Am Sonntag, den 13. Oktober 1454, am Tag des Hl. Kolomann, erhielt der Kellermeister des Klosters Prüfening bei Regensburg von einem gewissen Hanns Samnatz eine Wagenladung Fässer mit Traubenmost, insgesamt 27 Eimer, 3 Quartl und 2 Napf (ca. 1550 Liter). Den Most hatte er vorher bei Weinbauern in das nahe Regensburg gelegenen Dörfern Matting und Oberndorf abgeholt. Der erste Weinzierl (altbairisch für Winzer), der Most auf seinen Wagen lud, hieß Ulraich Karl und gab Hanns Samnatz vier Eimer Most (226 Liter). Diesen hatte er aus seinem Weingarten – genannt Leittn – geerntet. Ulraich Karl, der Bergmeister des Dorfes Matting, gab den Most als Zins, also als Abgabe für den Boden, den er bewirtschaftete, in diesem Fall ein Weinberg.
Weinberge und Weinbau in Altbayern? Wo doch Bayern in aller Welt als das Bierland schlechthin gilt? Diese Frage stellte sich mir, als ich als Student erstmals wissenschaftlich mit dem Dorf Matting an der Donau bei Regensburg zu tun hatte. Und eigentlich hätte es mich gar nicht zu wundern brauchen, kannte ich doch bereits die Aussage des ersten bedeutenden bayerischen Historikers Aventinus, der in seiner bayerischen Chronik bezeugte, dass der gemeine Mann des 16. Jahrhunderts in Bayern Tag und Nacht beim Wein saß.
In der Beschreibung der Sitten des Landes Bayern am Anfang seiner Bayerischen Chronik gibt Aventinus ein deftiges Bild seiner Landsleute ab: Der Bayer „tut sonst, was er will, sitzt Tag und Nacht bei dem Wein, schreit, singt, tanzt, kartet, spielt, mag Wehr tragen, Schweinspieß und lange Messer. Große und überflüssige Hochzeiten, Totenmahle und Kirchweihen zu haben ist ehrenhaft und unsträflich, gereicht keinem zum Nachteil, bekommt keinem übel“.
Im Auftrag des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim sollte ich damals herausfinden, wie weit in die Geschichte zurück ein halbverfallenes spätgotisches Steinhaus zu verfolgen ist, welches damals noch in Matting stand, heute seinen neuen Platz in der Baugruppe Mittelalter des Windsheimer Museums gefunden hat.
Ich fand bei der Archivarbeit bald heraus, dass der Haupterwerb der historischen Hausbewohner vom frühen Mittelalter an bis zum Ende des 18. Jahrhunderts der Weinbau war und dass der Weinbau in Matting für fast alle Dorfbewohner der dominante Erwerbszweig war. Darüber hinaus zeigte sich, dass der Grundherr des Dorfes, das Kloster Prüfening bei Regensburg, das Dorf im 14. Jahrhundert planmäßig ausgebaut und durch Neuanlage von Weinbergen und Intensivierung der Weinwirtschaft einen Schwerpunkt für die Klosterwirtschaft geschaffen hatte. Kloster Prüfening folgte hier einem Trend, der im Rhein- und Moselraum bereits im 13. Jahrhundert feststellbar ist und sich Anfang des 14. Jahrhunderts fortsetzt.
Der Versuch, diese Erkenntnisse einzuordnen und durch Vergleiche zu bewerten wurde aber dadurch erschwert, dass es zu diesem Thema für Altbayern bislang schlichtweg keine fundierte und detaillierte wissenschaftliche Literatur gab. In meiner 1999 erschienenen Doktorarbeit habe ich deshalb erstmals genauere Erkenntnisse über das Ausmaß, die Verbreitung, die Organisation und über die Rentabilität des altbayerischen Weinbaus im Mittelalter erarbeitet. Um die tatsächliche Bedeutung der altbayerischen Weinwirtschaft zu erfassen, war es nötig, den Weinbau der Nachbarregionen Österreich und Südtirol ebenfalls in die Untersuchungen miteinzubeziehen, um so eine Studie im Sinne moderner vergleichender Landesgeschichte zu erreichen.
