Of canon law impasses and the need for reform

Der Codex von 1983 als vorläufiger Endpunkt und Absicherung des Papstes als absolutistischer Wahlmonarch

Im Rahmen der Veranstaltung "150 years of infallibility", 20.05.2021

Die langen Schatten, die vom I. Vatikanum auf die geltenden kirchlichen Gesetzbücher (CIC von 1983; CCEO von 1990) fallen, sind das Thema, um das es hier gehen soll. Die Kodizes von 1983 und 1990 rezipieren in rechtlich verbindlicher Form den auf dem I. Vatikanum in feierlicher Form verbindlich gelehrten unkonditionierten Jurisdiktionsprimat und den nur peripher rechtlich eingehegten Lehrprimat des Papstes. In der binnenkirchlichen, aber auch theologischen Wahrnehmung konzentriert sich die Aufmerksamkeit oft auf den Lehrprimat des Papstes, wobei mit meinem Münsteraner Kollegen Hubert Wolf zutreffend angemerkt werden muss, dass dieser faktisch keine Rolle seit 1870 spielt und bisher nur beim Mariendogma 1950 zur Anwendung kam. „Die Bischöfe scheinen nicht verstanden zu haben, dass der Jurisdiktionsprimat viel größere Auswirkungen hat als die Unfehlbarkeit. Bismarck sagte zu Recht: Die Bischöfe werden dadurch zu Oberministranten des Papstes und merken es gar nicht“, so Wolf.

Kirchenrechtlich und kirchenpolitisch viel entscheidender ist der inzwischen kodikarisch einzementierte und dadurch noch einmal hypostasierte Jurisdiktionsprimat des Papstes. Verfassungsrechtlich mutiert der Papst somit zu einem absolutistischen Wahlmonarchen, der als Herrscher des Rechts kirchenrechtlich schalten und walten kann, wie er möchte, ohne seine Entscheidungen begründen oder gar gerichtlich überprüfen lassen zu müssen. Dies mag die auch in der säkularen Öffentlichkeit unverkennbare Faszination für dieses religiöse Amt erklären, die nicht nur bei der archaisch anmutenden Papstwahl zu beobachten ist.

Im Folgenden wird es 1. um den Lehrprimat, dann 2. um den Jurisdiktionsprimat des Papstes gehen, um schließlich 3. der immer noch populären These nachzugehen, das II. Vatikanum habe durch Lumen Gentium und Christus Dominus den Papst in das Bischofskollegium wieder eingebunden und die Diözesanbischöfe wieder mit ihrer vollen Amtsgewalt ausgestattet. Enden wird es mit einem Ausblick, wie gerade auch aus ökumenischer Perspektive die Entscheidungen auf dem I. Vatikanum dogmatisch und davon abgeleitet auch kirchenrechtlich wieder „abgerüstet“ werden können.

 

Lehrprimat des Papstes

Bekanntlich wird auf dem I. Vatikanum nach langem Ringen in der Dogmatischen Konstitution Pastor aeternus im IV. Kapitel über die Unfehlbarkeit im Lehren des Papstes gehandelt. Die entscheidende Passage lautet: „Wenn der Römische Bischof ´ex cathedra´ spricht, das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen kraft seiner höchsten Apostolischen Autorität entscheidet, dass eine Lehre über den Glauben oder das sittliche Leben von der gesamten Kirche festzuhalten ist, dann besitzt er durch den ihm seligen Petrus verheißenen göttlichen Beistand jene Unfehlbarkeit, mit welcher der göttliche Erlöser seine Kirche in einer zu entscheidenden Lehre über den Glauben oder das sittliche Leben ausgestattet wissen wollte. Daher sind solche Entscheidungen des römischen Papstes aus sich heraus, nicht aber aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich.“

In Lumen Gentium (LG) wird in Art. 25 diese Lehre bestätigt und perpetuiert. Im Lehrrecht des Codex wird dieser konditionierte Lehrprimat des Papstes in c. 749 § 1 CIC aufgegriffen. Er lautet: „Unfehlbarkeit im Lehramt besitzt kraft seines Amtes der Papst, wann immer er als oberster Hirt und Lehrer aller Gläubigen, dessen Aufgabe es ist, seine Brüder im Glauben zu stärken, eine Glaubens- oder Sittenlehre definitiv als verpflichtend verkündet.“

Lehrrechtlich wird der Gegenstand der unfehlbaren Lehre auf die Glaubens- und Sittenlehre beschränkt; „für andere Fragen hat der Papst kein unfehlbares Lehramt“ (H. Mussinghoff). Hinzu treten gewisse Förmlichkeiten, an denen die Gläubigen unzweifelhaft erkennen können, dass es sich um einen solchen primatialen Lehrakt handelt. Aus LG 25 entlehnt und gefordert werden muss, dass der Papst zunächst erkennbar als oberster Hirte und Lehrer aller Gläubigen lehren muss; nicht nur als Bischof von Rom, nicht nur an einzelne Gläubige, sondern an alle Gläubige – und damit ist auch die Stärkung der Brüder im Bischofsamt gemeint!

