Befasst man sich mit dem Thema „Investiturstreit“ und seiner Erforschung, so fällt auf, dass ein Aspekt nur wenig Beachtung findet: die Investitur selbst. Hintergrund dieses zunächst überraschenden Befunds ist, dass die Investitur am Anfang der Konflikte zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. gar nicht das zentrale Thema Auseinandersetzungen bildeten, sondern dies erst später und rückblickend wurde – doch dazu später mehr.
In diesem Beitrag soll zunächst geklärt werden, was genau mit dem Begriff Investitur gemeint ist, darauf folgt ein Blick auf Bischofseinsetzungen vor dem Investiturstreit. Anschließend geht es darum, wie Bischofs- und Abtsinvestituren in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts zum Problem und schließlich verboten wurden. Wann genau dies geschah, ist umstritten – auf die Forschungskontroverse, die vor allem zwischen Johannes Laudage und Rudolf Schieffer ausgetragen wurde, soll hier ebenfalls kurz eingegangen werden; abschließend geht es um die Entwicklung bis zu den ersten Einigungen über die Investitur in Saint-Denis und London 1107 zwischen Papst Paschalis II. und Philipp I. von Frankreich sowie zwischen Erzbischof Anselm von Canterbury und Heinrich I. von England, die 15 Jahre vor dem Wormser Konkordat zeigten, wie eine Lösung des Problems aussehen konnte.
Was ist Investitur?
Obwohl es häufig so verwendet wird, war das lateinische Wort investitura ursprünglich kein Synonym für eine Bischofs- oder Abtseinsetzung, sondern hatte eine allgemeinere Bedeutung. Das Wort leitet sich vom Verb „investire“ („bekleiden“) ab und bezeichnet die „Be-kleidung“, also den Akt der Einkleidung.
In diesem Sinne ist seit der Spätantike auch das Wort investitura (bzw. vestitura) nachgewiesen, welches im übertragenen Sinne für die Einsetzung in ein Amt genutzt wird, im Sinne einer Einkleidung mit der Amtstracht. Daraus entwickelte sich die Vorstellung, dass eine Investitur eine rechtliche Einweisung in einen neuen Status war.
Im früheren Mittelalter findet man das Wort „(In)vestitura“ häufig bei der Übergabe von Grundbesitz sowohl als Eigentum als auch als Leihe. Dabei erfolgte die Einweisung des neuen Besitzers durch einen symbolischen Akt, zum Beispiel einen Umritt oder durch die Übergabe eines Stabs. Der Stab ist ein universelles Zeichen der Verfügungsgewalt und der Macht, wie wir es auch vom Zepter kennen. Auch andere Symbole wurden zur Übergabe genutzt, zum Beispiel Glockenseile oder Altartücher, wenn es um Kirchen ging, Erdklumpen und Grashalme bei Grund und Boden. Die Übergabe eines Stabs oder eines anderen Symbols repräsentiert die Übergabe eines Rechts. Es überrascht daher nicht, dass auch geistliche Ämter mit einer Investitur übergeben wurden. Hierbei spielte ebenfalls die Übergabe eines Stabes eine wichtige Rolle, denn auch Geistliche trugen einen Stab als Symbol ihrer Macht und ihrer geistlichen Aufseherfunktion – der Hirtenstab ist seit dem 6. Jahrhundert nachgewiesen.
Ein ähnliches Symbol der Einweisung in ein Amt war der Ring. Die Übergabe von Ringen, speziell Siegelringen war für die Einsetzung in weltliche Ämter ebenfalls üblich; Ring und Stab wurden aber seit dem frühen Mittelalter zugleich aber auch emblematische Symbole für Bischöfe und Äbte. Daraus folgt, dass in der Zeit vor den Kirchenreformen des 11. Jahrhunderts Stäbe und Ringe ambivalente Symbole waren. Sie waren nicht eindeutig dem geistlichen oder dem weltlichen Bereich zugeordnet; sie gehörten in beide Felder, die ohnehin noch nicht scharf getrennt waren. Dies ändert sich erst im Vorfeld des Investiturstreits und in seinem Verlauf, als die Trennung zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre schärfer wurde.
