Historical reflections on the diaconate of women

The situation in early Christianity

Im Rahmen der Veranstaltung "Women in church offices", 15.10.2020

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Die Aktualität der Debatte um einen Frauen­diakonat in der katholischen Kirche ist nicht zu übersehen. In Deutschland steht spätestens seit der Neueinrichtung des Amtes des ständigen Diakonats für Männer durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) die mit zunehmender Vehemenz gestellte Forderung im Raum, auch Frauen mit diesem Dienst zu betrauen. Schon 1975 formulierte die Würzburger Synode ein Votum, der Vatikan möge die Zulassung von Frauen zum Diakonat prüfen. Gut zwanzig Jahre später fand 1997 in Stuttgart ein internationaler theologischer Fachkongress zum Diakonat der Frau statt. Etwa zeitgleich erfolgte in Münster die Gründung des Netzwerks Diakonat der Frau, das bis heute zwei Ausbildungszyklen für Diakoninnen durchführte, ein dritter Ausbildungsgang startete im September 2020.

Die Forderung nach einer Diakoninnenweihe wird zudem bereits seit langem vom Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) erhoben, der seit 1998 jeweils am 29. April einen Tag der Diakonin veranstaltet. Auch die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) sowie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) unterstützen dieses Anliegen. Beispielhaft sei außerdem verwiesen auf die Ausführungen der Internationalen Theologischen Kommission 2003, die im Dezember 2017 verabschiedeten Osnabrücker Thesen sowie die aktuellen Äußerungen einzelner Bischöfe zur Thematik, vor allem von Dr. Franz-Josef Bode (Osnabrück) und Dr. Georg Bätzing (Limburg), der zugleich Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist.

Unterschiedliche Erwartungen haben in innerkirchlichen Kreisen diesbezügliche Initiativen von Papst Franziskus geweckt. Dieser bestellte im August 2016 eine internationale Studienkommission, die sich mit der historischen Tradition des Diakonats der Frau beschäftigen sollte. Nachdem im Anschluss öffentlich nur bekannt gegeben wurde, dass es zu keinem eindeutigen Ergebnis über die Realität eines Frauendiakonats gekommen sei, wurde im April 2020 eine zweite Studienkommission berufen.

Bei aller Wertschätzung des Anliegens der Klärung verweisen historisch arbeitende Kenner und Kennerinnen der Materie zugleich auf eine Fülle bereits vorhandener Forschungsliteratur. Diese beschäftigt sich, vielfach auf hohem Niveau, mit der Zeit der frühen Kirche, sodass das Thema aus historischer Perspektive bereits bestens erforscht ist. Neben der aktuellen Relevanz der Fragestellung lässt sich die genannte Menge an Publikationen auch mit einem höchst differenzierten Befund aus dem Untersuchungszeitraum erklären: Weil das Quellenmaterial zahlreiche Facetten präsentiert, bedarf es einer sehr genauen Analyse – eine Herausforderung, die Kirchenhistoriker und Kirchenhistorikerinnen weitgehend schon bewältigt haben.

Als Vertreterin dieser Zunft will ich im Folgenden verschiedene Aspekte schlaglichtartig beleuchten.

 

Herausforderungen bei der Interpretation des Quellenmaterials

Grundsätzlich sind der Analyse der Quellen drei Überlegungen vorauszuschicken.

Eine erste betrifft die Terminologie: Sie ist in den frühchristlichen Quellen, die vorwiegend griechisch und lateinisch, aber auch syrisch oder koptisch vorliegen, aus mehreren Gründen keineswegs immer eindeutig. Beispielhaft sei auf den griechischen Begriff diákonos oder die lateinischen Termini minister/ministra verwiesen, die jeweils von ihrem Ursprung her unpräzise Bezeichnungen für einen Diener bzw. eine Dienerin oder einen Assistenten bzw. eine Assistentin sind. Daraus resultiert vor allem in den frühesten Texten die Schwierigkeit zu entscheiden, ob dort nur allgemeiner eine an eine Person gebundene Funktion bzw. Aufgabe oder aber bereits ein etabliertes Gemeindeamt, für das konkrete Personen auszuwählen sind, erwähnt werden (z. B. Röm 16,1f.: Phoebe als diákonos der Gemeinde von Kenchreä).