Weinkonsum in Bayern im Mittelalter
Bevor im 16. Jahrhundert das Bier in Massenproduktion aufkam, war der Wein praktisch das einzige Volksgetränk, da das Wasser vielfach ungenießbar war und nur in geringer Menge zur Verfügung stand. Wein war im Mittelalter in erster Linie ein Grundnahrungsmittel, erst in zweiter ein Genussmittel.
Das große Angebot an einfachem Landwein, wie dem Baierwein, spiegelt sich auch im Weinverbrauch wider. So teilte man den Beamten des bayerischen Herzogs in Landshut pro Tag ca. 2 Liter Wein zu, im Kloster Prüfening bei Regensburg erhielten die Klosterangestellten pro Tag zwischen 2 und 6 Maß Wein. Zahlen, wie man sie in vielen anderen europäischen Ländern kennt. Gerhard Fouquet spricht von einer Faustregel von 1,3 Litern als tägliche Weinration im gutsituierten bürgerlichen Standard.
Diese hohen Angaben dürfen jedoch nicht vorbehaltlos verallgemeinert werden, besonders nicht, um vom Mittelalter als einem „Saufzeitalter“ zu sprechen. Wir wissen in den meisten Fällen nicht, wie viele Personen der zugeteilte Wein zu Gute kam, und wir können immerhin einen erheblich geringeren Alkoholgehalt des einfachen Weines voraussetzen. An den Höfen Bayerns trank man bevorzugt Weine aus Österreich, also die Osterweine, Weine aus Württemberg und Weine aus Tirol, die man meist als Welschweine bezeichnete. Aber als gewöhnliches Tafelgetränk war der einfache Baierwein auch hier vertreten. Der normale, tägliche Bedarf wurde aber auch hier mit einfachem Landwein gedeckt, den man aus der jeweils direkten Umgebung bezog.
In den Klöstern und in Kirchen hatte der Wein natürlich große Bedeutung für die Liturgie. Der hier benötigte Messwein erfordert nach kanonischem Recht noch heute absolute Reinheit. Dies ist ein Ziel, das am sichersten im Eigenbau gewährleistet ist. Schon aus diesem Grund war der kirchliche Weinbau weit verbreitet und wurde gepflegt, wo es auch immer möglich war. Aber auch der Tischwein hatte in den Klöstern seinen Platz: Im Kloster Prüfening erhielten die Patres an hohen Festtagen mittags und abends etwa 0,8 Liter Wein.
Der Bedarf war also in den Klöstern besonders hoch, weil sowohl für die Liturgie als auch für den Tisch Wein benötigt wurde. Darüber hinaus erhielten die direkt an die Klosterökonomie gebundenen landwirtschaftlichen und handwerklichen Arbeiter und sonstigen Angestellten vom Kloster ebenfalls täglich eine beachtliche Menge Wein zugeteilt. Dennoch ist mit Franz Staab festzustellen, dass die „Klöster nicht von Anfang an auf den Weinbau ausgerichtet“ waren. „Sie mussten sich erst damit beschäftigen, nachdem sie im Frühmittelalter auch seelsorgliche Aufgaben zu übernehmen hatten“.
Neben dem Verbrauch des Weines als Getränk waren auch seine Nebenprodukte im Mittelalter meist von höherer Bedeutung als heute. Weinessig diente der Haltbarkeitsmachung von Lebensmitteln und auch in vielen mittelalterlichen Kochrezepten ist er eine wichtige Zutat. Die positive medizinische Bedeutung des Weines war ebenso wichtig. Etwa als Kräftigungstrunk nach der Entbindung, bei bestimmten Krankheiten oder beim Aderlass.
Wein spielte auch eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben des Mittelalters. Wir finden ihn als Gastgeschenk oder zur Bekräftigung von Rechtsgeschäften. Bei jeder korporativen Zusammenkunft, beim Empfang von Gästen, Familienfesten, bei öffentlichen Ereignissen wurde Wein getrunken. Sogar der Student des Mittelalters schuldete seinem Lehrer ausgiebige Weinrationen.