Seit etwa 900 kann die Übergabe eines Stabes an einen Bischof als Teil der Bischofseinsetzung nachgewiesen werden. Allerdings war es zunächst nicht der König, der dieses Ritual durchführte. Dies ist erst für Otto II. (973–983) zu belegen. Erst in der Zeit Heinrichs II. (1002–1024) erfahren wir von einer Übergabe des Ringes an einen neu gewählten Bischof durch den Kaiser. Selbst dies dürften zunächst Einzelfälle gewesen sein; erst im Laufe des 11. Jahrhunderts verdichten sich die Belege für Stab- und Ringübergaben durch den König oder Kaiser. Die in den Streitschriften oft genutzte Formulierung investitura cum anulo et baculo („Investitur mit Ring und Stab“) kam gar erst in den 1070er Jahren auf.
Als es im Jahr 1076 zum Bruch zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. kam, war die Investitur von Bischöfen und Äbten mit Ring und Stab durch den Herrscher keine seit Jahrhunderten bekannte Praxis, sondern noch vergleichsweise jung. Und kaum hatte sich die Praxis in der Mitte des 11. Jahrhunderts offenbar durchgesetzt, wurde Kritik geübt. Kardinal Humbert von Silva Candida, ein sehr streitbarer und radikaler Reformer, erwähnt in seinen umfangreichen Büchern gegen die Simonisten die Begriffe investitio bzw. investire jedoch nur an zwei Stellen in einem umfangreichen Werk, das in einer modernen Edition Druck 153 Seiten umfasst. Denn – wie der Titel seines Werks zeigt – geht es ihm in erster Linie um die Simonie, also um die Käuflichkeit geistlicher Weihen.
Wie wurden Bischöfe vor dem Investiturstreit eingesetzt?
Damit gerät das zweite Thema dieses Beitrags in den Blick, die Frage nämlich, wie man im römisch-deutschen Reich vor dem Investiturstreit Bischof wurde. Auf diese Frage gibt es mehrere Antworten, die auf unterschiedlichen Ebenen liegen. Kirchenrechtlich vorgeschrieben war die Wahl des Bischofs durch Klerus und Volk. Damit war keine Wahl nach heutigem Verständnis gemeint, in der jede Stimme gleich zählt und Sieger durch die Mehrheit der Stimmen festgestellt werden. Ziel einer solchen Wahl war es gerade nicht unterschiedliche Auffassungen offenzulegen, sondern Einmütigkeit herzustellen. Resultieren sollte eine solche Wahl aus der Herstellung eines Konsenses, angeleitet durch die führende Persönlichkeit der Diözese (bzw. denen, die gerade vor Ort waren), denen die anderen Anwesenden folgen sollten. Fürstlicher, auch königlicher Einfluss war also kirchenrechtlich zumindest nicht grundsätzlich ausgeschlossen und in Maßen akzeptabel.
In der Praxis war die Wahl von Klerus und Volk vor dem Investiturstreit eine Akklamation – eine Zustimmung zu einer bereits getroffenen Wahl. Im Reich übte der König bzw. der Kaiser oft einen bestimmenden Einfluss auf die Wahl aus. In England war dies ähnlich und auch in Frankreich galt das für die Besetzung einiger Bischofsstühle; die meisten standen jedoch unter fürstlicher Kontrolle. Auch im römisch-deutschen Reich war die Kontrolle des Königs über die Erhebung von Bischöfen nicht vollständig. Dies lag an der zu hohen Anzahl der Bistümer im Reich, zu dem zusätzlich noch die Königreiche Burgund und Italien gehörten. Jedoch war es den Kaisern zumindest im deutschen Reichsteil in der Regel möglich, einen bestimmten Mann nach ihrem Willen als Bischof einzusetzen.
Doch blicken wir in die einzige ausführliche – und daher oft zitierte – Beschreibung des Rituals einer Bischofseinsetzung aus den Jahren unmittelbar vor dem Investiturstreit. Sie wurde um 1071/72 verfasst und betraf Gundekar von Eichstätt, der 1057 ins Amt kam. Von ihm selbst stammt auch der Bericht über das Geschehen.
