Das dreigestufte göttliche Amt

Probleme und Perspektiven

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Unterschiedlich klingen die Aussagen über die geistlichen Ämter in den Anfangszeiten der Kirche. Da haben wir im paulinischen Umfeld Begriffe wie Steuermann (kybernaetaes: 1 Kor 12,28), Bischof (episkopos: 1 Tim 3,2; Tit 1,7), Lehrer (didaskalos: 1 Kor 12,28), Prophet (prophaetaes: 1 Kor 12,10-28). Im lukanischen Umfeld wird gesprochen von Presbytern (presbytereu), Diakone (diakoneu) – auch einmal von Bischöfen (Apost 20,28). In den Pastoralbriefen tauchen all diese Begriffe wieder auf, im 1. Petrusbrief Presbyter zum ersten Mal im Singular. Unterschiedlich sind die Deutungen dieser Begriffe. Wer hat welche Funktionen ausgeübt? Wer stand der Eucharistie vor?

Klar wird die funktionelle Aufteilung erst zu Beginn des 2. Jahrhunderts. In den Schriften des Ignatius von Antiochien haben wir um 110 (spätestens 180) eindeutig jene hierarchisch gegliederte Amtsstruktur, wie wir sie heute noch kennen: Bischof, Presbyter und Diakon. Aber dabei ist noch lange nicht endgültige gesagt, wie diese Ämter genau zu umschreiben sind; denn im Laufe der Jahrhunderte waren die pastoralen Aufgaben durchaus unterschiedlich verteilt, vor allem was die Dienste der Presbyter und der Diakone betrifft. Betrachten wir zunächst die Problematik der Dreistufung des geistlichen Amtes, um dann in einem zweiten Teil eine grundlegende Perspektive zu versuchen.

 

Dir Problematik des dreigestuften Amtes

 

Das Hauptproblem ist: In den Jahrhunderten ab der dritten Generation der Christenheit war die Frage des Amtes offensichtlich so klar, dass niemand näheres darüber aufgeschrieben hat. Zwar kennen wir von verschiedenen Synoden Detailaussagen – meist disziplinärer Art, aber kaum theologische Festlegungen über das, was wir heute „Sakramentalität“ des Amtes nennen. Betrachten wir kurz die Entwicklung.

1) Was wir ersehen: Ab der Zeit Konstantins, als mehr oder weniger alle im Großreich Christen wurden, taucht der Begriff vom sacerdos auf. Der Begriff war frei geworden, nachdem es keine heidnischen Priester mehr gab. Mit ihm wurden aber nur der Bischof und die Presbyter bezeichnet, nicht die Diakone – freilich durchaus mit Blick auf die alttestamentliche Priesterhierarchie, wo es einen Klerus aus dem Hohen Priester, den Priestern und den Leviten gab. (In seinen liturgischen Funktionen wurde der Diakon tatsächlich noch bis zum II. Vatikanum als Levit bezeichnet.)

Die Aufgabenverteilung der drei Amtsstufen war aber über lange Zeit durchaus anders gestaltet als heute. Vor allem die Diakone hatten eine andere Position. In den großen Städten hat man längst vor Konstantin Sprengel eingeteilt. Und jedem dieser Sprengel stand ein Diakon vor, der Erzdiakon. So kannte man in Rom sieben Sprengel. Der organisatorische Leiter jedes dieser Sprengel war nur dem Bischof zugeordnet und ihm verantwortlich. Seine Aufgabe war die gesamte Administration. Er verwaltete das Geld, organisierte die Veranstaltungen, leitete das Armenwesen, repräsentierte die Kirche nach außen, war Verbindungsmann zur Geschäftswelt und evtl. auch zur Politik hin. Aus diesen Erzdiakonen entwickelte sich später das Amt des Generalvikars. Die Presbyter waren in all diesen Funktionen nicht eingebunden. Sie waren Liturgen, Lehrer, Katecheten, Theologietreibende und Beter. Bei alledem wirkte auch der Diakon mit, war dabei aber in erster Linie der Mann fürs Praktische. Dieses aber sollte stets so gestaltet werden, dass deutlich wird: Auch die praktische Seite des kirchlichen Lebens läuft nicht nur nach den Sachgesetzen der einzelnen Bereiche ab, sondern soll grundlegend deutlich machen: Es geht um das beginnende Reich Gottes.

