Die katholische Kirche steckt in einer Krise wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Diese Krise lässt sich in ihren Dimensionen zunächst als eine Krise der Institution und ihrer Amtsträger sowie als eine Autoritäts- und Glaubwürdigkeitskrise bezeichnen. Sie zeigt sich nicht nur in der lange bagatellisierten und vertuschten Pandemie des sexuellen und geistlichen Missbrauchs, der in allen Teilen der Weltkirche sukzessive aufgedeckt wird, zuletzt in Frankreich; die Krise zeigt sich ebenso in der jahrzehntelangen Blockade from und in der fehlenden Offenheit für Reformen. Menschen, die ihre Kirchenmitgliedschaft kündigen, bewahren zwar teilweise ihren christlichen Glauben; andere jedoch kostet das Versagen der Kirchenleitung ihren Glauben. „Entfremdung von Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen sowie von kirchlichen Ritualen und Sinnangeboten ist“, wie soziologische Studien belegen und wie es im Grundtext des Forums 1 zur Ersten Lesung heißt, „ein wichtiger Faktor, der Menschen zum Kirchenaustritt motiviert.“ Das trifft bis in die Kreise hoch engagierter Kirchenmitglieder zu. Als Gründe für die Entfremdung werden in diesen Studien ausdrücklich genannt: kirchliche Machtstrukturen, die „als rückschrittlich oder nicht zeitgemäß empfunden“ werden, „sowie kirchliche Positionen zu (grund-)rechtlichen und (beziehungs- und sexual-)ethischen Fragen, insbesondere im Feld der Geschlechtergerechtigkeit und Sexualität“. Die vielfach beklagte pastorale Krise, die zur geistlichen Austrocknung von vielen Pfarreien führt, und die viel beklagte Krise des christlichen Glaubens sind, wie der Soziologe Franz Xaver Kaufmann schon 2011 überzeugend gezeigt hat, Dimensionen der allgemeinen Kirchenkrise und als solche zu analysieren.
Der Missbrauchsskandal in seiner globalen Dimension löste die Krise nicht aus, aber im Missbrauchsskandal spitzt sich die Kirchenkrise zu. „Schon länger frage ich mich, ob dieser Skandal – nämlich der Skandal des Missbrauchs von Macht und Autorität durch Mitglieder unseres Klerus und anderer – nicht heute eine ähnliche Rolle spielen könnte wie der Ablassskandal, der […] die Reformation ausgelöst hat.“ So fragte Bischof Franz-Josef Overbeck von Essen in seiner Predigt im Gottesdienst zum Reformationstag am 31. Oktober 2021 in Hamburg. Auch wer die Einschätzung Bischof Overbecks nicht teilen will, kann den Sachverhalt schwerlich leugnen, dass die Kirche in Deutschland an einem Wendepunkt steht, sie sich den Fragen, die aus dem sexuellen und geistlichen Machtmissbrauch resultieren, stellen muss, dass der Schock darüber, dass das „System Kirche […] versagt“ hat, wie es der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx am 17. Juli 2021 bei einem Besuch des Pfarrverbands Garching-Engelsberg formulierte, zu einer Reform führen muss.
Ob und in welchem Ausmaß die katholische Kirche in Deutschland sich auf Reform einlässt, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Ich kann folglich in einem ersten Punkt nur kurz den bisherigen Weg des Synodalen Wegs referieren, in einem zweiten Schritt exemplarisch einige Reformvorschläge, die auf der letzten Synodalversammlung in erster Lesung beraten wurden, auflisten und abschließend versuchen, eine Art Zwischenbilanz zu ziehen.
