzt – bei erheblichen regionalen Unterschieden – im Durchschnitt auf unter zehn Prozent der Gläubigen gesunken ist, dann stellt sich das Bild noch einmal ganz anders dar. Mancherorts ist die Zahl der katholischen Christen, die bei der Pfarrgemeinderatswahl ihre Stimme abgeben, dank entsprechender Werbung und der Möglichkeit der Briefwahl, sogar weit höher als jene der Mitfeiernden der sonntäglichen heiligen Messe. Es sollte freilich auch nachdenklich stimmen, wenn das Interesse an jenem Gottesdienst, der nach den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ bildet (Lumen gentium, Art. 11), statistisch geringer ist als an einer kirchlichen Personenwahl.
Die nachfolgenden Ausführungen sollen einerseits eine gewisse Informationsbasis für die weitere Diskussion, andererseits aber auch einen Gegenstand der kritischen Betrachtung bieten: Am Beginn werden ein paar historische Streiflichter geboten, die den Pfarrgemeinderat in einen größeren Zusammenhang stellen. Danach wenden wir uns der Frage zu, was den Pfarrgemeinderat spezifisch legitimiert. Weitere Bemerkungen betreffen die rechtliche Gestaltung des deutschen Pfarrgemeinderats im Unterschied zum Pfarrpastoralrat des kirchlichen Gesetzbuchs. Am Ende stehen ein paar tastende Überlegungen zur Zukunft des Pfarrgemeinderats, gerade angesichts der gegenwärtigen Reformen der Pfarrstruktur in den deutschen Bistümern.
Geschichtliche Aspekte
Der Pfarrgemeinderat ist eine neue Ausdrucksform der Laienverantwortung in der Kirche, aber keineswegs der Anfangspunkt verantwortlicher Mitwirkung von Laien an der Regelung kirchlicher Angelegenheiten. Die Geschichte der Kirche ist von Anfang an davon bestimmt, dass der Herr seine Sendung, ungeachtet der besonderen Bedeutung des apostolischen Amtes, nicht nur dem engeren Jüngerkreis anvertraut hat, sondern allen, die in seine Nachfolge treten. Dementsprechend haben Gläubige seit alters in verschiedenen, wechselnden Formen spezielle Aufgaben in der Kirche wahrgenommen. Unter den Theologen und prägenden Gestalten des Christentums der ersten Jahrhunderte befanden sich nicht nur Bischöfe und Kleriker, sondern auch andere Gläubige. Im frühen Mittelalter waren Laien vielfach dafür verantwortlich, dass zumal in ländlichen Regionen christlicher Gottesdienst und Seelsorge möglich geworden sind. Auch wenn das dahinterstehende sogenannte Eigenkirchenwesen viele problematische Phänomene mit sich gebracht hat und schließlich zurückgedrängt wurde, war es in vielen Regionen Europas ein entscheidendes Mittel der kirchlichen Präsenz vor Ort. Auch Kaiser und Fürsten haben sich für die Kirche verantwortlich gefühlt und sie deshalb gefördert, zugleich aber auch in mancher Hinsicht kontrolliert.
Im Mittelalter haben wir es mit einer Identität von Staat, Kirche und Gesellschaft zu tun. Die Historiker sprechen vom Corpus Christianum und bezeichnen damit diese große, nicht zu unterscheidende Einheit von Sphären, die wir heute auseinanderhalten können und zu trennen gewohnt sind. Das Corpus Christianum bildete auch eine selbstverständliche Voraussetzung für die Wahrnehmung von Laienverantwortung in der Kirche. Auf lokaler, städtischer Ebene etwa bildeten Kommune und Kirchengemeinde eine Einheit und waren nicht voneinander zu trennen. Dies führte vielfach dazu, dass auch das öffentliche Vermögen eine Einheit bildete und nicht ein eigenes Kirchengut unterschieden wurde. Damit war auch vorwiegend Laien aus dem städtischen Rat die Verantwortung übertragen, für die materiellen Bedürfnisse der Kirche entsprechende Vorsorge zu treffen. Das Amt des Kirchpflegers war vielfach, wenn man dies überhaupt so beschreiben darf, eher ein kommunales Amt als ein kirchliches; jedenfalls wurde es regelmäßig von einem Laien ausgeübt.