Als nun die Kirche nicht nur Stadtkirche, sondern auch Landkirche wurde und jene Ordnungseinheiten entstanden, die wir Pfarrei (Paroikia = Fremdlingschaft) nennen, haben mehr und mehr die Presbyter diese Diakonenaufgaben übernommen bzw. zu ihren geistlichen Funktionen hinzugefügt. Jetzt erst wurde ein Presbyter Pfarrer in unserem Sinn. Im regionalen Bereich aber blieben die Diakone noch lange als Erzdiakone Männer für die regionale Verwaltung in den Archidiakonaten. Freilich wurden ab dem 11. Jahrhundert diese alle zu Presbytern geweiht. Vermutlich aus zwei Gründen: Als sich nämlich der Kaiser zum obersten Diakon erklärt hatte und die Kirche – in erster Linie aus politischen, fiskalischen und ökonomischen Interessen heraus – zu bestimmen versuchte, hat sich im Investiturstreit die oberste Kirchenleitung gewehrt und den Diakonat gleichsam im Presbyterat versteckt und ihn damit als geistliches, nicht vornehmlich säkular agierendes Amt zu retten versucht. Ein zweiter Grund dürfte das neu aufgekommene Totengedenken gewesen sein. Jeder Geistliche sollte Messe für die Toten feiern können. So wurde der Diakonat zur Durchlaufweihe, und die Presbyter zu Nebendiakonen. Bis heute ist das so. Auch in den neuen Strukturen ist der leitende Pfarrer ein Priester-Diakon. Damit dürfte klar geworden sein, dass sich die Aufgaben vornehmlich der Diakone, aber auch der Presbyter durchaus stark verändert haben. Dies muss aber nicht so bleiben. Die Tradition zeigt eben andere Möglichkeiten.

Grundlegende Aussagen über das geistliche Amt haben wir nur wenige. So stellte etwa das IV. Laterankonzil 1215 fest, dass nur ein sacerdos, also ein Bischof oder Presbyter der Eucharistie vorstehen darf. Ein Diakon wird nicht genannt, obwohl dieser zum dreigestuften sakramentalen Amt gehört, wie dies später das Konzil von Trient betont.

Erste lehramtliche Äußerungen über die geistlichen Ämter finden wir im Trienter Konzil. Diese sind zwar grundsätzlicher Art, geben aber keine vollständige Lehre über die geistlichen Ämter. Sie antworten nur auf die Angriffe der Reformatoren; denn diese hatten nicht nur Missstände bei den Bischöfen und Priestern angeklagt, deren es wahrhaftig viele gab, sondern hatten das besondere Priestertum selbst in Frage gestellt, indem sie behaupteten, es gäbe nur das gemeinsame Priestertum aller Getauften. Darauf antwortete das Konzil im Wesentlichen mit vier Aussagen, die es auf den Rang eines Dogmas stellte.

Die erste Aussage: Es gibt – neben dem gemeinsamen Priestertum – ein besonderes Priestertum im Neuen Bund mit den spezifischen geistlichen Vollmachten der Konsekration bei der Eucharistie und der sakramentalen Sündenvergebung. (Warum gerade diese beiden Elemente genannt wurden, liegt in den Angriffen.)

Die zweite Aussage: Das besondere Priestertum wird „durch das Weihesakrament“, das heißt konkret: durch Handauflegung und Gebet des Bischofs übertragen, der als Amtsträger in der successio steht. (Das bedeutet: Nicht die Gemeinde beauftragt, sondern der Auftrag kommt von oben und wird durch den Bischof vermittelt.)

Die dritte Aussage: Die Weihe gibt dem Geweihten ein Prägemerkmal, das ihn auf Lebenszeit bezeichnet und beauftragt. (Er ist nicht aufgrund seines Könnens in den Dienst genommen, sondern sein Dienst hängt an seiner Person.)

Die vierte Aussage: Mit dem Priestertum verbindet sich eine „hierarchische“ Struktur des kirchlichen Amtes. Sie beruht in der Sendung durch Christus und ist nicht von unten, d.h. vom Kirchenvolk her ableitbar.

Wenn wir die Intention dieser Aussagen betrachten, dann liegt hierbei nicht eine umfassende Lehre zum Priestertum der Kirche vor, sondern es wird nur gegenüber den Reformatoren festgestellt: Das, was faktisch in der Kirche vorhanden war und die Ämter strukturierte, ist rechtens.

Eine Ekklesiologie, die für diese Aussagen ein adäquater Rahmen gewesen wäre, hat das Konzil nicht geboten. Und damit blieben diese Aussagen partiell. Man hat also nur die unmittelbaren Probleme angesprochen, nicht eine fundamentale Wesensbeschreibung des priesterlichen Dienstes vorgenommen.

