Hochhuth came before the fall

Public-Relations-Krieg um Pius XII.

As part of the event Rolf Hochhuth's "The Substitute, 08.03.2022

Innerhalb von fünf Jahren kehrte sich das historische Bild von Papst Pius XII. fast völlig um. 1958 wurden Lobesreden auf den gerade verstobenen Pontifex zum Andenken an den „Papst des Friedens“ gehalten. 1963 wurde Pius XII. wegen seines öffentlichen Schweigens angesichts des Massenmords an den Juden als „der Papst, der schwieg“, sogar als „Verbrecher“ gebrandmarkt. Dieser Sturz ist von der medialen Wirkung des Schauspiels Der Stellvertreter nicht zu trennen. Das war das Erstlingswerk von Rolf Hochhuth, eines 32-jährigen, bis dahin völlig unbekannten deutschen Schriftstellers. Durch den Stellvertreter erhob der damals junge Dichter und Lektor im Bertelsmannkonzern gegen den verstorbenen Papst den Vorwurf, sich zum Massenmord an den Juden nicht öffentlich und konsequent geäußerst zu haben. Ein begeisterter Anhänger Hochhuths brachte es damals auf den Punkt: „Hochhuth kam vor dem Fall.“

I.

Hochhuths Theaterstück schlug wie ein Blitz in der kulturellen Landschaft der Bundesrepublik ein. Regie bei der Erstaufführung führte Erwin Piscator, der sich als Altkommunist und Vertreter des „politischen Theaters“ der Weimarer-Zeit während der zwölf Jahre der nationalsozialistischen Diktatur in Moskau und New York aufgehalten hatte. Die Premiere am 20. Februar 1963 auf der Freien Volksbühne in West-Berlin entfachte eine Reihe von Auseinandersetzungen, die zu den grössten Medienskandalen in der Geschichte der Bundesrepublik zählten und in den kommenden Jahren überhaupt nicht abriss. In mehreren Ländern wurden Stinkbomben geworfen, Protestbriefe geschrieben, Anwälte zu Rat gezogen und Demonstrationen angekündigt. Mitten in diesem Chaos brachten zwei deutsche Bundestagsabgeordnete eine Kleine Anfrage im Parlament ein, die den damaligen Bundesaußenminister Gerhard Schröder (CDU) dazu veranlasste, sein Bedauern über die Angriffe gegen Pius XII. zum Ausdruck zu bringen. Seine Erwiderung auf diesen jungen protestantischen Autor hatte er zuerst an die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) gegeben, bevor er sie an die Abgeordneten verteilte. Denn fast alle Teilnehmer an diesen Kontroversen waren sich darüber im klaren, dass es sich dabei um ein internationales mediales Ereignis handelte.

In diesem Vortrag werde ich mich insbesondere mit der Medialisierung der „Pius-Kriege“ im Jahre 1963 in der Bundesrepublik beschäftigen. Diese „Pius-Kriege“ wurden als Public-Relations-Kämpfe und Imagekampagnen von konkurrienden und verfeindeten Netzwerken ausgetragen. Ein katholisches Netzwerk aus Berlin und ein Netzwerk aus dem Rowohlt Verlag trugen mit aller Härte einen Public-Relations Kampf gegeneinander aus. Es war die Macht dieser internationalen Mediennetzwerke, so meine erste These, die es innerhalb kürzester Zeit einem Unbekannten wie Hochhuth erlaubten, international für Furore zu sorgen und seine kritischen Thesen in Tageszeitungen, Radionachrichten und vielen Fernsehsendungen über Jahre hinweg zu verbreiten.

Zugleich – und so meine zweite These – verhielten sich viele von Hochhuths Gegnern im Rahmen einer großen strukturellen und mentalen Transformation im internationalen Medienbereich oft ungeschickt. Als Kritiker wie Hochhuth die Kirche und den Papst des moralischen Versagens während des Dritten Reiches und des Holocausts bezichtigten, wandten sie eine ganze Reihe von defensiven Strategien an, um die Vorwürfe der Papstkritiker durch Richtigstellungen in der Presse und Angriffe gegen ihre Kontrahenten zu kontern. Zu diesem Zweck mobiliserte das katholische Netzwerk aus Berlin die deutsche katholische Presse, und zwar die vielen Zeitschriften und Bistumszeitungen, die meist wöchentlich erschienen und eine regelmäßige Leserschaft von mehr als einer Million Menschen hatten.

Diese Verteidigungsstrategie spielte den Pius-Gegnern direkt in die Hände, weil das katholische Netzwerk aus Berlin unter gewissen strukturellen Nachteilen litt, die anhand von einigen Beispielen verdeutlicht werden können. Als einigen Leitern der Kampagne gegen Hochhuth langsam klar wurde, dass in diesen medialen Auseinandersetzungen das Rowohlt-Netzwerk bessere Karten hatte, zogen sie in Erwägung, etwas härtere Maßnahmen zu ergreifen, und zwar, von rechtlichen Maßnahmen Gebrauch zu machen, was oft aber nicht ausschliesslich bedeutete, ihre Gegner vor ­Gericht zu bringen.

Aus einer Kontroverse über das päpstliche Verhalten während des Zweiten Weltkrieges entstanden neue Debatten über Meinungsfreiheit und Toleranz, die die Position der Pius-Verteidiger nicht gerade stärkten. Kurz um – und so meine Hauptthese: Die defensive kirchliche Strategie stand in der ersten Hälfte der 60er Jahre einer neueren kritischen Öffentlichkeit gegenüber, auch unter vielen Katholiken, und diese kritische Öffentlichkeit testete ihre Grenzen, sich an öffentlichen Diskussionen und Debatten über heikle Themen zu beteiligen.

Rolf Hochhuth ist im März 2020 im Alter von 89 Jahren in Berlin gestorben, was uns erlaubt, die Auseinandersetzungen um sein Werk Der Stellvertreter in Deutschland in ihren historischen Kontext einzubetten. In diesem Vortrag werde ich mich auf einige wenige Beispiele beschränken, weil es nicht möglich wäre, den ganzen Verlauf der medialen Auseinansetzungen zu rekonstruieren, die sich über Jahre, sogar bis 1966, hinzogen, als der Stellvertreter mehr als 30 zusätzlich Bühnen in 12 Ländern eroberte. Ich möchte mit den Auseinandersetzungen vor der Premiere am 22. Februar 1963 anfangen, die den Ton für die andauernde Kontroverse angab, und danach auf einzelne Protestaktionen und Krawalle nach der Premiere eingehen, die die Kontroverse wieder aufflammen ließen.

Erlauben Sie mir auch noch ein kurzes Wort zu meiner historischen Methode, und ich hoffe, dass ich Sie damit nicht enttäusche. Weil es mir um eine historische Kontextualisierung der Kontroversen über die katholische Vergangenheit geht, werde ich zum eigentlichen Verhalten des Papstes während des Holocausts keine Stellung beziehen. Was Pius XII. getan hat, nicht getan hat, hätte tun können, nicht hätte tun sollen, wird das Thema für eine andere Veranstaltung sein, vor allem angesichts der neuen Befunde aus dem Vatikanischen Archiv. Die Forschungsergebnisse daraus werden erst in nächster Zeit publiziert. Darüber hinaus dürften Ihnen auf den ersten Blick vor allem angesichts des Holocausts die medialen Aspekte zur Hochhuth-Kontroverse als Thema trivial scheinen.