Die Entwicklung des Weinbaus im früh- und hochmittelalterlichen Herzogtum Bayern
Während der Südtiroler Weinbau seit der Antike bis heute in ungebrochener Kontinuität stehen dürfte, ist dies in Altbayern und im österreichischen Donauraum bis heute nicht sicher nachweisbar. Es gibt jedoch gewichtige Anzeichen für lokale Kulturkontinuität des Weinbaus vor allem an der Donau. Neben der Nennung des Weinbaus in der Wachau, in der Lebensbeschreibung des Hl. Severin, ist vor allem eine strukturelle Beobachtung als Indiz für eine Kulturkontinuität zu werten. Sämtliche Weinberge, die im 8. Jahrhundert im altbayerischen und österreichischen Donauraum in schriftlichen Quellen aufscheinen, liegen in unmittelbarer Nähe von spätrömischen Städten und Militärstandorten, die noch im 5. Jahrhundert von Bedeutung waren. Ein eindrucksvoller Beleg für den frühmittelalterlichen Weinbau in Bayern findet sich in der um 765 entstandenen Lebensbeschreibung des Hl. Emmerams des Bischofs Arbeo von Freising: Arbeo berichtet, dass Bischof Emmeram, als er um 680/690 aus dem Frankenreich nach Bayern kam, sich in dem Land in das er gekommen war, erst einmal umsah und dabei erkannte: „Es war sehr gut, ja lieblich anzusehen, reich an Hainen, wohlversehen mit Wein. Es besaß Eisen in Hülle und Fülle und Gold, Silber und Purpur im Überfluss“.
Für Arbeo war der bayerische Weinbau also selbstverständlich und scheinbar sehr wichtig, denn er nennt ihn vor Gold und Silber, vor fruchtbarer Erde, Honig, Fisch und auch vor dem Salz. In einer anderen Stelle der Vita erwähnt Arbeo Weingärten an den Hängen des Donauhochufers nördlich von Regensburg. Diese Hänge sind zusammen mit den etwas weiter östlich gelegenen Weinbergen von Kruckenberg, die ältesten, in Altbayern schriftlich nachgewiesenen Weingärten. Ihre Erwähnung stellt gleichzeitig den ältesten schriftlichen Nachweis von Weinbergen in Raum des heutigen Freistaats Bayern dar, denn die Überlieferung in Franken setzt erst in den Jahren nach 770 ein.
Um 700 schenkte Herzog Theodo von Bayern der Salzburger Kirche Weinberge bei Winzer und Kruckenberg. Die dabei gemachten Angaben zu genauen Maßen der Weinberge und zu den vinitores, also den Winzern oder wie man in Altbayern sagt Weinzierlen, deuten klar auf eine spezialisierte Weinwirtschaft in der Nähe von Regensburg schon im späten 7. Jahrhundert hin. Allerdings wissen wir nicht, ob diese Winzer noch Romanen waren. Der erste namentlich genannte Winzer unseres Untersuchungsraums trug jedenfalls einen germanischen Namen. Er hieß Kerhelm und lebte um 748 bei Beutelsbach im heutigen Landkreis Passau.
Weitere frühe Weinberge sind östlich von Regensburg am Bogenberg, bei Pleinting in der Nähe von Künzing (dem antiken Quintanis) und weiter donauabwärts im östlichen Teil des Herzogtums bei Aschach a. d. Donau bei Linz belegt. Das von Herzog Odilo 741 gegründete Kloster Niederalteich erhielt als Gründungsausstattung Weinberge an der altbayerischen Donau und nicht etwa, wie gleichzeitig südbayerische Klöster, bei Bozen: Zwischen 788 und 814 schenkte der adelige Paldo in der uilla Pogana (also Bogen) einen drei Joch großen Weinberg. Während der Herrschaft Herzog Tassilos III. wurde der Weinbergbesitz des Klosters bei Bogen durch weitere adelige Schenkungen vermehrt.
Nur hier im altbayerischen und oberösterreichischen Donautal finden wir schon in den frühesten Quellen Hinweise auf eine stark spezialisierte Weinwirtschaft, während im Raum um Freising, im Rottachgau und im oberösterreichischen Traungau der Weinbau vor allem in die adeligen oder kirchlichen Besitzkomplexe eingestreut war und dort eher zur Selbstversorgung betrieben wurde.
