Spiritual Landscapes

Klöster und Stifte in Bayern, Franken und Schwaben als Raum- und Kulturbildner

As part of the event Bavarian Monastery Landscapes, 19.11.2021

Ob im Norden, Süden, Westen oder Osten – überall in der Bundesrepublik, Österreich, Italien und in der Schweiz sind Ordensgemeinschaften beheimatet. Manche schaffen es sogar in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen zu werden. Das ehemalige Benediktinerkloster Corvey bei Höxter in Nordrhein-Westfalen ist so ein Fall. Die Abtei mit dem karolingischen Westwerk und den Resten der mittelalterlichen Klosterstadt Civitas Corvey war im Juni 2014 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden. Das Weltkulturerbe kam auch in das baden-württembergische Maulbronn. Maulbronn gilt als eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Klosteranlagen nördlich der Alpen. Architektur und Kulturlandschaft der Zisterzienser sind dort – und nicht nur dort – nahezu unverfälscht bis heute sichtbar.

Neben den Weltkulturerbe-Stätten erinnern ungezählte Klosterstraßen und Klosterviertel in vielen Städten neben den alten Stadthöfen der Landklöster – ihnen kam wie den Ebra-
cher Klosterhöfen in den Reichsstädten Schweinfurt und Nürnberg nicht nur wirtschaftliche Bedeutung zu – als Plan- und Bauzeugen an die vergangene Zentralität geistlicher Institute auch ohne UNESCO-Siegel. Das trifft selbst für Orte wie Berlin zu, die seit der Reformation ihre Klöster säkularisierten. Benediktiner- und Zisterzienserklöster erschlossen bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Süddeutschland nicht nur ihr agrarisches Umland, sondern sie blieben über zahlreiche Stadthöfe auch in die spätmittelalterliche und frühmoderne urbane Entwicklung eingebunden. Die württembergische Zisterzienserabtei Bronnbach (Abb. nächste Seite) verfügte über Stadthöfe in Wertheim, Miltenberg, Würzburg, Aschaffenburg und Frankfurt am Main.

Kloster- und Kulturlandschaft

Auch die Geschichte Bayerns ist ohne seine Klöster und Stifte nur schwer vorstellbar – das haben selbst kirchenkritische bayerische Landeshistoriker wie Karl Bosl stets so gesehen und entsprechende Forschungsprogramme auf den Weg gebracht. Die Landes- und Kirchengeschichte wurde hierbei durch die regionale Orts-, Kreis- und Namensforschung unterstützt. Einschlägige Flur-, Straßen- und (geografische) Landschaftsnamen, die auf früheren Klosterbesitz verweisen, müssen richtig zugeordnet werden.

So führt das Stiftland der Oberpfalz Teile des Klosterterritoriums der ehemaligen Zisterzienserabtei Waldsassen im Namen bis heute weiter. Das Werdenfelser Land erinnert an die 1802 säkularisierte gleichnamige Burgherrschaft des Hochstifts Freising und der oberbayerische Pfaffenwinkel – der Erstbeleg stammt aus dem Jahr 1756 – an die ehemaligen Klöster Andechs, Benediktbeuern, Bernried, Dießen, Ettal, Polling, Schlehdorf, Wessobrunn und die Wieskirche um das Kerngebiet im heutigen Landkreis Weilheim-Schongau. Die Forschung hat dies als eine relativ junge Form von landschaftlicher Sakralisierung interpretiert.

Das „Kloster“ vom lateinischen Begriff claustrum abstammend, ist ein Ort, in dem kontemplative Begegnungen von Menschen in einer gemeinschaftlichen Lebensweise beziehungsweise einer vita communis den Alltag markieren. Klöster – und zu einem gewissen Teil auch die von ihrer Verfassung weniger weltabgewandt ausgerichteten Stifte – sind gerade wegen ihrer kontemplativen Ausrichtung in unserer schnelllebigen Konsum-, Medien- und Industriegesellschaft wieder interessant geworden.