Dazu kommt, dass die griechische Vokabel diákonos in Verbindung mit dem männlichen Artikel ho einen männlichen „Diakon“, in Verbindung mit dem weiblichen Artikel hē diákonos aber eine weibliche „Diakonin“ bezeichnet, ohne dass sich dadurch das männliche Suffix verändern würde. Damit ist weiterhin nicht immer klar, ob, wenn von diakonoí im Plural die Rede ist, Frauen mitgemeint sind. Wir kennen die Diskussion um das generische Maskulinum und die inklusive Sprache auch aus der heutigen Zeit. Erst spätere Texte verwenden dann mitunter eindeutigere Begriffe wie hē diakónissa bzw. lateinisch diacona/diaconissa.

Aufmerksam zu machen ist schließlich auf die Problematik des richtigen Verständnisses und der angemessenen Übersetzung einschlägiger Begriffe, die die Art der Einsetzung einer Diakonin beschreiben können (cheirotonía [Weihe?], cheirothesía [Segnung durch Handauflegung?], ordinatio [Weihe?]). Damit ist u. a. die Frage verknüpft, ob sie im jeweiligen Kontext zum Klerus oder zu den Laien gezählt wird.

Zweitens übermitteln uns die Quellen eine beeindruckende Bandbreite an Informationen zu Diakoninnen, die zum Teil sogar widersprüchlich sind. Dies hat neben regionalen und zeitlichen Unterschieden mit den Perspektiven der jeweiligen Dokumente zu tun. Nicht ein einziger der erhaltenen Texte bietet eine umfassende Beschreibung und Deutung des Amtes, erwähnt werden nur die jeweils relevanten Aspekte. Dadurch wird einiges pointiert unterstrichen, anderes beiläufig genannt oder bleibt unerwähnt, weil es im Kontext gerade keine Rolle spielt. Auf diese Weise entstehen nicht nur verschiedene, sondern vor allem auch unvollständige Bilder, ein einheitliches Amtsprofil kann nicht ermittelt werden.

Drittens ist neben den Diakoninnen auf (Standes-)Witwen und Jungfrauen hinzuweisen. Dabei handelt es sich um ebenfalls etablierte Gruppen von Frauen innerhalb einer Gemeinde, die nach bestimmten (ggf. variierenden) Kriterien ausgewählt werden und zu dem üblicherweise erwarteten Gebet wiederum unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Nicht immer sind für uns die Grenzziehungen zu den Diakoninnen klar, mitunter übernehmen je nach Quelle beispielsweise (Standes-)Witwen Aufgaben, die man eher zu denen zählt, die für Diakoninnen typisch sind. Das heißt für die Analyse des Materials: Aufgaben und Funktionen in einzelnen Gemeinden können in etwa gleichbleiben, übernommen werden sie aber von anders bezeichneten Frauengruppen. Deshalb genügt auch die Beschäftigung nur mit solchen Texten, die den Terminus „Diakonin“ verwenden, nicht.

Diese wenigen und unvollständigen Bemerkungen sollten illustriert haben, wie wichtig es ist, nicht zu leichtfertig verallgemeinernde Schlussfolgerungen zu ziehen oder verlockende Kontinuitäten zu sehen. Die vorhandenen Mosaiksteine lassen sich nicht immer nur auf eine Art und Weise zusammenlegen.

 

Facetten eines gut bezeugten historischen Befunds aus dem Osten des Römischen Reiches

Die Interpretation der einschlägigen frühchristlichen Texte der ersten beiden Jahrhunderte außer Acht lassend, sollen im Folgenden exemplarisch einige herausragende Zeugnisse seit dem dritten Jahrhundert vorgestellt werden. Etwa ab dieser Zeit kann man vor allem aus dem Osten des Römischen Reiches eine Fülle eindeutiger Belege aus verschiedenen Quellengattungen dafür anführen, dass Frauen als Diakoninnen tätig sind.