Im Gegensatz zu Altbayern und Oberösterreich können wir im Raum Südtirols, das im frühen Mittelalter zum Teil zum Herzogtum gehörte, im 8. Jahrhundert den Weinbau nur aus späteren Quellen erschließen. Frühe Besitzer von Weinbergen waren hier der bayerische Herzog und der frühe Adel, aus deren Hand die Bistümer (Augsburg, Freising) und die frühen Klöster Südbayerns wie Benediktbeuern und Tegernsee ihre ersten Weinberge erhielten. Das Interesse scheint sich hier von Anfang an vor allem auf die direkte Umgebung von Bozen
konzentriert zu haben.
Das 9. Jahrhundert brachte mit dem Sturz Herzog Tassilos III. durch Karl den Großen die gänzliche Eingliederung des bayerischen Herzogtums in das fränkische Reich. Viele Klöster wurden karolingische Reichsklöster und konnten als solche enorme Besitzerweiterungen erreichen. Dies war aber mit der Aufgabe der Kolonisation und Mission verbunden, besonders in dem Raum, den Karl der Große nach dem Sieg über die Awaren als karolingisches Ostland neu erschlossen hatte: Es entstand die bayerische marchia orientalis, aus der später die Markgrafschaft und das Herzogtum Österreich hervorging. Besonders im Donauabschnitt östlich von Melk, der seit dem frühen 9. Jahrhundert als Uuahouua (Wachau) bezeichnet wird, entwickelt sich eines der bedeutendsten Weinbaugebiete für die altbayerischen Klöster und Bistümer.
Diese konnten hier regelrecht neuen Besitz abstecken, wie zum Beispiel das Kloster Niederalteich zwischen Aggsbach und dem späteren Spitz, das Kloster Tegernsee in Loiben oder das Erzstift Salzburg bei den am anderen Ufer der Donau liegenden und nach Erzbischof Arn von Salzburg benannten Arnsdörfern Ober-, Mitter-, und Hofarnsdorf. Der ganze Donauabschnitt von Melk bis Mautern wurde an Reichsklöster und Bistümer im bayerischen Reichsteil vergeben. Dabei war der Weinbau von Anfang an die wichtigste landwirtschaftliche Kulturform. Dadurch wurden die altbayerischen Bischofssitze und Reichsklöster Wegbereiter und Förderer der Wachauer Weinkultur.
Das frühe 10. Jahrhundert, die Zeit der Ungarneinfälle, ist eine Periode, in der die schriftlichen Quellen weitgehend schweigen. Erst nach der Lechfeldschlacht von 955 können wir bei Regensburg und in der Nähe des Bogenbergs Anzeichen eines Wachstums der Weinkultur feststellen. Das karolingische Ostland und hier besonders die Wachau sind durch die Angriffe und Eroberungen der Magyaren besonders betroffen, die Entwicklung des klösterlichen Weinbaus wird unterbrochen, wenn auch offensichtlich nicht gänzlich beendet. Dies geht vor allem daraus hervor, dass die Klöster und Bistümer den alten Weinbergbesitz nach der Ungarnzeit schnell wiedererlangen konnten.
Im 11. Jahrhundert können wir eine deutliche Expansion des Weinbaus vor allem in den Altsiedellandschaften feststellen: Im Donautal, in den Tälern von Isar, Rott und Inn, aber auch im benachbart gelegenen Altmühltal bei Eichstätt und südlich der Alpen im Becken von Bozen. Daneben entstehen kleinere Weinbaugebiete im Inntal in der Nähe von Au und Gars und im Isartal bei Freising und Moosburg.
Im 12. Jahrhundert nimmt die Ausweitung des Weinbaus in den älteren Weinbaugebieten durch einen wachsenden demographischen Druck und durch die enorme Klostergründungswelle in diesem Jahrhundert nochmals stark zu. Dabei kommt es zu einer Konzentration des Besitzerwerbs der altbayerischen Klöster bei den bereits bestehenden oder gerade entstehenden Weinstädten Regensburg, Bozen und Krems. In Altbayern können wir nun von Kelheim bis in die Straubinger Gegend an nahezu allen südwärts geneigten Hängen des Donautales Weinberge feststellen. Aber auch südlich der Donau wird der Weinbau im 12. Jahrhundert weiter ausgebaut, besonders an der Isar, im Rottal, am Inn, aber auch an der Salzach bis hin zum Höglberg bei Salzburg.
