Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielen, vielen herzlichen Dank, erstens, dass dieses Thema gewählt wurde, zweitens, dass ich etwas dazu sagen darf, und drittens, dass Sie hier sind und sich für dieses Thema interessieren und stark machen.

 

Facetten der Armut

 

Das Thema Armut lässt uns leider nicht los. Trotz aller politischen Bemühungen ist es nicht gelungen, Armut in Deutschland wirkungsvoll einzudämmen. Dazu tragen verschiedene Trends bei, auf die ich gleich eingehen will. Aber zunächst müssen wir natürlich klären, was Armut überhaupt ist. Worüber reden wir? Blickt man zurück in die 1980er Jahre, so fällt auf, dass damals das Problem der Arbeitslosigkeit stark im Fokus stand – ein wesentlicher Grund für Sozialhilfebedürftigkeit, die gleichwohl als bekämpfte Armut galt. Damals war es jedoch noch nicht üblich, über relative Armut zu sprechen. Selbst noch Ende der 1990er Jahre, als im Kinder- und Jugendbericht das Thema Kinderarmut deutlich angesprochen worden ist, hatten viele nur das Bild von absoluter Armut vor Augen: Armut ist da, wo das Essen nicht reicht, wo die Wohnung nicht geheizt werden kann, wo man vielleicht gar keine Wohnung hat – diese ganz objektiven, zum Teil auch durchaus lebensbedrohenden Entbehrungen wurden als Armut gesehen.

Das wäre heute ein verengter Blick. Inzwischen ist die Botschaft überall angekommen: Das, worüber wir zu reden haben, ist relative Armut – die Entbehrungen, die jemand in einer relativ wohlhabenden Gesellschaft hinnehmen muss, weil er nicht wie andere teilhaben kann an dem Wohlstand der Gesellschaft. Vor allem geht es in diesem Zusammenhang um Einkommensarmut, relative Einkommensarmut oder das Armutsrisiko, das diejenigen betrifft, die über weniger als 60 % des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens in einem Haushalt verfügen. Hierbei wird das Pro-Kopf-Einkommen gewichtet nach dem Bedarf, der seinerseits festgemacht wird an der Haushaltszusammensetzung, wobei auch der Vorteil des gemeinsamen Wirtschaftens in einem Haushalt einbezogen wird.

Dieses Armutsrisiko hat sich für Kinder und Jugendliche nicht wesentlich verändert, selbst wenn wir die Sozialhilfestatistik heranziehen, die strengere Kriterien anlegt. Das, was die Sozialhilfebemessungsgrenzen zu Grunde legen, entspricht in etwa dem, was man hat, wenn man nur über 40 % des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens verfügt. Welches Kriterium man auch heranzieht: In beiden Fällen müssen wir feststellen, dass Kinder und Jugendliche in dieser Gesellschaft ein erhöhtes Risiko haben, in Armut zu leben, also hinsichtlich der Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand außen vor zu bleiben. Das Problem ist alles andere als neu: Schon Ende der 1980er Jahren hat die Sozialhilfestatistik offenbart, dass der Spruch „Armut ist weiblich, alt und kinderreich“ nur noch bedingt gilt. Altersarmut war damals deutlich weniger verbreitet als Kinderarmut und kommt erst jetzt wieder stärker auf uns zu. Angesichts der überproportional hohen Armutsbetroffenheit von Kindern, vor allem der Kleinkinder, wurde zu der Zeit erstmals von der „Infantilisierung der Armut“ gesprochen. Das ist ein Problem, mit dem wir uns immer noch herumschlagen.

Wenn man die Trends über die vergangenen zehn Jahre betrachtet, dann bedrückt, wie wenig sich in positive Richtung verändert hat. Im Gegenteil müssen wir sogar wieder einen leichten Anstieg der Armutsquoten verzeichnen. Rund 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche – das sind 20 % aller Minderjährigen – sind von Armut bedroht, und unter Familien mit Kleinkindern ist der Anteil noch sehr viel höher. Jede fünfte dieser Familien lebt von Hartz IV und ist damit von der Sozialhilfe, von Transferzahlungen abhängig. Bedenklich ist, dass wir in der gleichen Zeit einen guten Aufschwung im Arbeitsmarkt erlebt haben – festgemacht an der Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse. Insofern würde man vermuten, dass nun mehr Leute in Lohn und Brot gekommen sind, so dass es doch gelungen sein müsste, die Armut zu bekämpfen. Allerdings haben vor allem Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor zugenommen, die mit ihren prekären Beschäftigungsverhältnissen keine stabile Basis für Familien bieten. Das betrifft nicht zuletzt junge Familien mit geringen Bildungsressourcen, Zugewanderte und Alleinerziehende.