„Nach diesen [Bischöfen] wurde Gundekar, der geringste der Brüder derselben heiligen Eichstätter Kirche, aber dessen ungeachtet damals Kaplan der Frau Kaiserin Agnes, für eben diesen Sitz am 20. August (…) in Trebur mit dem Ring investiert; und am 3. Oktober wurde er in Gegenwart der folgenden namentlich aufgeführten Bischöfe (…) unter dem einstimmigen Beifall und Votum seines eigenen Klerus, seiner bewaffneten Dienerschaft und auch seiner familia in Speyer mit dem Hirtenstab ausgezeichnet sowie am 17. Oktober durch die Gnade Gottes feierlich auf den Bischofsstuhl gesetzt. Am Tage des heiligen Apostels Johannes (27.12.), der von Gott mehr als alle anderen geliebt worden war, wurde er an einem Ort, der Pöhlde genannt wird, zum höchsten Grad des Priesteramtes befördert. Bei seiner Weihe waren auch zugegen sein Herr, König Heinrich IV., und dessen geliebte Mutter Agnes, die erhabene Kaiserin, welche für ihren Kaplan alles in die Wege leitete, was für seine Weihe notwendig war – als ob sie es für einen Sohn tun müsse. Ferner nahm an derselben Weihe teil der Herr Hildebrand, Kardinalsubdiakon des heiligen römischen und apostolischen Stuhls (…).“
Vier Schritte der Bischofserhebung lassen sich unterscheiden. Zuerst erfolgte am 20. August die Investitur mit dem Ring durch die Regentin, die Kaiserin Agnes, in der Pfalz Trebur am Rhein, die als eine Art Designation zu verstehen ist. Einige Wochen später, am 3. Oktober, erfolgte vor einem größeren Publikum im Rahmen einer Versammlung in Speyer in Anwesenheit vieler Bischöfe, der bischöflichen Kleriker und seiner Ministerialen die Investitur mit dem Hirtenstab. Erst dann verlagerte sich das Geschehen nach Eichstätt, wo am 17. Oktober die zeremonielle Einsetzung erfolgte. Der letzte Akt, die Weihe des Bischofs erfolgte dann nach Weihnachten in Pöhlde im Südharz, hunderte Kilometer von Eichstätt entfernt. Die Weihe führte der zuständige Erzbischof von Mainz durch, wiederum im Rahmen einer größeren Versammlung in Anwesenheit vieler Bischöfe, aber auch des jungen Königs und der Kaiserin und des päpstlichen Legaten Hildebrand. Die Anwesenheit des späteren Papstes Gregor VII. wird besonders betont. Aus seiner Anwesenheit lässt sich schließen, dass er zu jenem Zeitpunkt offenbar keine Einwände gegen die Art der Einsetzung des Bischofs durch die Regentin hatte.
Die Praxis der fürstlichen bzw. königlichen Einsetzung wurde seit der Mitte des 11. Jahrhunderts in reformerischen Kreisen, die den Vorrang des Klerus bei der Wahl für zentral hielten, heftig kritisiert. Humbert von Silva Candida schrieb in seinem bereits zitierten Werk gegen die Simonisten um 1060: „Obwohl die für die gesamte Welt ehrwürdigen und höchsten Bischöfe auf diese Weise unter der Eingebung des Heiligen Geistes vorgeschrieben haben, dass die Wahl des Klerus durch die Billigung des Metropoliten, das Begehren aber von Volk und Stand durch die Zustimmung der Fürsten bestätigt werde, geschieht alles zur Schmähung der heiligen Canones und zum Niedergang der gesamten christlichen Religion in der umgekehrten Reihenfolge; die ersten sind die letzten, und die letzten die ersten. Die weltliche Gewalt ist nämlich die erste bei der Wahl und bei der Bestätigung, dieser folgt – ob sie will oder nicht – die Zustimmung von Stand, Volk und Klerus, und als letztes erst das Urteil des Metropoliten.“
Für Humbert stellte die zeitgenössische Praxis der Besetzung der Bischofsämter eine Verkehrung der Ordnung dar. Humberts Vorwurf, dass die weltliche Seite bei der Auswahl von Bischöfen eine bestimmende Rolle annahm, ist – dem Beispiel Gundekars zufolge – nicht ganz unberechtigt. Jedoch waren andere Auffassungen möglich, denn ganz offensichtlich wurde Gundekar von keinerlei Unrechtsbewusstsein geplagt, sondern hielt seine Einsetzung für eine legitim, ja geradezu ideal, sonst hätte er sie kaum auf diese Weise geschildert.