Im österreichischen Donauraum bringt das 12. Jahrhundert einen rapiden Anstieg der Quellenbelege für den Weinbau, verbunden mit einer großen Gründungswelle von Klöstern und einem starken Bevölkerungswachstum und dem Entstehen zahlreicher Städte und Märkte. Neben dem Weinbaugebiet bei Aschach a. d. Donau entwickeln sich in der Wachau neue klösterliche Besitzschwerpunkte mit Weinbergen, Hofstätten und zentralen klösterlichen Lesehöfen.
Auch im Südtiroler Raum ist im 12. Jahrhundert eine starke Ausweitung im Gange. Hier werden bei Bozen sogar hochwassergefährdete Ebenen mit Reben bepflanzt. Auch der Raum um Meran und der Vinschgau sind nun für altbayerische Klöster als Weinland von Interesse.
Versuchen wir an dieser Stelle einen Überblick über die wichtigsten Weinbaugebiete des altbayerischen, österreichischen und Südtiroler Weinbaus im Mittelalter zu gewinnen, so erkennen wir deutlich drei Hauptbereiche: Das Donautal um Regensburg, das Bozner Becken sowie die Wachau und Krems mit den anschließenden Nebengebieten.
Der Weinbau des Klosters Prüfening in der Umgebung von Regensburg
1109 gründete Bischof Otto I. von Bamberg vor den Toren Regensburgs das Benediktinerkloster Prüfening. An der Grundherrschaftsentwicklung dieses Klosters kann gezeigt werden, dass es möglich war in Altbayern eine intensive und wirtschaftlich lukrative Weinwirtschaft zu entwickeln. Diese intensive Weinwirtschaft entwickelte spätestens im 15. Jahrhundert auch eine speziell dem Weinbau gewidmete schriftliche Rechenführung, was für den altbayerischen Weinbau bislang nur an diesem Beispiel bekannt ist: Es sind dies die Prüfeninger Weinregister, die von 1447 an mit gewissen Lücken jährlich erhalten sind und bis ins 17. Jahrhundert reichen. Sie stellen eine der bedeutendsten Quellen zur Geschichte des Weinbaus an der Donau bei Regensburg dar, da sie serielle Ertragszahlen liefern, was selbst bei den bedeutenden klösterlichen Besitzungen in Südtirol und Österreich nur vereinzelt und in der Regel später überliefert ist.
Bis 1283 besaß Prüfening einen Lesehof in Krems und Weinberge in Krems, Persenbeug und Mautern. Im genannten Jahr verkaufte Prüfening diesen Besitz, und baute in den zwei Jahrzehnten danach durch gezielten und intensiven Ausbau der zwei Dörfer Oberndorf und Matting an der Donau einen fast ausschließlich auf den Weinbau ausgerichteten wirtschaftlichen Schwerpunkt auf.
In Matting, wo der Weinbau bereits 901 in einer Schenkung König Ludwigs des Kindes der Weinbau erwähnt wurde, hatte das Kloster bis 1285 die gesamte Grundherrschaft errungen. Die für den Weinbau geplante Siedlungsentwicklung ist sowohl in den Wirtschaftsquellen des Klosters, wie archäologisch deutlich zu erkennen. Ausgrabungen an der Stelle des am Anfang erwähnten, in das Freilichtlandmuseum Bad Windsheim transferierten und durch Baumringe auf ca. 1380 datierten spätmittelalterlichen Steinhauses brachten 1993 die Reste eines Vorgängerbaus zutage. Es war ein auf die Zeit um 1290 datierbarer Holzpfostenhaus. Kurz nach dem Verkauf der Weingüter in der Wachau 1283 hatte man hier also mit Baumaßnahmen begonnen, die ohne Zweifel mit dem Ausbau des Dorfes zu einem großen Winzerdorf zusammenhingen.
Wir können in Matting zu Beginn des 14. Jahrhunderts eine Aufteilung von sechs 1285 noch genannten Anwesen in 30 Anwesen bis 1380 feststellen, wobei der Weinbau deutlich im Vordergrund stand. Dies zeigt sich auch in den Bestimmungen der 1347 in ihrer ältesten Version erhaltenen Dorfordnung, von deren 21 Artikeln mehr als die Hälfte Bestimmungen zum Weinbau sind. Die Förderung des Weinbaus geschah hier durch besonders günstige Leiherechte.