Armut muss keine dauerhafte Lebenslage sein. Die Zeitdimension kann jedoch in den meisten Statistiken nicht angemessen in den Blick genommen werden. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die jetzt vor kurzem erschienen ist, hat sich dieser Frage angenommen und die Verlaufsdaten der Einkommenssituation von Familien untersucht. Die Auswertungen zeigen, dass immerhin 21 % der Kinder durchaus von dauerhafter und wiederkehrender Armut betroffen sind. Das ist eine wichtige Erkenntnis, denn lange wurde davon ausgegangen, dass der Großteil der Armut vorübergehend ist und überwunden wird, weil die Betroffenen mit der Zeit Arbeit bzw. eine besser bezahlte Arbeit finden. Das sieht nicht mehr so aus. Wir müssen eher eine Verfestigung von Armutslagen verzeichnen, die gerade Kinder betrifft. Und das, obwohl gerade diese chronischen Armutslagen die gravierendsten Folgen haben, die die Lebensverläufe und Entwicklungschancen von Kindern langfristig überschatten.

 

Gründe für Armut

 

Wenn man untersucht, wer ein besonders hohes Armutsrisiko hat, dann überraschen die Befunde nicht: Es sind es vor allen Dingen diejenigen Männer und Frauen, denen die Qualifikationen für eine besser bezahlte berufliche Tätigkeit fehlen, und diejenigen, die gar keinen Zugang zum Arbeitsmarkt finden, die also erwerbslos geblieben sind. Auch zugewanderte Familien haben ein deutlich erhöhtes Armutsrisiko; ihnen fällt der Zugang zum Arbeitsmarkt immer noch merklich schwerer, gerade auch der Zugang zu besser bezahlten Berufen. Viele sind in eher prekären Arbeitsverhältnissen. Aber daneben gibt es auch familienstrukturelle Merkmale, die in besonderem Maße in die Waagschale fallen – Aspekte der Familiensituation, die nichts mit der beruflichen Qualifikation zu tun haben, wohl aber mit den Erwerbsmöglichkeiten derer, die auch für Kinder sorgen, mit der Logik unseres Steuersystems, das Verheiratete stärker entlastet als Alleinerziehende, und mit der Komplexität von familienbezogenen Leistungen, die viele nicht überblicken und daher nicht in Anspruch nehmen.

Alleinerziehende haben unter allen Familienformen das höchste Armutsrisiko; 44 % der Alleinerziehenden sind von Armut betroffen. Das ist auch in München nicht anders. Wenn wir das strengere Sozialhilfekriterium hernehmen, dann sind in München die Alleinerziehenden, die ein oder zwei Kinder haben, zu 35 % auf Sozialhilfe angewiesen, und diejenigen, die drei Kinder haben und mehr, fast doppelt so häufig – eine gravierende Benachteiligung, die sich aus vielen Besonderheiten des Steuer- und Sozialrechts zusammensetzt, aber auch der oft prekären Unterhaltssituation geschuldet ist, etwa dann, wenn der andere Elternteil keinen Unterhalt zahlt. Wir wissen, dass in vielen Fällen nur unzureichend oder gar kein Unterhalt geleistet wird, zum Teil, weil auch der unterhaltspflichtige Elternteil von Armut betroffen ist. Es ist nicht immer nur der schlechte Wille. Das ist ein Problem, das hoffentlich mit dem mittlerweile verbesserten Unterhaltsvorschuss eingedämmt wird, bei dem wir aber auch mit einer Vereinfachung der familienbezogenen Leistungen und Anpassungen im Steuer- und Sozialrecht weiterkommen müssen. Welche Maßnahmen am besten geeignet sind, gute Teilhabechancen für Familien und Kinder zu sichern, ist auf politischer Ebene intensiv in der Diskussion.