Der Synodale Weg – Veranlassung, Zielsetzung und erste Synodalversammlung
Am 28. Januar 2010 machte der Jesuit Klaus Mertes Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg öffentlich. Damit trat die Missbrauchskrise, die unter Papst Johannes Paul II. bereits in den 1990er Jahren aufgebrochen war, ins Bewusstsein auch der katholischen Kirche in Deutschland. Mit jeder neuen Diözese, in der Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger ans Tageslicht kamen, die zu einem guten Teil Jahre und Jahrzehnte zurücklagen, brachen Strategien des Bagatellisierens und Verschweigens wie ein Kartenhaus zusammen; ebenso Versuche, das Phänomen mit Hinweisen auf andere Institutionen (Sportvereine, Familien) zu beschwichtigen, in denen es – was richtig ist – noch mehr sexuellen Missbrauch gibt. Der Skandal um sexuellen und geistlichen Machtmissbrauch und tätliche Übergriffe in katholischen Internaten, Klöstern, Diözesen und Pfarreien entwickelte sich zu einem Alptraum, der die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche und ihrer Lehre in den Grundfesten erschütterte und erschüttert. Als point of no return erwies sich dann die aktenbasierte MHG-Studie Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz vom Herbst 2018. Diese Studie legte systemische bzw. übergreifende Ursachen offen und attestierte der katholischen Kirche in Deutschland „ein massives Systemversagen“ (Julia Knop) auf struktureller wie ideeller Ebene. Die Verfasser der Studie rieten unter anderem, sich mit der Frage zu befassen, „in welcher Weise der Zölibat für bestimmte Personengruppen in spezifischen Konstellationen ein möglicher Risikofaktor für sexuelle Missbrauchshandlungen sein kann.“ Auch wer nicht so weit gehen wollte wie der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer, der in der Bewertung der Missbrauchskrise von einer „Struktur des Bösen“ sprach, konnte doch nicht an seiner Folgerung vorbei, dass es einen radikalen Wandel und Konsequenzen brauche, um die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche zurückzugewinnen.
Vor diesem Hintergrund einerseits, Hunderttausenden von Kirchenaustritten anderseits – allein 2018 216.078, 2019 und 2020 zusammen noch einmal 494.161, seit 2010 insgesamt 1.550.137 Kirchenmitglieder – beschloss die Deutsche Bischofskonferenz (je nach Verlautbarung einstimmig oder mit 4 Enthaltungen) einen Synodalen Weg ins Leben zu rufen und diesen gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken zu beschreiten. Die Zielsetzung war klar: Die systemischen Ursachen jeglicher Form von Machtmissbrauch und weitere übergreifende Fragen sollten aufgearbeitet werden. Es wurden drei vorbereitende Foren gebildet: Macht und Gewaltenteilung in der Kirche mit der programmatischen Spezifizierung Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag der Kirche, sodann Priesterliche Existenz heute, bei dem es um die Zukunft der priesterlichen Lebensform geht und Leben in gelingenden Beziehungen, das die Weiterentwicklung der kirchlichen Sexualmoral thematisiert. Diese drei Foren wurden auf Intervention des Zentralrats der deutschen Katholiken um ein viertes Forum Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche ergänzt, das sich mit der Frage nach der Rolle und der Stellung der Frau in der Kirche befasst.
Der Synodale Weg wurde in den 4 Foren vorbereitet und am 1. Advent 2019 eröffnet. Die erste Synodalversammlung tagte im Februar 2020 in Frankfurt am Main mit 230 stimmberechtigten Mitgliedern. Dazu gehören die 69 Mitglieder der deutschen Bischofskonferenz und ebenso viele Vertreter und Vertreterinnen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sowie weitere Delegierte aus den Orden und kirchlichen Institutionen, Jugendverbänden und der Wissenschaft, auch einige Einzelpersönlichkeiten. Hinzu kommen 20 Beobachter und Beobachterinnen aus dem benachbarten Ausland und von nichtkatholischen Kirchen in Deutschland. Es fehlt die Stimme jener Katholiken und Katholikinnen, die in den Pfarreien nicht mehr oder nur noch punktuell erreichbar sind.