Eine besondere Rolle nehmen Diakoninnen in Kirchenordnungen ein. Dabei handelt es sich um normative Texte, die in einem konkreten, gemeindlichen Umfeld entstanden sind und sicherlich ursprünglich nur diesen regionalen Kontext adressieren. Ob sie tatsächlich die Realität oder möglicherweise nur die Idealvorstellungen ihrer Verfasser abbilden und ob sie (zunächst) überhaupt als offiziell-verbindliche Dokumente wahrgenommen werden, lässt sich kaum klären. So dokumentiert die syrische Didaskalie (um 230) das Anliegen, den Einfluss der (Standes-)Witwen in der Gemeinde zurückzudrängen, die offensichtlich in Konkurrenz zum Bischof eigenständige Seelsorge betrieben; damit soll die Position des Gemeindeleiters gestärkt werden.

In diesem Zusammenhang ist, letztlich als Restriktionsmaßnahme, erstmalig von der Auswahl von Diakoninnen durch den Bischof die Rede, speziell zum Dienst an den Frauen und damit aus Gründen der Schicklichkeit, zur Assistenz bei deren Taufe und zur anschließenden Unterrichtung der neugetauften Frauen. Die geforderte Wertschätzung dieser Diakoninnen wird dadurch unterstrichen, dass sie nach dem Vorbild des Heiligen Geistes geehrt werden sollen, während der Bischof an der Stelle Gottes sitze und der Diakon an der Stelle Christi stehe.

Als weitere Kirchenordnung ist auf die Apostolischen Konstitutionen zu verweisen, die ein Redaktor vermutlich um 380 im syrischen Raum unter Rückgriff auf bereits vorliegende Sammlungen erstellt hat. Wieder werden die Diakoninnen dem Bischof zugeordnet. Neu ist die explizite Forderung, dass die Diakonin eine reine Jungfrau oder eine nur einmal verheiratete Witwe sein soll: Das Amt gewinnt durch die Formulierung solcher Kriterien an Profil. Als konkrete Aufgaben werden der Türdienst genannt, dazu wie schon in der syrischen Didaskalie die Taufassistenz aus Gründen der Schicklichkeit. Von einer sich nach der Taufe anschließenden Belehrung durch die Diakonin ist allerdings nicht mehr die Rede – die öffentliche Lehre soll hier, wie in zahlreichen anderen Quellen ebenfalls bezeugt, den Männern vorbehalten sein.

Dafür nennt die Kirchenordnung weitere Verpflichtungen wie das Überbringen von Nachrichten, die Sorge um Reisende und andere karitative Einsatzbereiche. Große Aufmerksamkeit erregt seit jeher das dort überlieferte Weihegebet für die Diakonin, das eine Handauflegung mit Epiklese des Heiligen Geistes vorsieht und damit die Einreihung der Diakonin in den Klerus bezeugt. Heute fragt man nach der angemessenen Interpretation dieser Handauflegung: Ist sie, wenn man diese Terminologie aus einer rein historischen Perspektive für diese Zeit überhaupt bereits gebrauchen sollte, eine sakramentale Ordination oder „nur“ eine Geste der Segenspendung? Vergleicht man schließlich den ­männlichen Diakon mit der Diakonin, so unterscheiden sich diese nicht nur durch das Weihegebet. Ausdrücklich wird zudem gefordert, dass die Diakonin nichts tue oder rede ohne den Diakon – eine klare Rangabstufung zwischen den Geschlechtern, die im antiken Kontext als typisch zu gelten hat. Zugleich agiert sie als Vermittlerin zwischen anderen Frauen und dem Klerus.

Weitere literarische und historiographische Texte wie Briefe, Predigten, Traktate etc. bezeugen nicht nur die Existenz von mitunter sogar namentlich genannten Diakoninnen vor allem in Konstantinopel, Kappadokien (heutige Zentraltürkei) und Antiochien, sondern offerieren darüber hinaus eine Fülle von (weiteren) Einsatzfeldern. Über gemeindliche Aufgaben hinaus können sie beispielsweise in Verbindung mit asketisch-klösterlichen Gemeinschaften stehen. Dies illustriert u. a. der lateinisch verfasste Reisebericht einer frommen Jerusalempilgerin namens Egeria, die vom Nordwesten Spaniens aus vermutlich zwischen 381 und 384 eine Wallfahrt nach Jerusalem unternahm. Dabei machte sie in Seleukia (Südtürkei) Station und besuchte dort ihre Freundin Marthana. Von dieser berichtet Egeria, sie stehe als diaconissa in der Nähe des Thekla-Heiligtums Einsiedeleien von asketisch-ehelos lebenden Männern und Frauen vor.

