Klösterliche Seelsorge

Erfahrungen und Erwartungen einer Diözese

As part of the event "Pastoral care differently? The potential of monasteries", 05.11.2017

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Die Orden im Erzbistum München und Freising

 

Als ich gebeten wurde, die Erwartungen einer Diözese im Hinblick auf klösterliche Seelsorge zu formulieren und hier vorzutragen, habe ich gerne zugesagt. Es ist mir wichtig erschienen, zunächst den Blick auf die gegenwärtige Situation der Klöster und der Ordensgemeinschaften in unserer Erzdiözese zu richten, auf unsere Erfahrungen zu schauen und davon zu sprechen.

Die Geschichte des alten Bistums Freising bis zur heutigen Erzdiözese München und Freising ist vom ständigen Wirken der Orden begleitet. Das kirchliche Leben in der Gegenwart wird geprägt von einer Vielzahl von Instituten des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens.

Damit gehört unsere Erzdiözese zu den deutschen Bistümern, in denen eine große Zahl von Frauen- und Männerorden tätig ist: 25 verschiedene Männerorden und 70 verschiedene Frauengemeinschaften, von denen 25 aus dem Ausland kommen. Bei der derzeitigen Zahl von etwa 1.800 Ordensschwestern und gut 500 Ordensmännern sind wir im Vergleich mit den anderen Diözesen deutschlandweit mit an der Spitze. Freilich ist, wie in anderen deutschen Diözesen auch, die Zahl der Ordensleute zurückgegangen.

Vor zwanzig Jahren waren es noch etwa doppelt so viele Ordensschwestern. Bei den Ordensschwestern stehen von der Mitgliederzahl an der Spitze die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul, gefolgt von den Armen Schulschwestern, den Schwestern von der Krankenfürsorge des Dritten Ordens, den Dienerinnen der Göttlichen Vorsehung von Schönbrunn und der Congregatio Jesu.

Die Zahl der Ordensmänner ist in den zwanzig Jahren erfreulicherweise etwa gleich geblieben. Zahlenmäßig am stärksten sind bei den Männerorden die Jesuiten, gefolgt von den Benediktinern der vier Abteien Ettal, Sankt Bonifaz, Schäftlarn und Scheyern, den Salesianern Don Boscos, den Redemptoristen, Franziskanern und Kapuzinern.

Unsere Ordensleute, Männer- und Frauengemeinschaften – das sei schon vorweg gesagt – leisten einen nicht zu übersehenden Beitrag zur Seelsorge und zum kirchlichen Leben in der Erzdiözese. Ohne sie wäre unser kirchliches Leben um Vieles ärmer. Freilich unterliegen die Orden hier bei uns denselben Entwicklungen wie in anderen deutschen Bistümern auch. Bei nicht wenigen Gemeinschaften liegt der Altersdurchschnitt erheblich über dem herkömmlichen Rentenalter. Da und dort müssen Orden aus diesem Grund ihre Aktivitäten reduzieren oder aus personellen Gründen Niederlassungen aufgeben. Das ist dann besonders einschneidend und schmerzlich, wenn es sich um Einzelklöster handelt, mit deren Auflösung die Gemeinschaft insgesamt ein Ende nimmt. Doch gelingt es den Orden heute auch, in der Neubesinnung auf ihr Ursprungscharisma den Auftrag ihrer Gründerinnen und Gründer in die Gegenwart zu tragen und in den unterschiedlichsten Einsatzfeldern ihr Apostolat zu verwirklichen. Sie sind damit wesentlicher Teil der Ortskirche, sie gehören ins Erzbistum. Grundlage und Bestätigung dafür finden wir in den Aussagen des letzten Konzils.