Ein kurzer Vergleich mit dem kirchlichen Missbrauchsskandal in den USA zeigt jedoch, wie wichtig und zentral gerade die Rolle der Massenmedien bei der Austragung kirchlicher Skandale tatsächlich gewesen ist. Allein durch die Berichterstattung einer Arbeitsgruppe erfahrener Journalisten, die für die renommierte Lokalzeitung The Boston Globe gearbeitet hat, kamen die vollen Dimensionen der Missbrauchsfälle ans Licht. Die Empörung über diese Nachrichten war so groß, dass sich Dutzende weiterer Opfer veranlasst sahen, sich zu Wort zu melden, so dass sich die Oberhirten der Bostoner Diözese gezwungen sahen, die Vorwürfe öffentlich zurückzuweisen. Mit anderen Worten fungierten die Medien nicht nur als Vermittler, sondern auch als selbstständige Protagonisten, die die Kette der Ereignisse auslösten, beinflussten und durchbrachen. Nach einem bekannten Zitat des kanadischen Kommunikationstheoretikers, Marshall McLuhan: „The medium is the message.“

II.

Ich möchte nun zum ersten Teil meines Vortrags kommen, und zwar zu den Auseinandersetzungen über den Stellvertreter vor der Premiere. Entscheidend für ihren Verlauf war die Tatsache, dass Hochhuths Kritik aus dem Nichts zu kommen schien. Anfang der 60er Jahre war Rolf Hochhuth, dem Abitur und Universitätsabschluss fehlten, ein einfacher Lektor im Bertelsmann-Verlag und Betreuer dessen bekannten Lese-Rings. Außerdem gehörte er zu keinem der damals bekannten links-intellektuellen Kreise. Diese Gegebenheit prägte die Kontroversen über ihn nicht nur in den 60er Jahren, sondern auch bis heute. Wie hätte ein solch Unbekannter und Nichtwissenschaftler auf die Idee kommen können, das Schweigen des Papstes zum Genozid an den Juden dramatisch zu inszenieren, den Papst selbst in Szene zu setzen und seine Haltung mit Quellen pseudo-wissenschaftlich zu belegen?

Vor diesem Hintergrund kursieren noch heute, insbesondere in rechtskatholischen Kreisen in den USA, Gerüchte, dass der KGB hinter der Entstehung und dem Erfolg des Stellvertreters habe stehen müssen. Laut dieser Verschwörungstheorien hätten als Priester getarnte Geheimagenten in den frühen 60er Jahren den Vatikan und vor allem das vermutete „Geheimarchiv“ des Vatikans unterwandert, um eine Desinformationskampagne über den antikommunistisch eingestellten Papst in Gang zu setzen und damit sein hohes moralisches Ansehen zu zerstören.

Hochhuth sei der Empfänger von aus dem Vatikan herausgeschmuggelten Geheimdokumenten gewesen, die er benutzt habe, um seine These des päpstlichen Schweigens dokumentarisch zu stützen. Diese Dokumente hätten als Basis dienen sollen für die „historischen Streiflichter“, Hochhuths Bezeichnung für seinen unkonventionellen siebzigseitigen dokumentarischen Anhang zur gedruckten Buch-Ausgabe des Stellvertreters.

Dessen Ziel war es zu beweisen, dass „der Verfasser des Dramas sich die freie Entfaltung der Phantasie nur so weit erlaubt hat, als es nötig war, um das vorliegende historische Rohmaterial überhaupt zu einem Bühnenstück gestalten zu können.“ Es ist allerdings für solche Verschwörungstheorien bezeichnend, dass sich ihre Einzelheiten häufig widersprechen. So deuten diese Verschwörungstheoretiker auch irrtümlicherweise an, dass es nicht Hochhuth, sondern der Altkommunist Erwin Piscator gewesen sei, der für die endgültige Abgabe des Manuskripts an den Verlag verantwortlich zeichnete. Piscator habe auch für eine Überarbeitung des Textes samt dem dokumentarischen Anhang gesorgt. Dadurch wurde Piscator unterstellt, als KGB-Agent fungiert zu haben.

Meines Erachtens entbehren diese Behauptungen jeder Grundlage. Ihre Chronologie stimmt nicht. Die Verschwörungstheoritker gehen davon aus, dass Dokumente hinsichtlich des feigen päpstlichen Schweigens erst im Sommer 1962 vom Vatikan nach Deutschland geschleust worden seien. Hochhuths Text war jedoch bereits Anfang 1961 fertig und abgeliefert worden. Außerdem verließ sich Hochhuth nicht auf unveröffentlichte Dokumente, sondern ausschliesslich auf bereits in den 50er Jahren gedruckte Quellen wie Memoiren, Biographien, Tagebücher und auch Gerichtsprotokolle.

Die Feststellung, dass Piscator als KGB-Agent dem Stellvertreter zu seinem Erfolg verholfen habe, ist genauso irreführend, auch wenn sie auf zwei nachweisbaren Tatsachen beruht. Piscator war in der Tat antiklerikal gesinnt, was sich von einem Blick in seine Tagebücher bestätigen lässt, wo er mehrmals gegen „Pfaffen“ gewettert hat. Es stimmt auch, dass Piscator an der Produktion des Stellvertreters mitgewirkt hat. Er musste das Original um mehr als die Hälfte kürzen, weil Hochhuths Theaterstück mehr als sieben Stunden gedauert hätte. Piscators Kürzungen betrafen jedoch lediglich die Produktion auf der Bühne und nicht die gedruckte Buchausgabe, wie die Verschwörungstheorien unterstellen.

Piscators Kürzungen stießen sogar auf Hochhuths vehemente Opposition, so dass Hochhuth kurz vor der Premiere kochend vor Wut Piscators Sekretärin das Telefon aus der Hand riss und es auf dem Boden zerschmetterte. Kurzum: Es gibt keine nachweisbaren Belege für Vermutungen, dass Hochhuth, Piscator und der Rowohlt-Verlag Strohmänner für eine KGB-Operation waren.

Nichtsdestotrotz drängt sich uns die Frage auf, wie ein junger und ehrgeiziger protestantisch erzogener Schriftsteller auf die Idee kam, das Oberhaupt der katholischen Kirche durch ein Theaterstück an den Pranger zu stellen. Fast ununterbrochene Kontinuitätslinien von prägenden Erlebnissen in Kindheit und Jugend führten zu Hochhuths kritischer Abrechnung mit der katholischen Kirche. Eine entscheidende Rolle dabei spielte die geografische Isolation seiner Eschweger Heimat, einer osthessischen Provinzstadt im Werretal, und ein spürbares Gefühl der Bedeutungslosigkeit, welches den verschlafenen Ort entlang der Zonengrenze in der Nachkriegszeit durchzog.