Auch in der Neuzeit, also nach der Reformation und der westlichen Kirchenspaltung, fand die verantwortliche Mitwirkung von Laien in der katholischen Kirche ihre Fortsetzung. Wenn man einmal von den staatlichen Kontrollinstanzen über die Kirche, wie sie in Systemen des Staatskirchentums und der Staatskirchenhoheit bestanden, absieht, war es wiederum vor allem der Bereich der pfarrlichen Vermögensverwaltung, woran – teilweise aufgrund staatskirchenrechtlicher Vorgaben – mit Laien besetzte Gremien in Deutschland schon seit dem 19. Jahrhundert beteiligt waren. Ein besonderes Feld des Engagements der katholischen Laien waren auch politische und gesellschaftliche Fragen. In den Pius-Vereinen trat der Laienkatholizismus in Deutschland sichtbar in Erscheinung.
Im 20. Jahrhundert setzte sich diese Entwicklung in Deutschland fort. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in deutschen Bistümern auch Pfarrausschüsse oder Pfarrräte gebildet, in denen Laien und Kleriker gemeinsam die Pfarrei betreffende Fragen berieten. Die Schaffung dieser Gremien erfolgte im Kontext der sogenannten Katholischen Aktion. Nach dem Zweiten Weltkrieg war eine verstärkte diözesanrechtliche Ordnung dieser Ausschüsse zu verzeichnen. Jedenfalls hatten die deutschen Katholiken bereits eine reiche Erfahrung mit pfarrlichen Gremien gemacht, als vor fünf Jahrzehnten die uns vertrauten Pfarrgemeinderäte eingesetzt wurden.
Theologische Legitimität
Die aktive Beteiligung der Laien am Leben der Kirche hat durch das Zweite Vatikanische Konzil neue Impulse erhalten. Dieses Ökumenische Konzil verwendet in seinen Dokumenten zur Beschreibung der Kirche unter anderem die Bezeichnungen „Volk Gottes“ oder „Leib Christi“; es sieht darin eine sakramental geprägte Gemeinschaft (communio), zu der alle Gläubigen vereinigt sind. An verschiedenen Stellen spricht das Konzil davon, dass die Sendung der Kirche von allen Getauften getragen wird und nicht nur der Klerus das Leben der Kirche prägt. Schon allein durch die Sakramente der christlichen Initiation (Taufe, Firmung, Eucharistie) sind die Glieder der Kirche dazu berufen und befähigt, den göttlichen Auftrag der Kirche persönlich mit zu verwirklichen.
Das Konzil hat dem Apostolat der Laien ein eigenes Dokument gewidmet (Dekret Apostolicam actuositatem). Darin wird zwar nicht auf einen Pfarrpastoralrat eingegangen, aber der Zusammenschluss und das Zusammenwirken von Laien, Klerikern und Ordensleuten in Gremien, die das Apostolat koordinieren und fördern, werden nachdrücklich angeregt (Art. 26). Damit benennt dieses Konzilsdekret implizit auch eine wichtige Funktion des Pfarrgemeinderats. Im Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe wird ausdrücklich die Einrichtung eines diözesanen Pastoralrats gewünscht (Christus Dominus, Art. 27). Ein entsprechendes Gremium ist auch für die Ebene der Pfarrei denkbar, auch wenn Christus Dominus darüber nichts ausdrücklich sagt.