Matting war so zum Winzerdorf geworden, das in seinen wirtschaftlichen Strukturen vom Weinbau dominiert war. Für das Kloster war Matting gemeinsam mit dem noch größeren Oberndorf eindeutig zum wirtschaftlichen Schwerpunkt in der klösterlichen Grundherrschaft geworden. Im 16. Jahrhundert deckte der Verkauf von Wein aus diesen zwei Dörfern ca. 60 Prozent der gesamten Einnahmen der Grundherrschaft ab, obwohl sie nur einen minimalen Flächenanteil an der mehrere Hofmarken, sowie Land- und Stadtbesitz umfassenden Grundherrschaft hatten. Dies rückt das Kloster Prüfening in die Nähe von bedeutenden Weinklöstern, wie der Zisterze Eberbach im Rheingau.
Die Prüfeninger Weinregister erlauben genauen Einblick in die wichtige Frage nach dem Absatz des hier erzeugten Weines, oder besser gesagt: des Mostes, denn dieser wurde direkt nach der Kelterung abtransportiert. Im vergleichsweise ertragsarmen Jahr 1454 gingen von dem, dem Kloster zustehenden Teil der Ernte aus Oberndorf 102 hl in den Klosterkeller, 80,3 hl in den Keller des Klosteramtshofes in Oberndorf, 34, 4 hl in die Taverne des Klosters in Oberndorf und 160 hl direkt an Großkunden. Zu diesen zählten in erster Linie Klöster in Südbayern, die zum Teil über Weinberge im ausländischen Fernbesitz verfügten: So erwarb hier das in den Bozner Weinlagen begüterte Kloster Scheyern im Jahr 1454 ca. 40,7 hl Traubenmost.
Der Kunde musste also über einen eigenen Kellermeister verfügen, um den Ausbau des Mostes zu Wein zu ermöglichen. Der Abtransport des Mostes nach der Ernte war eine Charakteristik des mittelalterlichen Weinbaus, die nicht auf Altbayern beschränkt war: Das Gros des Weines wurde nicht als Wein, sondern als Most vom Produzenten weitergehandelt. Dies kann neben dem Regensburger Raum auch für den österreichischen Donauraum, für das niederösterreichische Weinviertel, und sogar für den Transport der Südtiroler Weine über die Alpen nach Norden nachgewiesen werden. Aus der Voraussetzung heraus gesehen, dass der mittelalterliche Weinbau fast gänzlich grundherrschaftlich organisiert war, und auf einem Teilabgabensystem beruhte, ist diese Tatsache aber nur verständlich, garantiert sie doch dem Grundherrn ein großes Maß an Kontrolle und Sicherheit und den entscheidenden Einfluss auf den Weinausbau.
Neben dem Kloster Scheyern waren im 15. Jahrhundert auch andere Klöster Kunden Prüfenings, so das Kloster Ebersberg und das heute für sein Bier so bekannte, damals gerade erst gegründete Kloster Andechs. Aber es gab auch weltliche Kunden wie Wirte aus den südbayerischen Städten Kelheim, Mainburg, Pfaffenhofen und Erding, Bürger aus Regensburg und Ingolstadt und sogar hohe herzogliche Beamte. Nur einmal kann ein bayerischer Herzog selbst in der Liste der Bezieher gefunden werden. Der bei Regensburg erzeugte Baierwein wurde also auch aus dem Donaubereich ausgeführt, allerdings vor allem in südlicher Richtung nach Oberbayern.
Im Durchschnitt konnte das Kloster Prüfening pro Jahr 522 Eimer (312 hl) Wein aus Matting und Oberndorf erlösen, was auf eine straffe Organisation des Weinbaus durch das Kloster und die vom Kloster eingesetzten Bergmeister zurückzuführen sein dürfte. Der großen Bedeutung des Mattinger Weinbaus für das Kloster entspricht die Fürsorge für den Weinbau, die in der in zwei Fassungen aus dem 14. Jahrhundert erhaltenen Dorfordnung für Matting rechtlich nachvollziehbar wird. 11 von den 21 Artikeln dieses die wichtigsten Regeln im Dorf kodifizierenden Vorschriftenkataloges gelten dem Weinbau, obwohl neben der Dorfordnung auch noch ein eigenes Weinberg-Recht existierte.