 

Erfahrungen aus der Praxis

 

Orden und Ortskirche im Miteinander. Das Zweite Vatikanische Konzil, dessen Rezeption eine bis heute bleibende Aufgabe darstellt, entfaltet in seiner dogmatischen Konstitution „Lumen gentium“ (LG) ein großartiges Bild der Kirche als dem neuen Gottesvolk, unterwegs auf dem Pilgerweg durch die Zeit. Nicht dem Einzelnen allein ist Gottes Heil und seine Rettung zugesagt, sondern dem Volk, das Gott aus den Vielen schafft, die ihm in Wahrheit und Heiligkeit gemeinsam dienen (LG 9). Nicht zufällig entwickelt das Konzil die Theologie des Ordenslebens innerhalb der dogmatischen Konstitution über die Kirche. Es bestimmt damit den Ort der Klöster und Ordensgemeinschaften inmitten des pilgernden Gottesvolkes, inmitten der Ortskirche.

Das Konzil sieht dabei den besonderen Dienst der Brüder und Schwestern vom geweihten Leben, durch ihre Berufung und ihr Leben nach den evangelischen Räten zu bezeugen, was Aufgabe der ganzen Kirche ist: „Die Ordensleute sollen sorgfältig darauf achten, dass durch sie die Kirche wirklich von Tag zu Tag mehr den Gläubigen wie den Ungläubigen Christus sichtbar mache, wie er auf dem Berg in der Beschauung weilt oder wie er den Scharen das Reich Gottes verkündigt oder wie er die Kranken und Schwachen heilt und die Sünder zum Guten bekehrt oder wie er die Kinder segnet und allen Wohltaten erweist, immer aber dem Willen des Vaters gehorsam ist, der ihn gesandt hat“ (LG 46).

Hier beschreibt das Konzil die Grundvollzüge von Kirche, an denen Ordenschristen auf ihre je eigene Weise teilhaben und sich in die Ortskirche einbringen. Verkündigung, Liturgie und Diakonie sind die Bereiche, in denen klösterliche Seelsorge geschieht, auch in unserer Erzdiözese. Im Orientierungsrahmen zur Ausgestaltung von Seelsorgeeinheiten in der Erzdiözese München und Freising ist deswegen ausdrücklich festgehalten: „Eine besondere Rolle kommt den Wallfahrtsorten, Klöstern, Ordensniederlassungen und Säkularinstituten, geistlichen Bewegungen und Gemeinschaften zu, die sich auf dem Gebiet einer Seelsorgeeinheit befinden. Sie können in einer Seelsorgeeinheit spirituelle Akzente setzen und mit ihren je eigenen Charismen und ihren vielfältigen Formen in den Bereichen Verkündigung, Liturgie und Diakonie das Glaubensleben bereichern.“

Wie dieser Beitrag der Orden in der Erzdiözese München und Freising dankbar erlebt wird, darüber werde ich im weiteren Verlauf dieses Referats zu sprechen kommen. Zunächst aber möchte ich auf die Zahl der in der Seelsorge tätigen Ordenspriester eingehen und sie näher erläutern.

Zahlen, Daten, Fakten. Derzeit sind insgesamt 201 Ordenspriester im seelsorglichen Dienst der Erzdiözese tätig. Davon wirken 129 Ordenspriester im Bereich der territorialen Seelsorge, 19 Pfarrverbände und Pfarreien werden von ihnen verantwortlich geleitet. Dazu kommt eine Reihe von Ordens- und Wallfahrtskirchen, an denen Ordensleute seelsorglich tätig sind. 72 Ordenspriester sind in der kategorialen Seelsorge und in der Sonderseelsorge eingesetzt. Ihr Bereich ist unter anderem die Seelsorge in Krankenhäusern, Altenheimen sowie die Studentenseelsorge. Die genannten Zahlen beziehen sich auf die Personen, nicht auf die Vollzeitäquivalente (Stand: Januar 2017).