Ein sehr greifbares Gefühl des Abstiegs hinterließ bei Hochhuth unverkennbare Spuren. Der Sohn einer gut bürgerlichen Familie entwickelte eine tiefe Verachtung für den ersten Bundeskanzler der jungen Republik, Konrad Adenauer, den er dafür verantwortlich machte, dass die deutsche Nation buchstäblich unter seinen Füßen auseinandergerissen worden war. Jahre später bezeichnete er den römisch-katholischen Kanzler als „unbelehrbare[n] Separatist[en]“ und „Rheinbundfanatiker.“ Er machte sowohl Adenauer als auch den Generalsekretär der SED Walter Ulbricht für die Teilung Deutschlands verantwortlich und bezeichnete beide als „Ideologen“ und „Hochverräter.“

In Hochhuths Skizzenbuch – Hochhuth war nach jahrelangem privaten Kunstunterricht durch einen lokalen Künstler ein begabter Zeichner –, das auch den ersten Entwurf für den Stellvertreter enthielt, befanden sich später Portraits von Papst Pius XII. und Konrad Adenauer nebeneinander. Beide katholische Prominente waren für Hochhuth Symbole des glühenden Antikommunismus, der Deutschland in seinen Augen entzweit hatte. Hochhuth brachte indes seine Bewunderung für Bismarck, den großen Architekten der Deutschen Einigung, wiederholt zum Ausdruck. Es überrascht ebenfalls nicht, dass Hochhuth auch unverkennbar Elemente der sozialistischen und liberalen Ideologien übernahm.

Er konnte mit seinem „sozialistischen Herz“ gleichzeitig kapitalistische Exzesse heftig angreifen. Allerdings suchte er später in die Steueroase der Schweiz Zuflucht, unmittelbar nachdem Der Stellvertreter zum Kassenschlager wurde und den ersten Platz auf der Spiegel-Bestsellerliste einnahm. Er wollte zunächst nach Uri wegen seiner niedrigen Steuer, aber ihm wurde von den überweigend katholischen Einwohnern eine Aufenthaltsgenehmigung verweigert, so dass er sich für Basel entscheiden musste.

Hochhuths Generationszugehörigkeit spielte bei seiner Aufarbeitung der Vergangenheit eine genauso wichtige Rolle. Er identifizierte sich selbst als Vertreter der sogenanten Generation von 1945, die durch ihre unterschiedlichen Kriegserfahrungen den traumatischen Bruch von 1945 als Zäsur erlebt hat. Seitdem er als 14-Jähriger den Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur und die Befreiung Eschweges durch die amerikanische Armee miterlebt hatte, war Hochhuth fest entschlossen gewesen, die Geschichte des Dritten Reichs zu erforschen und aufzuarbeiten. Hochhuth behauptete sogar einmal, dass Hitler sein geistiger Vater gewesen sei. Wie auch andere Mitglieder der Generation von 1945 betrieb er die Lektüre historischer Monografien und Dokumentensammlungen mit großem Eifer.

Im Zuge dessen stieß er auf Dokumente, welche die Untätigkeit hochrangiger katholischer Kirchenführer herausgriffen – darunter auch Papst Pius‘ XII. So war der unmittelbare Auslöser für Hochhuths Interesse an der Rolle hoher Geistlicher ein verstörender Zeitzeugenbericht vom SS-Mann Kurt Gerstein über die Massenvergasungen in Auschwitz. Gerstein beschreibt darin, wie er ohne Ankündigung den Apostolischen Nuntius in Berlin, Cesare Orsenigo, aufsuchte und diesen über die andauernde Vernichtung in Kenntnis setzte. Auf die Frage hin, ob er ein Soldat sei, wurde Gerstein anscheinend von einem untergeordneten Priester der Eintritt verweigert und der Nuntiatur verwiesen. Teile des Berichts wurden fast wörtlich in den Text des Stücks übernommen und nur aufgrund der Erfordernisse des Freiverses leicht abgeändert.

In einer Quellenedition von Leon Poliakov und Josef Wulf, die zur ersten Generation der Holocaustforscher gehörten, entdeckte Hochhuth sieben Dokumente in Bezug auf die Rolle Pius‘ XII. und Ernst von Weizsäckers, des deutschen Botschafters beim Heiligen Stuhl, während der im Oktober 1943 durchgeführten Massenverhaftungen von Juden in Rom. Unter diesen Dokumenten des Auswärtigen Amts befand sich ein Telegrammschriftwechsel zwischen Berlin und Rom, der die Gefahr eines päpstlichen Protests im Namen der Juden auswertete. Das letzte der sieben Schreiben, in dem Weizsäcker seinen Vorgesetzten in Berlin am 28. Oktober 1943 berichtet, dass der Papst nicht öffentlich protestieren werde, wurde zu den Schlussworten von Der Stellvertreter.

Für Hochhuth war dies sein bedeutendster Fund. Er hatte, zumindest oberflächlich betrachtet, absolut sichere Beweise für die Tatenlosigkeit und Mitschuld des Papstes an den Verbrechen der Nationalsozialisten gefunden.

III.

Die Reaktionen auf den Tod des Papstes im Oktober 1958 brachten das Fass für Hochhuth dann endgültig zum Überlaufen: Zahllose Zeitungen und Zeitschriften zollten Pius höchste Anerkennung und verewigten ihn als den „Papst des Friedens“, Beschützer der deutschen Nation, Kreuzzügler gegen den Kommunismus und Verteidiger der Schwachen. Hochhuth scheint daraufhin vor Entrüstung sein schriftstellerisches Unternehmen in Angriff genommen zu haben.

Seit 1955 war Hochhuth Verlagslektor im schnell wachsenden Bertelsmannverlag, der für seinen Bertelsmann-Lesering bekannt war. Die von ihm bearbeitete Wilhelm-Busch-Ausgabe verkaufte sich derart gut – mehr als eine Million Exemplare wurden ausgeliefert –, dass sein Chef, Reinhard Mohn, ihm am 29. Juni 1959 einen dreimonatigen Urlaub gewährte, um sich ganz seinen literarischen Ambitionen zu widmen. Er machte sich Mitte September 1959 auf den Weg nach Rom und wollte herausfinden, ob Papst Pius XII. sich tatsächlich geweigert hatte, öffentlich demonstrativ Stellung zu beziehen. Aufgrund nur rudimentärer Italienischkenntnisse konnte er lediglich mit deutschsprachigen Mitarbeitern des Papstes sprechen, die ihm von der Reaktion Pius‘ auf die Deportation der römischen Juden im Oktober 1943 erzählen konnten. Durch einen deuschen Stipendiaten der Görres-Gesellschaft knüpfte Hochhuth Kontakt zu zwei problematischen Informanten, dem Prälaten Bruno Wüstenberg and Bischof Alois Hudal.

Der letztere hat sich einen sehr zweifelhaften Ruf erworben, vor allem wegen seiner unermüdlichen Anstrengungen, das Christentum mit dem Nationalsozialismus in Einklang zu bringen und wegen seiner organisatorischen Rolle bei den Rattenlinien, die den nationalsozialistischen Hauptverbrechern zur Flucht in sichere Häfen wie Argentinien verhalfen. Von beiden erhielt er die Bestätigung, die er gesucht hatte: Pius hatte seine Stimme nicht öffentlich zum Protest erhoben. Beide erhärteten auch seinen Verdacht, dass die Deutschen nicht willens gewesen wären, in den Vatikan einzumarschieren und den Papst zu verhaften, selbst wenn er öffentlich protestiert hätte.