Der Ertrag der ersten Synodalversammlung lag vor allem im atmosphärischen Bereich. „Das Experiment“, bilanzierte der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz Kardinal Marx, „ist im ersten Akt gelungen. […] Dieses Experiment ist davon geprägt, dass wir keine Mauern um uns herum aufbauen, dass es keine Tabus in der Debatte gibt, sondern alles geprägt sein muss von der Frage, wie wir als Kirche glaubwürdiger werden.“ Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der weitere Fortgang des Synodalen Wegs verzögert. Im September 2020 fand eine eintägige Regionenkonferenz an 5 Orten statt; Anfang Februar 2021 gab es ein Online-Format, in dem die Mitglieder der Synodalversammlung die Arbeitsfortschritte der Synodalforen vorab und ohne Entscheidungskompetenz diskutieren konnten.
Der aktuelle Stand: Themen der zweiten Synodalversammlung
Die zweite Synodalversammlung fand vom 30. September bis 2. Oktober 2021 in Frankfurt statt. Auf dieser Versammlung wurden der Präambel- und der Orientierungstext des Präsidiums in erster Lesung gutgeheißen; ebenso die Grundtexte der Foren Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, Leben in gelingenden Beziehungen and Priesterliche Existenz heute; außerdem eine erste Gruppe von 12 sogenannten Handlungstexten, welche die erforderlichen Reformen formulieren und anstoßen wollen. Die anwesenden Synodalen haben allen Texten mehrheitlich ihre grundsätzliche Zustimmung erteilt. Sie werden nun in den Synodalforen unter Berücksichtigung der eingegangenen Modi überarbeitet und für die zweite Lesung und definitive Abstimmung im Februar 2022 und auf späteren Synodalversammlungen vorbereitet. Alle Texte sind in der Version, wie sie für die erste Lesung vorbereitet bzw. in erster Lesung verabschiedet wurden, unter www.synodaler-weg.de öffentlich gemacht.
Die Präambel verortet den Synodalen Weg in der aktuellen Kirchenkrise. Der Orientierungstext mit dem Titel Heute auf Gottes Wort hören klärt die theologische Basis für die Arbeit in den Foren und für den Synodalen Weg insgesamt.
Der Grundtext des Forums 1 Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag, wie er auf der Synodalversammlung in erster Lesung angenommen wurde, benennt die Faktoren, die den Missbrauch von Macht begründen, verursachen und fördern und auf diese Weise den Sendungsauftrag der Kirche konterkarieren. Er verortet die Krise der Kirche im „größeren Kontext gesellschaftlicher und kultureller Veränderungsprozesse“, begrenzt sie aber „nicht auf solche allgemeinen Faktoren“. Vielmehr diagnostiziert er auch „innere Spannungen zwischen Lehre und der Praxis der Kirche“ einerseits, „der Kluft, wie Macht faktisch in der Kirche konzipiert und ausgeübt wird“ und „den Standards einer pluralen, offenen Gesellschaft in einem demokratischen Rechtsstaat“ anderseits.
„Im Zentrum des Problems“, formuliert der Grundtext, „steht die Art und Weise, wie Macht – Handlungsmacht, Deutungsmacht, Urteilsmacht – in der Kirche verstanden, begründet, übertragen und ausgeübt wird. Es haben sich eine Theologie der Kirche, eine Spiritualität des Gehorsams und eine Praxis des Amtes entwickelt, die diese Macht einseitig an die Weihe bindet und sie für sakrosankt erklärt. So ist sie von Kritik abgeschirmt, von Kontrolle abgekoppelt und von Teilung abgehoben. Umgekehrt werden Berufung und Charismen, Würde und Rechte, Kompetenzen und Verantwortung der Gläubigen in der Katholischen Kirche nicht ihrer Bedeutung im Volk Gottes gemäß berücksichtigt. Ihr Zugang zu kirchlichen Diensten und Ämtern wird restriktiv geregelt, ohne dass die Aufgabe der Evangelisierung als entscheidendes Kriterium hinreichend zur Geltung kommt. Auch werden die jeweiligen Dienste, Ämter, Rollen und Zuständigkeiten nicht genügend an die Charismen, Kompetenzen und Qualifikationen gebunden. Nicht nur die Zugänge zur Macht, sondern auch die Auswahl und Begleitung derer, denen diese Macht anvertraut wird, bedürfen einer ehrlichen Evaluation und Reform. Kirchenbezogene Machtausübung bedarf zudem einer geklärten Persönlichkeit und geistlichen Reife. Auch dies ist nicht immer im Blick, wenn Ämter übertragen werden.“ Es geht also um einen neuen Umgang mit Macht und eine neue Verteilung von Macht – nicht etwa um Machtverzicht!