Ab wann wurde die Laieninvestitur verboten?
Damit kommen wir zum nächsten Punkt: Wann wurde die Praxis der Investitur durch Laien, wie sie bei Bischof Gundekar erfolgte, verboten? Denn aus der Kritik am Verfahren der Bischofseinsetzung, wie sie durch Humbert geäußert wurde, auch konkret auf die Investitur bezogen, lässt sich noch kein allgemeines Verbot der Investitur schlussfolgern.
Mehrere Daten sind für dieses Verbot in Anspruch genommen worden. Der früheste Termin, der in der Forschung genannt wird, bezieht sich auf die Synode von Reims, die 1049 von Leo IX. abgehalten wurde, weil dort die kanonische Wahl der Bischöfe durch Klerus und Volk gefordert wurde. Die Investitur wird jedoch in den Beschlüssen der Synode nicht genannt und inhaltlich bietet der Kanon nur die Wiederholung einer altbekannten Regel.
Diskutabler ist der zweite Termin – das Papstwahldekret Papst Nikolaus II. aus dem Jahr 1059. In den Beschlüssen der Synode heißt es: „Dass kein Kleriker oder Priester eine Kirche durch Laien erhalte, weder umsonst noch für einen Preis“. Die Vergabe von Kirchen durch Laien wird also ausdrücklich verboten. Dennoch können wir diese Stelle nicht von einem Investiturverbot ausgehen. Denn erstens sind Kleriker und Priester erwähnt, nicht ausdrücklich Bischöfe und Äbte, doch ließe sich argumentieren, dass sie und ihre Kirchen mitgemeint waren. Und zweitens: das Ritual der Investitur wird nicht erwähnt. Es geht um die Vergabe von Kirchen insgesamt, nicht um die Art der Einsetzung. Nehmen wir ernst, dass Investitur kein Synonym für „Bischofseinsetzung“ war, können wir das Papstwahldekret nicht als Investiturverbot verstehen.
Über den genauen Zeitpunkt des Verbots der Laieninvestitur ist sich die Forschung jedoch bis heute uneinig. Die Auseinandersetzung um diese Frage, die vor allem von Rudolf Schieffer und Johannes Laudage ausgetragen wurde, dreht sich vor allem um die Bewertung des ersten Belegs für ein Investiturverbot. Der Mailänder Chronist Arnulf schrieb kurz nach der Fastensynode 1075 über die Beschlüsse der Versammlung: „(…) nachdem der Papst in Rom eine Synode abgehalten hatte, untersagte er dem König öffentlich, fortan irgendein Recht auf die zu vergebenden Bischofssitze zu haben, und er entfernte alle Laienpersonen von der Investitur der Kirchen.“
Jedoch bietet dieser scheinbar eindeutige Beleg für ein päpstliches Verbot der Laieninvestitur keine Sicherheit. Das offiziöse Protokoll dieser Synode mit den Beschlüssen, das im Register Gregors VII. überliefert ist, berichtet nichts von einem Investiturverbot und ebenso wenig sind zustimmende oder ablehnenden Reaktionen auf dieses Verbot bekannt. Rudolf Schieffer ging daher 1981 in seiner Arbeit über die Entstehung des Investiturverbots davon aus, dass 1075 kein allgemeines Investiturverbot erlassen worden sei, sondern dass das bei Arnulf überlieferte Verbot speziell auf die Situation in Mailand bezogen sei. Heinrich sei die Ausübung der Investitur in diesem konkreten Fall wegen der Bannung seiner Räte verboten worden. Johann Englberger nahm sogar an, dass Arnulf nicht, wie zumeist angenommen, kurz nach den Ereignissen schrieb, sondern erst nach dem Ausbruch der Auseinandersetzung und die Annahme eines Investiturverbots im Jahr 1075 eine Rückprojektion sei.