Unterschiedliche Ensemble- und Gebäudetypen sind bis heute in der Terra Sacra Europas, Deutschlands und Bayerns von Bedeutung, welche etwa für wirtschaftliche, religiöse, politische oder auch kulturelle Zwecke genutzt werden. Dank vorzüglicher Überlieferung ist es auch heute noch möglich, innerhalb der historisch gewachsenen Klosterlandschaften detaillierte Entwicklungen im Kloster, im Konvent, in den inkorporierten Pfarreien und im Territorium in den Blick zu nehmen. Wir blicken sozusagen hinter die Mauern bestehender wie säkularisierter Klöster sowohl in Süddeutschland als auch in vergleichender Perspektive in andere europäische Regionen.

Benediktinische wie auch generell monastische Botschaften ließen sich andererseits nur in den seltensten Fällen hinter Mauern verbergen, denn sie wurden über die Verkündigung des Wortes Gottes in die kleine bis große Welt außerhalb der Klostermauern getragen. Die Inkorporation zahlreicher Pfarreien in Klosterhand sprachen hier ebenso für die verbale Prägung einer Landschaft wie die Kanzeln der Klosterkathedralen. Die berühmte Schiffkanzel der Klosterkirche Irsee – sie erinnert an den Sieg der christlichen Flotte gegen das Osmanische Reich 1571 bei Lepanto – steht für die raumprägende Funktion von Predigt und Verkündigung. Auch in der Regensburger Benediktinerabtei St. Emmeram verkündete man in unmittelbarer protestantischer Nachbarschaft der Reichsstadt an der Donau von der prächtige Kirchenkanzel über Jahrhunderte katholische Botschaften, die regionale Konfessionsräume stabilisierten.

Klosterlandschaften können ferner, wie eine 1783 vollendete Kartensammlung der württembergischen Benediktinerabtei Zwiefalten zeigt, ökonomisch konkretisieren. Der Kartograph Placidus Welscher widmete sein handkoloriertes Werk im barockem Schmuckrahmen dem regierenden Abt Nikolaus II. Schmidler (1765–1787). Ziel der Auftragsarbeit war Ordnung zu bringen in das uneinheitliche und unübersichtliche System der bisherigen Zehent- und Kornabgaben an das Kloster mit Hilfe von Detailkarten mit Ortsdetails, Flurnummern und einer maßstabsgetreuen Wiedergabe der Acker- und Getreidelandschaft in „Öschen“ (Abb. nächste Seite).

Es bleibt die Frage, ob wiederbegründete Klöster nach der Auflösung und Säkularisation alter Orden, Reichsklöster und Reichsstifte in heutiger Zeit die weltlich orientierten Traditionen der Germania Sacra fortführen. Wie geht man mit dem kulturellen Erbe vor Ort um? Eine solche Frage belastet heute viele Konvente, beispielsweise auch die überalterte, sich bescheiden gebende Ordensgemeinschaft der Dominikanerinnen im ostschwäbischen Wettenhausen, wo die Augustiner-Chorherren vor 1802/03 Kloster und die Kirche zu einem Zentrum im reichsunmittelbaren Territorium ausbauten.

Der imposante ehemalige Kaisersaal (Habsburgersaal) diente in diesem landschaftsbildenden Kontext der Verherrlichung des Hauses Österreich; heute steht er außer bei Schul- und Konzertveranstaltungen meist leer. Liegen die Möglichkeiten einer Wiederbelebung alter Klosterlandschaften in der Eventkultur? 2019 organisierte man jedenfalls in Wettenhausen ein illuminiertes Klosterfestival mit einer „langen Nacht im Kloster“, das laut Bericht der Augsburger Allgemeinen Zeitung Tausende von Besuchern anlockte.