Und das hatte Folgen für die Praxis der folgenden Jahrhunderte. Sogar das Schreiben der Deutschen Bischöfe von 1967 konstatiert: „Faktisch aber wurde in der nachtridentinischen Theologie diese sakramentalen Befähigungen vom Ganzen des priesterlichen Amtes isoliert. Indem sich das Konzil wegen der genannten Gründe (die Reformatoren haben nur diese beiden in Frage gestellt) auf die Nennung der beiden erwähnten Vollmachten beschränkte, hat es indirekt – wenn auch ungewollt – dazu beigetragen, dass die Frage nach den dem Priester vorbehaltenen Aufgaben („was der Priester allein kann“) im Rahmen der neuzeitlichen Theologie ein bedenkliches Übergewicht bekam. Diese Fragestellung beherrscht – zum Schaden einer tieferen Einsicht in das Wesen des priesterlichen Amtes – weitgehend auch noch unsere heutige Diskussion.“ Die nachtridentinische Theologie hat diese reduzierten Aussagen zum Ansatz genommen und systematisiert. Dadurch ist die mittelalterliche Perspektive des „Ordo“ als Weihesakrament zur dominanten Betrachtung geworden.

2) Damit stellen sich für uns die Fragen nach der heutigen Aufgabenverteilung bzw. Leitung in der Kirche und in Folge nach der Bedeutung des geistlichen Amtes. Ich zitiere nochmals das Schreiben der Bischöfe, da es die besonderen Aussagen des II. Vatikanums auf den Punkt bringt: „Mit der Zeit stellte sich vor allem die ekklesiologische Ortlosigkeit des ‚Presbyters‘ als Hauptmangel in der nachtridentinischen Theologie heraus. Die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils bedeuten demgegenüber eine bemerkenswerte Umorientierung und Vertiefung. Der Priester ist vor allem der in der Sendung Christi stehende Bote Gottes in der Kirche. Das Amtspriestertum wird im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen gesehen.“

Der Dienst wird also nicht von den Amtsbefugnissen her begründet, sondern von der Sendung durch Christus. Durch das geistgewirkte Zeichen wird der Priester so geprägt, dass er an Christi statt handeln kann, und zwar für das Volk. Es ist – wenn auch dreigestuft – ein einheitliches kirchliches Amt. Das Bischofsamt ist die volle Gestalt, der Presbyter hat an diesem Anteil. Damit erscheint der Priester nicht mehr „vornehmlich als ‚Mann der Sakramente‘“. Er kommt „wieder in den Zusammenhang mit dem apostolischen Amt in der Nachfolge der Apostel“. Seine „Vollmachten sind nicht nur ‚jurisdiktionell‘ zu erklären, sondern wurzeln in der christologisch gewonnenen Tiefe“ des Amtes. Bei der Beschreibung dieses Amtes tut das neuzeitliche Schema für die Darstellung des Amtes Christi einen Dienst.

„Christus in seinem dreifachen Amt (gemeint sind hier: Lehrer, Priester, König), an dem alle Gläubigen als Getaufte auf die ihnen zustehende Weise in ihrer christlichen Existenz aktiv teilnehmen, findet in den priesterlichen Amtsträgern eine amtliche ‚Repräsentation‘; sie handeln ‚in persona Christi‘ …“

Damit ist das Wesentliche des Priestertums befreit aus seiner kultischen Verengung. Der Priester ist wieder Lehrer, Heilsmittler und Hirte (Lehrer alias Prophet, Priester, König). Die Verkündigungsaufgabe tritt „an die erste Stelle seines Dienstes“. Gemeint ist damit nicht nur Predigt und Katechese, sondern der gesamte Dienst, „insofern … Gottes Offenbarung die Grundlage allen kirchlichen Handelns ist“. Alle anderen Dienste sind diesem Grunddienst zugeordnet. Damit ist eine missionarisch-apostolische Tendenz dem priesterlichen Wirken angehaftet, er ist Zeuge und Bote „des heilschaffenden Wortes Gottes“. Das bedeutet: Er muss die Glaubenden stärken und die Welt mit Christus konfrontieren.