Hochhuth fing schon während seines Aufenthalts in Rom an, den Text zu scheiben, den er allerdings erst im Februar 1961 fertiggestellt hat. Am 23. Mai 1961 bot er den Entwurf sowie 60 Seiten Begleitdokumentation – der Vorläufer der Historischen Streiflichter – dem Verlag Rütten & Loening an, der damals zum Bertelsmannkonzern gehörte. Sie schlossen einen Vertrag ab. Im Januar 1962 brach jedoch Reinhard Mohn, der Chef des Konzerns, den Vertrag, als das Buch bereits gedruckt wurde. Er rechfertigte diesen sehr ungewöhnlichen Schritt mit dem Verweis darauf, dass 47 Prozent des Leserkreises aus Katholiken bestünde und der Lesering nicht durch eine solche Publikation gefährdet werden solle. Völlig niedergeschlagen fand der junge Lektor doch noch Glück im Unglück. Karl Ludwig Leonhardt, der im Bertelsmann–Lesering Geschäftsleitungsmitglied war, sandte das Manuskript an Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, Leiter des Rowohlt Verlags. Leonhardt, ein enger Freund von Hochhuth, war wie dieser davon überzeugt, dass die jüngste Zeitgeschichte aufgearbeitet werden musste. Nach Hochhuths Worten hatte Leonhardt „mich dem Rowohlt-Verlag aufgezwungen“.

Für den Erfolg seines „Christlichen Trauerspiels“ war die Übernahme des Werks durch Ledig-Rowohlt ausschlaggebend, auch wenn man in seinem Verlag zunächst wegen der breiten Anlage und des technischen Aufwands „keine Bühnenmöglichkeiten“ sah. Er gab das Werk an Erwin Piscator weiter, der seit seiner Rückkehr aus den USA 1951 mit ihm an mehreren Theaterproduktionen zusammengearbeitet hatte und kurz davor war, die Leitung der Freien Volksbühne in Westberlin zu übernehmen. Piscator stimmte zu, wohlwissend, dass Hochhuths „christliches Trauerspiel“ nach den Worten Ledig-Rowohlts schon Februar 1962 „politisch betrachtet, ungeheueren Explosivstoff“ enthielt und ohne Zweifel auch heftig angegriffen werden, ja vielleicht sogar einen Skandal hervorrufen würde.

Gerade deswegen verfolgte der Rowohlt-Verlag schon lange vor der Uraufführung eine – im Nachhinein betrachtet – schlaue Marketing-Strategie, die Hochhuths Werk geheimnisumwittert erscheinen ließ. Er verpflichtete seine Mitarbeiter zum Schweigen, um das Durchsickern von Informationen über das neue Schauspiel und zugleich katholische Angriffe zu verhindern, obwohl der junge Dramatiker zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt war. Solchen Anweisungen zufolge sollte die Buchausgabe ursprünglich erst am Tag der Premiere auf den Markt gebracht werden.

Trotz dieser Schritte gelangte der Katholiken-Ausschuss des Bistums Berlin frühzeitig in den Besitz des Textes. Unter den 25 Mitgliedern des Katholiken-Ausschusses war auch Dr. Ernst-Alfred Jauch, der Berliner Korrespondent der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Ebenfalls Mitglied des Ausschusses war Msgr. Erich Klausener jun., Chefredakteur von Walter Adolphs Petrusblatt und Sohn des von den Nationalsozialisten 1934 ermordeten Leiters der Katholischen Aktion, für dessen Andenken sich Walter Adolph eingesetzt hatte. Das prominenste Mitglied und Leiter dieses Ausschusses war Walter Adolph selbst, mittlerweile Generalvikar des Bistums Berlin.

Die Aktivitäten dieser katholischen Publizisten und Journalisten trugen wesentlich dazu bei, den Stellvertreter schon vor der Premiere am 20. Februar 1963 zum Medienereignis zu machen. In den Wochen vor der Premiere erhielt Der Stellvertreter die beste Publicity: alles Mögliche und Unmögliche an heißen Gerüchten und hemmungslosen Anfeindungen. Auf das Interview Dieters Borsches, also des Hauptdarstellers, hin hieß es in einem ersten KNA-Bericht vom 25. Januar irrtümlicherweise, Hochhuth habe für sein Erstlingswerk „in den vatikanischen Archiven Dokumente studiert.“

Als Nächstes eröffnete Klausener das Feuer auf den Seiten des Petrusblatts. Da die KNA und das Petrusblatt ihre Berichterstattung für gewöhnlich koordinierten, stellte Klausener seinen massiven Angriff am 30. Januar der KNA zur Verfügung, die ihn wiederum an ihren Kundenkreis weitergab. Nachdem nun hunderte regionale und lokale Zeitungen in den Besitz des Berichts gekommen waren, verfasste die Deutsche Presse-Agentur (DPA) einen eigenen Bericht über die im Petrusblatt veröffentlichte Breitseite und leitete ihn ihrerseits an hunderte von Kunden weiter. Eine typische Überschrift infolgedessen lautete etwa: „Petrusblatt greift die Freie Volksbühne an“. Hochhuth sah sich zu einer öffentlichen Verteidigung genötigt. Er setzte eine schriftliche Stellungnahme auf und gab sie der DPA, die sie wiederum zusammenfasste und weiterleitete. Die darauffolgenden Überschriften vom 3. Februar griffen den sich zusammenbrauenden Konflikt zwischen Hochhuth und dem Petrusblatt heraus: „Kontroverse mit dem Petrusblatt“, wurde lautstark verkündet.

Weniger als zwei Wochen später holte die KNA zu einer weiteren Angriffsrunde aus. Jauch verfasste über eine Woche vor der Premiere eine vernichtende Kritik des noch nicht erschienenen Werks. Die Überschrift „Nimm ein Brechmittel … du, der du dies liesest“ war eine Anspielung auf Søren Kierkegaard. Die KNA meldete, Hochhuth versuche, die Schuld am Massenmord von sechs Millionen Juden dem Papst zuzuschieben. Die KNA druckte zudem einen kritischen Artikel von Walther Kampe, Weihbischof des Bistums Limburg, in dem er zum Ausdruck bringt, dass die Katholiken sich verpflichtet fühlen, „für die beleidigte Ehre eines Mannes einzutreten, dessen Andenken uns heilig ist.“

Erzürnt darüber, dass das Manuskript an die Presse gelangt war und aggressiven Kritikern sich so viele Möglichkeiten zur Berichterstattung boten, drohte Piscator allen Schauspielern, Bühnentechnikern und Theatermitarbeitern mit einer horrenden Strafzahlung in Höhe von 10 000 DM, sollten Skripte, Druckfahnen oder Vorausexemplare an Dritte weitergegeben werden.

