Professionalisation at the expense of women

Im Rahmen der Veranstaltung "Women in church offices", 15.10.2020

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Die Organisationsformen der Kirche haben sich wohl in keiner Epoche ihrer Geschichte stärker verändert als um die Wende vom zweiten zum dritten Jahrhundert. Eine wichtige Ursache ist das enorme Wachstum der Gemeinden, für das es besonders in der zweiten Hälfte des 2. Jh. deutliche Hinweise gibt. Um die Mitte des dritten Jahrhunderts kam die stadtrömische Gemeinde bereits für den Unterhalt von mehr als 1500 Witwen und Bedürftigen auf, was auf eine deutlich fünfstellige Zahl von Christen schließen lässt. Jetzt reichte es nicht mehr aus, wie noch wenige Jahrzehnte zuvor, im Sonntagsgottesdienst die mitgebrachten Gaben und das eingesammelte Geld spontan an die Armen zu verteilen; jetzt entwickelt sich eine eigene Caritasorganisation, die von der Annahme der Spenden bis zu deren Verteilung einen möglichst reibungslosen Ablauf gewährleisten soll.

Mit den bisherigen personellen Ressourcen waren diese Arbeiten nicht zu bewältigen, schon allein deshalb, weil der allergrößte Teil der Amtsträger Freizeitkleriker war, also Amtsträger, die für den Unterhalt ihrer Familie selbst aufkommen mussten, in der Regel durch Arbeit in ihrem Brotberuf. Es war aber nicht nur die Caritasorganisation, die an ihre Grenzen stieß. Für den Bischof waren die Bußpastoral, Teile der Taufvorbereitung wie auch das hier nicht näher zu besprechende Gemeindegericht ein neuer, wichtiger und auch zeitraubender Teil seiner Amtspflichten.

Die Kirche hat lange gebraucht, bis sie für die Entlastung des Klerus eine endgültige Lösung gefunden hat. In der Zwischenzeit lässt sich eine Entwicklung beobachten, in deren Verlauf die Witwen des Witwenstandes einen großen Teil der ursprünglich vom Klerus zu leistenden Pastoral übernahmen und dessen Einfluss zeitweise deutlich reduzierten.

Zwei Spezifika der Ordo-Witwen sind in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Zum einen soll eine Witwe nur dann in den Witwenstand aufgenommen werden, wenn sie sich als Christin in besonderer Weise bewährt hat. Zum anderen hat sie ein Unterhaltsrecht vonseiten der Gemeinde, ist also für ihren Lebensunterhalt nicht auf eigenen Broterwerb angewiesen.

Es handelt sich also um eine religiöse Elite von Frauen, die genügend Zeit hatten, sich für die Anliegen der Gemeinde einzusetzen. Nach und nach scheinen diese Ordo-Witwen große Teile der Seelsorge übernommen zu haben. Sie hatten nicht nur mehr Zeit als der Klerus, sondern kannten ihre Gemeinde auch besser als die übrigen Amtsträger, weil sie gewöhnt waren, ihren Unterhalt nicht oder nur zum Teil vom Bischof, sondern auch von den Gemeindegliedern, die sie besuchten, zu erhalten.

Das meiste Material über diese Seelsorge treibenden Witwen findet sich in der Syrischen Didaskalie, einer Kirchenordnung aus der ersten Hälfte des 3. Jh., die gleichzeitig die schärfste Gegnerin der Witwen ist und ihre Seelsorge für Usurpation der Vorrechte des männlichen Klerus ansieht. Gegen den Strich gelesen stellt sie aber die wichtigste Quelle für die Seelsorge durch Frauen dar. Es sind ganz offensichtlich die Witwen, die sich nicht scheuen, weite Teile der Seelsorge einschließlich der Caritas, der Taufvorbereitung und der Bußpastoral zu übernehmen. Wenn wir der Didaskalie Glauben schenken dürfen, wurde die Seelsorge der Witwen von vielen Gläubigen und Taufkandidaten gern in Anspruch genommen, nicht zuletzt weil viele nur auf diese Weise eine Chance hatten, in die Gemeinde aufgenommen zu werden bzw. ihren Bußprozess abzuschließen. Zudem standen die Witwen als Elite des weiblichen Teils der Gemeinde in bestem Ruf.

