Theological trio

Guest: Friedrich Wilhelm Graf

As part of the event "Theological trio", 27.11.2024

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Zum letzten Mal in dieser Besetzung fand das Theologische Terzett am 27. November 2024 statt, denn Annette Schavan wird das Theologische Terzett aus privaten Gründen verlassen. Sie und Prof. Dr. Jan-Heiner Tück hatten sich diesmal den evangelischen Theologen Prof. em. Dr. Friedrich Wilhelm Graf eingeladen, um in bewährter Manier theologische oder für die Theologie relevante Bücher vorzustellen.

Friedrich Wilhelm Graf studierte evangelische Theologie, Philosophie und Geschichte in Wuppertal, Tübingen und München. 1978 wurde er in München zum Dr. theol. promoviert, 1986 folgte die Habilitation. 1992 bis 1996 lehrte er als Ordinarius für Evangelische Theologie und Sozialethik an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Von 1999 bis zum Wintersemester 2013/14 war er in Nachfolge seines akademischen Lehrers Trutz Rendtorff Ordinarius für Systematische Theologie und Ethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 1997 bis 1999 baute er als ein Gründungsfellow zugleich das Max-
Weber-Kolleg an der neugegründeten Universität Erfurt mit auf. Als erster Theologe wurde Graf 1999 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet; außerdem ist er seit 2001 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Zunächst stellte Annette Schavan das Buch Gemeinsinn. Der sechste soziale Sinn von Aleida und Jan Assmann vor. Die beiden Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels präsentierten ihre Ergebnisse aus der Sicht von Kulturwissenschaftler:innen. Sie möchten Facetten öffnen für Demokratieforschung, denn offensichtlich sind Freiheit und Demokratie keine Selbstläufer mehr. Schavan gab zu, dass sie selbst nach
Mauerfall und Wiedervereinigung glaubte, dass Freiheit und Demokratie eine große Ausstrahlung und Attraktivität hätten, was aber inzwischen durch immer mehr Autokraten in der Welt infrage gestellt werde.

Ein zweiter Punkt des Buches sei, dass sich die beiden Autor:innen am berühmt gewordenen Böckenförde-Diktum orientieren: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Dazu zählen sie, was mit Gemeinsinn gemeint ist, sowie dessen Quellen.

Desweiteren würden (historische) Kontexte aufgespürt, die aufzeigen, wie es zum Begriff des „Gemeinsinns“ gekommen sei.

Das zweite Buch des Abends war Christus (m/w/d). Eine Geschlechtergeschichte von Anselm Schubert, das Friedrich Wilhelm Graf vorstellte. Dem Buch liege eine zehnjährige Forschungsarbeit zugrunde, in der der Autor auch abgelegene Quellen ­einbezogen habe. Im eigentlichen Sinne sei das Buch ein Buch zur Christologie, der Lehre von Jesus Christus.

Man wisse nicht viel Gesichertes über die historische Person Jesus. Die Entwicklung der Verehrung habe über die Jahrhunderte dann immer mehr an Auszeichnungen für Jesus Christus erfunden. Die Fragen, denen das Buch nun nachgehe, seien: Wie haben die Theolog:innen darüber gedacht, dass Jesus ein Mann ­war? Und welcher Mann er war?

Dabei stelle sich interessanterweise heraus, dass die Debatten um die Person Jesus Christus, die in den letzten 30 bis 40 Jahren geführt wurden, eigentlich schon immer, also seit der Antike, vorhanden gewesen seien. Und da man eben nicht viel Gesichertes über die Person Jesus Christus wisse, sei er eine ideale Projektionsfläche für alle eigenen Vorstellungen, wie er ausgesehen habe und welchen Charakter er gehabt habe; im Grunde genommen erzähle das Buch eine durchgehende Geschichte von christusbezogenen Projektionen.

Schließlich führte Jan-Heiner Tück in Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt. Das Christentum vor der religiösen Indifferenz von Jan Loffeld ein. Man könne das Buch durchaus als Resonanz sehen auf eine Frage Martin Walsers von vor etwa zehn Jahren: „Was fehlt, wenn Gott fehlt?“ Es fehle die Perspektive einer gnädigen Instanz; und wenn diese Instanz fehle, landeten wir im Reizklima des Rechthabenmüssens, in dem wir heute stehen.

Jan Loffeld diagnostiziert zunächst eine zunehmende religiöse Indifferenz. Trifft das zu? Zunächst sei festzuhalten, dass die klassische Säkularisierungsthese (je moderner die Gesellschaft, desto weniger Religion) längst überwunden sei durch die sogenannte Individualisierungsthese, also einer Nicht-Kirchenzugehörigkeit und einer Abwanderung in spirituelle Splittergruppen. Neueste religionssoziologische Erkenntnisse sagten nun aber: Der Anteil derer, denen Religion, Kirche und Gott völlig egal geworden sei, wachse stetig. Loffeld nennt dies Apa-Theismus, um diese Indifferenz auf einen Begriff zu bringen.

Diese Gleichgültigkeit stelle nun die traditionelle katholische Theologie vor eine enorme Herausforderung, denn man sei bisher davon ausgegangen, dass jeder Mensch aufgrund seiner Gottebenbildlichkeit einen natürlichen Gottesbezug hat. Die Frage sei nun, wie man auf Menschen in einer religiös gleichgültigen, dafür wohltemperierten, bürgerlichen Existenz theologisch und pastoral reagiere.

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