Kloster- und Sakrallandschaften interpretierte man in der Forschung als weitgehend einheitliche und geschlossene Gebiete. Dem Landschaftsbegriff wurde dabei in jüngerer Zeit beinahe eine inflationäre Verbreitung zuteil; das galt insbesondere auch für die Denkmalpflege, die Kunst-, Kultur- und Geschichtswissenschaften. Es fehlten bei vielen Untersuchungen allerdings nicht nur in räumlicher Sicht harte Kriterien um festzustellen, wo die Landschaften denn endeten und wie dicht sie im Kern strukturiert sein mussten, um karten- und raumtauglich zu sein. Für die Oberpfälzer Klosterlandschaft verwiesen Tobias Appl und Manfred Knedik dabei auf jeweilige Ordensniederlassungen, die „auf ganz unterschiedliche Art und Weise zueinander in Beziehung“ traten, auf die Präsenz der Klöster in den Landtagen, auf das standeskonforme Bewusstsein der Prälaten, auf ein über Gebetsverbrüderungen befördertes ordensunabhängiges Zusammengehörigkeitsgefühl oder auf wechselseitige Besuche unter Äbten, Pröpsten und Mönchen, wie sie beispielsweise in den Annales der Prämonstratenserklosters Speinshart dokumentiert wurden.

Die Landschaft und ihre Grenzen im Kartenbild der Zeit

Lange bevor seit den 1980er Jahren der iconic turn auch die europäische Geschichtsschreibung zu beeinflussen begann, konnte sich die Kartographie als ein interdisziplinäres, überwiegend jedoch bis heute geowissenschaftlich erforschtes Fach etablieren. In Stadt- und Staatsarchiven wurden aus praktischen und konservatorischen Gründen oft bereits im 19. Jahrhundert umfangreiche Kartensammlungen als Selekt gebildet. Sie bildeten für die historische und geowissenschaftliche Forschung zwar eine reiche Quellengrundlage, doch ging der Entstehungskontext bisweilen verloren. Für die in bayerischen Staatsarchiven liegenden Reichskammerprozesse wurde in den letzten Jahrzehnten der Kontext von Plan, Karte und Aktenführung allerdings mustergültig wiederhergestellt.

Bezieht man in unsere Überlegungen auch die Siedlungs- und Herrschaftsgebiete alteuropäischer Fürstbistümer ein, so sprechen wir statt von Klosterlandschaften besser von Sakrallandschaften. Im Kartenbild ausgewählter Hochstifte und Klöster konkretisierte sich der beherrschte Raum als Landschaft.

Forstvermessungen durch die Bischöfe von Eichstätt

Für die bildliche und rechtliche Sicherung eines Teils der Eichstätter Landschaft dient uns ein präzis gefertigter Geometrische[r] Grundriß des Pfünzer Forstes aus dem Jahr 1784. Der Grundriss des Forstes, den der Flurmesser und Mathematiker Ignaz Pickel im Auftrag des Eichstätter Fürstbischofs Johann Anton III. fertigte, ist dabei ein erstes und sehr repräsentatives Beispiel für die Notwendigkeit, selbst mit großformatigen und federgezeichneten Karten territoriale Grenzen und Privilegien abzusichern. Die Größenmaße sind maßstabsgerecht in Decimalschuhen angegeben, ein Stern zeigt die nach Südwesten ausgerichteten Himmelsrichtungen an. In der Bildlegende werden sowohl bedrohte Eichstätter Privilegien – das Fischerei- und Jagdrecht – als auch die Hilfsmittel des Geometers – Maßstab, Messlatte, Fernrohr, Globus und Winkeleisen – vorgestellt.

Grenzsicherung im Banzer Klosterland

Klosterlandschaften mussten sich im Alten Reich stets auch gegenüber weltlichen Anrainern abgrenzen. Als Beispiel für zahllose Grenzverträge und zugehörige Kartenwerke stellen wir ältere Grenzregulierungen aus der oberfränkischen Benediktinerabtei Banz vor, die 1786 kartographisch festgehalten wurden. Sie wirkten landschaftsbildend. Im Jahr 1661 bereinigten das Bamberger Hochstift und das sächsische Fürstentum Coburg ihre seit langer Zeit strittigen Hochgerichtsgrenzen im oberfränkischen Itzgrund. Dies war in der Grenzregion Anlass auch für die dort begüterte Benediktinerabtei Banz, ihrerseits die dort limitierte Zent gegen Coburg und Bamberg mit roter Linie kartographisch kräftig zu markieren.