Auf eine Kurzformel gebracht geht es in Forum 1 Macht und Gewaltenteilung in der Kirche also um die Frage der Kontrolle von kirchlicher Macht auf der Basis von Teilhabe und Kooperation und damit um Gewaltenteilung; Forum 2 Priesterliche Existenz heute hat zu fragen, welche konkreten Maßnahmen angesichts der Formen verfehlter Machtausübung erforderlich sind und „wie die priesterliche Existenz auf der Basis der Tradition einerseits und dem gesellschaftlichen Kontext heute andererseits neu gedacht und gelebt werden kann“ (Grundtext, Forum 2). Angesichts des akuten Priesternotstands ist in diesem Zusammenhang auch der Pflichtzölibat zu überdenken; Forum 3 Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche muss sich aussprechen, wie die Präsenz von Frauen institutionell gefördert und ihnen der Zugang zu kirchlichen Ämtern ermöglicht werden kann; Forum 4 Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft beschäftigt die Frage, wie im Bereich der kirchlichen Sexualmoral „die Diskrepanz zur Lebenswelt der Gläubigen“ (Grundtext, Forum 3) überwunden und Formen sexueller Gewalt in kirchlichen Strukturen verringert werden können.
Das alles bleibt mehr oder weniger klug formulierte Theorie, wenn diese nicht in konkrete Reformschritte gegossen und auf allen kirchlichen Ebenen rezipiert wird. Deshalb erarbeitet der Synodale Weg Handlungstexte für Reformen auf diözesaner, nationaler und gesamtkirchlicher Ebene. Das Forum 1, in dem ich mitwirke, erarbeitet Reformvorschläge auf vier Handlungsebenen.
1. Machtkontrolle durch Rechtsbindung. Dazu gehören:
- Eine diözesanübergreifende, weisungsunabhängige Ombudsstelle zur Prävention und Aufarbeitung von Machtmissbrauch durch Verantwortliche in der Kirche. Der Text wurde auf der letzten Synodalversammlung noch nicht beraten.
- One Rechtswegegarantie. In jeder Diözese wird eine weisungsunabhängige Beschwerdestelle geschaffen, „die Beschwerden jedweder Art“ entgegennimmt und sie „an die zuständige kirchliche Stelle“ weiterleitet. Der Text wurde auf der letzten Synodalversammlung noch nicht beraten.
2. Machtkontrolle durch Verfahren zur Legitimation von Amtsträgern.
- Die Einbeziehung von Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs. Die Bestellung der Diözesanbischöfe gehört in Deutschland zu den so genannten gemischten Angelegenheiten von Kirche und Staat. Die nichtbayerischen Diözesen besitzen aufgrund konkordatärer Vereinbarungen Wahlrechte, die durch die jeweiligen Domkapitel ausgeübt werden. Das entspricht CIC 377 § 1, wonach der Papst die Bischöfe frei ernennt oder die rechtmäßig Gewählten bestätigt. Nach kirchlichem Recht kommen dem jeweiligen diözesanen Gottesvolk bei der Bischofsbestellung keine Mitwirkungsrechte zu, sieht man einmal von der möglichen geheimen Befragung von Einzelpersönlichkeiten durch den Nuntius ab. Ein Mitentscheidungsrecht bei der Erstellung der Kandidatenliste und ein Anhörungsrecht vor der Wahl aus der Kandidatenliste ist jedoch auch bei der aktuellen kirchlichen und konkordatären Rechtslage möglich – unter der Voraussetzung allerdings der freiwilligen Selbstbindung des jeweiligen Domkapitels. Das Forum 1 schlägt der Synodalversammlung vor, dass „ein diözesanes Gremium, das so viele Mitglieder hat wie das Domkapitel, dieses bei der Wahrnehmung seiner Rechte im Prozess der Bischofsbestellung unterstützt.“ Dieser Handlungstext wurde mit überwiegender Mehrheit (bei drei Enthaltungen und keiner Neinstimme) in erster Lesung angenommen. Eine solche Selbstbindung der Domkapitel dürfte für die Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit der Bischöfe zweifellos förderlich sein.