Vor dem Hintergrund dieser Konzilsaussagen und auf der Grundlage der Erfahrungen, die man mit bereits bestehenden pfarrlichen Gremien gemacht hatte, wurden dann vor fünf Jahrzehnten die Pfarrgemeinderäte gebildet. Die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, die 1971 bis 1975 in Würzburg tagte („Würzburger Synode“), konnte die Existenz von Pfarrgemeinderäten zwar schon weitestgehend voraussetzen, verstärkte aber nochmals deren rechtliches Fundament. In ihrem Beschluss „Räte und Verbände“ schreibt die Würzburger Synode für jede Pfarrei die Bildung eines Pfarrgemeinderates vor, welcher „dem Aufbau einer lebendigen Gemeinde und der Verwirklichung des Heils- und Weltauftrags der Kirche“ zu dienen habe (III 1.1). Ferner heißt es, dass er „in allen Fragen, die die Pfarrgemeinde betreffen, je nach Sachbereichen und unter Beachtung diözesaner Regelungen beratend oder beschließend mitzuwirken“ habe (III 1.2).
Als ein Organ, das der Verwirklichung der Sendung der Kirche dient, ist der Pfarrgemeinderat gewissermaßen – wie die Kirche selbst – zuerst „von oben“ legitimiert und nicht „von unten“. Während in unserem demokratischen Staatswesen alle Gewalt vom Volke ausgeht, verdankt sich die Kirche ganz ihrer göttlichen Stiftung. Diese Grundtatsache wirkt sich auch im Hinblick auf den Pfarrgemeinderat aus. Er ist nicht eine kirchliche Parallele zum Gemeinderat und der Pfarrer nicht ein kirchliches Pendant des Bürgermeisters. Der Pfarrgemeinderat bildet auch kein quasi parlamentarisches Gremium, das die Gläubigen der Pfarrei dem Pfarrer gegenüber vertritt oder dem Pfarrer als Kontrollorgan gegenübersteht. Vielmehr soll der Pfarrgemeinderat als verantwortliches Ratsorgan zur möglichst guten Verwirklichung der Sendung der Kirche in der Pfarrei beitragen.
Bei der Bestimmung der Mitglieder kommt es also in erster Linie darauf an, dass sie diese Aufgabe gut wahrnehmen können; dies ist bei jenen Mitgliedern, die dem Pfarrgemeinderat von Amts wegen angehören, ohne weiteres vorauszusetzen. Im Hinblick auf die übrigen Mitglieder lässt es sich so ausdrücken: Die Basis für die Mitgliedschaft bildet die durch Taufe, Firmung und Eucharistie sakramental vermittelte volle Befähigung zur Mitwirkung an der kirchlichen Sendung, nicht aber ein Mandat der wahlberechtigten Mitglieder der Pfarrgemeinde.
Vor diesem Hintergrund ist es eine zweitrangige Frage, nach welchem Verfahren jene Mitglieder des Pfarrgemeinderates bestellt werden, die ihm nicht schon von Amts wegen angehören. Theologisch ist grundsätzlich jedes Verfahren legitim, wenn es nur weitgehend gewährleistet, dass der Pfarrgemeinderat seine Aufgaben möglichst gut wahrnehmen kann. Die Wahl der Mitglieder des Pfarrgemeinderats durch die Gläubigen der Pfarrei ist nur eine mögliche Vorgehensweise, die Zusammensetzung zu bestimmen. Allerdings kann angesichts der in unserem deutschen Gemeinwesen herrschenden und auch den Gläubigen vertrauten demokratischen Kultur die Wahl als sehr angemessenes Verfahren bezeichnet werden. Damit wird die Kirche keineswegs zu einer Art geistlichen Demokratie transformiert, sondern bleibt ihrem Wesen als gottgestiftete Communio und geistliche Dienstgemeinschaft für diese Welt verpflichtet.
Für die Bildung des Pfarrgemeinderats wäre demnach auch denkbar, dass der Bischof oder der Pfarrer die Mitglieder beruft oder dass einzelne kirchliche Gruppierungen und Vereine ihre Vertreter in das Gremium entsenden. Tatsächlich sehen die Satzungen regelmäßig auch die Möglichkeit vor, Gläubige in den Pfarrgemeinderat zu berufen; die amtlichen und die gewählten Mitglieder des Pfarrgemeinderates können das Gremium auf diesem Weg personell ergänzen.