Der Banzer Abt Michael Stürzel (1648–1664) ließ auf Anraten des Bamberger Bischofs am Ende des Dreißigjährigen Kriegs „über den district gegen die Coburgischen Landen einen chorographischen abriß uffs ehiste verfaßen, um ihn außführlich von einer gräntzschaidung zur andern beschreiben [zu] laßen, und fürderlich anhero [nach Bamberg zu] übersenden“. Zur Begründung führte er an, dass die Landvermessung „zu demonstrirung und erhaltung dißeitig rechtens [und Herkommens] sehr befürderlich, und zwar vor allen dingen nöthig sein will“. Grenz- und Geleitsteine, Martersäulen, Markierungsobjekte wie Bäume und Gewässer, Wegegabelungen und Straßen oder Einzelgehöfte und Mühlen veranschaulichten eine mit Privilegien gesättigte Vergangenheit entlang eines alten fränkischen Fraisch-Bezirks.

Es bleibt festzuhalten, dass das gut erforschte Feld historischer Kartografie für die Fragen nach landschaftsprägenden Faktoren von Relevanz ist und künftig stärkere Beachtung verdient.

 

Wallfahrtskirchen, Klöster und Stiftsgebäude als Zentren

Vieles spricht für die Konsistenz von Sakral- und Klosterlandschaften, wenn wir Wallfahrtskirchen und Wallfahrtszentren in die Untersuchung einbeziehen. Die Wallfahrt wurde in Mittelalter und Früher Neuzeit zum Glaubenszeugnis, vor allem wenn Pilgerwege zu den Wallfahrtsorten weit, mühsam und gefährlich waren. Deshalb hatte bereits das Gelöbnis als votum peregrinationis, eine Wallfahrt innerhalb einer bestimmten Frist anzutreten, wichtige Bedeutung. Das Votum war vor allem bei Fernwallfahrten üblich und Wallfahrtskirchen zogen sich wie Perlenschnüre über die Landschaft.

Die Erforschung der Wallfahrt, einzelner Wallfahrtsorte und ihrer Kulte sowie der Pilgerwege ist seit langer Zeit ein etabliertes Feld kirchen- und landeshistorischer sowie volkskundlicher Recherche. Neuerscheinungen betonen ein zeitloses Forschungsanliegen. Wallfahrtskalender versprechen außerdem bis heute euphorisch: „Wallfahrtskirchen sind faszinierende Orte der Besinnlichkeit und bergen eine lange christliche Tradition in sich. Erleben Sie erhabene Bauwerke, in denen sich Himmel und Erde berühren von der Basilika Mariä Geburt in der Steiermark bis zum Mont Saint-Michel in der Bretagne. Eine beeindruckende Bilderserie, die jedermann zu einer Pilgerreise einlädt.“

Der zeitliche Forschungsfokus lag naturgemäß in der Entstehungs- und Blütezeit einzelner Wallfahrtszentren, weniger in der Spätzeit als die beißende Kritik und der Spott reliquien- und wunderverachtender Aufklärer einsetzte. Hier wollen wir mit Blick auf die Landschaft einen Schwerpunkt setzen, um das Wallfahrtsgeschehen in den generellen Kontext von Normenentwicklung vom 17. bis 19. Jahrhundert zu stellen, und um nach der speziellen Frömmigkeits- und Kirchenkritik in der Aufklärung am Wallfahren zu fragen.

Konservative Kirchenkreise sahen im Verweis auf Kirchen-, Prozessions-, Kreuzgangs- und Wallfahrtordnungen einen Hoffnungsanker gegen die Fundamentalkritik am Glaubensritus, an Frömmigkeitsherkommen und an dem als Aberglauben verketzerten, aber für blühende Wallfahrten wie im österreichischen Mariazell oder im Schweizer Maria Einsiedeln unverzichtbaren Heiligen- und Reliquienkult.