Selbst wenn sie die KNA- oder DPA-Artikel nicht abdruckten, waren die Chefredakteure der lokalen und regionalen Presse aufmerksam geworden. Die Tatsache, dass Bischöfe, Kirchenzeitungen und die Katholische Nachrichten-Agentur so heftig und so früh protestierten, musste bedeuten, dass das Stück eine schreckliche Wahrheit ans Licht bringen würde, welche die Kirche geheim halten wollte. Es erscheint daher nicht überraschend, dass Tageszeitungen in der gesamten Bundesrepublik begannen, über die bevorstehende Sensation zu berichten. Ein DPA-Artikel vom 20. Februar, der an hunderte lokale und regionale Zeitungen weitergeleitet wurde, sprach von dem „mit Spannung erwartete[n] Schauspiel.“

Nachdem der Appetit der Presse angeregt worden war, schickten die wichtigsten überregionalen Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung sowie eine erstaunlich große Anzahl lokaler und regionaler Zeitungen ihre eigenen Journalisten und Kritiker nach Westberlin, um über die Premiere zu berichten. Da sie auf diese Weise die Nachrichtenagenturen umgingen, wurde der Einfluss der KNA durch ihre eigenen Darstellungen erheblich eingegrenzt: Die KNA konnte – wie es im Amerikanischen heißt – dem Ereignis nicht ihren eigenen „spin“ geben. Durch diese Zeitungen war dem Stück eine ausführlichere und gut platzierte Berichterstattung gewährleistet – und nicht nur eine flüchtige Erwähnung auf den letzten Seiten neben anderen auswärtigen Veranstaltungen.

IV.

Die Premiere war dann ein voller Erfolg. Die Presse berichtete, von einem „Skandal“ könne keine Rede sein. Das Sicherheitspersonal musste nicht eingreifen. Als Borsche in Gestalt von Papst Pius XII. die Bühne betrat, kam es zu vereinzelten Pfiffen und Zwischenrufen. Nachdem der Vorhang gefallen war, trat Stille ein, gefolgt von fünf Minuten stürmischem und anhaltendem Applaus, der die punktuellen Pfiffe und Buhrufe übertönte. Der junge Autor und der erfahrene Regisseur betraten die Bühne, um sich zu verbeugen. Letzterem gebührte endlich der Triumph, der ihm während der turbulenten Jahre der Weimarer Republik versagt geblieben war. Das Publikum verließ das Theater unter Schweigen. Der Katholiken-Ausschuss München zog den Schluss, dass die Gefühlsproteste vonseiten des Bischöflichen Ordinariats in Berlin letztlich den Weg für Hochhuths Erfolg geebnet hatten. Indem es einen einflussreichen Teil der deutschen Bevölkerung in Harnisch gebracht hatte, hatte es das Stück in eine „Zirkusnummer“ gewandelt.

Es hatte den Anschein, dass der Konflikt nach diesem Auftakt seinen Höhepunkt erreicht hatte und mit der Zeit an Intensität verlieren würde. Indes, der Konflikt über den Stellvertreter flammte in den kommenden Tagen, Wochen, Monaten und sogar Jahren immer wieder auf. Nach Berlin zog Der Stellvertreter von Bühne zu Bühne, darunter Stationen in London, Basel, Paris, New York und Detroit – und der Skandal breitete sich unweigerlich aus.

Wie vor der Premiere spielten die Verteidiger Pius‘ ihren Gegnern und deren Kritik übermäßig in die Hände. Nur zwei Wochen nach der Uraufführung betraten Politiker, Kirchenmänner, Theologen, Intellektuelle und Akademiker in fliegendem Wechsel die öffentliche Arena, um Kritik zu üben, das Stück zu verurteilen und in Zweifel zu ziehen. Gegner wie Adolph reagierten unverhältnismäßig auf das Werk eines literarischen Neulings, anstatt ihm mit Schweigen zu begegnen.

Für Adolph war die beste Verteidung immer der Angriff. Vor allem war dieses unnachgiebige offensive Vorgehen gegen Feinde für Katholiken eine tief verwurzelte Gewohnheit. Es war auch ein wesentliches Merkmal des politisierten Journalismus der Weimarer Republik. Es war ebenfalls eine Lehre aus katholischem Versagen im Dritten Reich und der modus operandi in Westberlin dem kommunistischen Osten gegenüber. Die Einwohner „Mitteldeutschlands“ sollten nach Adolphs Überzeugung die Propaganda ihres Regimes nicht durch Stimmen aus dem Westen hören.

Bei ihrer Entscheidung für diese Strategie erkannten Adolph und ähnlich gesinnte katholische Publizisten jedoch nicht, dass sowohl die Medienkultur als auch die öffentliche Sphäre, denen sie sich gegenübersahen, dabei waren, sich drastisch zu verändern. Die katholische Presse hatte sich von der Verfolgung während der nationalsozialistischen Diktatur nie richtig erholt. Die Auflagen der wenigen katholischen Tageszeitungen, egal ob auf lokaler, regionaler oder bundesweiter Ebene, blieben weit hinter denjenigen der säkularen Wettbewerber zurück. Die wöchentlichen Bistumsblätter erreichten 1962 zwar ihre bislang höchsten Auflagen, doch sie konnten mit diesem Erscheinungsrhythmus den Verlauf der 24- bis 48-stündigen Nachrichtenzyklen nicht nachhaltig beeinflussen. Ihnen mangelte es zudem an modernen Layouts und Marketing. Die Kirchenpresse hatte sich auch einen ungewöhnlich konservativen Leserkreis erhalten.

Dies hatte zur Folge, dass der Ausgang der Public-Relations-Kämpfe über den Stellvertreter entscheidend von der Berichterstattung in der nichtreligiösen Mainstream-Presse abhing – und von den erdbebenartigen Veränderungen in der Medienlandschaft. Bis zur zweiten Hälfte der 1950er Jahre hatte eine neue Generation, hauptsächlich Männer Ende 20 oder Anfang 30, Chefredakteursposten übernommen. Diese Vertreter der Generation von 1945 waren mit größerer Wahrscheinlichkeit säkular geprägt – bis zum Beginn der 1970er Jahren waren erstaunliche 40 Prozent formal kirchenfern.

Viele hatten zudem im Rahmen der alliierten Reeducation-Politik und Austauschprogramme mehrere Monate oder Jahre im Ausland verbracht, etwa in den USA oder Großbritannien. In Fernsehen, Radio und Zeitungen waren ihnen dort kritische Formate, die in Deutschland damals weitgehend unbekannt waren, begegnet – knallharte Roundtable-Gespräche, offene Paneldiskussionen und investigative Berichterstattung. Die jungen Journalisten brachten bei ihrer Rückkehr nach Deutschland komplexere Ansätze in der Berichterstattung mit nach Hause. So erweiterten sie das Spektrum um neue Genres wie Boulevardjournalismus, investigative Berichterstattung und eingehende Kommentare. Daneben verbesserten sie Layouts, Schriftarten und Fotomontagen. Entscheidend war vor allem, dass sie sich vom in den 1950ern dominanten Modell des Konsensjournalismus verabschiedeten. Anstatt mit führenden Politikern anzubandeln, versuchten sie, Skandale aufzudecken und Debatten zu entfachen.