Es versteht sich von selbst, dass nicht zuletzt die natürlichen Fähigkeiten der Mitglieder und entsprechende menschliche Eigenschaften für eine gedeihliche Arbeit im Pfarrgemeinderat von großer Bedeutung sind. Zu denken ist an Sachkenntnis, Zuverlässigkeit, Einsatzbereitschaft, Kreativität, Kooperationsfähigkeit und menschliche Reife. Letztere heißt freilich nicht, dass nur ältere Gläubige für die Mitgliedschaft in Betracht kämen, denn Reife ist nicht allein altersabhängig. Gleichwohl ist ein gewisses Mindestalter für die Mitgliedschaft erforderlich, das gewöhnlich bei 16 Jahren liegt.
Kirchenrechtliche Stellung des Pfarrgemeinderats
Die theologische und ekklesiologische Legitimität des Pfarrgemeinderats steht aufgrund der zuvor genannten Aussagen des Vaticanum II außer Frage; so bedeutete es auch für den kirchlichen Gesetzgeber keine Schwierigkeit, im Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983 ein entsprechendes Gremium für die Pfarreien vorzusehen. In c. 536 CIC heißt es:
- 1. Wenn es dem Diözesanbischof nach Anhörung des Priesterrates zweckmäßig scheint, ist in jeder Pfarrei ein Pastoralrat zu bilden, dem der Pfarrer vorsteht; in ihm sollen Gläubige zusammen mit denen, die kraft ihres Amtes an der pfarrlichen Seelsorge Anteil haben, zur Förderung der Seelsorgstätigkeit mithelfen.
- 2. Der Pastoralrat hat nur beratendes Stimmrecht und wird durch die vom Diözesanbischof festgesetzten Normen geregelt.
Die Einrichtung des Pfarrpastoralrates ist demnach nicht zwingend vorgeschrieben, sondern es bleibt im Ermessen des Diözesanbischofs, ob in den Pfarreien seines Bistums ein Pastoralrat gebildet wird oder nicht. Der Papst als Gesetzgeber hat dabei vor Augen, dass sich die Verhältnisse in den verschiedenen Regionen der Weltkirche höchst unterschiedlich gestalten und die Schaffung eines solches Rates nicht überall gleichermaßen möglich oder angezeigt ist. Papst Johannes Paul II. (1978–2005) unterstrich 1988 in seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Christifideles laici (Nr. 27) aber nochmals die besondere Bedeutung der Pfarrpastoralräte. In allen deutschen Bistümern bestehen Pfarrgemeinderäte, deren rechtliche Eigenart allerdings nicht völlig identisch mit jener des Pastoralrats gemäß CIC ist.
Der zitierte c. 536 CIC macht für den Pfarrpastoralrat nur einige wenige, aber sachlich bedeutsame Vorgaben: (1) Die Leitung des Rates liegt beim Pfarrer. (2) Dem Rat gehören neben Laien auch jene Personen an, die amtlich an der Seelsorge in der Pfarrei beteiligt sind. Dazu zählen auf jeden Fall die hauptamtlich in seelsorglichen Aufgaben in der Pfarrei Tätigen wie ein Kaplan (Pfarrvikar), Diakon oder Pastoral- und Gemeindereferenten. Es können auch Seelsorger davon betroffen sein, die ehrenamtlich oder in Teilzeit in der Pfarrei wirken. (3) Der Rat hat nur beratendes Stimmrecht, d. h. Entscheidungen werden letztlich vom Pfarrer getroffen. (4) Die konkrete rechtliche Gestalt des Pfarrpastoralrats ist durch den Diözesanbischof zu regeln. Dies geschieht regelmäßig durch die entsprechenden diözesanen Satzungen.