So weigerte sich beispielsweise 1787 der Augsburger Domprediger Georg Zeiler gegenüber dem Domvikariat, von der Kanzel herab das Ende der Bitt- und Kreuzgänge zum Heiligen Berg in Kloster Andechs einzuläuten. Er verwies vielmehr auf die reinigende Kraft der Kirchennormen: „all das gefährliche, unordentliche, anstössige, versäumende und zerstreuende, das mit derleÿ Kreutzgängen nothwendig verbunden seÿn muß, wird verhindert und unmöglich gemacht, wenn die gläubigen dem Inhalte dieser verordnung nachkom[m]en“. Und der Domprediger seufzte angesichts der verbreiteten Wallfahrtskritik: „Ich soll nemlich das volck überzeugen von dem, wovon ich mich selbst nicht überzeugen kann“.

In seiner Glaubensentscheidung berief er sich neben bischöflichen Verordnungen und päpstlichen Bullen auf das Vorbild der „berühmtesten Heiligen, namentlich des H. Ulrichs, Bischofs und Schutzpatronen unserer Diöcese, der bekan[n]termassen ein grosser Schätzer der Wahlfarten in entlegne Orte war.“ Wallfahrtsbegeisterte Kleriker wie Georg Zeiler gerieten aber in der Aufklärung zunehmend in Erklärungsnöte. Immer weniger Christen glaubten noch das, was beispielsweise für die am burgundischen Wallfahrtsort Vézelay verehrte Maria Magdalena lange galt: „Aus Liebe zu dieser Heiligen vergibt der Herr den Sündern ihre Vergehen, den Blinden schenkt er das Augenlicht, den Stummen löst er die Zunge; Lahme werden aufgerichtet, Besessene vom Dämon befreit, vielen anderen werden hier unsagbare Wohltaten zuteil.“

 

Wegstationen im Abseits? – Kreuze, Martern und Kapellen

Flurkreuze, Bildstöcke, Erinnerungstafeln (Marterl), Feldkapellen und Brückenheilige waren und sind für Reisende Indizien auf und Zeugnisse von aktiven Pfarreien oder ehemals intakten Kloster- oder Sakrallandschaften. Sie stehen in der Regel abseits der Zentren, wodurch sich – für die Landschaft prägend – die räumliche Dimension sakralen Wirkens erahnen oder zu Fuß erwandern lässt. Freilich stehen nicht alle Erinnerungstafeln in einem Zusammenhang mit einem Pfarrsprengel oder der Territorialität im Alten Reich, wenn wir beispielsweise an die zunehmende Zahl von Kreuzen am Straßenrand als moderne Erinnerungsriten für Verkehrsopfer denken.

Auch Flurkreuze wurden meist zur Sühne oder zur Erinnerung an Verstorbene errichtet und wurden so nicht unbedingt landschaftsprägend, sondern dem Sterbe- oder Unglücksort folgend loziert. Dennoch besteht ein direkter Zusammenhang zwischen einer zu Stein gewordenen Erinnerungskultur und regionaler Heiligenverehrung, wenn wir an die Patrone der Bistümer, der Pfarr- und Klosterkirchen denken. Die Ulrichs-Verehrung ist eben ein Spezifikum für das Bistum Augsburg. Die Kilians-Memoria prägt das Bistum Würzburg, die Heinrich-, Kunigunde- und Otto-Verehrung kennzeichnet das Bamberger Land, während man zum Heiligen Valentin und Maximilian nicht nur, aber doch vermehrt im Bistum Passau betet und pilgert. Im Passauer Land suchten die Menschen bei Krankheit, Pestepidemien und Türkeneinfällen stets Zuflucht beim Heiligen Valentin.