Seelsorgeteams ausschließlich aus Angehörigen eines Ordens sind, mit Ausnahme der reinen Ordenspfarreien, hier in der Minderheit. Die meisten Ordenspriester sind in gemischten Teams eingesetzt. Das bezieht sich auf ihre Einsatzgebiete in den Pfarreien und Pfarrverbänden, gilt aber noch mehr für den pastoralen Einsatz im kategorialen Bereich in gemischten Teams mit Weltpriestern, Diakonen und Seelsorgerinnen und Seelsorgern der pastoralen Berufsgruppen, Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten.

Immer wieder wird der Wunsch vor allem der ausländischen Ordensoberen an die für das Seelsorgepersonal Zuständigen im Ordinariat herangetragen, Ordensleuten einer Gemeinschaft bei unterschiedlichen Einsatzorten das Leben in Gemeinschaft zu ermöglichen. Diese Bitte ist verständlich. Ihr wird seitens der Erzdiözese nach den vorhandenen Möglichkeiten auch gerne entsprochen. Ordensleute legen ihre Gelübde auf die Gemeinschaft ab. Ihnen diese Vita Communis zu ermöglichen, die ordensspezifische Spiritualität leben zu können, ist ein Dienst an der jeweiligen Gemeinschaft und kommt letztlich auch wieder ihrem seelsorglichen Einsatz zugute.

Seelsorgliches Engagement der Ordensschwestern. Auch die weiblichen Orden und Säkularinstitute sind in der Erzdiözese München und Freising eine pastorale Größe. Natürlich ist bei den Frauenorden, je nach Charisma und Gründungsauftrag, ein spezifisches Interesse an den Diensten der Verkündigung, der Liturgie und der Diakonie vorhanden. Auf ihre je eigene Weise leisten sie einen kostbaren Dienst in der Seelsorge. Das hält auch der schon zitierte Orientierungsrahmen für die Seelsorge in der Erzdiözese fest: „In der Pfarrei bestehende Klöster, Ordensniederlassungen und Säkularinstitute, geistliche Bewegungen und Gemeinschaften, … sind – ihrem Auftrag bzw. Charisma entsprechend, sowie unter Berücksichtigung ihres kirchenrechtlichen Status – im pastoralen Konzept zu berücksichtigen.“

Ordensgemeinschaften – Frauenorden seien hier ausdrücklich eingeschlossen –, deren Mitglieder sich durch Gelübde ausdrücklich für ein Leben für Christus entschieden haben, bilden in ihrer Gemeinschaft per se eine Zelle des Glaubens und des Gebetes, die geistliche Ausstrahlung besitzt und Seelsorge ermöglicht. Ich denke dabei an unsere Ordensfrauen, die als Angehörige einer pastoralen Berufsgruppe im territorialen oder in den unterschiedlichen kategorialen Bereichen hauptamtlich als Pastoral- und Gemeindereferentinnen seelsorglich tätig sind.

Aber auch Vieles, was Ordensschwestern ehrenamtlich in der Seelsorge leisten und oft als so selbstverständlich betrachtet wird, wäre hier ebenfalls zu nennen. In nicht wenigen Pfarreien sind Frauenklöster Anlaufstellen für die Menschen: Ich denke dabei an das Gespräch für Suchende und die Hilfe für Menschen in Not an der Klosterpforte. Hier sind Schwesternniederlassungen noch Garanten dafür, dass Kirche erreichbar und ansprechbar bleibt, was in den immer größer werdenden Seelsorgseinheiten nicht überall mehr in der notwendigen Weise gewährleistet ist. Durch die Vielfalt ihrer Gemeinschaften erreichen die Ordensschwestern viele Menschen und sind damit ein sichtbares Zeichen einer lebendigen Kirche vor Ort.