Diese Bestimmungen des CIC über den Pfarrpastoralrat stehen teilweise in Spannung zu den Grundsätzen, welche die Würzburger Synode zum Pfarrgemeinderat formuliert hat. Die Synode wollte dem Pfarrgemeinderat in gewissen Sachbereichen auch entscheidendes Stimmrecht zuweisen und wünschte, dass möglichst nicht der Pfarrer den Vorsitz im Pfarrgemeinderat führt. Diese Abweichungen vom kodikarischen Konzept hängen teilweise mit der besonderen deutschen Tradition der Pfarrausschüsse zusammen. Die Pfarrausschüsse waren als Organe zur Koordination eines selbständigen Laienapostolats zwar auf der Ebene der Pfarrei konzipiert, standen aber nicht in sehr enger Anbindung an das Amt des Pfarrers und besaßen Spielraum für eigene Initiativen.
Gemäß c. 536 CIC muss, wie gesagt, der Vorsitz des Pfarrpastoralrats beim Pfarrer liegen, während die Würzburger Synode dazu einen anderen Standpunkt einnimmt. In den bayerischen Bistümern gibt es infolge dieser unterschiedlichen Sichtweisen auch unterschiedliche Konzeptionen bezüglich des Vorsitzes. Während die meisten Bistümer in ihren Pfarrgemeinderatssatzungen der Empfehlung der Würzburger Synode folgen, ist im Bistum Regensburg der Pfarrer als Hirte seiner Gemeinde von Amts wegen der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats. Neben dem Vorsitzenden gibt es nach der Regensburger Satzung einen gewählten Sprecher des Pfarrgemeinderats, der das Gremium gegenüber dem Pfarrer repräsentiert und an der Planung der Sitzungen maßgeblich beteiligt ist.
Das Regensburger Modell orientiert sich beim Pfarrgemeinderatsvorsitz stärker an der Struktur des Pfarrpastoralrats im Sinne von c. 536 CIC und stellt damit dessen Funktion, den Pfarrer in seelsorglichen Fragen zu beraten, in den Vordergrund. Die Regelung der übrigen Bistümer hat in dieser Frage hingegen stärker die Aufgabe des Pfarrgemeinderats im Blick, als Ort zur Koordination der verschiedenen, gemäß c. 216 CIC aus einem eigenen Recht der Gläubigen erwachsenen Initiativen des Apostolats zu fungieren.
Die Frage des Vorsitzes im Pfarrgemeinderat bietet Anlass, auch ein Wort zur wechselseitigen Zuordnung von Pfarrer und Gremium zu sagen. Einem Gremium vorzusitzen bedeutet nicht zwingend, selbst auch stimmberechtigtes Mitglied dieses Gremiums zu sein. Beim Pfarrpastoralrat gemäß c. 536 CIC hat das vom Pfarrer geleitete Gremium allein die Aufgabe, diesen zu beraten. Hier scheint es wenig sinnvoll, den Pfarrer zu den Mitgliedern zu rechnen, denn dann würde er sich sozusagen selbst Ratgeber sein. Doch auch wenn ein anderes Mitglied den Vorsitz führen sollte, ist der Pfarrer zweifellos kein gewöhnliches Mitglied des Gremiums, weil ihm satzungsgemäß die weitreichende Möglichkeit eines Vetos gegen Beschlüsse des Pfarrgemeinderats eröffnet ist. Deshalb ist auch für diesen Fall von einer konstruktiven Gegenüberstellung von Pfarrer und Gremium auszugehen.
Zukunftsperspektiven
Das eingangs angeführte Zitat sprach von einer eingetretenen Ernüchterung im Hinblick auf den Pfarrgemeinderat. Kann diese Einrichtung nicht halten, was man sich von ihr versprochen hat? Hat sie noch einen Platz in den neuen Strukturen der Bistümer? Was muss man möglicherweise verändern?