- One Rahmenordnung für Rechenschaftslegung, mit der regelmäßige Verfahren der Rechenschaftslegung der Amtsträger im synodalen Rat der Diözese bzw. der Pfarrei eingeführt werden sollen. Dadurch sollen nicht nur wie bisher Papst und Bischöfe, sondern auch die Gläubigen in die gemeinsame Verantwortung einbezogen werden. Grundlage ist ein gemeinsamer Beratungs- und Entscheidungsprozess über die pastoralen Ziele einer festzusetzenden Anzahl von Jahren; Ziel, das Miteinander der Bischöfe und Pfarrer einerseits, aller anderen Getauften und Gefirmten anderseits zu vertiefen, sodann die Qualität der pastoralen Arbeit zu heben und dadurch die Evangelisierung zu fördern. Über diesen wichtigen Text konnte die Synodalversammlung aufgrund fehlender Beschlussfähigkeit noch nicht beraten.
3. Machtkontrolle durch Partizipation in der Leitung von Pfarrei und Diözese.
- Gemeinsam beraten und entscheiden. Ziel ist es, dass jeder Bischof für seine Diözese eine Rahmenordnung erstellt, „in der die gemeinsame Verantwortung der Gläubigen und des Bischofs durch Mitberatungs- und Mitentscheidungsrechte von repräsentativ gewählten Gläubigen verbindlich geregelt ist“. Organ ist ein synodaler Rat, der entweder neu eingerichtet oder aus den bestehenden synodalen Räten weiterentwickelt wird. In diesem Rat werden alle Fragen zu Themen von bistumsweiter Bedeutung gemeinsam beraten und entschieden. Auf Pfarreiebene erlässt der Bischof eine Musterordnung für die freiwillige Selbstbindung des Pfarrers. Dieser Handlungstext wurde in erster Lesung angenommen.
- One Rahmenordnung für die Diözesanfinanzen. Ziel ist es, die Transparenz- und Kontrollstandards der Vermögensverwaltung zu erreichen, die für staatliche Akteure, für Unternehmen und generell für alle größeren Organisationen gelten. Dazu soll die Synodalversammlung beschließen, dass eine verbindliche Rahmenordnung für eine Finanzverfassung der deutschen Diözesen erarbeitet und nach Möglichkeit im Rahmen einer Kompetenzzuweisung durch den Apostolischen Stuhl gemäß can. 455 §1 CIC erlassen wird. Diese umfasst unbeschadet weitergehender Regelungen in einzelnen Diözesen für jede Diözese einen unabhängig gewählten Finanzrat mit dem Budgetrecht für die jährlichen diözesanen Haushalte, der selbst oder durch nachgeordnete Gremien als Vermögensverwaltungsrat aller diözesanen Rechtsträger fungiert und regelmäßig von den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern Rechenschaft einfordert. Der Text ist für die erste Lesung eingereicht, wurde aber noch nicht beraten.