 

Klösterliche Gründungswellen – die Zisterzienser in Bayern als Beispiel

Klösterliche Gründungswellen verdichteten sakrale Räume. Exemplarisch wählen wir für diesen landschaftsprägenden Vorgang die Zisterzienserklöster im Gebiet des heutigen Bundeslands Bayern. Das Land wurde während des 12. Jahrhundert von einer förmlichen Gründungswelle der Männerkonvente überzogen. In chronologischer Reihenfolge waren dies nach Ebrach (1127) die fränkischen Orte Heilsbronn und Langheim im Jahr 1132, Waldsassen und das schwäbische Kaisheim/ Kaisersheim 1133, die bayerischen Klöster Raitenhaslach und Aldersbach 1143 und 1146, 1143 Kloster Walderbach am Regen in der Oberpfalz als Gründung des Burggrafen Otto I. von Riedenburg und schließlich Kloster Maria Bildhausen bei Münnerstadt im Jahr 1158.

Im 13. Jahrhundert folgten dann noch die Klöster Fürstenfeld 1258 und Fürstenzell 1274 sowie Gotteszell 1285 im Bayerischen Wald (Abb. nächste Seite). Seit 1247 wirkten bereits Zisterzienserinnen nach der Carta Caritatis in Seligenpforten und blieben bis zur Säkularisation dieses Oberpfälzer Klosters durch die kurpfälzische Landesherrschaft im Jahr 1576. Soweit die Klostergebäude im 20. Jahrhundert noch erhalten waren, übernahmen Zisterziensermönche aus Kloster Bronnbach 1931 Seligenpforten, doch wurde diese Niederlassung bei Markt Pyrbaum 1967 wieder aufgegeben.

 

Klösterliche Kommunikation – Netzwerke einer Landschaft?

Klosterlandschaften waren stets auch gekennzeichnet durch ein hohes Maß an personen-, abtei- und ordensübergreifender Korrespondenz. Korrespondenz- und Abstimmungsbedarf entstand insbesondere in Krisenzeiten. Für die Jahre vor der Säkularisation ist sie für die bayerische Klosterlandschaft näher untersucht worden. In den Klöstern der Oberpfalz, sowie Ober- und Niederbayerns wuchsen die Sorgen wegen der ansteigenden Landessteuern und man koordinierte sich, um die drohende Säkularisation abzuwenden. Wir sind über die Regierungsmotive und engen politischen Spielräume seitens der Äbte und Pröpste dank der von Winfried Müller herausgegebenen Briefe aus der Landschaft für den Zeitraum 1794 bis 1803 (1812) weit besser unterrichtet als in Schwaben oder Franken.

Gerade dort ist der Blick in die Klosterkanzleien besonders interessant, konnte man doch aus dem Umgang des Kurfürsten und seiner Regierungen mit dem Stand der Prälaten vielleicht exemplarische Lehren ziehen für das, was in den neuen bayerischen Provinzen erst noch kommen sollte. Manche wie Abt Dominikus Weinberger aus Attel – ein kluger Ökonom – gaben sich kämpferisch. In seiner Korrespondenz mit Abt Rupert Kornmann (1757–1817) im Kloster Prüfening bat er im Februar 1799 um Solidarisierung gegen die bedrohlichen kurfürstlichen Klosterkontributionspläne.

„Am 6ten dieß [Monats Februar] werde ich in cinere et cilicio zu mittage in München eintrefen, in dem Weichenstephenschen kloster-hause absteigen, und eu[er] hochw. hochwohlg[eboren] ungesäumt besuchen. Wir werden uns dann mit vereinten kräften bemühen, das erfreuliche geschäft, welches in deß der teufel in gnaden hollen wolle, in seine ordentliche und natürliche wege einzuführen. Ob es der mühe lohne. fragt sich, denn daß wir allem verbande ungeachtet bezahlen müssen, ist von freunden und feinden vorlängst entschieden. […] Die nachwelt solls aber lesen und vernehmen, daß wir unser schicksal, so viel nur möglich, zu erleichtern gesuchet haben, und nur der gewalt gewichen sind. In der krise, in der wir schweben, läßt sich wahrlich nichts anders hoffen und erwarten, als der zwang zu geben. Die wolke, die über unsern häuptern steht, ist zu dicht, als daß sie das licht der besten schriften durchbrechen könnte. Indolente gleichgiltigkeit gegen jedes schicksal der geistlichkeit, gegen religion und religionsdiener macht alle vorstellungen unwirksam.“

Andere zeigten sich grundsätzlich pessimistischer, zumal wenn ein Abt wie im Falle Thierhauptens krank darniederlag. Pater Karl Auracher übersandte im Juni 1798 anstelle seines erkrankten Abts Michael Schmid (1733–1801) an den Kanzler der bayerischen Landschaft, Maximilian von Mayrhofen (1757–1819), ein Geschenk. Die Übergabe sollte allerdings standeskonform durch den Abt von Andechs erfolgen.