„Die traditionellen Begriffe der ‚Salbung‘ und ‚Weihe‘, der ‚Konfiguration mit Christus‘, des ‚Charakters‘, der ‚potestas‘ und der ‚Hierarchie‘ bleiben in Geltung, aber sie erhalten aus der theologischen Tiefe von ‚Sendung‘ und ‚Dienst‘, die in Christi Wort und Werk verankert werden, ihre ursprüngliche Bedeutsamkeit und umfassende Dimension.“ Hieraus leitet sich ein Anspruch ab, der leider auch als Riesenanspruch ausgedeutet werden kann. Im Bischofspapier klingt dieser so: „Was Christus für die Menschen war, was er heute ist und sein will, muss der gesendete Priester im Dienst des Herrn für die Kirche und für die Welt darstellen.“ Wenn wir das „darstellen“ recht interpretieren im Sinne von „Präsentation“, dann ist es lebbar, ansonsten wäre eine gefährliche Parallele zu Christus gegeben, die kein Mensch erfüllen kann. Ein Sprüchemacheramt wäre die Folge. Riesenansprüche sind meist kontraproduktiv. Wer den Mund zu voll nimmt, dem werden bald die Arme zu kurz sein.

Das II. Vatikanische Konzil hat wiederum – wie schon das Tridentinum – keine vollständige Lehre über das Weihepriestertum geschaffen, sondern nur den Versuch gemacht, die gegebenen Aussagen und Praktiken der priesterlichen Dienste in die neue Sicht von Kirche einzubinden und zu verorten. Damit ist die Relation des Amtes zum gemeinsamen Priestertum beschrieben. Die bisherigen Aussagen werden unter die Oberbegriffe „Sendung“ und „Dienst“ gestellt. So ist das Priesteramt zwar in die neue Kirchensicht und Kirchenaufgabe eingebunden, aber die Relation zu den anderen Diensten ist unscharf geworden. Und das birgt Unsicherheiten hinsichtlich der Beziehung zu Bischof und Diakon wie auch zu den hauptamtlichen Laien in der Kirche.

Zusammenfassend können wir also sagen: Die geistlichen Ämter haben sich von den Anfängen an entwickelt. Die Dreistufung ist relativ früh geschehen, zeigt aber zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Aufgabenverteilungen. Durch die Praxis und die Teilaspekte, welche das Trienter Konzil festlegte, gab es eine Engführung vor allem des priesterlichen Amtes, das durch das II. Vatikanische Konzil behoben werden sollte. Dieses letzte Konzil gibt zwar für den Bischof genauere Umschreibungen, nicht aber für den Presbyter und den Diakon. Zu Letzterem wird gesagt, dass es ihn wieder als eigenständiges Amt geben soll, da er zur sakramentalen Dreistufung gehört.

Diese theologisch unsichere Lage für den Priester und den Diakon birgt nun in der notwendig gewordenen Umstrukturierung der Pfarreiordnung in unserem Land ein großes Problem. Da bei dem auftretenden Mangel an Priestern und Diakonen Laien haupt-, neben- und ehrenamtlich eingesetzt werden müssen, werden die Aufgabenbereiche unscharf und damit die Aufgabenbeschreibungen für Priester und Diakone nicht mehr eindeutig. Die Praxis wird Eindeutigkeiten schaffen müssen – und das wird mühsam werden. Klar aber ist eins: Die Weihe-Ämter haben eine besondere Bedeutung und sind unverzichtbar.

 

Die Rollen der Amtsträger heute

 

Meine These geht (nicht von einem dogmatischen, sondern) von einem handlungstheoretischen Konzept aus, das grundsätzlich fragt: Was haben wir als Christen, einzeln und in Gemeinschaft, in der Welt zu tun, um den Anspruch Jesu zu erfüllen? Oder anders gefragt: Was sind die praktischen Handlungsfelder der Kirche? Erst wenn wir diese Frage beantwortet haben, können wir überlegen, was die besonderen Aufgaben der Amtsträger sind, also des Bischofs, des Presbyters und des Diakons – und wie die übrigen Mitarbeiter in Relation zum Weiheamt zu sehen sind (was wir heute aus Zeitgründen ausklammern müssen).