Wiederum eine andere Rolle und Stellung nimmt die Diakonin Olympias von Konstantinopel ein, die vermutlich in erster Linie durch ihre Freundschaft mit Bischof Johannes Chrysostomos Berühmtheit erlangte. Sie wurde als vornehme, junge und vermögende Witwe in Konstantinopel in den 90er Jahren des vierten Jahrhunderts zur Diakonin geweiht. Bemerkenswert ist, dass fast alle zeitgenössischen Zeugnisse, die sich mit Olympias beschäftigen, erwähnen, dass sie Diakonin der Kirche von Konstantinopel war, gleichzeitig jedoch kaum spezifische, mit diesem Amt in anderen Quellen verbundene Aufgaben benennen.

Das hat m. E. vor allem damit zu tun, dass Olympias aus anderen Gründen eine wichtige Rolle spielte, insbesondere wegen ihrer Herkunft und ihrem großen Besitz, von dem nicht nur einzelne Christen, sondern darüber hinaus der jeweilige Bischof von Konstantinopel profitierten. In diesem Fall könnte die Diakoninnenweihe auch dazu gedient haben, Olympias dem Einflussbereich ihrer Familie zu entziehen, eine Wiederverheiratung auszuschließen und nach außen die Verfügungsgewalt über ihr Vermögen abzusichern. Die spätere Tradition hat die verwitwete Diakonin Olympias, die wohl mit einigen anderen (jungfräulich lebenden) Frauen in der Nähe der Bischofskirche lebte, zu einer Jungfrau und Klostervorsteherin stilisiert. Heute ziert ihre Statue sogar die Kolonnaden des prächtigen, von Gianlorenzo Bernini (gest. 1680) gestalteten Petersplatzes in Rom, womit sie sehr prominent als Teil der Gemeinschaft der Heiligen präsentiert wird.

Dass das Amt einer Diakonin andererseits nicht für alle Frauen attraktiv war, zeigt das Beispiel der ebenfalls vornehmen Jungfrau Nikarete, einer Zeitgenossin der Olympias. Der Kirchenhistoriker Sozomenos, der deren Bescheidenheit, Frömmigkeit sowie Klugheit lobt, überliefert, dass sie nie dazu bewegt werden konnte, Diakonin und damit verbunden „Leiterin kirchlicher Jungfrauen“ zu werden.

Einen anderen Blick auf Facetten des Frauendiakonats erlauben schließlich die Canones verschiedener Konzilien. Solche Versammlungen von Bischöfen und anderen Klerikern waren in der Regel durch aktuelle Konflikte bzw. Probleme motiviert, für die möglichst eine gemeinsame und verbindliche Lösung gefunden werden sollte. Tatsächlich befasst sich u. a. das vierte ökumenische Konzil von Chalkedon (451) mit Diakoninnen. Canon 15 regelt die Kriterien der Aufnahme (mindestens 40 Jahre alt, sorgfältige Prüfung) und formuliert Sanktionen für den Fall, dass sich die Diakonin anschließend verheirate. Während diese Themen klärungsbedürftig scheinen, ist andererseits völlig selbstverständlich von ihrer Ordination (cheirotoneín) die Rede.

Eine Quellengattung anderer Art stellen wiederum Inschriften dar. Häufig sind die für unsere Frage einschlägigen Funde allerdings nur knapp formuliert, mitunter schwer zu datieren, zu lokalisieren und unvollständig erhalten. Andererseits haben sie durch ihre Unmittelbarkeit eine besondere Aussagekraft. Diakoninnen sind im Osten des Römischen Reiches zahlreich bezeugt, wobei viele von ihnen als (vormalige) Ehefrauen und Mütter gekennzeichnet werden. Gelegentlich finden sich darüber hinaus Bezugnahmen auf neutestamentliche Gestalten (insbesondere Phoebe, die in der Tradition fraglos als Diakonin rezipiert wird, vgl. Röm 16,1f.) oder Texte (wie z. B. 1 Tim).