 

Ergebnisse – die Landschaft als offener Raum

In acht Abschnitten trugen wir Argumente vor, die in räumlicher Sicht in der einen oder anderen Weise ihren Nukleus im Kloster, im Stift oder in einem Zentrum geistlich-kirchlicher Territorialität hatten. Präzise Kartenwerke sprachen für die Sicherung von Grenzen nach Außen und für die Herrschaftsintensivierung nach Innen. Botschaften wurden von den Kanzeln der Klöster an das Kirchenvolk gerichtet. Gleichwohl erstreckten sich die monastischen Kommunikationsnetze mit oder ohne Filiationssystem über weite Distanzen. Die Grenzen zu weltlichen Autoritäten und Kulturen blieben fließend, zumal viele Abteien über ihre Höfe in Residenz-, Amts- und Reichsstädten Besitz und Einfluss außerhalb enger Grenzen zum ökonomischen Vorteil nutzten.

Die Grenzen der Kloster- und Sakrallandschaften blieben so ein stückweit diffus; kartographisch sind sie jedenfalls nicht zu erfassen. Sie sind weder mit den Territorien noch mit Ordensprovinzen und schon gar nicht mit Pfarrsprengeln identisch. Wir müssen weitere Kriterien heranziehen, um dem Angebot einer Landschaft gerecht zu werden. Lebendige Wallfahrtskirchen, die Aufnahme in die Liste des UNESCO-Kulturerbes und steinerne Zeugnisse für Glauben und Zugehörigkeit, wie wir sie unterwegs in Kapellen und Kreuzen finden, treten hinzu, um die Landschaft zu konkretisieren.

Trotzdem stammt manches, das wir für (katholische) Kloster- und Sakrallandschaften reklamieren würden, aus einem ganz anderen Zusammenhang. Aus dem Archivbestand des protestantischen Konsistoriums im Fürstentum Schwarzenberg hat sich folgender Appell an die evangelischen Pfarreien der mittelfränkischen Umgebung erhalten: „Von Hochfürstl[ichen] Schwarzenbergisch hiesigen Consistorii A.C. [Augsburger Confession] wegen außenvermeldten löbl[ichen] Pfarreÿen hiermit anzufügen: Von Sommer und Herbst hindurch bekanntlich angehalten allgemeine Dürre und darauf eingetretenen bis diese Stunde noch trockenen Winter der Erdboden sonderlich in denen schweren Felderen dermassen ausgetrocknet worden, daß dadurch die Saamen in ihrem Aufwuchß behindert sind, sofort auf künfftiges Jahr eine schlechte Erndte anhoffen, vielmehr eine große Theuerung, und allenthalbigen Brod Mangel befürchten lassen, wozu noch weiter kommet, daß wegen schon einige Zeit her anhaltenden Frost alle Wässer und Quellen auszutrocknen beginnen, […] daß daraus eine allgemeine Hungers Not hohnumgänglich erfolgen müßte, und nun solchemnach erforderlich seÿn will, durch eÿfriges Gebeth und sonstige Bus Andachten sich dem erzürnten Gott, welcher dergleichen Straffmittel zur gerechtesten Züchtigung unserer Missethaten sich dermalen zu gebrauchen scheinet, in die Arme zu werffen.“

Umgehend folgten „in allen Pfarreÿen“ Bußpredigten. Und die „hochlöbl. Regierung zu Schwarzenberg“ verordnete für Mittwoch den 17. Dezember 1766 einen strengen Fasten-, Buß- und Bitttag.

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