Dann muss es eine rechtlich zwingend erkennbare definitive Lehrvorlage (definitivo actu) geben – also eine weitere wichtige formale Bedingung. Dieser Passus stammt aus LG 25c. Definitivo actu, definitive und definita sind lehrrechtliche Synonyme und mit ihnen wird die endgültige, abschließende Entscheidung bezeichnet, dass es sich um eine unfehlbar vorgelegte Glaubens- und Sittenlehre handelt. Dabei bedeutet definitiv kanonistisch Irreformabilität; definitive Entscheidungen sind also unwiderruflich und unanfechtbar. Es muss also diese Endgültigkeit im vorgelegten, unfehlbar gelehrten päpstlichen Lehrakt erkennbar sein (vgl. auch c. 749 § 3 CIC).

Rechtsgeschichtlich und damit auch lehrrechtlich kann nur an einem Beispiel überprüft werden, wie tatsächlich so ein primatialer unfehlbarer Lehrakt des Papstes aussieht, nämlich das Mariendogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel vom 1.11.1950. Matthias Daufratshofer konnte nachweisen, dass Papst Pius XII. entgegen dem Wortlaut des ex sese (aus sich selbst heraus) und in Applikation der Minderheitenposition auf dem I. Vatikanum „vom Drehbuch Pastor aeternus abwich. Indem er – wie es Kardinal Guidi auf dem I. Vatikanum gefordert und damit Papst Pius IX. zu einem Zornausbruch gebracht hatte – nämlich vorgängig den „breitmöglichsten Konsens“ einholte, „von Kardinälen, dem Weltepiskopat, den theologischen Fakultäten und den Gläubigen“.

Damit drehte Pius XII. ein Dogma, was das Procedere angeht, in sein Gegenteil um. Wir können mit Daufratshofer von einer „Neuerfindung“ des Unfehlbarkeitsdogmas sprechen, bei dem zudem, weil für die leibliche Aufnahme Mariens keine eindeutigen Schrift- und Traditionsbelege vorlagen, der sensus fidelium als eigentliche Begründung für das Dogma herhalten musste und somit einen faktischen Beitrag zur Dogmenentwicklung leistete. Inwiefern dieser einmalige Akt aus 1950, dessen Vorgeschichte wir nun genau rekonstruiert kennen, paradigmatisch auf die Zukunft wirken wird, ist eine offene Frage.

Die Zurückhaltung der Pius XII. folgenden Päpste spricht zumindest Bände, was deren offenkundige Vorsicht angeht, von diesem Lehrprimat aktiv Gebrauch zu machen. Nur einmal, nämlich bei Ordinatio sacerdotalis (1994) hat Papst Johannes Paul II. im Grenzbereich zu dieser Möglichkeit agiert und Kardinal Meisner zur unvorsichtig spontanen Reaktion veranlasst, hier läge eine Ex-cathedra-Entscheidung vor. Der Kölner Kardinal brauchte dann sehr schnell lehrrechtliche Pannenhilfe von Kardinal Josef Ratzinger, um diese unüberlegte Einschätzung zu revidieren.

Lehrrechtlich spielt der Lehrprimat seit 1870 dementsprechend keine oder nur eine marginale Rolle. Aus meiner Sicht entscheidender ist eine andere lehrrechtliche Entwicklung im Pontifikat von Papst Johannes Paul II. Orchestriert und gestützt durch seinen langjährigen Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Kardinal Ratzinger, wurde der Gegenstandsbereich unfehlbarer Lehren des Papstes und des Bischofskollegiums mit und unter seinem Haupt, dem Papst, auf den Sekundärbereich der Dogmen ausgeweitet. Mit dem Moto Proprio Ad tuendam fidem vom 18.5.1998 wurden Lehren identifiziert, die mittelbar mit Offenbarungswahrheiten zusammenhängen und ohne die deren Existenz gefährdet wäre. Gleichzeitig wurde das Lehrrecht im c. 750 CIC um einen neuen Paragraphen ergänzt, der lautet: „Fest anzunehmen und zu bewahren ist auch alles und jedes, was bezüglich der Glaubens- und Sittenlehre vom Lehramt der Kirche endgültig vorgelegt wird, nämlich was zur unversehrten Bewahrung und zur getreuen Auslegung des Glaubensgutes erforderlich ist; deshalb widerspricht der Lehre der katholischen Kirche, wer solche endgültige zu haltende Lehren ablehnt.“