 

Erwartungen und Ausblick

 

Voraussetzungen für ein gelingendes Miteinander. In seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Vita Consecrata“ betont Papst Johannes Paul II. die Notwendigkeit des ständigen Austausches zwischen den Verantwortlichen der Ordensgemeinschaften und den Bischöfen: „Zur Förderung des gegenseitigen Kennenlernens als unerlässlicher Voraussetzung für eine tatkräftige Zusammenarbeit vor allem auf pastoralem Gebiet erweist sich ein ständiger Dialog der Oberen und Oberinnen der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens mit den Bischöfen angebrachter als je zuvor. Dank dieser regelmäßigen Kontakte werden Obere und Oberinnen die Bischöfe über die apostolischen Initiativen, die sie in ihren Diözesen in die Wege zu leiten beabsichtigen, informieren können, um mit ihnen zu den für die Durchführung notwendigen Vereinbarungen zu gelangen“ (Art. 50).

Hier wird eine erste wichtige Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander von Orden und Diözese genannt: Die Bereitschaft zu regelmäßigem Gespräch und Austausch. Ich gehe davon aus, dass in allen Diözesen das regelmäßige Gespräch der Bischöfe mit den Höheren Ordensoberinnen und -oberen stattfindet. Hier in München trifft sich der Erzbischof einmal jährlich mit den Verantwortlichen der in der Erzdiözese wirkenden Ordensgemeinschaften. Die Tagesordnung dieses Gesprächs wird aus den Punkten der Ordensoberinnen und -oberen und den Punkten der Diözesanleitung erstellt. Zu möglichen Fachthemen, wie es etwa die Bereiche Seelsorge oder Personal darstellen, nehmen neben dem Ordensreferenten die zuständigen Ressortleiter teil. Es versteht sich, dass es über dieses regelmäßige Jahresgespräch hinaus immer wieder Kontaktmöglichkeiten des Erzbischofs oder der Referentinnen und Referenten des Erzbischöflichen Ordinariats gibt und diese auch genutzt werden. Die Abteilung Orden und geistliche Gemeinschaften, deren Leiter ich als Ordensreferent schon seit vielen Jahren bin, ist Anlauf- und Vermittlungsstelle für die vielfältigen Anliegen der Ordensgemeinschaften in der Erzdiözese.

Neu entstanden ist in unserer Erzdiözese das Ordensforum, das sich in diesem Monat zum ersten Mal trifft und Ausdruck des Wunsches eines stärkeren Miteinanders von Männer- und Frauenorden untereinander sowie mit dem Erzbischöflichen Ordinariat ist. Es dient dem Austausch der Ordensgemeinschaften, der Gesellschaften des apostolischen Lebens und Säkularinstitute untereinander und mit der Abteilung Orden und geistliche Gemeinschaften im Erzbischöflichen Ordinariat.

Aufgaben des Ordensforums sind die Förderung des Kontaktes unter den Orden, Gesellschaften des apostolischen Lebens und Säkularinstituten in der Erzdiözese; die Stärkung der Zusammenarbeit von Frauen- und Männergemeinschaften; die Pflege des Informationsaustausches zwischen Orden, Gesellschaften des apostolischen Lebens und Säkularinstituten untereinander und mit dem Erzbischöflichen Ordinariat; die Vertiefung aktueller geistlicher und pastoraler Themen; die Organisation und Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen; der Vorschlag beziehungsweise die Benennung von Ordensvertretern für Diözesangremien wie den Diözesan- und Katholikenrat sowie verschiedene Diözesankommissionen.

Dem Ordensforum, das vom Ordensreferenten moderiert wird, gehören an: die Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende der Vereinigung der geistlichen Schwestern, der Moderator des Münchner Kreises der Äbte und Provinziale, einer der Vertreter der Ordenspriester im Priesterrat, eine Vertreterin der Ordensschwestern aus dem Ausland, ein Vertreter der Ordensmänner aus dem Ausland sowie ein Vertreter der Säkularinstitute.

