Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein herzliches Grüß Gott auch von meiner Seite. Ich möchte Ihnen als Impuls drei Gedanken mit auf den Weg geben, die mir während der einleitenden Bemerkungen und auch in Vorbereitung auf diese Veranstaltung gekommen sind.
Die Kraft der Ideen
Als erstes möchte ich Ihnen zurufen: Wir brauchen die Kultur; wir brauchen die Kultur gerade in diesen Zeiten. Und wir brauchen die Kirchen gerade in diesen Zeiten. Es sind Zeiten des Umbruchs. Es sind vielleicht nicht nur Zeiten des Umbruchs, es sind Zeitenwenden – und zwar mehrere, die gleichzeitig stattfinden. Dabei ist es wichtig, dass man Institutionen hat, die Orientierung geben können, wobei es vor allem auf die Kraft der Ideen ankommt. Und wer, wenn nicht Kirche auf der einen Seite und Kultur auf der anderen Seite, sollte leben von der Kraft der Ideen, die jeweils dahinterstehen?
Ich möchte diesen Punkt noch stärken, gerade mit Blick auf die schrecklichen Dinge, die sich in der Ukraine mit dem Angriffskrieg Russlands ereignen. Es ist so eminent wichtig, dass wir in diesen Tagen, in diesen Zeiten auf der Seite der Freiheit stehen, dass wir die Stimme für die Freiheit und für die Menschlichkeit erheben. Und es ist gerade der Kulturbereich, der es als erstes und vielleicht sogar am mutigsten getan hat. Nicht nur hier bei uns, sondern gerade in der Ukraine, aber selbst auch in Russland. Und ich fand das sehr ermutigend. Und deswegen darf ich einfach ganz pauschal Danke sagen an alle, die jeden Tag deutlich machen, dass wir von Voraussetzungen leben, die wir nicht selbst schaffen können und für die es jeden Tag lohnt zu streiten. Wir sollten nicht vergessen, dass wenige 1000 Kilometer von uns entfernt im Moment Krieg herrscht und dort nichts sehnlicher herbeigewünscht wird, als dass wieder Frieden und Freiheit herrschen mögen. Meine Damen und Herren! Danke an alle, die dafür ihre Stimme erheben und ein Zeichen setzen.
Die Corona-Lernkurve
Das zweite – und das wollen Sie wahrscheinlich insbesondere von mir hören: Wir müssen, und da bin ich ganz bei Ihnen, den Boden fruchtbar halten für Kunst und Kultur. Es wächst auch etwas von alleine und es wächst auch, wenn Zeiten der Dürre sind. Aber wir dürfen in Zeiten der Dürre nicht nur auf die Kreativität setzen, sondern es muss uns schon auch etwas wert sein und wir müssen wirklich alles versuchen, auch den Boden fruchtbar zu machen.
Ich weiß, die Zeiten mit Corona waren eine Zumutung – für alle, aber gerade für den Bereich der Kultur in besonderer Weise. Ich weiß auch, dass wir viel geholfen haben, der Bund viel geholfen hat, der Freistaat viel geholfen hat. Und trotzdem gab es ganz viele von Ihnen, wahrscheinlich praktisch alle, die gesagt haben: Ich hätte lieber auf alle Hilfen verzichtet, wenn ich nur irgendwie die Möglichkeit gehabt hätte, meinem künstlerischen Schaffen auch weiterhin nachgehen zu können.
Wir werden die Dinge nicht mehr zurückdrehen können und wir können am Ende nur sagen, dass wir alle miteinander auch erst lernen mussten, wie wir mit einer solchen Ausnahmesituation der Pandemie umgehen. Aber nachdem wir jetzt gelernt haben, ist es mir wichtig zu sagen, dass wir für die nächste Krise, die im Grunde gerade vor uns steht – nämlich die Frage: wie kommen wir energiemäßig über den Winter – gerüstet sind! Wie können wir die neuen Zumutungen abfedern, so dass diesmal die Sterne ein wenig günstiger stehen für den gesamten Kulturbereich?
