Von Jerusalem nach Rom

Eine Einführung in die Welt der Apostelgeschichte

Im Rahmen der Veranstaltung "Biblical Days - The Acts of the Apostles", 11.04.2022

Wer die Apostelgeschichte liest, begibt sich auf eine so spannende wie abenteuerliche Reise. Der Weg führt über das sturmgepeitschte Meer (Apg 27,20), heraus aus düsteren Kerkern (Apg 12,6–10), hinab von steil abfallenden Stadtmauern (Apg 9,25), hinaus in die Weite der reichsrömischen Antike (Apg 1,8) und hinein in kleine Keimzellen und Hauskirchen des frühen Christentums (Apg 21,8).

Die Apostelgeschichte ist eine besonders aktuelle Schrift des Neuen Testaments. Sie bewegt sich direkt auf ihre Leserinnen und Leser zu: in zeitlicher, räumlicher und auch inhaltlicher Hinsicht.

Im Grunde sind wir – rein zeitlich gedacht – noch immer in der gleichen heilsgeschichtlichen Etappe. Wie die Jüngerinnen und Jünger sind auch wir vor die Aufgabe gestellt, nach dem Leben und Wirken Jesu den Glauben zu verkünden und Zeugen zu sein (Apg 1,8).

Aber auch räumlich bewegt sich die Apostelgeschichte auf ihre Adressaten zu. Die Erzählung beginnt in Jerusalem und setzt sich im Umland von Judäa und Samaria fort. Nach weitschweifenden Reisen gelangt das Evangelium schließlich nach Rom. Die Apostelgeschichte endet in einer Mietwohnung (Apg 28,30), mitten unter den Leuten, quasi an unserer Türschwelle.

Schließlich kann man sich in der Apostelgeschichte auch inhaltlich wiederkennen – wie in einem Spiegel. Damals und heute geht es um das Wachsen und Werden von Gemeinden, um Aufbrüche und Rückschläge, um alte Werte und neue Konzepte und um die stets herausfordernde Inkulturation und Kommunikation des Glaubens.

Zeitlich, räumlich und inhaltlich: Wer die Apostelgeschichte liest, begibt sich auf eine so spannende wie abenteuerliche Reise. Das Ziel der Reise ist man selbst. Unbeteiligt und passiv lässt die Apostelgeschichte ihre Leser jedenfalls nicht. Man kehrt verändert von dieser Lese-Reise zurück. Im Folgenden sollen einige Leseschlüssel und Verständnishilfen den Weg durch die verschlungenen Pfade der Apostelgeschichte erleichtern.

 

Der Autor

Die Apostelgeschichte nennt den Namen des Autors nicht. Sie ist – wie auch alle Evangelien des Neuen Testaments – anonym verfasst. Alter Tradition nach soll die Apostelgeschichte von Lukas geschrieben worden sein: einem Arzt und Begleiter von Paulus. In der Tat zählt Paulus in einem seiner Briefe einen Lukas unter seinen Mitarbeitern auf (Phlm 24). Der Kolosserbrief wiederum weiß von einem Arzt mit Namen Lukas (Kol 4,14). Ist damit der Beweis erbracht, dass die Apostelgeschichte von einem Paulusschüler und Arzt geschrieben wurde? Eine Antwort ist nicht leicht zu geben.

Ein spezifisch medizinisches Interesse lässt sich nämlich weder im Lukasevangelium noch in der Apostelgeschichte feststellen. Von einem Arzt würde man doch detaillierte Krankheitsbeschreibungen oder eine kritische Auseinandersetzung mit Therapien und Wundern erwarten dürfen!

Der zweite Teil der Apostelgeschichte widmet sich fast ausschließlich den Reisen des Paulus. Zudem finden sich im Lauf der Erzählung Passagen, die in der ersten Person Plural gehalten sind. Der Autor zeigt sich als Teil des Geschehens und berichtet als Augenzeuge: „So brachen wir von Troas auf und fuhren auf dem kürzesten Weg nach Samothrake und am folgenden Tag nach Neapolis.“ (Apg 16,11) Was die Biografie des Völkerapostels betrifft, so unterscheidet sich die Apostelgeschichte aber von den Aussagen des Paulus in seinen eigenen Briefen. Zudem findet keine intensive Auseinandersetzung mit der Theologie von Paulus statt. Große paulinische Begriffe bleiben unerwähnt, so dass auch hier gelten muss: Stichhaltige Beweise für die Abfassung der Apostelgeschichte durch einen Paulusschüler gibt es nicht. Der Autor bleibt – trotz der alten Tradition aus patristischer Zeit, die ihn Lukas nennt – historisch kaum greifbar.