Ein Vertrauen schaffender Umgang ist eine unabdingbare Voraussetzung für ein gelingendes Miteinander von Orden und Diözese mit ihren Pfarreien und Pfarrverbänden. Veränderte pastorale Strukturen betreffen alle, sie stellen die in der Diözese Verantwortlichen, aber eben auch die Orden und ihre Oberinnen und Oberen vor neue Fragen. Dazu ist, wie schon gesagt, das offene und ehrliche Gespräch und gemeinsames Planen unabdingbar. Es ist deswegen eine Selbstverständlichkeit und bewährte Praxis, dass im Priesterrat unserer Erzdiözese zwei Ordenspriester vertreten sind, wie auch im Diözesanrat Ordensschwestern und Patres mitwirken. Auch auf örtlicher Ebene ist es wichtig, dass Ordensleute in den Gremien der Pfarrei und des Dekanates beteiligt sind. Hier wird ein Klima des Vertrauens geschaffen, das den Auftrag, Kirche zu leben und Zeugnis von der Frohbotschaft zu geben, fördert. Gegenseitig aufeinander zuzugehen und umeinander zu wissen hilft, Missverständnissen vorzubeugen oder sie schneller ausräumen zu können.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen: Als hilfreich erweist es sich, wenn Ordensleitungen mit den Verantwortlichen des Ordinariats frühzeitig bezüglich anstehender Veränderungen ihrer Präsenz auf dem Gebiet der Erzdiözese in den Austausch treten. Das gibt dem Personalreferenten stärkere Planungssicherheit in der Besetzung von Seelsorgestellen. Der Ordensreferent, wenn er frühzeitig eingebunden ist, kann im Vorfeld eine mögliche Gründung oder, was leider öfter der Fall ist, eine anstehende Auflösung entsprechend begleiten und der Pfarrei gegenüber vertreten. Die betroffenen Pfarreien haben gleichzeitig die Möglichkeit, sich rechtzeitig auf diese in der Regel einschneidende Veränderung einzustellen.

Auch dies sei im Zusammenhang erwähnt: Auf der Diözesankarte gibt es Regionen, in denen Klöster so gut wie nicht oder nicht mehr vorkommen – weiße Flecken, die vielleicht zu vermeiden gewesen wären, hätten die Verantwortlichen der Gemeinschaften ihre Planungen untereinander besser abgestimmt. Freilich: Die Auflösung einer Niederlassung aufgrund der personellen Situation einer Gemeinschaft ist in der Regel zwingend, das wissen wir. Hier trifft die Fürsorgeverpflichtung der Ordensleitung für ihre alt gewordenen Mitbrüder und Mitschwestern. Aber es wäre schon hilfreich, wenn eine gewisse Verständigung der Orden untereinander hinsichtlich der gleichzeitigen Auflösung von Niederlassungen in ein und demselben Bereich in Betracht gezogen würde.

Erwartungen gehen auf Gegenseitigkeit. Ganz bewusst habe ich die nun kommenden und abschließenden Ausführungen überschrieben mit: Erwartungen gehen auf Gegenseitigkeit. Lassen Sie mich mit einer Erwartung beginnen, die berechtigterweise unsere Ordensgemeinschaften an die Diözese haben dürfen. Ich zitiere nochmals aus „Vita Consecrata“: „Die Bischöfe werden … ersucht, die Charismen des geweihten Lebens anzunehmen und zu achten, indem sie ihnen in den Entwürfen der diözesanen Pastoral Raum geben. … Eine Diözese ohne geweihtes Leben würde nicht nur vieler geistlicher Gaben, geeigneter Orte für die Suche nach Gott, spezifischer apostolischer Aktivitäten und pastoraler Methoden verlustig gehen, sondern sie würde darüber hinaus Gefahr laufen, in hohem Maße in jenem missionarischen Geist geschwächt zu werden, der der Mehrheit der Institute zu eigen ist“ (Art. 48).