4. Machtkontrolle durch nachhaltige Synodalität.
- Synodalität der Kirche nachhaltig stärken: Ein synodaler Rat für die katholische Kirche in Deutschland. Ziel ist es, Synodalität als Grundvollzug von Kirche zu verstetigen. Dieser synodale Rat soll entsprechend der Synodalversammlung geschlechter- und generationengerecht zusammengesetzt sein, zweimal pro Jahr tagen, seine Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit der Stimmen fassen. Er soll „Grundsatzentscheidungen zu Haushaltsfragen, die nicht auf der Ebene der Diözese entschieden werden“, treffen; ebenso zu pastoralen Planungs- und Zukunftsperspektiven von überdiözesaner Bedeutung. Außerdem soll er „die sozialen, katechetischen und missionarischen Verbindungen der katholischen Kirche in Deutschland mit den Ortskirchen in der gesamten Welt und mit dem Heiligen Stuhl“ fördern. Der Text wurde in erster Lesung knapp angenommen.
Außerdem lagen der Synodalversammlung Handlungstexte zur Predigtordnung (Forum 1), zur Leitung von Pfarreien, Gemeinden und pastoralen Räumen, zu Frauen an theologischen Fakultäten, Instituten und kirchlichen Hochschulen und zum Austausch theologischer Argumentationen in weltkirchlichen Kontexten (Forum 3) vor.
Zwischenbilanz – der Synodale Weg ist alternativlos
Die letzte Synodalversammlung hat in den nichtkirchlichen meinungsbildenden Medien im deutschsprachigen Raum ein sehr unterschiedliches, in Leitmedien wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder der Neuen Zürcher Zeitung ein zurückhaltendes, ja negatives Echo gefunden. In den rechtskatholischen Verlautbarungen und in den integralistischen Social-Media-Kanälen ist sie auf einhellige Ablehnung gestoßen. Die Gegner werfen der Synodalversammlung kirchlichen Radikalismus und Protestantisierung der katholischen Kirche Deutschlands vor. Sie beklagen eine angebliche Kirchenspalterei, sprechen von einem deutschen Sonderweg und fehlender Rückbindung in der Weltkirche. Solche plakativen Vorwürfe sind leicht zu entkräften. Sie übersehen zweierlei: Einmal, dass der Synodale Weg eine Initiative der deutschen Bischöfe ist; zweitens, dass die Bischöfe ihn selber mitgestalten, freilich zusammen mit Katholiken und Katholikinnen, die in Kirche, Gesellschaft, Politik und Wissenschaft Verantwortung tragen, und dass eben diese Bischöfe allen Beschlüssen mit Zweidrittelsmehrheit zustimmen müssen.
Ich teile solche krassen, einem isolierten Kirchenverständnis verpflichteten Urteile, wie die eben genannten, nicht. Ich habe im Gegenteil in Frankfurt erstmals den Eindruck gewonnen, dass Reformbereitschaft auf breiter Basis heranwächst, dass jedenfalls die anwesenden Bischöfe und die übrigen Mitglieder der Synodalversammlung in ihrer großen Mehrheit verstanden haben, dass es so wie bisher in der Kirche in Deutschland nicht weitergehen kann. Ob sich diese reformbereite Grundstimmung verstetigt und bei den Abstimmungen zum Durchbruch kommt, wenn zwei Drittel der Bischöfe zustimmen müssen, wird sich ab der nächsten Synodalversammlung im Februar 2022 weisen.