Als Forschungskonsens darf gelten, dass die Apostelgeschichte und das Lukasevangelium zusammengehören. Sie bilden ein Doppelwerk, dessen Teile wohl jeweils eine Schriftrolle füllten. Beide Werke sind Theophilus gewidmet (Lk 1,3; Apg 1,1) und wenden sich somit an ein und denselben Adressatenkreis. Auch inhaltlich stellt der Anfang der Apostelgeschichte die Beziehung zum Lukasevangelium her: „Den ersten Bericht, hochverehrter Theophilus, habe ich über all das verfasst, was Jesus zu tun und zu lehren begonnen hat.“ (Apg 1,1)

Wir haben einen begnadeten Erzähler vor uns. Durch die Art der Darstellung, die einleitenden Worte und die Erzählformen beansprucht dieser Autor einen Platz unter den Historiografen seiner Zeit. Er erzählt, so wie man dies von guter Geschichtsschreibung erwartete: Teil der Darstellung sind Schiffsreisen und Gerichtsprozesse, selbstgestaltete Reden und wendige Zusammenfassungen. Die Erzählung soll auch unterhalten. Unser Autor – nennen wir ihn mit der altkirchlichen Tradition Lukas – beschreibt die Ereignisse mit einem Augenzwinkern.

Anschaulich wird geschildert, wie sich die Predigt von Paulus in Troas übermäßig in die Länge zieht. Kerzen brennen im kleinen Versammlungsraum. Der Sauerstoff wird knapp. Einem jungen Mann mit Namen Eutychus fallen die Augen zu. Er kippt schlaftrunken aus dem offenen Fenster, in dem er saß (Apg 20,9).

An dieser kleinen Episode wird deutlich, dass es nicht nur um die Darstellung einer vermeintlich exakten Vergangenheit geht. Für einen antiken Historiografen wäre dies viel zu wenig. Die Geschichte soll die Leserinnen und Leser ansprechen und faszinieren. Der Autor will eine lebendige Vorstellung von der Geschichte vermitteln und die Bedeutung der Ereignisse freilegen.

 

Fakt oder Fiktion?

Wie wahr ist die Apostelgeschichte? Seit Generationen treibt diese Frage die Forschung um. So viel vorweg: Einen faktentreuen Bericht wird man in der Apostelgeschichte sicher nicht sehen können. Fakt und Fiktion gehen in der Erzählung eine ganz eigene, aber eben auch bezaubernde Verbindung ein.

In seinem Lehrbuch über die Redekunst beschreibt Quintilian gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. die Zielsetzung eines antiken Historiografen: Dieser solle durch die Art der Darstellung bewirken, dass die Leser meinen, „die früheren Jahrhunderte selbst miterlebt“ (Institutio Oratoria 12,4,2) zu haben. Die Leser sollen förmlich ins Geschehen hineingezogen werden und den Eindruck gewinnen, Teil der Ereignisse zu sein. Nicht um ein abstraktes Faktenwissen geht es dem antiken Historiografen, sondern um die Vermittlung einer erlebnisechten Vorstellung. Der Autor – so Quintilian weiter – würde erreichen, „dass die Geschehnisse bar vor Augen liegen, wenn sie dem Wahren ähnlich wirken, und es wird erlaubt sein, auch fälschlich alles Mögliche hinzuzudichten, was zu geschehen pflegt“ (Institutio Oratoria 8,3,70).