 

Die Handlungsfelder der Kirche

 

Es lassen sich drei Handlungsfelder ausmachen:

a) Das eigentlich religiöse Handeln: Unsere Religion ist eine Offenbarungsreligion. Der Ewige hat zu uns Menschen gesprochen und er will, dass wir uns ihm direkt zuwenden. Das heißt: Wir, die Glaubenden, hören auf die Gott-Zusagen, betrachten sie, suchen sie für uns fruchtbar zu machen, künden sie anderen und wenden uns an den Allheiligen in Gebet, Meditation, Reflexion und Gottesdienst. Das erste Handlungsfeld ist also das ausgesprochen religiöse Tun. Indem wir (gemäß dem dritten Gebot) die Arbeit und die weltlichen Verrichtungen unterbrechen, wenden wir uns direkt dem Göttlichen zu, hören auf Gottes Offenbarung und treten betend in Kontakt mit ihm. Hier sind Gebet, Verkündigung und Liturgie als ein einheitliches Handlungsfeld betrachtet, weil diese drei Bereiche nicht voneinander getrennt werden können, da jedes Gebet mit dem Hören auf Gottes Wort beginnt (Gott hat allemal zuerst gesprochen), die Verkündigung zum Gebet und zum gemeinsamen Lobpreis anregen soll und damit zur Liturgie hinführt, ja wesentlich in die Liturgie gehört.

b) Communio: Ein zweites Handlungsfeld hängt direkt damit zusammen. Um das eigentlich Religiöse gemeinschaftlich konkret werden zu lassen, braucht es Institutionen, in welchen die Menschen über die göttlichen Wahrheiten belehrt werden, in denen sie das Gebet pflegen, den Glauben bedenken, gemeinschaftlich vor Gott hintreten usw. Dazu braucht es Räume, Ordnungen und Veranstaltungen, die organisiert, geleitet und strukturiert werden müssen. Die communio muss also konkretisiert, gemeinsames Handeln garantiert und gestaltet werden. Diesem Handeln entspricht das theologische Grunddatum: Die Kirche ist Gemeinschaft, ist – im Bild gesprochen – Leib Christi. Communio ist also das zweite Feld des Handelns. Sie gestaltet sich in verschiedenen Organisationsformen und Veranstaltungsformaten.

c) Diakonie: Das dritte Handlungsfeld ist die Diakonie. Sie hängt direkt mit dem eben Gesagten zusammen und konkretisiert dieses in spezifischer Weise. Von Anfang an war für die Christen ein diakonischer Dienst selbstverständlich. In der Apostelgeschichte erfahren wir, dass diesen Dienst zunächst die Apostel und dann die sieben Gewählten leiteten. (Den Tischen dienen bedeutete damals nicht nur, die Leute verpflegen, sondern auch das Geld verwalten und andere praktische Dienste leisten.) Dass sich dieser Sozialdienst sogleich mit Verkündigung und sogar sakramentaler Taufe verband, wie wir an Stephanus und Philippus sehen, sagt etwas über die Art und Weise des christlichen Helfens bzw. der christlichen Diakonie aus. Der Tischdienst, die Organisation von Veranstaltungen wie auch die Verwaltung des Geldes wurden zum Verkündigungsort. In jedem Fall gab es von Anfang an Zuständige für das Helfen und Organisieren, aus denen sich dann das Amt des Diakons entwickelt hat.

Nun war der Handlungsbereich der Christen nicht beschränkt auf die Dienste an den Armen und Witwen. Das ganze Leben ist einbezogen in die Wirklichkeit des nahen Gottesreiches. So gehört zur Diakonie neben den caritativen Diensten das Mitgestalten des gesellschaftlichen Lebens (man kann sie Gesellschaftsdiakonie nennen, die gegenwärtig etwa erfordert, dass wir uns z.B. auch politisch um die Flüchtlinge kümmern) sowie das Hereinholen kultureller Werte in den Innenraum der Kirche sowie das kulturelle Mitgestalten durch die Kirche bzw. kirchliche Personen (ich nenne sie Kulturdiakonie). Jetzt müssen wir uns die Frage stellen: Welche Rolle spielt das dreigestufte Amt der Kirche in diesen drei Handlungsfeldern?

 

Die drei Ämter des Bischofs, des Presbyters und des Diakons

 

Zunächst ist klar: Jeder Christ ist in allen drei Handlungsfeldern in irgendeiner Weise aktiv, in Gebet, Liturgie und Verkündigung gleichermaßen wie im Werden von Gemeinschaft und im diakonischen Bereich. Doch die Amtsträger haben in jedem dieser Bereiche spezielle Funktionen. Ich versuche eine Hypothese:

a) Der Bischof ist der Repräsentant und Garant der communio. Er ist episcopos, Aufseher, und sorgt dafür, dass die Gemeinschaft nach rückwärts vorhanden ist mit den apostolischen Lehren (Apostolizität), er sorgt dafür, dass die Gemeinschaft mit anderen Kirchen aufrechterhalten wird (Katholizität), und er garantiert, dass Verkündigung, Gebet und Liturgie im Sinne des Evangeliums verwirklicht werden und so die Einheit garantiert wird. Deshalb ist er der oberste Repräsentant und Akteur – in allen drei Bereichen.