Während in c. 750 § 1 CIC credendam als Antworthaltung auf unfehlbar gelehrte Dogmen steht, die bei Ablehnung den Glaubenstraftatbestand der Häresie bedeuten würde, finden wir in c. 750 § 2 CIC tenendam, zu halten und die Androhung in c. 1371, 1 CIC einer gerechten Strafe. So wurde, abgesichert auch durch den Katechismus, ein zweiter Dogmenbegriff, quasi ein Dogma light, eingeführt und auch bei Nichtbeachtung unter Strafe gestellt. Schaut man sich 1998 die Erklärung der Glaubenskongregation an, welche Themen unter den c. 750 § 2 CIC fallen – z. B Ungültigkeit der Anglikanischen Weihen, Frauenordination – und auch 1995, als Kardinal Ratzinger die Möglichkeit nicht ausschloss, Ordinatio sacerdotalis auch upgraden zu können von einem Dogma light zu einem Dogma im Vollsinn des Wortes, dann wird deutlich, wie sehr der Lehrgegenstand unfehlbaren Lehrens fast stillklammheimlich deutlich ausgeweitet wurde.

Und es kommt noch ein Aspekt hinzu: schon auf dem II. Vatikanum und in seinem Anschluss in der dogmatischen und kirchenrechtlichen Fachdiskussion konnte nicht abschließend geklärt werden, wie man einen Akt des unfehlbaren Lehrens des über den Erdkreis verstreuten Bischofskollegiums lehrrechtlich feststellen kann. In den letzten Jahrzehnten, vor allem bei Ordinatio sacerdotalis, bedienten sich die Päpste des Tricks, als Haupt des Kollegiums zu postulieren, man stelle in synchroner und diachroner Perspektive einen unfehlbaren Lehrakt des Bischofskollegiums fest und lege ihn der Kirche als zu glauben vor. Heißt: es braucht gar kein Rekurrieren auf den Lehrprimat mehr, sondern beginnend vor allem mit Papst Johannes Paul II. hat man neue lehrrechtliche Figuren auch kirchenrechtlich implementiert, die a.) zu einer Ausweitung des Lehrgegenstandes und b.) zu neuen Formen der Dogmatisierung von Glaubenswahrheiten geführt haben.

 

Jurisdiktionsprimat des Papstes

Im Unterschied zum Lehrprimat erweist sich kirchenrechtlich der Jurisdiktionsprimat als wesentlich wirkmächtiger. Dabei handelt das kirchliche Gesetzbuch auf den ersten Blick erstaunlich genug nur in fünf Kanones (cc. 331–335 CIC) smart über das Amt des Papstes. Doch diese Normen haben es in sich und der unkonditionierte Jurisdiktionsprimat kommt vor allem und zentral in c. 331 CIC zur Sprache, der bis in die Formulierungen die entscheidenden Passagen aus Pastor aeternus übernimmt.

Er lautet: „Der Bischof der Kirche von Rom, in dem das vom Herrn einzig dem Petrus, dem Ersten der Apostel, übertragene und seinen Nachfolgern zu vermittelnde Amt fortdauert, ist Haupt des Bischofskollegiums, Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche hier auf Erden; deshalb verfügt er kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann.“

Dieser Kanon übersetzt Pastor aeternus eins zu eins ins kirchliche Recht und sichert den unkonditionierten Jurisdiktionsprimat. Diese Gewalt ist Höchstgewalt, d.h. es gibt keine höhere Instanz, die wie etwa beim Konstanzer Konzil über den bzw. hier historisch über die Päpste richten könnte. Sowohl rechtliche wie aber auch lehramtliche Entscheidungen des Papstes sind nicht anfechtbar und wer dies versuchen würde, etwa indem er ein Konzil anrufen würde, würde nach c. 1372 CIC bestraft. Der Papst kann demnach auch nicht vor ein kirchliches Gericht gezogen werden, das seine Entscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft (vgl. c. 1404 CIC).