All diese Aspekte tragen zu einer Erklärung dafür bei, warum die katholischen Publizisten in den Public-Relations-Kämpfen unterlagen. Mit wachsendem Argwohn gegenüber dem Einfluss der Kirche auf die Politik waren die Journalisten, Rundfunkredakteure und Fernsehpersönlichkeiten nicht mehr bereit, sich mit den Verteidigern Pius‘ innerhalb der CDU und der Kirche zu identifizieren. Sie standen den katholischen Verteidigungsbemühungen vielmehr kritisch gegenüber – den Demonstrationen, Verurteilungen, Gerichtsverfahren und Versuchen, Radio- und Fernsehreporter unter Druck zu setzen. Sie machten die Reaktion der Katholiken zum Inhalt ihrer Berichte.

Auf den Straßen kam es zu Demonstrationen, Märschen, Kundgebungen, Unterbrechungen der Aufführungen und Ausschreitungen; die Geistlichen und Laien verurteilten das Werk mit Predigten, Presseerklärungen und Pressekonferenzen. Lebte eine ausreichend große Zahl Katholiken im jeweiligen Gebiet, wurde das gesamte Milieu mobilisiert – die Presse, die Hierarchie sowie Jugend-, Freizeit- und Frauenverbände. Am 24. September 1963 demonstrierten annähernd 6000 Katholiken vor dem Theater in Basel und hielten Schilder mit aufrührerischen Aufschriften in die Höhe. Am darauffolgenden Abend musste die Aufführung unterbrochen werden, weil die Demonstranten Stinkbomben gezündet hatten und Protestgeschrei von sich gaben.

Eine Gruppe in Italien drohte mit Bombenanschlägen auf das Theater, die Synagoge und die Freimaurerloge, da alle drei Akteure als Teil einer perfiden Verschwörung hinter der Produktion gestanden hätten. In Paris wurde die Aufführung Mitte Dezember 1963 nicht nur mithilfe von Stinkbomben durch die Demonstranten unterbrochen, sondern auch durch den Einsatz von Niespulver. Eine Gruppe von annähernd 30 Demonstranten in Fallschirmjägeruniformen sorgte zu Beginn des Aktes, in dem Pius auftritt, für eine so laute Geräuschkulisse aus Buh-Rufen und Pfiffen, dass der Vorhang wieder zugezogen wurde. Die militanten Demonstranten stürmten die Bühne, beteiligten sich an Handgreiflichkeiten mit den Schauspielern und warfen den Pius-Darsteller zu Boden, bevor die Polizei ihnen Handschellen anlegen und sie schließlich abführen konnte.

Gerüchten zufolge gehörten die Verantwortlichen dem fanatischen Komitee Pro Pio an, welches in Basel erstmals in Erscheinung getreten war. Einer der Anführer hatte angeblich der algerien-französischen Terrororganisation Organisation de l’armée secrète (OAS, auf Deutsch: Organisation der geheimen Armee) angehört. In New York blockierten fast 150 Demonstranten den Bürgersteig vor dem Theater und buhten die Theaterbesucher aus. Die meisten waren Mitglieder des „Ad Hoc Committee to Protest the Deputy“, allerdings waren unter ihnen auch 15 Mitglieder der American Nazi Party, die Hakenkreuze zur Schau trugen und Schilder mit Aufschriften wie „This is a hate play“ und „Jews mock Pius XII“ in die Höhe hielten.

Eine Inszenierung in Rom wurde im Februar 1965 verboten, woraufhin das dortige Theater eine heimliche Aufführung organisierte. Die Polizei unterbrach und beendete die Aufführung. Mehrere Tage später nahm der Bruders eines der Hauptdarsteller Rache, indem er zwei Bomben am Sankt-Anna-Tor legte und Papst Paul VI. aus dem Schlaf riss. Diese Anschläge bedeuteten auch Ärger für die fragile Regierungskoalition unter Aldo Moro. Die Liste der Störungen lässt sich noch um etliche Einträge erweitern – Ohrfeigen im Foyer und Schlägereien auf den Rängen in Wien, Handgreiflichkeiten und Ausschreitungen in Brüssel, Ausschreitungen in Olten und so weiter und so fort.

So sorgten die Protestierenden für fesselnde Bilder im Schweizerischen Fernsehen, spannende Radiosendungen und aufmerksamkeitserregende Schlagzeilen – und natürlich ausverkaufte Aufführungen. Sie hatten auch eine klare Botschaft: Viele der Demonstranten forderten mehr „Toleranz“ für die Sensibilität der Katholiken, was in diesem Fall das Recht bedeutete, ihre Entrüstung über Hochhuths angebliche Blasphemie öffentlich äußern zu dürfen. Während des Tumults in seinem Erzbistum anlässlich der Premiere des Stellvertreters, äußerte sich Kardinal Feltin von Paris öffentlich wie folgt: „Wer könnte nicht verstehen, dass ein Katholik sich gekränkt fühlt durch das Unrecht, welches dem Andenken an seinen Heiligen Vater angetan wurde?“

Doch es war extrem schwierig, die Glaubhaftigkeit dieser Botschaft aufrecht zu erhalten, während einige ihrer Überbringer gewalttätige junge Männer waren, die Theater stürmten. Die militanten Demonstranten bildeten dabei, wie so oft, eine kleine, übereifrige Minderheit. Mit der Zeit wurden ihre Aktionen zumindest von einigen Ordinariaten als Problem wahrgenommen. Ob nun zu Recht oder zu Unrecht, ihre Richtigstellungen der päpstlichen Vergangenheit waren mit einem Eindruck der Intoleranz verbunden.

V.

Die Tatsache, dass sich prominente Vertreter innerhalb der Kirche und der CDU gegen Hochhuths Stellvertreter aussprachen, war auch von großer Tragweite für die Berichterstattung in den säkularen Mainstream-Medien. Ihre Korrespondenten waren begierig nach delikaten Geschichten und fesselnden Schlagzeilen. Doch sie stellten die Vorgänge als Zweikampf von David und Goliath dar, allerdings mit einer Rollenverteilung, die nicht den Vorstellungen der religiösen Presse entsprachen. Für Walter Adolph waren die Katholiken der in Bedrängnis geratene David; Goliath wurde durch die von Protestanten dominierte liberale und sozialistische Presse im Westen und vor allem durch den kommunistischen Koloss im östlichen Teil des Bistums Berlin verkörpert.

Als Erben einer annähernd 100-jährigen Belagerungsmentalität sprachen viele katholische Berichterstatter und Kommentatoren von der Hochhuth-Affäre als der Fortsetzung des Kulturkampfs der 1870er Jahre. Doch in der neuen Darstellung waren die Rollen genau umgekehrt: Der junge Hochhuth war David, seine Feinde militant demonstrierende Philister, Giganten des katholisch-politischen und geistlichen Establishments. Es war ein damals zunächst nicht wahrgenommener Zufall, dass diese Lesart die Handlung des Stücks reflektierte: Hochhuths Protagonist, ein junger Jesuit, widersetzt sich dem Pontifex in einem Akt höchsten Nonkonformismus.

Die Narrativen, die diese Journalisten der Situation überstülpten, ergaben in Anbetracht der Premiere vom 20. Februar 1963 absolut Sinn. Im November 1962 hatte der Bundesverteidigungsminister und CSU-Vorsitzende Franz-Josef Strauß die Verhaftung mehrerer Journalisten wegen angeblichen Landesverrats durch Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen angeordnet, darunter auch der Spiegel-Gründer Rudolf Augstein. Die Kontroverse um Hochhuth war der erste größere Medienskandal im unmittelbaren Nachspiel der Spiegel-Affäre und einige Reporter und Kommentatoren zogen Parallelen.