So ist das auch in der Apostelgeschichte. Der Autor koloriert, redigiert, arrangiert, komprimiert, expliziert und fabuliert teilweise auch. Er erfindet manches hinzu und gestaltet ihm vorliegende Traditionen aus und um. Es werden Reden entworfen und markanten Persönlichkeiten in den Mund gelegt: Petrus, Paulus oder Jakobus. Der Autor nimmt sich viel Freiheit, um die Geschichte erlebbar zu machen und in die Vorstellungswelt der Adressaten zu übersetzen.

In seiner Anleitung „Wie Geschichte zu schreiben ist“ fasst Lukian dies treffend zusammen: „So ist von solcher Art das Werk des Geschichtsschreibers: die Geschehnisse gut anzuordnen und kraftvoll auf das Anschaulichste darzustellen. Und wenn ein Zuhörer danach meint, das Berichtete zu sehen, und so zum Lob veranlasst wird, dann in der Tat hat er (sc. der Geschichtsschreiber) sorgfältig gearbeitet.“ (Historia Conscribenda 51)

Kurzum: Der antike Historiograf blickt nicht nur auf Ereignisse zurück. Er schaut – vielleicht mehr als auf die Vergangenheit – auf die Gegenwart der Leser. Ihn treibt die Frage um, was die Ereignisse von einst bedeuten und was sie bewirken wollen.

Ist die Apostelgeschichte wahr? Auf einer rein faktischen Ebene lässt sich das sicherlich nicht sagen! Aber der Sache nach möchte der Geschichtsschreiber durchaus Wahres erzählen. Auch erfundene Darstellungen können eine treffende Vorstellung von den Geschehnissen vermitteln. Manchmal sind frei erfundene Erzählungen wahrer und treffender als eine leblose und nichtssagende Schwarzweißfotografie. Die Apostelgeschichte ist ein farbenfrohes Gemälde, aber deswegen ja nicht falsch. Sie macht die Bedeutung der Geschichte fassbarer als jeder krude Bericht.

 

Die Adressaten

Über die ursprünglich anvisierten Leser der Apostelgeschichte ist viel diskutiert worden. Mich überzeugt nach wie vor die Ansicht, dass die Apostelgeschichte dort endet, wo ihre Adressaten sind: in Rom, mitten unter den Leuten.

Die Apostelgeschichte entsteht gegen Ende des 1. oder zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. Es ist eine Zeit des Übergangs. Immer deutlicher werden die Christinnen und Christen inmitten der reichsrömischen Gesellschaft sichtbar. Sie fallen auf durch eigene Gebete und eigene liturgische Feiern, durch die Verehrung eines gekreuzigten Verbrechers, durch das Praktizieren eigener Werte und das Lesen eigener Schriften… Doch Juden sind sie nicht. Heiden sind sie nicht. Sie stehen als Außenseiter in der Landschaft des Römerreichs.

Die Apostelgeschichte will Versöhnung stiften und die Christen verteidigen. Nicht von ungefähr wird von vielen Gerichtsprozessen erzählt. Wiederholt stehen Petrus, Johannes und Paulus vor Gericht. Sie verteidigen sich und den Glauben der Christen. Die Botschaft ist eindeutig: Christen sind keine Verbrecher. Sie teilen die edelsten Ansichten ihrer Mitbürger und überbieten sogar noch die gesellschaftlichen Werte Roms.

Die Adressaten der Apostelgeschichte bedürfen der Erinnerung. Wo kommen wir her? Wie verlief der Weg? Sind wir noch auf dem richtigen Weg? Es sind Fragen, welche die dritte Christengeneration bestimmen: Fragen, die nach dem Tod der Augenzeugen und der Gründergestalten laut werden. Der Blick zurück dient der Orientierung. Lukas arbeitet in seiner Geschichtsdarstellung prägende Merkmale von Christsein und Glaube heraus. Er verklärt den Anfang und zeichnet mit satten Pinselstrichen. Der Anfang wird zur idealen Normzeit und zur Kompassnadel, um jetzt auf Kurs zu bleiben.

In der Adressatengemeinde herrschen soziale Spannungen: Konflikte zwischen armen und reichen Gemeindemitgliedern. Die soziale Praxis scheint zu erlahmen. Deutlich erinnert die Apostelgeschichte an die sozialen Folgen und Aufgaben des Christseins. Die Urgemeinde wird als eine besitzteilende Gütergemeinschaft präsentiert: „Sie hatten alles gemeinsam“ (Apg 2,44; 4,32); „keiner litt Not“ (Apg 4,34); für die Versorgung von Witwen und Waisen werden Verantwortliche benannt (Apg 6,1–7).