Sodann wird die Jurisdiktionsgewalt als Vollgewalt gekennzeichnet, d.h. es gibt keinen Bereich, den der Papst nicht letztverbindlich entscheiden könnte. Der Papst ist „höchster Gesetzgeber“ der Kirche, „höchster Richter und Letztentscheider im Bereich der kirchlichen Verwaltung“ (G. Bier). Allein dem Papst kommt es zu (Kompetenz-Kompetenz) zu entscheiden, in welchen Segmenten des kirchlichen Lebens auch andere kirchliche Entscheidungsträger wie etwa Diözesanbischöfe eigenständig entscheiden können. Gewaltenteilung kennt das kirchliche Recht nicht, nur eine funktionale Unterscheidung der Gewalten. Dies gilt auch für die Amtsgewalt der Diözesanbischöfe.

Weiterhin wird diese päpstliche Gewalt als unmittelbar und universal bezeichnet. Dies bedeutet, dass der Papst seine Jurisdiktionsgewalt weltweit und gegenüber jedermann und jederfrau einsetzen kann. Dabei muss er nicht die Diözesanbischöfe informieren, hat aber rechtlich auch zur Folge, dass jeder Katholik sich auch direkt an den Papst wenden kann.

Der abschließende Nebensatz in c. 331 CIC, dass der Papst seine Gewalt immer frei ausüben kann, zielt historisch darauf ab, dass es durchaus in der Geschichte des Papsttums zu staatlichen Invektiven gegen konkrete Päpste gekommen ist und zum anderen keine kirchliche Institution den Papst in seiner Freiheit des Handelns einschränken darf. Der Papst ist immer Herr seiner eigenen Amtsgeschäfte, entscheidet selbst über die rechtliche Bindungskraft der von ihm promulgierten Gesetze, was in der Kanonistik mit dominus canonum, Herr der Gesetze, umschrieben wird.

Hinzu kommt, dass der Papst nach c. 333 CIC „einen Vorrang ordentlicher Gewalt auch über alle Teilkirchen und deren Verbände“ ausübt. Der Papst kann also jederzeit direkt in die Entscheidungsprozesse einer Diözese intervenieren und die Sache an sich ziehen. In der dogmatischen und kirchenrechtlichen Literatur gibt es gelegentlich Versuche, diesen Kanon in seiner Wirkung runter zu spielen, indem auf die Kraft des Hl. Geistes und die Situation einer außerordentlichen Notsituation einer Diözese hingewiesen wird. Davon steht aber nichts im Wortlaut der Norm, so dass es wiederum in der Kompetenz-Kompetenz des Papstes liegt, ob ein Sachverhalt in einer Diözese derart ist, dass er von seinem Recht Gebrauch machen kann, direkt in die Amtsgeschäfte eines Diözesanbischofs hineinzuregieren.

Das wohl berühmteste Beispiel in der jüngeren deutschen Kirchengeschichte, das ich als Persönlicher Referent von Bischof Franz Kamphaus als Ohren- und Augenzeuge hautnah mitbekommen habe, war die Entscheidung von Papst Johannes Paul II., Bischof Franz die Kompetenz zur Weiterführung der katholischen Schwangerenkonfliktberatungsstellen zu entziehen und den damaligen Weihbischof Gerhard Pieschl zu mandatieren, den Ausstieg der katholischen Beratungsstellen aus der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung im Bistum Limburg zu verfügen.

Wer nun aber denken mag, so etwas kommt in dieser Weise heute nicht mehr vor, wo doch Papst Franziskus so schön von „heilsamer Dezentralisierung“ spreche, den muss ich enttäuschen.

Nachdem der Codex von 1983 nicht mehr die Rechtsfigur des Apostolischen Administrators enthielt und auch im langen Pontifikat von Papst Johannes Paul II. diese Rechtsfigur nicht mehr auftauchte, setzt Papst Franziskus wieder verstärkt auf diese Möglichkeit, in von Problemen belasteten Diözesen sowohl während der Vakanz des bischöflichen Stuhls, aber auch bei besetztem bischöflichen Stuhl Apostolische Administratoren einzusetzen, die allein ihm während ihrer Amtszeit rechenschaftspflichtig und zum Gehorsam verpflichtet sind.