Es scheint einige Jahrzehnte gedauert zu haben, bis nicht nur die Diakone, sondern auch der Bischof und zuletzt die Presbyter ein Unterhaltsrecht von Seiten der Gemeinde erhielten. […] Wichtig für die Durchsetzung des Unterhaltsrechts war die ekklesiologische Leitmetapher des Oikos Theou, der Hausgemeinschaft Gottes. Leitmetapher meint, dass die sozialen Beziehungen in der Kirche nach dem sozialen Modell des oikos konzipiert sind. Die Ekklesiologien der ersten drei Jahrhunderte (neben der Oikos- besonders die Leib-Christi- und die Volk-Gottes-Ekklesiologie) sind keine intellektuellen Hochseilakte. Sie sind vielmehr durchweg einfach und konnten deshalb von jedem Christen verstanden werden.

Wichtig ist, dass das metaphorische Pendant der Kirche nicht der kleine Haushalt mit Vater, Mutter und Kindern sowie einigen wenigen Sklaven und sonstigen Hausbewohnern war, sondern der oikos eines reichen Hausherrn mit Mehrzahl von Gütern und dem entsprechenden Personal in mehreren Provinzen. Wir sind über die Verhältnisse in einem solchen antiken Groß-Oikos erstaunlich gut informiert, da sich eine Vielzahl von Schriften der antiken Gattung Oikonomikos erhalten haben, die als eine Art Ratgeberliteratur einen jungen Großgrundbesitzer in die Praxis der Haushaltsführung einführen wollen. Grundlegend ist, dass ein solcher Oikos in der Form einer Monarchia geführt werden soll: Dem Hausherrn sind alle zu Gehorsam verpflichtet, allerdings auf differenzierte Art und Weise. Die Ehefrau des Hausherrn steht als engste Mitarbeiterin des Mannes den Arbeiten im Haus vor und kümmert sich um die Kinder in den ersten Lebensjahren. […]

Vergleicht man das System der sozialen Beziehungen in den Oikonomikoi mit den christlichen Gemeinden des 3. Jh., wird sofort deutlich: Oikos wie Kirchengemeinde werden in der Form einer Monarchia geführt. Hausherr ist Gott selbst; er hat in den Einzeloikoi, den Gemeinden, Bischöfe als Verwalter eingesetzt. Wie der Hausherr, hat allein der Bischof in seiner Gemeinde die uneingeschränkte Kompetenz der Leitung. Er allein bestimmt zum Beispiel, wer wann getauft wird, wer in den Witwenstand aufgenommen wird und die verschiedenen Stufen der Kleriker erklimmt. Er bestimmt die Dauer der Exkommunikation und den Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Sünders. Man kann zum ersten Mal in der Kirchengeschichte vom Konzept eines monarchischen Episkopats reden. Der Bischof ist der Mittel- und Bezugspunkt aller Gemeindeaktivitäten. Die übrigen Kleriker sind lediglich ausführende Organe des bischöflichen Willens. […]

Durchgesetzt werden konnten die Monarchie des Bischofs und die Reduktion der übrigen Kleriker auf den Status von Helfern erst in dem Moment, als es ihm möglich wurde, sich ausschließlich der Gemeinde zu widmen und seinen Anspruch dem Klerus und den Laien gegenüber tatsächlich durchzusetzen. Die Professionalisierung besonders des Bischofs ist also der Beginn einer grundlegenden Verschiebung der Gewichte zwischen den verschiedenen Gruppen der Gemeinde.

Bezeichnend ist, dass erst jetzt in den christlichen Quellen die Termini Laie und Kleriker auftauchen. Nicht, dass es vorher keine Amtsträger gegeben hätte! Aber es hat ganz offensichtlich nicht die Notwendigkeit bestanden, Amtsträger terminologisch von Nichtamtsträgern (Laien) zu unterscheiden. Der garstige Graben zwischen Kleriker und Laien entsteht erst in dem Moment, in dem speziell der Bischof sich ganz der Gemeinde widmen kann. Klerikersein wird zum Beruf mit allen Konsequenzen. Es dauert nicht lange, und es entsteht eine klerikale Hierarchie, deren Ämter man im Sinne eines cursus honorum vom Lektor bis zum Bischof durchlaufen kann. Zur höheren Ehre gehören dann auch höhere Unterhaltsleistungen. Der Dienstcharakter tritt demgegenüber zurück. Mit Unterhaltsrecht versehen sind Bischof und Klerus auch in der Lage, die Witwen aus der Seelsorge zu vertreiben. Deren Aufgabe ist nunmehr ausschließlich das Gebet. Für die Aufgaben, die ein männlicher Kleriker aus Schicklichkeitsgründen nicht übernehmen kann, werden jetzt Diakoninnen herangezogen, die traditionell in einem stärkeren Abhängigkeitsverhältnis zum
Bischof stehen.

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