Es ist eine bewegte Zeit, in der und für die Lukas die Apostelgeschichte schreibt. Es geht um das eigene Profil und Selbstverständnis, um die Frage nach Abgrenzung und Anpassung, um die Inkulturation und Kommunikation des Glaubens. Die Adressaten der Apostelgeschichte gleichen uns wie ältere Geschwister: Die Aufgaben und Herausforderungen damals haben noch heute nichts an Brisanz und Aktualität eingebüßt.

 

Das Werk

Erzählverlauf und Aufbau der Apostelgeschichte lassen sich gut anhand von drei zentralen Orten nachvollziehen.

Alles beginnt in Jerusalem. Hier werden die Jünger vom Auferweckten unterwiesen. Anders formuliert: Sie ermessen – inhaltlich und theologisch – das Lebenswerk und die Botschaft Jesu. Sie begreifen, dass sich nun nach der Himmelfahrt und dem Abschied von Jesus ihre Rolle ändert: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde.“ (Apg 1,8) Jerusalem – als von alttestamentlicher Verheißung getränkter Boden – ist der Ort der Geistsendung: Die Endzeit bricht an; der Geist ist ausgegossen. Die Pfingsterzählung illustriert mit tief theologischen Motiven und Farben das Wesen und die Funktion des Geistes im Leben der ersten Christen. Im Anschluss an die Pfingsterzählung beschreibt Lukas in eindrücklichen Bildern das Leben der Urgemeinde: Der Geist bewegt die Menschen zu einer neuen Form solidarischen Handelns!

Doch auch das Leben der frühen Christen verläuft nicht konfliktfrei. Auch die Urgemeinde weiß um Spannungen. Es kommt zum Streit zwischen Hebräern und Hellenisten, zwischen dem aramäisch-sprachigen und dem griechisch-sprachigen Teil der Jerusalemer Gemeinde. Um den Konflikt zu beenden, wird ein Gremium von sieben Diakonen installiert: Sie sollen für die tägliche Versorgung der Witwen und Waisen Sorge tragen. Stephanus ist einer der Diakone. Er wird unter der Regie von Paulus gesteinigt.

Die Christen werden aus Jerusalem vertrieben und ins Umland versprengt. Der zweite Teil der Apostelgeschichte beginnt. Das Christentum fasst Fuß in den Gebieten von Judäa und Samaria. Wie so oft in der Apostelgeschichte ist der Konflikt nur ein willkommener Nährboden für weiteres Wachstum: für die Ausbreitung des Glaubens. Die Vertreibung ermöglicht erste zaghafte Verkündigungsversuche und beschert erste Missionserfolge: Es kommt zur Bekehrung des äthiopischen Kämmerers (Apg 8,26–40) und des römischen Hauptmanns Cornelius (Apg 10). Vor allen Dingen aber wird Paulus – der erbitterte Gegner – ein Christ (Apg 9,1–19).

Den entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte stellt jene Versammlung in Jerusalem dar, von der in der Mitte der Apostelgeschichte erzählt wird (Apg 15). Es soll die Streitfrage geklärt werden, ob Menschen aus der Völkerwelt Christen werden können. Welche Bedingungen müssen erfüllt werden? Müssen Heiden zunächst Juden werden, um Christ sein zu können? Muss man sie beschneiden und auf das jüdische Gesetz verpflichten? Feierlich klingen die Worte am Ende der Versammlung: „Der Heilige Geist und wir haben
beschlossen, euch (sc. den Heiden) keine weitere Last aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden.“ (Apg 15,28–29)

Das ist der Durchbruch. Im dritten Teil explodiert die geographische Perspektive. Paulus trägt das Evangelium an die verschiedensten Orte und in die – von Jerusalem aus gesehen – denkbar entlegensten Kulturkreise: vor Philosophen und Handwerker, zu Juden und Griechen, vor einfache Bürger und politische Mandatsträger. Was die Apostelgeschichte hier beschreibt, ist in der Tat der „Siegeszug des Evangeliums“. Mit Rom, dem letzten Ort der Apostelgeschichte, ist zwar nicht das Ende, aber doch der Nabel der Welt erreicht. Rom ist der ideale, aussagekräftige und hoffnungsfroh stimmende Schlusspunkt der Erzählung: Nun stehen dem Evangelium – von der Hauptstadt des Reiches aus – alle Wege offen!