b) Der Presbyter ist – mit dem Bischof – Repräsentant des ersten Handlungsfeldes, des eigentlich religiösen Handelns in Verkündigung, Gebet und Liturgie. Er partizipiert am geistlichen Leitungsamt des Bischofs und gehört (wie er) zum sacerdotium, handelt aber in Abhängigkeit und Einheit mit ihm. Sein Dienst und seine Sendung zielen dahin, das geistliche Leben in der Gemeinschaft aller zu fördern ihm Form zu geben.

c) Der Diakon repräsentiert die Diakonie. Er ist der Mann fürs Praktische, sowohl für die Dinge, welche die communio braucht – wie Geld verwalten, Gebäude errichten und instand halten, Arbeiten einteilen, Treffen organisieren usw. Er repräsentiert und wirkt in den drei diakonischen Funktionsfeldern, die ich benennen möchte als caritative Diakonie, soziale Diakonie und Kulturdiakonie.

Liturgisch spielt er eine partielle Rolle. Er gibt die Regieanweisungen, liest das Evangelium, um ihm den Sound des Praktischen zu geben und spricht die Entlassung ins praktische Leben aus, also die Sendung. In der Sakramentenspendung ist er eingebunden, da dabei oftmals diakonische Belange tangiert werden. Er soll jeweils die lebenspraktische Seite allen geistlichen Tuns repräsentieren und betonen.

 

Zusammenwirken

 

Nun ist das dreigestufte Amt nicht so zu verstehen, dass nur jeweils ein Amtsbereich ausschließlich geleistet werden muss. Die geweihten Vertreter sind Repräsentanten dieses kirchlichen Handelns und gegebenenfalls auch Erstzuständige, die anderen wirken jeweils dabei mit – wie auch alle Gläubigen in diesen drei Handlungsbereichen der Kirche aktiv mitwirken. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, zu garantieren, dass die Kirche keine weltliche Fabrik wird, in welcher die Sachgesetze den Hinweischarakter auf das Reich Gottes verdecken. Bischof, Priester und Diakon sind durch Weihe dazu bestellt, die kirchlichen Aufgaben in ihrem sakramentalen Charakter zu repräsentieren und zu leisten. Das Weihe-Amt macht klar: Christus ist bei alledem am Werk, nicht ein Funktionär des kirchlichen Apparates. Der Bischof, Priester und Diakon repräsentieren, dass Christus am Werk ist. Bischof und Presbyter im sacerdotium, der Diakon bei den kirchlichen Dienstleistungen. Diese Repräsentanz bedeutet nicht, dass sie wie Christus auftreten dürften mit einem Allmachtsanspruch, sondern dass ihr Dienst deutlich macht: Christus leitet seine Kirche. Die geistlichen Ämter repräsentieren dieses Faktum. Der Amtsträger steht damit als Hirte, als Liturge, als Lehrer oder auch als Dienender der Gemeinde gleichsam gegenüber, obwohl er zugleich ihr Mitglied ist. Er soll darstellen: Alles kirchliche Handeln muss Verweischarakter haben, der zeigt: Es geht um das beginnende Reich Gottes.

 

Conclusion

 

Die Krise des geistlichen Amtes ist, so meine ich, Ausdruck einer viel tieferen Krise in der Kirche. Ihre sakramentale Grundstruktur ist vielen nicht mehr klar. Sie sehen die Kirche als eine Organisationsform, die Religion so organisiert, dass zwischen dem einzelnen Glaubenden und Gott etwas geschehen kann. Dieses ist aber letztlich nicht an das kirchliche Handeln gebunden, sondern könnte auch ohne die Kirche geschehen. Dass Gott sich gleichsam an die äußerlichen Handlungen bindet, ist vielen abhandengekommen. Die moderne Verwaltungsstruktur, die im äußeren Bild dominiert, sowie die Funktionalisierung der Abläufe verleiten zu einer solchen Sicht – gibt sie doch den Anschein, dass alles nur nach säkularen Gesetzlichkeiten abläuft und das Geistliche unabhängig davon geschieht.

Zwei Aufgaben stehen uns bevor: Wir müssen neu umschreiben, was gemeint ist mit der Sakramentalität der Kirche und damit des Amtes, und wir müssen neu überlegen, wie wir den Verweischarakter allen kirchlichen Handelns auf das Reich Gottes wiedergewinnen.

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