In Deutschland haben wir einen spürbaren Mangel an Priestern zu verzeichnen und daher besteht häufig die Notwendigkeit, einem Pfarrer die Leitung mehrerer Pfarreien zu übertragen (vgl. c. 526 § 1 CIC). Die diözesanen Ordnungen haben diese Tatsache im Blick und eröffnen regelmäßig die Möglichkeit, anstelle einzelner Pfarrgemeinderäte für jede Pfarrei ein gemeinsames pastorales Gremium für alle Pfarreien zu bilden, die unter der Leitung desselben Pfarrers stehen. Die Schaffung eines gemeinsamen Rates dürfte sich vor allem dann empfehlen, wenn die betroffenen Pfarreien dauerhaft der Leitung desselben Pfarrers anvertraut sind und eine förmliche organisatorische Verbindung zwischen den Pfarreien besteht (Pfarrverband, Pfarreiengemeinschaft o. ä.).
Bei der Entscheidung, ob unter diesen Voraussetzungen die Gremien der einzelnen Pfarreien durch einen einzigen Rat ersetzt werden, wird aber auch zu berücksichtigen sein, ob dies nicht einer Verkümmerung des kirchlichen Lebens an den einzelnen Orten Vorschub leisten kann. Als Alternative zur Bildung eines einzigen Rats für alle Pfarreien sind auch regelmäßige Treffen aller Pfarrgemeinderatsvorsitzenden mit dem Pfarrer oder ähnliche Maßnahmen denkbar.
Es werden aber nicht nur größere Pfarrverbände gebildet, sondern auch mancherorts sehr viele Pfarreien zu neuen Großpfarreien von der Größe eines früheren Dekanats oder noch größerer Ausmaße fusioniert. Über die Sinnhaftigkeit und Fruchtbarkeit solcher Maßnahmen kann man generell oder auch im jeweiligen Einzelfall unterschiedlicher Meinung sein. Falls nur ein Pfarrgemeinderat für die Riesenpfarrei gebildet wird, werden manche positive Effekte des Pfarrgemeinderats nicht mehr recht zum Tragen kommen. Zu denken ist an die in der Praxis gegebene Mittlerfunktion, die Pfarrgemeinderatsmitglieder zwischen Gläubigen und Pfarrer einnehmen und die dann weniger zur Geltung kommen dürfte. Aber auch die Kenntnis der Verhältnisse der Großpfarrei wird bei den Mitgliedern des Pfarrgemeinderats nicht mehr in dem Maße vorhanden sein wie bei Gegebenheiten, die sehr von Ortsnähe bestimmt sind. Angesichts der Voraussetzungen der Großpfarreien drängt sich jedenfalls der Gedanke auf, neben dem Gesamt-Pfarrgemeinderat auch eine Art Ortsausschüsse zu bilden, die das lokale Engagement der Gläubigen erfassen und bündeln helfen. Unter Umständen können lokale Kirchenstiftungen, die bei einer Pfarrfusion erhalten geblieben sind, dafür einen Anhaltspunkt bilden.
Unsere Gesellschaft ist gegenwärtig sehr stark von Tendenzen der Säkularisierung und der Individualisierung geprägt. Beides ist für das Wirken der Kirche nicht förderlich, muss aber bei der pastoralen Planung nüchtern zur Kenntnis genommen werden. Auch für die Pfarrgemeinderäte sind diese Tendenzen nicht günstig, wie sich immer wieder im Zusammenhang mit der Gewinnung von genügend Kandidatinnen und Kandidaten bzw. Mitgliedern für das Gremium zeigt.
Doch umso notwendiger erscheint der Pfarrgemeinderat für die Aufgaben der katholischen Kirche in Deutschland heute. Mag er vor fünf Jahrzehnten da oder dort noch den Charakter eines kirchlichen Honoratioren-Gremiums besessen haben, so kann man ihn sich heute kaum anders vorstellen als eine Gemeinschaft von Christen, die bewusst in der Nachfolge Jesu stehen und sich ihrer persönlichen Sendung aufgrund Taufe und Firmung gewahr sind. Mehr als zu anderen Zeiten ist uns heute bewusst, dass es für die Verbreitung des Evangeliums auf das persönliche Zeugnis der einzelnen Christen ankommt. Der Pfarrgemeinderat bleibt ein wertvolles Organ, das solches Zeugnis sichtbar und vor allem örtlich für die Kirche fruchtbar machen kann.