 

Große Gestalten

Nicht weniger als 117 Personen treten im Lauf der Apostelgeschichte namentlich auf. Das muss man sich vorstellen: 117 verschiedene Personen, Namen, Gesichter und Biografien. Die Apostelgeschichte ist der Namensspeicher des Neuen Testaments!

Lukas lässt durch diese zahlreichen Portraits etwas deutlich werden: Wenn der Glaube wachsen soll, wenn die Verkündigung gelingen soll, dann durch das persönliche Zeugnis. Die Verkündigung braucht Menschen-Medien und Vorbilder: Namen und Personen, die individuelle Biografie und das persönliche Zeugnis.

Die Liste ist lang. Sie umfasst Petrus, Paulus, Stephanus, Philippus und Cornelius, aber auch Lydia, Tabita und Priszilla. Ohne diese starken und mutigen Frauen lässt sich die Ausbreitung des frühen Christentums überhaupt nicht erklären. Die Geschichte lebt vom Einsatz jedes und jeder Einzelnen: 117 verschiedene Personen, Gesichter, Beispiele…

Das ist, wie wenn Lukas sagen wollte: Du suchst Vorbilder? Hier sind sie! Du brauchst Beispiele? Dann schau hin! Ihr fragt, wie es konkret weitergehen soll? Lasst euch von diesen Figuren an der Hand nehmen. Sie sind überzeitliche Modelle!

 

Ein offenes Ende

Die Apostelgeschichte entführt uns auf eine so spannende wie abenteuerliche Reise. Am Ende angekommen, bleibt man jedoch fragend und verwundert stehen. Die Schlussworte der Apostelgeschichte lauten nämlich: Paulus „blieb ganze zwei Jahre in seiner eigenen Mietwohnung und nahm alle auf, die zu ihm kamen. Er predigte das Reich Gottes und lehrte über den Herrn Jesus Christus mit allem Freimut, ungehindert.“ (Apg 28,30–31)

Paulus ist in Rom angekommen. Er steht unter Bewachung und ist gefangen in seinen eigenen vier Wänden. Er wartet auf seinen Prozess und das Urteil. Lukas aber schildert nicht den Ausgang des Verfahrens. Am Ende steht nicht das Martyrium von Paulus. Die Biografie des Völkerapostels wird nicht zu Ende erzählt.

Immer wieder wurde die Frage laut, ob diese Verse überhaupt das richtige und passende Ende des Werks sein können. Ging ein Teil des Werks verloren? Wollte Lukas noch einen dritten Teil schreiben? Mitten in der Verkündigung von Paulus reißt die Erzählung der Apostelgeschichte ab.

Und das ist gut so! Lukas stellt an das Ende seines Werks keinen Grabstein, sondern ein Denkmal. Er prägt den freimütigen Verkündiger Paulus ein. Er setzt keinen Punkt hinter die Erzählung, sondern einen Doppelpunkt: Die Leserinnen und Leser können an die Biografie von Paulus anknüpfen, dort weitermachen, wo die Geschichte endet. Paulus gibt den Stab weiter. Das Evangelium wurde unter großen Mühen nach Rom gebracht: bis an die Türschwelle der Adressaten. Ihre Aufgabe ist es nun, fortzuführen, was die Urahnen des Glaubens begonnen und bezeugt haben.

Insofern endet die Apostelgeschichte gar nicht. Sie öffnet sich immer wieder auf neue Lebenswelten hin. Sie erzählt von einer Geschichte, die von weit herkommt, aber immer wieder ins Leben und die Biografie ihrer Leserinnen und Leser münden will. Wir sind noch immer in derselben Geschichte!

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