Ist der Synodale Weg also zum Scheitern verurteilt, wie inner- und außerkirchliche Auguren hoffen und nicht müde werden, vorherzusagen? Ja, der Synodale Weg kann scheitern; und ja, es ist möglich, dass die Zeichen der Zeit nicht erkannt werden, dass die erforderlichen substantiellen Reformen in der katholischen Kirche Deutschlands und weltweit ausbleiben. Es gibt Bischöfe im In- und Ausland, Priester, Gläubige, die den Synodalen Weg untergraben, ihn als Totgeburt lieber heute als morgen auf der Schutthalde unterdrückter Reformprozesse begraben wollen. Es wäre geradezu naiv, als Kirchenhistoriker mit der Möglichkeit des Scheiterns nicht zu rechnen. Die scharfsichtige Analyse, die der Bonner Kanonist Norbert Lüdecke in seinem Buch Die Täuschung. Haben Katholiken die Kirche, die sie verdienen (2021) formuliert hat, sollte in Anbetracht früherer gescheiterter Dialog- und Reformprozesse unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Der Preis, den es für ein Scheitern-Lassen des Synodalen Wegs zu zahlen gilt, ist allerdings hoch. Es ist dann mit noch mehr hunderttausenden von Kirchenaustritten zu rechnen, vor allem von Frauen – nicht sofort natürlich, vielmehr allmählich, still, ohne Aufhebens. Die Erhebungen des Pastoralsoziologischen Instituts in St. Gallen über den Kirchenaustritt zeigen für die katholische Kirche der Schweiz, was auch für jene in Deutschland gilt: „Jede Kindergeneration ist etwas weiter weg von der Kirche als noch ihre Eltern. Weniger Kontakt bedeutet in der Regel auch weniger Erlernen von Glauben und weniger religiöse Praxis. Am Ende dieser Entwicklung, die oft über Generationen verläuft, steht heute immer öfter die Trennung von der Kirche. […] Je schwächer die Kirchenbindung, desto geringer ist die Ambiguitätstoleranz gegenüber der Kirche – also die Fähigkeit, Widersprüche und Spannungen auszuhalten“ (Arnd Bünker). Glaubwürdigkeitskrise der Kirche und Glaubenskrise sind zwei Seiten der gleichen Medaille!
Vor diesem Hintergrund ist für mich klar: Der Synodale Weg ist alternativlos! Er ist kein deutscher Sonderweg, aber er verändert kirchliche Mentalitäten und kirchliche Praxis. Den synodalen Weg zu gehen ist mühsam; aber für den, dem die katholische Kirche nicht (noch nicht) egal ist, lohnt es, dass Gläubige, Theologen und Bischöfe in synodaler Beratung in einen produktiven Austausch eintreten – ein Austausch der konfliktär, aber allemal besser ist, als der Versuch, die plurale Sozialform von Kirche und Katholizismus durch autoritative Vorgaben zu steuern. Der synodale Weg ist kein Kirchengesundheitsmittel, aber wenn alle Akteure bereit sind, berechtigte Anliegen der jeweils anderen Seite zu hören und auf ihre Berechtigung hin zu prüfen, dann können aus Differenzen und verhärteten Fronten möglicherweise überraschend zielführende Lösungen entstehen.
Nicht alle Reformvorschläge werden erfolgreich verwirklicht werden, aber die systemischen Risikofaktoren müssen beseitigt werden. Die Kirche Deutschlands darf sich nicht unter Wert verkaufen, sie darf sich nicht mit dem Minimum bescheiden, etwa der Predigterlaubnis in der sonntäglichen Eucharistiefeier für nicht geweihte, aber mit bischöflicher Vollmacht ausgestattete vollamtliche Seelsorger und Seelsorgerinnen. Wohl, weil es um die noch zu bewältigenden Schwierigkeiten weiß, hat das Präsidium des Synodalen Wegs in der Presseerklärung vom 2. Oktober 2021 konstatiert: „Auch wenn am Ende des Synodalen Weges eine Reihe von Reformen stehen sollten, werden damit nicht automatisch Kirchenaustritte und Glaubenskrisen beendet. Aber ohne den Synodalen Weg und seinen Versuch, eine Erneuerung zu schaffen, wird es für viele Katholikinnen und Katholiken auf Dauer schwer. Sie werden kritisch auf die Missbrauchs-Problematik angesprochen. Sie werden nach Ursachen und Lösungswegen gefragt. Für viele verbindet sich die Glaubwürdigkeit der Kirche mit ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit als Katholikinnen und Katholiken. Eine geschwisterliche, synodale Kirche ist deshalb eine Vision des Synodalen Weges. Alle Fragen, die auf dem Synodalen Weg angesprochen werden, haben mit der Dimension des Glaubens zu tun. Es geht letztlich um die Existenz der Kirche. Deshalb ist der Synodale Weg nicht irgendeine Veranstaltung, sondern ein für die Kirche existentielles Geschehen aus dem Glauben des Gottesvolkes heraus.“