Das heißt im Grunde nichts anderes, als dass es nicht nur die gebotene Pflicht der Ortskirche ist, Ordenschristen in ihre Pastoral mit einzubeziehen, sondern dies auch nicht geringe Möglichkeiten, ja eine große Chance darstellt, missionarische Kirche im Heute zu sein. Umso mehr dürfen Ordensgemeinschaften erwarten, mit ihren je eigenen Charismen angenommen und in das Größere der Seelsorge eines Bistums integriert zu werden. Freilich wird das auch voraussetzen, dass seitens der Orden und ihrer Klöster dieses Angebot adäquat formuliert und auch im Bistum vorgebracht wird.

Nicht selten sind Ordenspriester über Gestellungsverträge in die Seelsorge eines Bistums eingebunden. Damit verknüpft ist auch der finanzielle Aspekt. Vielfach fallen Einnahmen von klösterlichen Betrieben weg, weil weniger oder gar keine Kräfte mehr da sind, die früher mit zum wirtschaftlichen Auskommen einer Gemeinschaft beigetragen haben. Hier könnte eine gewisse Gefahr beinhaltet sein: die Versuchung, dauerhaft einen seelsorglichen Auftrag des Bischofs wahrzunehmen, der aber dem Selbstverständnis und dem Gründungsauftrag des Ordens widerspricht. In diesem Fall sollte eine Diözese die klare spirituelle Profilierung und daraus resultierende Angebote zum seelsorglichen Einsatz einer Ordensgemeinschaft erwarten dürfen. Andererseits ist seitens der Ortskirche eben genau darauf zu achten, um dies zu berücksichtigen und Ordensleute nach ihrer je eigenen Spiritualität in die Pastoral der Diözese einzubeziehen.

Gemeinsam den Weg der Seelsorge gehen. Seelsorge in der gegenwärtigen Situation muss die Veränderungen im kirchlichen und insbesondere im gesellschaftlichen Bereich berücksichtigen: die Vergrößerung der Lebensräume, fortschreitende Mobilität, die Differenzierung in unterschiedliche Milieus, den rapiden Rückgang volkskirchlicher Prägung bis hin zum Mangel nicht nur an Priestern, sondern auch an Seelsorgerinnen und Seelsorgern insgesamt. Die Schaffung noch größerer Seelsorgeeinheiten in Gestalt der Pfarrverbände ist – nach Erkenntnissen aus der bisherigen Praxis – freilich dafür nicht das Allheilmittel.

Von 2008 bis 2010 fand in der Erzdiözese München und Freising das Zukunftsforum mit dem Titel „Dem Glauben Zukunft geben“ statt. Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hielt bei der Eröffnung der ersten Vollversammlung des Zukunftsforums Folgendes fest: „Durch die geographische Situation steht das Erzbistum vor einer doppelten Herausforderung: In städtischen sowie ländlichen Gebieten mit den je unterschiedlichen Gegebenheiten eine geistliche Heimat für die Gläubigen zu schaffen und eine neue Sammlung des Gottesvolkes herbeizuführen.“

Eine solche Sammlung des Gottesvolkes, wie sie Kardinal Marx als Zukunftsaufgabe für die Seelsorge seiner Diözese sieht, geht nicht ohne Vernetzung. Unterschiedliche Orte gelebten Glaubens bilden ein Netzwerk mit unterschiedlichen pastoralen Schwerpunkten. Ein jeder dieser Orte braucht Menschen, die dort den Glauben leben und anderen daran Anteil schenken. Es sind Priester in der Leitung oder in der pastoralen Mithilfe in Pfarreien und Pfarrverbänden, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten in der seelsorglichen Zusammenarbeit mit ihnen. Auch die Ehrenamtlichen gehören dazu, ohne die unsere Seelsorge oft um so vieles ärmer wäre.

Als geistliche Heimat, wie es Kardinal Marx nennt, erweisen sich für viele der Gläubigen auch und besonders die Klöster. In Gesprächen wie auch in der Literatur ist dabei viel von „geistlichen Zentren“ die Rede. Der Begriff ist bunt und vielmeinend. Eines scheint mir gewiss: Ein geistliches Zentrum lebt von Menschen, die als Christinnen und Christen in geistlicher Gemeinschaft leben. Sie lassen Suchende, Menschen auf dem Weg an ihrem Leben teilnehmen. Sie bieten in den existentiellen Fragen des Lebens seelsorgliche Begleitung an.