Auch kinderreiche Familien haben nach wie vor ein erhöhtes Armutsrisiko. Blickt man in die Statistik, so erscheint es weniger bedenklich hoch als unter Alleinerziehenden. Rund 25 % der Familien mit drei und mehr Kindern sind von Armut bedroht – ein Anteil, der allerdings auch deutlich über dem Durchschnitt der Bevölkerung liegt. Für kinderreiche Familien fällt das Armutsrisiko nicht ganz so gravierend aus, weil die Kinder in der Berechnung dessen, was das durchschnittliche pro-Kopf-Einkommen ist, nur sehr begrenzt in die Waagschale fallen. Kinder bekommen nur ein kleines Gewicht bei der Berechnung des bedarfsgewichteten Nettohaushaltseinkommens. Ob das noch unseren Lebensverhältnissen entspricht, ob nicht auch Kinder erhöhten Konsumbedarf haben, um teilzuhaben in unserer Gesellschaft – das muss man mit einem großen Fragezeichen versehen. Kollegen aus den Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum, Prof. Dr. Notburga Ott und Prof. Dr. Martin Werding, haben sich das genauer angeschaut und gute Argumente dafür geliefert, dass unsere Schätzmodelle für den Bedarf eines Haushalts und für Armut neu justiert werden müssen.

Was nicht zu übersehen ist, sind familienstrukturelle Ungleichheiten im Zugang zum Arbeitsmarkt, aber auch im Zugang zu einer existenzsichernden Arbeit. Wir haben einen zunehmenden Anteil der sogenannten „working poor“ zu verzeichnen: Familien mit erwerbstätigen Eltern, die trotzdem nicht ein existenzsicherndes Einkommen nach Hause tragen, mit dem sie den Bedarf ihrer Familie dicken könnten. Das ist fraglos ein Problem, das dringend angegangen werden muss und mit dem Mindestlohn, Kinderzuschlag sowie verbesserten Erwerbsmöglichkeiten durch den Ausbau frühkindlicher Betreuungsangebote auch angegangen wurde. Gleichzeitig ist es unabdingbar, die Wirksamkeit der Reformen, die auf den Weg gebracht worden sind, aufmerksam zu verfolgen. Das gilt etwa für die Reform des Unterhaltsrechts, die sehr darauf setzt, dass Frauen nach einer Trennung sehr schnell auf dem Arbeitsmarkt ein tragfähiges Einkommen erwirtschaften und somit für sich selber sorgen können. Wie realistisch das ist in einem Land, in dem Mütter überwiegend in Teilzeit erwerbstätig sind, scheint fraglich. Noch leben Zwei-Eltern-Familien in Deutschland mehrheitlich das sogenannte modernisierte Ernährermodell, wobei der Mann den entscheidenden Anteil des Geldes nach Hause bringt und die Frau den größeren Teil der Familienarbeit übernimmt, lediglich in Teilzeit erwerbstätig ist und ihre Karriere hintenanstellt.

Ein großer Hoffnungsträger für Alleinerziehende ist die Reform des Unterhaltsvorschusses, der nicht mehr zeitlich begrenzt ist und auf alle Kinder unter 18 Jahren ausgeweitet ist. Das könnte viele Alleinerziehende entlasten. Aber auch hier wird zu prüfen sein, ob dieser Unterhaltsvorschuss hinreichend in Anspruch genommen wird. Es kann durchaus gute Gründe geben, auf den Unterhaltsvorschuss zu verzichten, etwa, wenn vermieden werden soll, dass die Behörden versuchen, das Geld beim anderen Elternteil einzutreiben – ein Punkt, der alte Konflikte wieder auflodern lassen kann.

Insgesamt haben wir ein äußerst komplexes System von Leistungen, die Familien in Anspruch nehmen können – mehr als 150 verschiedene Leistungen, die für unterschiedliche Zielgruppen an unterschiedlichen Stellen relevant sein können. Es verwundert nicht, wenn den jeweils berechtigten Familien der Überblick fehlt.