Es ist allerdings durchaus möglich, dass es in diesem Jahr tatsächlich ein allgemeines Verbot der Laieninvestitur gab, dieses aber nicht in die überlieferte Liste der Beschlüsse aufgenommen wurde. Johannes Laudage führte an, dass einerseits ein Verbot der Investitur genau in die Entwicklung der päpstlichen Politik der Zeit passe. Die Reaktionen seien andererseits ausgeblieben, weil der Streit mit dem 1076 gebannten Heinrich IV. das Thema zunächst obsolet machte. Für ein Verbot im Jahr 1075 sprechen Laudage zufolge auch zwei Briefe Gregors VII. aus dem Jahr 1078, die auf ein früheres Verbot zu verweisen scheinen.
Bischof Huzman von Speyer habe, so heißt es in einem Brief Gregors, im Frühjahr 1075 „wissentlich und waghalsig entgegen einem Dekret des Apostolischen Stuhls den Bischofsstab aus der Hand des Königs empfangen“; über Rudolf von Amiens soll untersucht werden, ob er „aus schändlichem Ehrgeiz und unüberlegtem Wagnis die Investitur gegen das Dekret einer römischen Synode und des apostolischen Stuhles aus der Hand eines Laien empfangen“ habe. Doch auch hier lässt es sich nicht ausschließen, dass es sich um Einzelfälle handelt. Außerdem beteuerten all diejenigen, die beschuldigt wurden, die Laieninvestitur entgegen genommen zu haben, dass sie nichts von einem Verbot gewusst hätten – ein deutliches Anzeichen für ein geringe Publizität des Anliegens.
Unstrittig sind die beiden nächsten Verbote: Der strenge Legat Hugo von Die, zuständig für Frankreich, verkündete 1077 und 1078 auf Provinzialsynoden in Autun und Poitiers zweimal Investiturverbote, die jedoch keinerlei Geltung für die Gesamtkirche beanspruchen konnten. Der Chronist Berthold von Reichenau überliefert ein päpstliches Investiturverbot für die Fastensynode des Jahres 1078, doch steht er damit völlig alleine, so dass das erste zweifelsfreie Verbot der Annahme der Investitur aus der Hand von Laien auf der Herbstsynode 1078 erlassen wurde. Erst auf der Fastensynode des Jahres 1080 wurde Laien ausdrücklich die Ausübung der Investitur verboten.
Die Laieninvestitur war also in den ersten Jahren des Investiturstreits durchaus umstritten. Es war aber nicht das entscheidende Thema, vor allem nicht am Anfang der Auseinandersetzungen des Investiturstreits, ganz unabhängig von der Frage, ob die Laieninvestitur im Jahr 1075 oder 1078 verboten wurde. Hintergrund der Verbote war nicht unbedingt die Ablehnung des Investiturrituals an sich, sondern die Verquickung mit der Simonie – dies sehen wir etwa bei Humbert, aber auch sonst wird die Investitur für eine Folge oder Begleiterscheinung der Simonie gehalten.
Verschärfungen und Lösungsansätze (1080–1107)
Seit 1080 – also nach dem endgültigen Verbot der Ausübung der Investitur in ein geistliches Amt durch Laien – wird das Thema Investitur immer wieder in Synodalbeschlüssen erwähnt, so in den Jahren 1089, 1095, 1096, 1098 und 1099.
Wirft man jedoch einen Blick in andere Quellengattungen, ist das Thema Laieninvestitur nur wenig präsent. Weder in der Historiographie noch in den Streitschriften findet man vor dem Jahr 1100 größere Reflexionen zu dem Thema. Es gab wichtigere Felder der Auseinandersetzung: Die Schismen – spätesten seit 1084 gab es zwei Päpste und zahlreiche Bistümer im Reich waren doppelt besetzt –, die Eideslösung durch den Papst, die Frage, ob der Papst den König absetzen darf, waren zentrale Themen im polemischen Schriftgut der Zeit. Zu den wenigen Ausnahmen gehört eine Schrift Widos von Ferrara, der das kaiserliche Investiturrrecht 1086 in seiner Schrift De Scismate Hildebrandi offensiv verteidigte.
