Laudation of the award winner

Kardinal-Wetter-Preis 2019

As part of the event "Cardinal Wetter Prize Award Ceremony in Regensburg", 20.11.2019

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Es ist für mich eine besondere Freude und Ehre, bei der heutigen Verleihung des Kardinal-Wetter-Preises der Katholischen Akademie in Bayern in unserer Universität die Laudatio übernehmen zu dürfen. Es gibt kaum eine Aufgabe, die ein Doktorvater lieber übernehmen würde.

Die herausragende Dissertationsschrift von Markus Weißer mit dem Titel „Der heilige Horizont des Herzens“ ist ein höchst eigenständiger und origineller Entwurf einer trinitätstheologisch entfalteten Soteriologie, die den universalen Heilswillen Gottes unter besonderer Würdigung der Leiblichkeit des Menschen zum Strukturprinzip der Dogmatik macht. Durch seine umfassende, auch in den Anmerkungen breit belegte Kenntnis der Schriften Karl Rahners, gelingt es Markus Weißer zudem, einen substantiellen und sehr innovativen Beitrag zur immer noch lohnenden Erforschung dieses bedeutenden Theologen des 20. Jh. zu leisten.

Die argumentativ, stilistisch und formal in jeder Hinsicht überzeugende, leidenschaftlich und zugleich differenziert argumentierende Arbeit verdient höchstes Lob und wurde deshalb mit summa cum laude bewertet. Die Arbeit macht Lust auf Karl Rahner, so hat es ein Kollege formuliert, und zeigt, dass die Dogmatik eine dialogfähige Disziplin ist, die sich besonders von der Bibel und der Exegese, aber auch von der praktischen Theologie inspirieren lässt und in diese Bereiche fruchtbar hineinzuwirken vermag. Und sie zeigt das Spezifikum der Theologie auf beste Weise, weil die Frage des Menschen nach Gott im Zentrum steht und um deren Bedeutung angesichts der Biblischen Offenbarung und der heutigen Situation des Menschen gerungen wird.

Die Rezension von Christoph Theobald aus Paris in der Theologischen Revue und erste Rezeptionen zeigen, dass die Dissertation schon kurz nach ihrem Erscheinen in der aktuellen Debattenlage Beachtung findet. Denn dieser Entwurf taugt auch als dogmatische Fundierung der Theologie von Papst Franziskus und seiner Rede von der grenzenlosen Barmherzigkeit Gottes, die zu leben unserer Freiheit und Verantwortung aufgegeben ist, wenn wir den Menschen nicht nur im Glücken, sondern auch im Scheitern ihres Lebens gerecht werden wollen. Darüber hinaus wird deutlich, dass Rahners Transzendentaltheologie zutiefst daran interessiert ist, die jeweils einzigartige Beziehung des/der Einzelnen zu Gott im konkreten, alltäglichen und auch liturgischen Leben zur Geltung und zur Sprache zu bringen, ohne dabei das Verbindende zwischen allen Menschen zu vernachlässigen. Das uns alle Verbindende je neu zu finden ist die aktuelle Herausforderung in Kirche und Gesellschaft. Diese Suche fordert dazu heraus, dass wir uns auf das Wesentliche des menschlichen Lebens und auf die Not unserer Zeit besinnen, denn so Rahner: Wir wohnen alle in dem einen Leib, der unsere Welt ist.

Die konsequent theozentrische Ausrichtung erweist sich bei Markus Weißer als befreiend für das Verständnis einer Soteriologie, die von universaler Offenheit geprägt ist, sich von einer Sündenfixiertheit löst und sich auf das Geheimnis Gottes radikal einlässt. Diese Doktorarbeit ist ein erstaunlich ausgereifter Versuch, von der „Mutter aller Dogmen“ (Gott will das Heil aller Menschen) her eine trinitarische Theologie zu entwerfen. Der Titel: „Der Heilige Horizont des Herzens“ lässt schon spürbar werden, dass die Gottesbeziehung den Menschen im Zentrum seiner leibhaftigen und geschichtlichen Existenz berührt und die Eröffnung des transzendentalen Horizontes bei Rahner auf die Öffnung des menschlichen Herzens für Gott, den Nächsten und die Welt zielt. Die heilvolle Präsenz Gottes in der Schöpfung von Anfang an bis hin zum verheißenen Ende, in dem Gott alles in allem sein wird (1 Kor 15,28), steht im Zentrum und wird konsequent entfaltet. Weißer verknüpft das Ernstnehmen der objektiven Erlösung, dass Gott sich in Christus und im Hl. Geist all unserem Tun zuvorkommend universal in die Nähe der Menschen begeben hat, auf originelle Weise mit der Sakramententheologie Rahners. So gelingt es ihm in sehr nachvollziehbarer Weise, die Heilsbedeutung der Leiblichkeit, der Intersubjektivität und Solidarität in ihrer geschichtlichen Dramatik so zu markieren, dass eine Vermittlung von transzendentaler und heilsgeschichtlicher Dimension überzeugend herausgearbeitet werden kann und die Grenzen zwischen phänomenologischen, differenzhermeneutischen und transzendentalen Ansätzen in der Systematik relativiert werden.

Die Begriffe Theozentrik – Universalität – Dynamik prägen das theologische Denken des Verfassers und führen gleichzeitig zu einer begründeten Verbindung von Dogmatik und Ethik. Es gehört zum heilvollen Leben des glaubenden Menschen, sich mit der bleibenden Unbegreiflichkeit Gottes je neu auseinander zu setzen und sich ihm auch angesichts dieses Phänomens radikal anzuvertrauen und in der Hoffnung zu überlassen. So wird auf überzeugende Weise die soteriologische Bedeutsamkeit einer Rede von der Unbegreiflichkeit Gottes und der Transzendentaltheologie insgesamt herausgestellt. Denn Erlösung bedeutet auch, mit den bleibend offenen Fragen und der Ambivalenz unserer Existenz, mit Schuld und Leid leben zu können und nicht daran zu Grunde zu gehen. Weil der Glaube und das Leben des Menschen über die Fragen rationaler Begründbarkeit im engeren Sinne hinausreichen, werden die Erfahrbarkeit, Spürbarkeit und Leibhaftigkeit des Heils immer wieder herausgestellt. Die Soteriologie erhält eine mystagogische Dimension, die im Leben des Menschen Spuren hinterlässt, weil die Beziehung zum Anderen und zu Gott uns unter die Haut geht.

Solche Spuren hinterlässt auch die Dissertation von Markus Weißer nach ihrer Lektüre, die nicht nur theologisch, intellektuell, sondern auch spirituell in jeder Hinsicht herausfordert und aufzeigt, dass die Theologie von Karl Rahner in ihrer prophetischen Weite noch lange nicht ausgeschöpft und zu Ende diskutiert ist. Heute sind wir in der glücklichen Lage, nicht nur mit den Spuren von Dr. Markus Weißer konfrontiert zu sein, sondern mit ihm selbst und seiner leibhaftigen Präsenz.

Lieber Markus, ich gratuliere Dir sehr herzlich zu diesem Preis und freue mich mit Dir! Ich freue mich auch darüber, dass Du der Theologie mit Deinem gerade begonnenen Habilitationsprojekt weiter erhalten bleibst und dass ich weiterhin mit Dir in bewährter, wohltuender und bereichernder Zusammenarbeit verbunden sein darf! Und ich freue mich jetzt zusammen mit der Festversammlung auf Deinen Vortrag!

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