 

Folgen der Armut

 

Zahlreiche Studien zeigen, dass Armut viele Belastungen für Kinder und Jugendliche mit sich bringt. Das reicht von Nachteilen für ihre kognitive Entwicklung über verminderte Bildungschancen bis hin zu Belastungen ihrer Gesundheit. Wir wissen, dass diese Nachteile nicht erst dann greifen, wenn die Kinder alt genug sind, um ihre ungünstige Position in dieser Gesellschaft zu erkennen. Nachteile zeigen sich schon sehr früh, schon in den ersten Lebensjahren. Und gerade die Armut in den allerersten Lebensjahren birgt langfristig die stärksten Risiken für die Entwicklung der Kinder. Sie übertreffen noch die Folgen von Armut im Jugendalter, obwohl man denken könnte, dass es in diesem späteren Alter deutlich mehr weh tut, wenn man nicht mithalten kann mit den Gleichaltrigen. Diese sozialen Vergleiche sind durchaus für die Kinder und Jugendlichen sehr belastend. Aber das, was in der frühen Kindheit passiert, stellt langfristig Weichen. Und diese Weichen sind oft nicht nur Weichen für die Kinder, sondern für die ganze Familie.

Damit komme ich zu dem, was Armut für Kinder besonders belastend macht. Es liegt auf der Hand, dass all die Entbehrungen, die Armut mit sich bringt – etwa nicht mit den anderen ins Kino gehen zu können, nicht in das Spaß-Schwimmbad, das unerschwinglich teuer ist, nicht zu einem Event-Kindergeburtstag einladen zu können und nicht die Markenkleidung zu tragen – das Leben von Kindern in Armut prägen. Diese Entbehrungen im Familienalltag und in den Teilhabemöglichkeiten der Kinder sind für sich genommen schon ein Problem, auch wenn sich viele Eltern in Armut sehr bemühen, nicht an den Kindern zu sparen, d.h. die Kinder möglichst wenig spüren zu lassen, wie knapp die Finanzen sind. Was aber mindestens ebenso belastend ist und häufig den eigentlichen „Transmissionsriemen“ liefert, über den sich Armut nachteilig auf die Kinder auswirkt, das ist das schleichende Gift, das Armut vielfach in die Familie hinein trägt: die Existenzängste und Zukunftssorgen der Eltern, die oft nicht mehr weiter wissen und das Gefühl haben, zu versagen, weil sie ihren Kindern nicht das bieten können, was sie brauchen; die Folgen, die das für Partnerschaftsbeziehungen hat, in denen sich Konflikte häufen und auch häufiger destruktiv ausgetragen werden. Oft schwappen diese Belastungen des Familienklimas letzten Endes auch über in die Eltern-Kind-Beziehung und in das Erziehungsverhalten der Eltern – also in jenen Bereich des Familienlebens, der für das Wohlergehen und die Entwicklungschancen der Kinder besonders bedeutsam ist.

Es ist anspruchsvoll, Kinder großzuziehen. Jeder, der Kinder hat, weiß das. Vermutlich kennen alle Eltern Situationen, die ihre Nerven an den Rand der Belastbarkeit gebracht haben. Sei es die lange Nacht, in der das Kind nicht schlafen konnte und nur geweint hat, sei es das Quengeln im Stau auf der Autobahn, der Wutausbruch im Supermarkt, die Fünf im Zeugnis. Solche Situationen stellen Eltern immer wieder auf die Probe, machen es schwer, die Ruhe zu bewahren und hinterlassen uns oft ratlos. Solche Situationen gut zu meistern ist umso schwerer, wenn man zusätzlich mit Existenznöten zu kämpfen hat, nicht weiß, wie man über die Runden kommt, und zweifelt, was man seinem Kind überhaupt mitgeben kann.

 

Maßnahmen gegen Armut

 

Die meisten Eltern in Armutslagen bemühen sich nach Kräften, Nachteile der Kinder zu begrenzen. Es ist ihnen ein großes Anliegen, ihre Kinder gut aufwachsen zu lassen und ihnen möglichst wenig Verzicht abzuverlangen. Die Kinder sollen nicht spüren müssen, was es bedeutet, arm zu sein. Entsprechend sparen die Eltern als erstes bei sich selbst. Das gerät oft aus dem Blick, erst recht, wenn strukturelle Hürden als persönliches Versagen oder Bequemlichkeit missverstanden werden. Nicht selten haben Familien in Armut neben den erschwerten finanziellen Lebensbedingungen und den damit verbundenen Sorgen und Entbehrungen auch mit Stigmatisierung zu kämpfen. Je größer die sozialen Unterschiede sind, desto deutlicher ist das Gefühl, nicht dazu zu gehören.