Diesen Überblick abschließend soll auf Entwicklungen in der kaiserlichen Gesetzgebung hingewiesen werden. Vor allem die oströmischen Kaiser regelten zunehmend innerkirchliche Angelegenheiten, für die sie sich als „christliche“ Herrscher zuständig sahen. Dass sie sich dort überhaupt mit Frauen im kirchlichen Dienst befassten, demonstriert grundsätzlich, dass die Thematik keinesfalls als Randerscheinung des kirchlichen Lebens zu betrachten ist. Weiterhin lassen sich zwei Tendenzen ausmachen, die letztlich denen der christlichen Quellen weitgehend entsprechen: Erstens wird auch in der kaiserlichen Gesetzgebung erkennbar, dass Diakoninnen die (Standes-)Witwen in den Gemeinden allmählich ersetzen.

Zweitens treten neben die Diakoninnen solche Jungfrauen (sanctimoniales), die in einer klösterlichen Gemeinschaft leben und ebenfalls zu Diakoninnen geweiht werden können. Exemplarisch sei auf ein Gesetz des oströmischen Kaisers Justinian I. (gest. 565) verwiesen, in dem dieser die hohen Klerikerzahlen an der Hauptkirche in Konstantinopel, der Hagia Sophia, begrenzte. Dort werden völlig selbstverständlich 40 weibliche Diakone neben ihren 100 männlichen Kollegen zum Klerus gezählt. In weiteren Gesetzen ist von einer Weihe (cheirotonía) und der geforderten Ehelosigkeit die Rede, ihr Unterhalt wird analog zu den männlichen Klerikern von der Kirche übernommen. Schließlich werden Mindestaltersgrenzen genannt und Strafen über diejenigen verhängt, die das gegebene Versprechen der Ehelosigkeit brechen.

 

Die Varianz des Zeugnisses der Quellen im Westen des Römischen Reiches

Im Unterschied zur skizzierten Entwicklung im Osten ist die Existenz von Diakoninnen im Westen des Römischen Reiches nicht nur wesentlich schlechter bezeugt, sondern darüber hinaus einer aus dem Osten unbekannten fundamentalen Kritik ausgesetzt.

Dabei zeigen einige westliche Autoren, die sich explizit gegen einen weiblichen Diakonat aussprechen, wie wenig sie über die tatsächliche Praxis im Osten informiert sind. So bezeichnet beispielsweise der sog. Ambrosiaster etwa im letzten Drittel des vierten Jahrhunderts Diakoninnen als häretische Erfindung der Montanisten. Übergebührliche Einflussmöglichkeiten von Frauen werden hier als Kennzeichen einer Häresie identifiziert – eine in der Antike häufig anzutreffende Einschätzung. Pelagius (gest. 423/9) wiederum betont, dass es Frauen zwar erlaubt sei, andere Frauen und sogar Männer zu unterrichten, aber eben nicht in der Öffentlichkeit. Er erwähnt Diakoninnen, die im Osten „heute“ tätig seien, was man als Hinweis darauf interpretieren kann, dass ein solches Amt zumindest nach seinem Kenntnisstand im Westen nicht existiert.

Dennoch hat es auch dort Diakoninnen gegeben, wie z. B. verschiedene gallische Synoden demonstrieren. Sie beschäftigen sich häufiger mit dieser Thematik und verurteilen solche „Missstände“. So verfügt eine südfranzösische Synode in Nimes (394/6), dass es keinen diakonischen Dienst (ministerium leviticum) von Frauen geben solle. Dies sei gegen die disciplina apostolica, unbekannt bis zum heutigen Tag, ungebührlich sowie durch die kirchliche Disziplin nicht erlaubt; eine solche ordinatio sei der ratio entgegengesetzt. Die Synode von Orange (441) fordert schließlich explizit, Diakoninnen auf keinen Fall zu ordinieren.