Der jungen Garde in radikalen linkspolitischen Netzwerken bot sich erstmals die Gelegenheit, sich in der Welt der Medien gegen ein aggressives katholisches Establishment in der Politik zu wehren. Einige nahmen Hochhuth als einen der ihren an, ein Paradebeispiel für den Generationenwechsel. Die Berliner Tageszeitung Der Abend pries Hochhuths jugendhaften Mut und ließ verlauten: Die „Jugend hat das Recht, radikal und unbequem zu sein, keine halben Antworten, sondern die ganze Wahrheit zu suchen, auch wenn sie bitter klingt.“

Hochhuths junges Alter ermöglichte es ihm, aus dem wachsenden Trend des Entertainment-Journalismus, Promiberichterstattung und der zunehmenden Nutzung visueller Mittel Kapital zu schlagen. Die internationale Ausgabe des Hochglanzmagazins Life Magazine widmete seinem Werk und ihm selbst eine schmeichelhafte fünfseitige Fotoreportage. Ausführliche Beiträge über seinen ungewöhnlichen Weg aus der Versenkung zu Ruhm erschienen in hunderten von Tageszeitungen und Wochenzeitschriften in Deutschland. Die Leser erfuhren so von Hochhuths Vorliebe für Barockmöbel.

Ein zuckersüßer Artikel mit der Überschrift „Schokolade für den Dichter“ informierte: „Wenn er sich in Ihrer Kneipe an der Ecke zu Ihnen an den Tisch setzte – Sie würden gleich Vertrauen zu ihm fassen.“ Die Bild gab Auskunft über seine gut aussehende Frau und ihren gemeinsamen zweijährigen Sohn, begleitet von entsprechenden Fotos. Er zierte die Titelseite des Spiegel. Dieselbe Ausgabe des Spiegel und die Bild druckten Fotos, die den jungen Bühnenautor im Anzug auf seinem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit zeigen und einen Kultstatus erreichten. Doch der investigative Journalismus war nicht das einzige kritische Format, das Walter Adolph Schwierigkeiten bereitete. Die Presse wurde von den öffentlichen Diskussionsrunden angezogen, die in zahlreichen Städten wie München, Berlin, Duisburg, Heidelberg und Köln aus dem Boden wuchsen. Sie fanden eine ganze Reihe bereitwilliger Förderer, darunter Universitäten, katholische Studentenverbindungen und die Katholische Akademie in Bayern. Sie waren in einem relativ neuen journalistischen Stil aufgezogen – dem Pro-und-Kontra-Format.

Diese öffentlichen Diskussionsforen waren als ernsthafte Unterfangen konzipiert und setzten sich mit moralischen, theologischen und existenziellen Fragen auseinander, die sich einfachen Antworten entzogen: Wäre es Pius‘ Pflicht gewesen, sich für die europäischen Juden zu opfern? Hätte der päpstliche Protest zu einer Verschärfung der Verhaftungen und Deportationen geführt, so wie es in den Niederlanden geschehen war, nachdem die niederländischen Bischöfe gegen die Massenverhaftungen der Juden protestiert hatten? Und vor allem: Warum hatte Pius geschwiegen?

Diese öffentlichen Foren spielten Hochhuth auch in die Hände. Im April 1963 mussten hunderte von Interessierten nach Hause geschickt werden, weil einer für 600 Personen ausgerichteter Zuschauerraum bereits voll war. Erst wenige Wochen zuvor war es notwendig gewesen, dass Piscator und Grüber „fast gewaltsam zum Podium geschleust werden“, da der lediglich über 600 Plätze verfügende Hörsaal an der Technischen Universität Berlin bereits mit über 1.000 Zuschauern überfüllt war. Der berühmte Radiosender Sender Freies Berlin verglich die Atmosphäre mit der Bundestagsdebatte über die Spiegel-Affäre.

Frustriert von diesem Spektakel aus Gewissensprüfung und Schadenfreude stellten die Kreise um Walter Adolph Erwägungen an, rechtliche Schritte einzuleiten. Zur Bestürzung vieler Katholiken bewirkten solche Überlegungen jedoch auch das genaue Gegenteil, von dem was sie erreichen wollten. In Berlin zog man in Erwägung, eine Anzeige gegen Hochhuth, Piscator und Ledig-Rowohlt wegen Verunglimpfung des Andenkens des verstorbenen Bernhard Lichtenbergs zu erstatten. In Bonn beauftragte das katholische Büro einen Anwalt, Karl Panzer, zu prüfen, ob eine Klage der Schwester von Papst Pius XII. wegen Verunglimpfung Aussicht auf Erfolg versprach. Diese Bemühungen sollten streng geheim bleiben, aber Panzer protzte in einem Moment des Übermuts vor einem Publikum junger katholischer Journalisten geradezu mit dem Vorgehen. Ein junger Journalist ließ die preisgegebenen Details an die Tagespresse durchsickern und entfachte einen weiteren Medienskandal, obwohl Panzer eigentlich zu dem Schluss gekommen war, dass von gerichtlichen Massnahmen abzusehen war.

Durch solche ungeschickten Taktiken katholischer Prominenter wurde die Debatte über das Schweigen des Papstes vor dem Holocaust in eine gesellschaftliche Diskussion über die Öffentlichkeit verwandelt. Im Rahmen des gesellschaftlichen Umbruchs der 60er Jahre entwickelten sich die Debatten über den Stellvertreter zu einem Musterfall für die Grenzen der gesellschaftlichen Toleranz für die Austragung kontroverser Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit. Wie viel Toleranz für unterschiedliche Meinungen konnte eine Gesellschaft dulden? In einer KNA-Erklärung behauptete Konrad Kraemer, Freiheit ohne Wahrheit sei der Nährboden der Anarchie.

Als Musterbeispiel für die Diskussion über Toleranz bot sich die öffentliche Kontroverse darüber an, ob 3000 West-Berliner Schulkindern Eintrittskarten zum Theaterstück verweigert werden sollten. Das Berliner Ordinariat protestierte gegen eine Entscheidung des Gutachterausschusses, das Schauspiel für 17- bis 18-jährige Schüler und Schülerinnen freizugeben. Der Ausschuss – so eine öffentliche Erklärung des Bischöflichen Ordinariats Berlin – verfüge weder über „das kirchengeschichtliche Wissen“ noch über „die moralische Urteilsfähigkeit“ über die deutsche Geschichte 1939 bis 1945, um zu einer solchen Entscheidung zu kommen.

VI.

Bevor ich diesen Vortrag abschließe, möchte ich ein Gegenbeispiel zeigen, die meine Hauptthese der misslungenen katholische Angriffsstrategie deutlich bestätigt. Kurz bevor Der Stellvertreter im Februar 1964 in München aufgeführt werden sollte, gelang es dem Münchener Weihbischof Johannes Neuhäusler, seine Operation Schweigen im Erzbistum München und Freising durchzuführen. Freilich war Neuhäusler kein Unbefangener. Im Dritten Reich hatte der Domkapitular einen Kurierdienst geleitet und darüber hochrangigen Kirchenvertretern im Ausland einschließlich Eugenio Pacelli aktuelle Berichte über den Kirchenkampf zukommen lassen. Er hatte den Preis dafür bezahlt: er war zwischen 1941 und 1945 in Sachsenhausen und in Dachau inhaftiert, im letzteren allerdings als Sonderhälftling mit gewissen Privilegien.