Die genauen Anweisungen des klösterlichen Grundherrn ließen dem einzelnen Weinzierl wenig Spielraum für die heute so geschätzte Winzerkreativität. Es lag vielmehr im Interesse des Klosters alles was die Qualität der Weinerzeugung betraf genau kontrollieren zu können und die entscheidenden Schritte beeinflussen zu können, ähnlich, wie wir dies heute bei den Winzergenossenschaften kennen. Dies betraf besonders die Ernte und es betraf die Leistung der vertraglich geregelten Weinabgabe, die zwischen 1/3 und 1/6 der Ernte schwankte.
Kurz zum Ablauf der Weinernte: Der Bergmeister, also der für die Einhaltung der klösterlichen Richtlinien für die Weinbergpflege verantwortliche Winzer und Dorfbewohner, meldete dem Kellermeister des Klosters die Traubenreife, der dann die Erlaubnis zur Lese gab. Vorher durfte keiner der Winzer mit der Weinlese beginnen. Die Lese ging dann über mehrere Tage, um zu garantieren, dass die Lese jedes einzelnen Weinbergs genau kontrolliert werden konnte. Nachdem die Trauben gesammelt waren, wurden sie sofort zu Maische gequetscht. Anschließend wurde die Maische sofort in der Kelter gepresst. Diese gehörte dem Grundherrn und nur in dieser durfte der Wein gepresst werden. Ein Presshaus, wie wir es in Matting annehmen dürfen, steht noch heute in Bach an der Donau östlich von Regensburg und beherbergt heute das Baierweinmuseum.
Die Prüfeninger Weinregister sind zwar nur lückenhaft erhalten, dennoch erlauben sie einen Einblick in die stark schwankenden Weinerträge bis in die frühe Neuzeit hinein. Schon in den fünfziger Jahren des 15. Jahrhunderts schwankten die Erträge stark: 1454 wurden 715 Eimer (405 hl) als Ertrag des Klosters geerntet, im Folgejahr nur halb so viel, 1457 gar nur ein Viertel dieser Menge (102 hl). 1488 wurde 435 hl erreicht. Der erste Wert des 16. Jahrhunderts stammt von 1511 (171 hl). Bis 1516 folgten weitere mittlere Ernteergebnisse, 1516 wurde mit 1385,5 Eimern (784 hl) eine Rekordernte eingefahren, gefolgt von einem fast gänzlichen Ausfall im folgenden Jahr (50 Eimer – 28 hl). Angesichts des Vorjahresrekords und des im folgenden Jahr wieder sehr hohen Ernteergebnisses (1004 Eimer – 568 hl) konnte dieser Engpass aber wohl überbrückt werden.
1519 kam es erneut zu einer Missernte (31 hl), gefolgt von einem guten Jahr (395 hl) und dann von dem Jahr mit dem höchsten ermittelten Weinertrag: 1521 erhielt das Kloster aus seinen Weingärten 1502 Eimer (851 hl). Bis 1530 schwanken die Erträge zwischen 160 hl (1529) und 612 hl (1526). Auch nach 1530 können wir nach wie vor mit großen Ernten rechnen. 1540 wurden 1095 Eimer (620 hl) an das Kloster geleistet, 1560 waren es 996 Eimer (564 hl). Besonders interessant sind für uns die Jahre um 1570. Aus diesem Jahr stammt die bereits oben zitierte Einnahmen- und Ausgabenbilanz des Klosters.
Dabei konnten wir feststellen, dass das Kloster mit 714 Pfund, 6 Schilling und 4 Denaren 61 Prozent seiner Gesamteinnahmen aus dem Weinverkauf bezog. Mit 319 dem Kloster zur Verfügung stehenden Eimern (180 hl) war dieses Jahr von der Menge her aber ein unterdurchschnittliches Weinjahr. Wir können demnach in den Spitzenjahren wie
1488, 1516, 1518, 1521 oder 1526 noch höhere Anteile des Weinverkaufs an den Gesamteinnahmen erwarten, wenn auch in diesen Jahren ebenfalls bei der Getreideernte bessere Ergebnisse möglich waren. Damit ist die dominierende Bedeutung des Weinbaus für das Kloster Prüfening klar nachgewiesen. Prüfening kann im späten Mittelalter und noch im 16. Jahrhundert, wie das berühmte Rheingauer Zisterzienserkloster Eberbach als
Weinbaukloster bezeichnet werden.