Fast zeitgleich erscheint in Italien eine andere Art von Texten auf der Bildfläche, die das Investiturrecht des Kaisers zu sichern versuchten, nämlich die falschen Investiturprivilegien. In ihnen wird behauptet, dass Papst Leo III. Karl dem Großen das Recht auf Investitur verliehen habe.
Ab 1100 nahm dann das Interesse an der Investitur sprunghaft zu. Dafür gab es eine Reihe von Gründen. Urban II. und Clemens (III.) starben 1099 bzw. 1100 und Urbans Nachfolger Paschalis II. hatte trotz einiger Versuche in der Stadt Rom keine ernsthaften, vom Kaiser gestützten Rivalen. Ihm bot sich nun die Gelegenheit das Problem grundsätzlich anzugehen. Zudem gab es bald einen neuen König, denn Heinrich V. stürzte im Jahr 1105 seinen Vater, der im Folgejahr verstarb. Heinrich suchte den Ausgleich mit dem Papst, wollte aber nicht auf die Investitur verzichten, weshalb das Thema immer wichtiger wurde. Lösungen fand man zunächst jedoch anderswo.
Lösungsansätze – Saint-Denis und London 1107
Die Fragen, die im Investiturstreit im römisch-deutschen Reich verhandelt wurden, betrafen nicht nur das Kaiserreich, sondern waren für den gesamten Bereich der lateinischen Christenheit akut. Und auch in den beiden anderen großen alten Königreichen dieses Raumes, England und Frankreich, gab es Auseinandersetzungen, die nicht die Heftigkeit des Investiturstreits im römisch-deutschen Reich erreichten, aber dennoch nach einer verbindlichen Lösung verlangten. Dies geschah sowohl in England als auch in Frankeich im Jahr 1107.
Das Verhältnis zwischen den normannischen Königen von England und den Päpsten war ambivalent. Einerseits hatten die Päpste Alexander II. und Gregor VII. die Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer gebilligt und zeigten sich ihm und seinen Nachfolgern gegenüber überwiegend nachsichtig, andererseits hielten die englischen Könige die Päpste auf Distanz: Päpstliche Legaten durften zumeist nicht in den anglonormannischen Herrschaftsraum einreisen. Erst unter Wilhelms jüngstem Sohn Heinrich I., der 1100 auf den Thron kam und dessen Stellung anfangs prekär war, kam das Thema auf der Insel an. 1101 zerstritten sich König Heinrich I. und Erzbischof Anselm von Canterbury über die Frage der Laieninvestitur und das Homagium, den Lehnseid der Bischöfe gegenüber dem König. 1107 kam es im Konkordat von London bzw. Westminster zu einem Kompromiss. Die hier getroffene Vereinbarung beinhaltete im Kern den Verzicht des Königs auf die Investitur der Bischöfe seines Reiches, dafür durfte er ihnen nach wie vor das Homagium abnehmen.
Auch in Frankreich kam es im späten 11. Jahrhundert wiederholt zu Konflikten um die Auswahl und Einsetzung von Bischöfen, Papst Leo IX. hielt 1049 nicht zufällig sein erstes großes Reformkonzil in Reims ab. Gregor VII. und andere Päpste sowie ihre Legaten intervenierten hier häufig, um den König oder einen Fürsten von der simonistischen Einsetzung von Bischöfen abzubringen oder um sie zu Anerkennung eines in römischer Perspektive rechtmäßig gewählten Prätendenten auf den Bischofsstuhl zu zwingen. In den meisten Fällen gaben die Fürsten und König Philipp I. (1060–1108) zumeist nach, zu einem ernsthaften Bruch mit den Päpsten kam es daher zunächst nicht.
Der Bruch zwischen König Philipp und den Päpsten kam aus einem ganz anderen Grund: Im Jahr 1092 verstieß König Philipp seine Ehefrau Bertha – laut dem englischen Chronisten William von Malmesbury war sie ihm zu dick geworden – und nahm sich eine neue Frau; Bertrada von Montfort. Zwar waren Ehen prinzipiell unauflöslich, doch gab es genug Ausnahmen, die eine Trennung rechtfertigen. Das Problem ergab sich in diesem Fall allerdings daraus, dass Bertrada ebenfalls verheiratet war, und zwar mit dem mächtigen Grafen Fulko von Anjou. Mehr-Ehen waren jedoch selbstverständlich verboten.