Insofern brauchen Eltern und Kinder in Armut unsere Unterstützung an vielen Fronten. An der finanziellen Front, aber auch gerade da, wo es darum geht, Familien in das Gemeinwesen zu integrieren und von innen her zu stabilisieren, so dass Eltern das nötige Selbstvertrauen und die Überzeugung gewinnen, zum Wohlergehen der Kinder und der Familie beitragen zu können. In diesem Bereich sind komplexe Beratungsangebote, die Haushaltsplanung, Schuldnerberatung, Familienbildung und Erziehungsberatungen zusammenbringen, in hohem Maße gefragt.

Nicht zuletzt brauchen wir außerfamiliale Angebote, die den Kindern weitere Erfahrungsräume eröffnen und dazu beitragen, soziale Ungleichheit abzubauen. Diese Lektion haben wir sehr deutlich gelernt: Armutsbekämpfung innerhalb der Familie, die darauf abzielt Probleme abzubauen und Eltern zu stärken, ist von zentraler Bedeutung, aber nur ein Bein, auf dem man noch keinen sicheren Stand gewinnt. Vieles von dem, was Kinder für die Entfaltung ihrer Potenziale brauchen, was sie an altersgerechter Anregungen benötigen, um in ihrer Bildungslaufbahn voranzukommen, um positive Beziehungen zu Gleichaltrigen zu erleben, ist etwas, was auch und gerade im außerfamilialen Bereich vermittelt werden muss. Dieses zweite Standbein, das Kita, Schule und die Jugendarbeit bieten, ist von nicht minder zentraler Bedeutung.

Es ist zunehmend anerkannt, dass der Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung der Unterdreijährigen große Chancen birgt, gerade für Kinder, die in benachteiligten Elternhäusern aufwachsen. Insbesondere in dieser Gruppe finden sich Vorteile einer frühen, qualitativ hochwertigen außerhäuslichen Betreuung. Allerdings nehmen sozial benachteiligte Eltern diese Angebote noch seltener in Anspruch. Deshalb kommt es darauf an, den Ausbau frühkindlicher Betreuungsangebote weiter voran zu treiben, Zugangswege zu ebnen und auch diese Familien stärker zu motivieren, entsprechende Angebote zu nutzen. Damit allein ist es jedoch noch nicht getan. Entscheidend ist auch die Qualität der Angebote, die vielfach noch begrenzt ist. Kitas und Schulen können jedoch nur dann eine wirkungsvolle Kompensationsfunktion übernehmen, wenn sie eine gute Qualität aufweisen. Wir wissen, dass Qualität nicht nur Strukturqualität ist. Es kommt nicht nur darauf an, wie gut die Personal- und Raumausstattung ist. Für die Kinder bedeutsamer sind die Ausgestaltung von Beziehungen und die Interaktion, in die sie eingebunden werden, die Vermittlung anregungsreicher Erfahrungen sowie die Sensibilisierung des Personals für ihre unterschiedlichen Bedürfnisse und Potenziale.

Nicht zuletzt macht sich die Qualität von Bildungs- und Betreuungsinstitutionen auch daran fest, inwieweit es ihnen gelingt, eine tragfähige, vertrauensvolle Kooperationsbeziehung mit den Eltern einzugehen. Eine solche Erziehungs- und Bildungspartnerschaft, die Eltern einbezieht und den wechselseitigen Austausch erleichtert, steht vor allem im Dienste der Kinder, erleichtert aber auch Fachkräften und Eltern die Arbeit. Dies ist sicherlich eine unserer größten Herausforderungen, denn gerade sozial benachteiligte, armutsbetroffene Eltern haben oft ungünstige Erfahrungen mit staatlichen Institutionen gemacht. Entsprechende Vorbehalte gegenüber deren Vertreter/innen sind im Kita-Bereich meist noch begrenzt, aber die Schule ist für viele Eltern ein schwieriges Terrain, nicht nur, wenn sie an eigene Misserfolge erinnert. Umso mehr sind gerade in diesem Bereich Anstrengungen um eine gute Kooperation notwendig, damit Bemühungen der Schulen zur Förderung der Kinder nicht ins Leere laufen, sondern Eltern mitgenommen werden und umgekehrt die Lehrkräfte von deren Erfahrungen profitieren können. Nur so lassen sich Synergien schaffen, die für die Kinder hilfreich sind.

Man sieht: Es gibt noch viel zu tun. Es bleibt zu hoffen, dass viele mit anpacken.

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