Summary and outlook
Der Weinbau der altbayerischen Klöster konnte sowohl im Raum Altbayerns selbst wie im Fernbesitz im österreichischen Donauraum und in Südtirol bedeutenden Umfang erreichen. Seine Relikte prägen noch heute Landschafts- und Ortsbilder. In Altbayern können wir im Donautal um Regensburg noch heute Dörfer vorfinden, die ihre baulichen Grundstrukturen dem mittelalterlichen Weinbau verdanken.
Die zum Teil noch sehr gut erhaltenen Ensembles von Matting und Oberndorf bei Regensburg sind seltene Relikte einer heute nur noch in minimalen Resten erhaltenen Weinkultur. Sie war seit dem frühen Mittelalter bis in das 16. Jahrhundert von so großer Bedeutung, dass der Grundherr, das Klöster Prüfening, hier den Schwerpunkt seiner Grundherrschaft bildete und damit den Weinbau zum wichtigsten Bestandteil der klösterlichen Wirtschaftsführung machte.
Es ist deutlich geworden, dass der mittelalterliche Weinbau an der Donau um Regensburg nicht nur der lokalen Selbstversorgung diente, sondern, dass der hier erzeugte Baierwein auch Handelsgut war. Sein Absatzgebiet reichte bis in den Raum südlich von München. Auch im Fernbesitz der Klöster spielte der Weinbau eine wichtige Rolle. Für mache Klöster waren die Weinberge in Niederösterreich oder Südtirol sogar der einzige Fernbesitz, der bis zur Säkularisation gehalten wurde.
Ein eindrucksvoller Beleg für die große Bedeutung der Weinerzeugung in Altbayern ist auch der riesige Weinkeller den Herzog Ludwig X. von Bayern 1541 neben der Landshuter Burg Trausnitz in den Fels hauen und eindrucksvoll mit Ziegeln einwölben ließ. Die Gewölbe dieses zweischiffigen Kellers, den man geradezu als Kathedrale des Baierweins bezeichnen kann, sind 15 Meter hoch.
Bayern war um 1500 eindeutig ein Weinland. Natürlich wurde hier auch Bier gebraut, denn es war billiger, es konnte aber nur im Sommer erzeugt werden, also in einer Zeit, in der oft der Wein bereits ausgegangen war. In den folgenden Jahrhunderten kam es zu einem großen Wandel im Süden Deutschlands, besonders aber in Bayern: weite Teile Oberfrankens, Mittelfrankens und Altbayerns erlebten den Wandel von einer Region des Weinkonsums und der Weinproduktion zu einer Region des Bierkonsums und der Bierproduktion.
Dieser Wandel vollzieht sich seit dem Ende des 16. Jahrhunderts und besonders im 17. Jahrhundert, im benachbarten Bamberg zog er sich bis in das 20. Jahrhundert hin. Auch die Klöster reagierten darauf und gründeten – vor allem im 17. Jahrhundert – Klosterbrauereien. Die Ursachen für den Wandel sind vielfältig: Neben der Klimaveränderung der Kleinen Eiszeit war daran sicher auch eine Veränderung des Geschmacks mit beteiligt. Dadurch wurde es möglich, dass Bayern heute nahezu ein Synonym für gutes Bier ist.
In den letzten Jahren hat sich aber wieder einiges in der altbayerischen Weinbauszene getan. Der Weinbau breitet sich derzeit wieder aus. Etwa in Passau, am Ammersee, am Freisinger Domberg, bei Ismaning, rund um den Chiemsee und sogar am Samerberg am Alpenrand. Die vor wenigen Jahren gegründete Baierwein-Gesellschaft bringt alle diese Hobby- und Profiwinzer zusammen und dient als Forum des Erfahrungsaustausches.