Am 13. Mai 2025 hat die Katholische Akademie in Bayern gemeinsam mit der Deutschen Kommission Justitia et Pax zu einer hochkarätig besetzten Veranstaltung nach München eingeladen. Unter dem Titel Transformation der Landnutzung – Zukunftsverantwortung für Gesellschaft, Politik und Land-Wirtschaft diskutierten Expertinnen und Experten über zentrale Herausforderungen und mögliche Wege hin zu einer zukunftsfähigen Landnutzung in Zeiten von Klimakrise, Artensterben, Flächenkonkurrenz und sozialem Wandel. Die Veranstaltung war Teil der Reihe Forum for Future and Transformation und wurde von zahlreichen Gästen vor Ort sowie über den Livestream auf YouTube verfolgt.
Grundlage der Veranstaltung war eine aktuelle und kontrovers diskutierte Studie der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik mit dem Titel Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität – Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung. Die Studie kritisiert eine Politik, die einseitig auf Produktivitätssteigerung und technologische Effizienz setzt – mit der Folge massiver ökologischer und sozialer Kollateralschäden. Stattdessen fordert sie einen tiefgreifenden Wandel, bei dem Gemeinwohlorientierung, Bodenschutz, Biodiversität und soziale Teilhabe gleichrangige Ziele sind.
Zu Beginn betonten Dr. Achim Budde, Direktor der Katholischen Akademie, und Dr. Jörg Lüer, Geschäftsführer von Justitia et Pax, die Relevanz eines offenen Dialogs über die sozialökologische Transformation und speziell die Frage der Landnutzung. Beide wiesen auf die Notwendigkeit hin, verschiedene gesellschaftliche Gruppen zusammenzubringen und polarisierte Diskurse durch konstruktiven Austausch zu ersetzen. Die Diskussion sollte Missverständnisse ausräumen und gemeinsame Handlungsperspektiven eröffnen.
Podiumsgespräch: Vielfalt der Perspektiven
Im Zentrum der Veranstaltung stand ein moderiertes Podiumsgespräch unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Johannes Wallacher, Präsident der Hochschule für Philosophie München, Moderator des Sachbereichs Entwicklung bei Justitia et Pax und Mitglied des Allgemeinen Rates der Akademie.
Ely Eibisch, Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbands, machte die emotionale Reaktion vieler Landwirt:innen auf die genannte Studie zum Thema. Er erklärte, dass sich viele Landwirt:innen durch Formulierungen in der Studie in ihrer Arbeit nicht wertgeschätzt fühlten – insbesondere angesichts ihrer Leistung für die Ernährungssicherung. Auch die Diskussion um Eigentum als Gemeingut wurde von ihm kritisch betrachtet, da dies bei vielen die Sorge weckte, enteignet oder in ihrer Autonomie eingeschränkt zu werden.
Prof. Dr. Anna Henkel, Soziologin an der Universität Passau, plädierte für eine breitere gesellschaftliche Verantwortungsübernahme. Sie hob hervor, dass Landwirtschaft historisch eng mit der gesellschaftlichen Entwicklung verbunden sei, aber lange wenig Sichtbarkeit im öffentlichen Diskurs gehabt habe. Die gegenwärtige Debatte biete eine Chance, das komplexe Verhältnis zwischen Gesellschaft, Landwirtschaft und Konsum kritisch zu reflektieren. Besonders betonte sie, dass nicht nur Landwirt:innen, sondern auch Verbraucher:innen, Handel und Politik stärker in die Pflicht genommen werden müssten.
Prof. em. Dr. Peter Strohschneider, ehemals Vorsitzender der Zukunftskommission Landwirtschaft, ordnete die Diskussion in den größeren politischen Kontext ein. Er verwies auf den breiten Konsens, der in bisherigen Dialogprozessen – etwa auf EU-Ebene – erzielt worden sei, wonach Landwirt:innen neben Lebensmitteln auch sogenannte „Ökosystemleistungen“ wie CO₂-Bindung, Biodiversitätsschutz und Wasserqualität bereitstellen. Er argumentierte, dass das derzeitige Agrarfördersystem nicht ausreiche, um diese multifunktionalen Leistungen zu honorieren. Vielmehr sei ein Wandel zu einer gezielten Bezahlung gesellschaftlich erwünschter Leistungen notwendig.
Wertschätzung, Gemeinwohl und Marktanreize
Ein zentrales Thema der Diskussion war das Spannungsfeld zwischen ökonomischem Überleben landwirtschaftlicher Betriebe und der gesellschaftlichen Erwartung im Hinblick auf mehr Nachhaltigkeit in der Landnutzung. Diskutiert wurde, ob marktwirtschaftliche Anreizsysteme – etwa Zahlungen für ökologische Leistungen – ein Weg sein könnten, Wertschätzung in konkret wirksame Unterstützung zu übersetzen.
Dabei bestand Konsens darüber, dass pauschale Subventionen weniger zielführend seien als differenzierte Honorierungen, die sich an tatsächlichen Leistungen für Umwelt und Gesellschaft orientieren. Auch wurde betont, dass Bildungsarbeit und Verbraucherbewusstsein eine zentrale Rolle spielen – sowohl bei der Wertschätzung landwirtschaftlicher Arbeit als auch bei nachhaltigem Konsum.
Kulturelle und politische Dimensionen
In einem weiteren Teil der Debatte ging es um politische und kulturelle Rahmenbedingungen. Thematisiert wurde auch die Rolle der Kirche, die sowohl Auftraggeberin der Studie war, als auch als große Landbesitzerin Verantwortung für die Landnutzung wahrnehmen müsste. Gleichzeitig wurde kritisch reflektiert, wie politischer und gesellschaftlicher Diskurs zu landwirtschaftlichen Fragen häufig über Bekenntnisse und Kampfbegriffe geführt wird – was sachorientierte Lösungsansätze erschwert.
Stattdessen plädierten die Podiumsteilnehmer:innen für einen stärker pragmatischen Zugang, bei dem unterschiedliche Interessen ausgeglichen und konkret umsetzbare Kompromisse gefunden werden. Einigkeit herrschte darin, dass die Transformation der Landnutzung nicht allein den Landwirt:innen aufgebürdet werden könne, sondern ein gesamtgesellschaftlicher Prozess sei, der wirtschaftliche, soziale, ökologische und kulturelle Aspekte berücksichtigen müsse.
Conclusion
Die Veranstaltung zeigte eindrücklich, wie groß die Herausforderungen, aber auch die Chancen im Bereich Landnutzung sind. Trotz kontroverser Ausgangspunkte war der Austausch geprägt von der Bereitschaft, unterschiedliche Perspektiven anzuerkennen und gemeinsame Lösungswege auszuloten. Die Studie der Sachverständigengruppe diente dabei nicht nur als Anlass zur Kontroverse, sondern vor allem als Impuls zur Vertiefung eines notwendigen gesellschaftlichen Dialogs über die Zukunft von Landwirtschaft, Ernährung und nachhaltigem Leben.
Der Abend endete mit einem informellen Austausch bei Wein und Brot und diente dazu, die verschiedenen Aspekte der Thematik in kleineren Gesprächsgruppen weiter zu vertiefen. 