Nach seiner Befreiung im Mai 1945 bastelte er innerhalb kürzester Zeit eine zweibändige Dokumentarsammlung, Kreuz und Hakenkreuz über die Verfolgung der katholischen Kirche im Dritten Reich zusammen, allerdings auch mit mehreren verfälschten Belegen. Er erwies sich ebenfalls als entscheidender Gegner von Entnazifierungsprozessen und Kriegsverbrecherprozessen, und zu diesem Zweck setzte er sich für die Befreiung Dutzender verurteilter deutscher Kriegsverbrecher ein, ein Thema, das den Rahmen dieses Vortrags sprengen würde. Dadurch erwarb er sich den Ruf, ein entschlossener Kämpfer zu sein, der jedoch am liebsten nicht nur im Hintergrund sondern auch hinterhältig agierte.

Diesem Ruf entsprechend entwickelte er eine Strategie, um zumindest im Erzbistum München und Freising den Stellvertreter wirksamer als andere deutsche Diözesen zu bekämpfen. Aus einer Analyse der Auseinandersetzungen vor und nach der Premiere, auch auf vielen ausländischen Bühnen, zog er den Schluss, dass der Erfolg des Stellvertreters im großen Maße auf die „Proteste seiner Gegner“ zurückzuführen sei: „Am Anfang war der Protest.“ Er bemerkte, dass die Reaktionen am ruhigsten und sachlichsten in Stockholm, in Helsinki und in London gewesen seien, also in Gebieten mit katholischen Minderheiten, welche auf Protestaktionen verzichtet hatten. Die lautstärksten Proteste – so seine Folgerung – hätten Hochhuth direkt in die Hände gespielt: „Bloße Proteste sind aber schon deshalb unfruchtbar, weil sie ausschließlich eine Reaktion mit falschen oder ungenügenden Mitteln auf eine Aktion darstellen. Meines Wissens heißen wir aber und wollen wir immer noch sein: Katholische Aktion, nicht Katholische Reaktion.“

Als Schlussfolgerung bat Neuhäusler die katholischen Vereine, Verbände und kirchlichen Einrichtungen, nicht nur überhitzte Rhetorik zu unterlassen, sondern auch zu den öffentlichen Aufführungen des Stellvertreters in München komplett zu schweigen und dem Stellvertreter so den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Erfolg dieser Strategie zeigte sich, als die Aufführungen nach anfänglich gutem Besuch in den ersten beiden Wochen vor halbleeren Häusern stattfanden. Dass der Deutsche Gewerkschaftsbund seinen Mitgliedern einen 50-prozentigen Preisnachlass anbot und die SPD am 8. März eine ganze Vorstellung aufkaufte, um eine Diskussion über die politische Rolle der Kirche in Gang zu setzen, konnte ebenfalls die Nachfrage nicht erhöhen. Neuhäusler resümierte: „Münchens Katholiken jedenfalls dürfen sich rühmen, daß durch ihr beharrliches Schweigen und durch ihre Disziplin Hochhuths antikirchliches Trauerspiel zum erstenmal in seiner rummelreichen Geschichte in Europa unter den Krokodilstränen der Beteiligten ohne Glanz und Gloria durchfiel.“

Ich komme nun zum Schluss. Es lag eine gewisse Ironie hinter dem Erfolg dieser Strategie: Nach den bitteren Erfahrungen mit Protestaktionen, bei denen der Schuss nach hinten losging, entschlossen sich hochrangige Kirchenführer zum Thema des päpstlichen Schweigens zu schweigen. So standen die Verteidiger des Papstes vor einem Dilemma, das jedem Kommunikationsexperten bekannt ist. Wenn jemand ein Ziel für moralische Vorwürfe wird und sie überproportional stark zurückweist, passiert es häufig, dass man sich nur an den Vorwurf erinnert und viel weniger an die Verteidigung. Auf der anderen Seite: wenn man nicht auf die Vorwürfe reagiert und sich nicht verteidigt, passiert es auch häufig, dass man denkt, dass die Vorwürfe nicht von der Hand zu weisen sind.

In der Folge nahmen die Auseinandersetzungen mit Kritikern der kirchlichen Vergangenheit andere Formen an. Verteidiger der Kirche entschieden sich für die Veröffentlichung von Dokumentensammlungen wie die Actes et documents du Saint-Siège rélatifs à la Seconde Guerre mondiale. Die Unzulänglichkeiten solcher Publikationen würden allerdings katholischen Apologeten erst viel später bewusst werden. Die 11 Bände der gerade genannten Dokumentensammlung ent­hielten einschlägige Dokumente in mehr als vier Sprachen, was ihren Nutzen für Debatten in der Öffentlichkeit und insbesondere für die Berichterstattung in den Massenmedien drastisch beeinträchtigte. Etwas pointierter gesagt: Wie man historische Befunde vermittelt, ist vielleicht sogar noch wichtiger als die Befunde selber. Als Faustregel gilt, dass die „Vereinfacher“ ein breiteres Publikum ansprechen und deren Thesen in knackigen und prägnanten Schlagzeilen zusammengefasst werden können. Sie sind fast immer gegenüber denen im Vorteil sind, die auf Nuancen bedacht sind. So gilt bei vielen Pius XII. weiter als „der Papst, der schwieg.“

Die brisanten Kontroversen über das angebliche päpstliche Schweigen zum Massenmord an den Juden und über das kirchliche Verhalten im Dritten Reich nahmen ihren explosiven Charakter auch in der Presse ein, weil sie – und verzeihen Sie mir das Wortspiel – im Endeffekt Stellvertreterkriege waren und wurden. Aus einer Debatte über Pius XII. entstanden neue Streitpunkte, die weit über die Frage hinaus gingen, ob Hochhuths Darstellung des verstorbenen Papstes stimmte. Wie wir gesehen haben, drehten sich einige dieser Streitpunkte um die Notwendigkeit theologischer Reformen, andere um die Grundrechte sowie um Toleranz gegenüber missliebigen Meinungen. Vor diesem Hintergrund lässt sich eine damit verbundene Frage beantworten, nämlich, weshalb Teilnehmer an diesen Kontroversen, die die gleichen Quellen herangezogen hatten, immer wieder zu unterschiedlichen Urteilen über das päpstliche Verhalten gekommen waren. Meine Antwort lautet: Die Mitstreiter verstanden sich als „culture warriors.“ Pius XII. symbolisierte das, was sie in der Bundesrepublik und vor allem in der CDU/CSU entweder hochschätzten oder verachteten. Weil es Hochhuth und seinen Gegnern letzten Endes um die Rolle der Kirche in der Politik der frühen Bundesrepublik ging, waren ihre Urteile über das päpstliche Verhalten und seine Folgen fast im Voraus festgelegt und meistens in Schwarz-weiß gemalt.

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