Ich bin sehr dankbar, dass ich vor zwei Wochen bei der Kultusministerkonferenz in Berlin gesehen habe, dass, anders als in der vergangenen Krise, an Kunst und Kultur nicht zuletzt gedacht wird, sondern dass man hier geradezu proaktiv schon überlegt, finanziell Vorsorge zu treffen, damit nicht erst im Nachhinein versucht wird, zu reparieren, sondern im Vorhinein schon ein wenig Sicherheit zu geben. Es hat mich gefreut, dass die Staatsministerin für Kultur im Bundeskanzleramt, Claudia Roth, in diesen Tagen auch öffentlich gemacht hat, dass gemeinsam die Bereitschaft vorhanden ist, die nicht verbrauchten Coronamittel – immerhin mehr als eine Milliarde Euro – in einen Kulturfonds einzuspeisen, der dann für die Herausforderungen, die jetzt vor uns liegen, bereitsteht.
Ich weiß, es ist erneut nur ein finanzielles Trostpflaster. Aber vielleicht noch wichtiger ist die ergänzende Bemerkung, dass wir gemeinsam alles tun müssen, damit sich in diesem Winter die Möglichkeiten von Kunst und Kultur vollumfänglich entfalten können. Es darf, egal wie schwierig es wird, keinen Energie-Lockdown für die Kultur geben, meine Damen und Herren. Darauf sollten wir gemeinsam hinarbeiten.
Der Aufbruch (Ermunterung)
Und zum dritten, und das ist vielleicht nach dem Dank an erster Stelle und der gemeinsamen Bitte an zweiter Stelle das Signal der Ermunterung an dritter Stelle. Wir merken, nach Corona ist eine neue Zeit. Ich sehe das, wenn ich mir die Besucherzahlen bei unseren großen Kulturinstitutionen anschaue. Da, wo man in der Vergangenheit aus Gewohnheit hingegangen ist, da ist es nicht mehr genauso wie vorher. Aber da, wo ich mich bemühe, etwas Besonderes zu machen – eine Sonderausstellung, eine besondere Performance, ein besonderes Konzert, ein ‚Ereignis‘ – da habe ich im Moment geradezu Rekordbesucherzahlen.
Also es hat sich offensichtlich etwas verändert. Und wenn ich die Vertreter der Kirchen anschaue, mögen sie vielleicht diese Beobachtung sogar teilen. Jedenfalls mir geht es so, wenn ich mir den Sonntagsgottesdienst anschaue. Es ist noch ein bisschen dünner, als es früher schon war.
Was will ich damit sagen? Vielleicht müssen wir auch gemeinsam überlegen, wie wir aus der Kreativität neue Kraft schöpfen können. Nicht einfach den alten Stiefel immer weitermachen, sondern überlegen, wie wir nach den Herausforderungen die Dinge auch neugestalten können. Das zarte Pflänzchen kann ja vielleicht einen neuen Weg eröffnen. Nämlich zeigen, dass man sich gegenseitig inspirieren kann. Die spannendsten Dinge passieren ja heute da, wo sich unterschiedliche Sphären berühren. Und wenn Kirche und Kunst sich auf gemeinsame Wagnisse einlassen, dann können wirklich bezaubernde Dinge passieren.
Manche Stellen werden vielleicht sogar Zumutungen beinhalten, aber gerade daraus erwachsen neue Debatten. Man kann sich reiben, man kommt miteinander ins Gespräch. Man kann Positionen schärfen und man wird sehr schnell auch ein gemeinsames Fundament finden und am Ende vielleicht sogar wieder aus guter Gewohnheit dort hingehen, wo man es eigentlich so guthat. Ich bin da durchaus von Zuversicht getragen, natürlich auch von einer gesunden Portion Gottvertrauen. Und insofern freue ich mich jetzt auf die Diskussion und möchte die Zuversicht gerne an Sie weitergeben, dass Kunst und Kultur keinen schlechten Winter vor sich haben. Und ich möchte Danke sagen, dass die Kirche ihre Räume öffnet und auch die Möglichkeiten schafft, dass wir solche Diskussionen führen können.