Es begann mit dem Bistum Limburg nach dem Amtsverzicht von Bischof Tebartz-van Elst, wiederholte sich in den Bistümern Gurk-Klagenfurt und Chur und auch im Erzbistum Lyon, wo de iure Kardinal Barbarin als Erzbischof nach seiner Verurteilung wegen Vertuschung von sexuellem Missbrauch noch im Amt war, aber seine Amtsgeschäfte bis zur Entscheidung über seine Berufung gegen das Urteil ruhen ließ. Ihm wurde dann vom Papst für diese Zeit ein Apostolischer Administrator zur Seite gestellt. Dem Domkapitel wird in diesen Situationen verwehrt, einen eigenen Diözesanadministrator zu wählen. Die Apostolischen Administratoren sind allein dem Papst verpflichtet und haben seinen Weisungen zu folgen.

Ich fasse zusammen: trotz II. Vatikanum wird im Kodex von 1983 der Jurisdiktionsprimat des Papstes kirchenrechtlich wasserdicht abgesichert und zeigt den Papst als absolutistischen Wahlmonarchen mit uneingeschränkter Leitungsgewalt. Oder mit meinem Bonner Kollegen Norbert Lüdecke gesprochen: „Der CIC schafft mit dem Material des II. Vatikanischen Konzils eine kirchliche Ordnungsgestalt, welche die Ekklesiologie des Ersten unbehelligt läßt und zusätzlich abstützt.“

 

Und die Diözesanbischöfe und das Bischofskollegium?

Trotz der These, das II. Vatikanum habe den Diözesanbischöfen in Lumen Gentium und Christus Dominus ihre volle Amtsgewalt wieder zugesprochen und auch das Bischofskollegium wieder aufgewertet, muss man kodikarisch, d.h. verfassungsrechtlich nüchtern konstatieren, dass sie abhängig sind vom Papst. Bis auf wenige Ausnahmen ernennt der Papst die Bischöfe der Weltkirche frei; Ökumenische Konzilien und Bischofssynoden können nur tagen, wenn es der Papst will, der zudem die Themen vorgibt und über die Inkraftsetzung der Beschlüsse allein entscheidet. Auch Papst Franziskus hat trotz seiner blumigen Rede von der Aufwertung der Synodalität und der heilsamen Dezentralisierung zum Beispiel der Bischofssynode keine Beschlusskompetenz zugesprochen, was durchaus im Kodex durchaus vorgesehen ist. Alles steht und fällt kirchenrechtlich also mit dem Papst und gerade der aktuell amtierende Papst schöpft gelegentlich seine Jurisdiktionsgewalt ohne Skrupel sehr entschlossen aus.

 

Ausblick – war´s das schon?

Im Blick auf die von Papst Johannes Paul II. in Ut unum sint und auch von Franziskus geforderte Relecture des Papstamtes, um vor allem im ökumenischen Dialog mit den Ostkirchen, aber auch den kirchlichen Gemeinschaften, die aus der Reformation hervorgegangen sind, zu einer Verständigung in der Ausübung dieses Amtes zu kommen, fragt man sich, wie dies auf diesem skizzierten verfassungsrechtlichen Kontext möglich sein soll.

Doch angesichts der aktuellen Kontroversen, die beispielsweise das Responsum der Glaubenskongregation zur Frage der Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren in der ganzen Welt ausgelöst hat, ist anzufragen, wie künftige Päpste wahrnehmen werden, dass lehrmäßige Fragen kultursensibel, inkulturiert, polyphon katholisch und nicht mehr nur eindimensional römisch-zentralistisch ausfallen können. Wer von heilsamer Dezentralisierung spricht, muss auch päpstliche Macht abgeben müssen, muss seine Machtfülle runterdimmen. Das wäre die binnenkatholische Sicht, die anderen Kirchen signalisieren würde, es geht auch anders als nur in Form eines absolutistischen Wahlmonarchen.

Gefordert ist also eine ernsthafte, von ökumenischer Grundhaltung getragene Relecture der Papstdogmen auf dem I. Vatikanum, d.h. einer in der Sache gebotenen Abrüstung primatialer Machtansprüche, die im Kern jedoch den Dienst an der Einheit der Christenheit nicht nivelliert. Eine solche mit meinem Münsteraner Kollegen Michael Seewald gesprochene „Dogmenentwicklung zwischen geschichtlicher Kontingenz und gläubiger Hoffnung“ steht aber noch aus und braucht allein den, den es betrifft: den Papst!

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