Letztlich kann man nur darüber spekulieren, warum sich das Diakoninnenamt im Westen nicht gleichermaßen wie im Osten etablierte. Vermutlich hängt dies auch mit kulturell bedingten Faktoren zusammen; die Sekundärliteratur betont häufig, dass Frauen im Westen ein freizügigeres Leben führen konnten und weniger Einschränkungen unterworfen waren. Möglicherweise schien es aus diesem Grund nicht notwendig, die im Osten betonten Schicklichkeitsaspekte im Umgang mit Frauen zu beachten.

 

Conclusion and outlook

Frauen haben unter verschiedenen Titeln oder Bezeichnungen, nämlich (Standes-)Witwe, Jungfrau und Diakonin bzw. Diakonisse, vielfältige Aufgaben zunächst innerhalb der christlichen Gemeinden übernommen. Dabei lassen sich nicht immer klar abgegrenzte Konturen zwischen solchen Ständen und Ämtern erkennen. Mit der Zeit ersetzen jedoch die im Osten des Römischen Reiches in den Gemeinden bestens bezeugten Diakoninnen die von den Bischöfen unabhängigeren (Standes-)Witwen. Seit dem späteren vierten Jahrhundert stößt man zudem auf Diakoninnen im monastischen Kontext. Häufig wird ein konkretes Mindestalter genannt, in der Regel eine ehelose Lebensführung gefordert.

Bei Diakoninnen, die in der Gemeinde tätig sind, unterstreichen die Quellen deren enge Verbindung zum jeweiligen Bischof. Ihre Einsetzung erfolgt unterschiedlich: An einigen Stellen sind eine Ordination und die Einreihung in den Klerus zu erkennen, an anderen Stellen werden sie, mit variierenden Begründungen, ausdrücklich zu den Laien gezählt. Zu den genannten Tätigkeiten gehören die Sorge für Arme und Kranke, die besondere Zuwendung zu den Frauen, mitunter deren Unterrichtung, die Assistenz bei der Taufe sowie Botendienste im Auftrag des Bischofs. Im Vergleich zu den männlichen Diakonen ergeben sich hinsichtlich ihrer Aufgaben Überschneidungen, aber auch Differenzen, insbesondere im Blick auf die jeweiligen liturgischen Funktionen.

Für die notwendige theologische Bewertung ist dieser vielgestaltige historische Befund nicht nur zu akzeptieren, sondern darüber hinaus wertzuschätzen: Dienste und Ämter von Frauen entstanden und veränderten sich seit der neutestamentlichen Zeit sowohl in ihrer praktischen Ausgestaltung als auch in ihrer theologischen Legitimation. Dabei spielt das Anliegen, den jeweils konkreten Umständen und Bedürfnissen des zeitgenössischen Umfelds Rechnung zu tragen, eine wichtige Rolle. Soziokulturell vorgegebene Handlungsspielräume in einer damals von patriarchalen Vorstellungen geprägten Welt werden dafür durchaus kreativ und flexibel genutzt.

An dieser Stelle sehe ich legitime Anknüpfungspunkte zur gegenwärtigen Debatte, ob ein Diakoninnenamt wiederbelebt werden könne: Dass man unter aktualisierten Vorzeichen und gleichzeitiger Wahrung der Tradition Dienste und Ämter weiterentwickelt, entspricht der Praxis der frühen Kirche. Daneben gewährt die Vielfalt der damaligen Tätigkeiten einer Diakonin einen beachtlichen Spielraum bei der (sicherlich notwendigen) Neubestimmung ihrer Aufgaben. Heute wird man weder ein Schicklichkeitsargument für einen Frauendiakonat vorbringen wollen noch mit einer pauschalen Identifikation der Wertschätzung und Förderung von Frauen als Merkmal einer Häresie dagegen argumentieren. Vielmehr ist dringend den veränderten Vorstellungen zum Verhältnis der Geschlechter Rechnung zu tragen, um weiterhin dem Auftrag der Kirche zu entsprechen, das Evangelium zeitgemäß zu verkündigen.

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