Über das Handeln der Pfarrgemeinden, der Verbände oder der kirchlichen Bewegungen hinaus brauchen wir solche besondere Orte der Seelsorge und des geistlichen Lebens, die wir in den Klöstern der Erzdiözese zum Teil auch bereits vorfinden. Es sind Wallfahrtsorte, die von Ordensgemeinschaften betreut werden. Es sind Exerzitien- und Bildungshäuser, in denen Ordensleute wirken. Es sind Frauen- und Männerklöster, die als geistliche Landmarken auf der pastoralen Landkarte der Erzdiözese aufscheinen. Es ist das Stadtkloster, das mit seiner offenen Kirche im Zentrum der Stadt liegt.

Solche klösterliche geistliche Zentren sollen in Abstimmung mit den seelsorglichen Vorgaben der Diözese gestaltet werden. Andererseits wird es Aufgabe der Verantwortlichen der Diözese sein, das jeweilige Charisma der Ordensleute anzunehmen, ihm entsprechend Raum zu geben und eine Gemeinschaft in ihrer Tätigkeit zu unterstützen. Wie gut ist es, wenn dabei die unterschiedlichen Gemeinschaften ihre je eigene Ordensspiritualität einbringen, die benediktinisch, dominikanisch, franziskanisch oder ignatianisch sein kann.

So ausgerichtet werden von Ordensgemeinschaften getragene geistliche Zentren Orte der Seelsorge, die nicht in Konkurrenz zu den Pfarrgemeinden stehen, sondern sich gegenseitig ergänzen und befruchten. Die Verantwortlichen der Orden wie auch die für Seelsorge in der Erzdiözese Zuständigen tun gut daran, sich dessen bewusst, einander nach besten Kräften zu unterstützen.

 

Ein Blick in die Zukunft

 

Bei allen unseren Überlegungen muss bedacht werden, dass Ordensgemeinschaften gegenwärtig in einer wesentlichen Umbruchssituation stehen. Darüber wird viel gesprochen und darüber wird die notwendige Auseinandersetzung weiter gehen. Daraus kann sich für die Orden aber auch die Chance ergeben, befreit von mancher Last, die ihnen die Geschichte aufbürdete, heute ihren geistlichen Grundauftrag, speziell auch den zur Seelsorge, besser zur Geltung bringen zu können. Die Besinnung der Gemeinschaften auf ihre geistliche Kompetenz, die wachsende Nachfrage nach Begleitung und Auszeiten im Kloster, aber auch mancher Klostereintritt heute sprechen für eine Wiederentdeckung des Ordenscharismas. Die Ordensgemeinschaften und Klöster selbst sehen ihre Aufgabe stärker als bisher darin, ihr je eigenes Charisma, das in unterschiedlicher Weise auch in der Seelsorge besteht, in die Ortskirche einzubringen.

Ein Leben nach den Evangelischen Räten, wie es unsere Orden von Anbeginn pflegen – es ist ja nichts anderes als ein Leben nach der frohen Botschaft im tiefen Sinn – wird es in der Kirche immer geben, wenngleich sich auch die äußeren Formen wandeln. Darum ist mir auch um das Ordensleben und dabei um die klösterliche Seelsorge, das ist ja unser Thema heute, in dieser Erzdiözese auch in Zukunft nicht bange. Ortskirche und Klöster verbindet der kirchliche Auftrag, Gottes Heil den Menschen zu verkünden und erfahrbar zu machen, ihnen Räume des Glaubens zu eröffnen. Möge es Diözese und Orden gemeinsam gelingen, diese Sendung auch in Zukunft verlässlich erfüllen zu können.

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