Phillip und Bertrada versprachen sich zu trennen, setzen dieses Versprechen jedoch zunächst jedoch nicht in die Realität um, was zu einer Exkommunikation führte, welche wieder aufgehoben wurde, als sie sich schließlich doch trennten. Trotzdem bekamen sie drei Kinder, woraufhin sie erneut exkommuniziert wurden, 1104 erklärten sie wiederum ihre Trennung, welche nun wohl tatsächlich erfolgte, und wurden wieder in die Kirche aufgenommen. Seit diesem Zeitpunkt wurde Philipps ältester Sohn aus erster Ehe, der spätere König Ludwig VI. („der Dicke“) vollständig in die Herrschaft integriert und herrschte schon vor Philipps Tod 1108 de facto für seinen zusehends alten und kranken Vater.
Deshalb fällt auch ein Treffen, das 1107 in Saint-Denis vor den Toren von Paris stattfand, und das rückblickend einen epochalen Charakter bekommen hat, vor allem in Ludwigs Verantwortung – das Treffen mit Papst Paschalis II., bei dem das Konkordat von Paris bzw. von Saint-Denis geschlossen wurde. Hier nahm die Annäherung der Päpste an die französischen Könige, die Europa für die nächsten Jahrhunderte prägen sollte, Ihren Ausgang. Über den Inhalt der Gespräche und die dort getroffenen Vereinbarungen haben wir nur andeutungsweise Kenntnisse, denn dieses Treffen ist nur aus einer einzigen, recht spät entstandenen Quelle bekannt, der Lebensbeschreibung Ludwigs des Dicken, verfasst um das Jahr 1140 durch den bei dem Treffen anwesenden Abt Suger von Saint-Denis.
Sugers Bericht über das Treffen zielt vor allem darauf, einen Kontrast zwischen Heinrich V., dem Verfolger der Kirche und seinem Protagonisten Ludwig, der dem Papst Gehorsam und Schutz gegen alle Feinde der Kirche verspricht. Damit beginnt die Annäherung der französischen Könige an die Päpste, die die folgenden Jahrhunderte prägen sollte.
Spätestens mit diesem Treffen dürften die Könige von Frankreich auf die Investitur verzichtetet haben, jedoch ist unsicher, inwiefern sie in Frankreich zuvor überhaupt noch üblich gewesen war. Explizit erwähnt wird sie jedoch nicht.
Die Investitur im Investiturstreit – Fazit
Der Investiturstreit war über einen langen Zeitraum nicht in erster Linie ein Konflikt um die Investitur. Es steht nicht einmal fest, ob die Investitur von Bischöfen und Äbten durch den König 1076/77 beim Ausbruch des Konflikts zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. überhaupt schon verboten war. Auch nachdem dies erfolgte, ganz gleich, ob es 1075 oder 1078 geschah, blieb die Laieninvestitur zunächst ein Randthema in den schweren Auseinandersetzungen zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. und um das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre überhaupt. Erst im Laufe der Zeit rückte das Thema Laieninvestitur in den Vordergrund. Die Investitur – eigentlich ein symbolischer Akt der Einsetzung in ein neues Amt oder ein neues Recht – wurde besonders ab 1100 immer wichtiger. Hintergrund war das Ende des Papstschismas zwischen Urban II. und Clemens (III.) sowie das Ende der Herrschaft Heinrichs IV. Erst seit dieser Zeit und vor allem nach dem Romzug Heinrichs V. im Jahr 1111, die mit der Gefangennahme des Papstes endete, wurde der Investiturstreit wirklich zu einem Konflikt um das Recht des Königs auf die Investitur der Bischöfe und Äbte.
Der Weg zu einer Lösung des konkreten Problems der Investituren wurde 1107 zunächst in England und Frankreich gefunden, wo die Könige auf das Recht zu Investitur ihrer Bischöfe und Äbte verzichteten, aber andere Möglichkeiten des Einflusses auf den hohen Klerus ihrer Reiche sichern konnten.