Zu Beginn des 21. Jahrhunderts war es Mode zu sagen, die Welt sei wieder flach.
Es war ein kluger Versuch, die Weltwirtschaft zu beschreiben – dass sich die Wettbewerbsbedingungen zwischen Industrie- und Schwellenländern stabilisierten und dass Unternehmer – große ebenso wie kleine – Teil einer großen, komplexen, globalen Lieferkette waren. Mit anderen Worten, wenn wir uns nur um die Logistik kümmern würden, könnten wir Wohlstand erreichen. Doch statt einer großen Nivellierung – eine flache Welt – war es oft wie auf einem Boot in einem großen Sturm.
Denn während einige Branchen ein Wachstum verzeichneten, erlebten wir auch eine der größten weltwirtschaftlichen Schwankungen in der Geschichte. Dies hatte zur Folge, dass viele unserer globalen Herausforderungen wie Armut, Sicherheit, Migration und viele andere sich noch verschärften. Und es hat die politische Landschaft erheblich verändert. Bis jetzt müssen wir immer noch mit den Auswirkungen fertig werden.
Was war geschehen? Wir hatten die Faktoren, die für unseren allgemeinen Wohlstand wirklich wesentlich sind, ignoriert. Wir ignorierten die Elemente, die wirklich gleiche Wettbewerbsbedingungen hätten schaffen können.
Und das ist das nachhaltige Management der Elemente, die für unsere langfristige Gesundheit und unser Wohlergehen notwendig sind. Dazu gehört, für unsere Luft, Ozeane und Böden Sorge zu tragen, aber auch das Management unserer Infrastruktur, die Frage, wie unsere Städte und Gemeinden gebaut und unterhalten werden und wie wir uns selbst regieren. Oder, wie es unser angesehener Preisträger heute nennt, unsere globalen Gemeinschaftsgüter. Er betont, dass es in der Vergangenheit der Wettbewerb war, der die Menschheit vorangetrieben hat. Wenn wir aber dauerhaften Wohlstand erreichen wollen, müssen wir kooperativer vorgehen – und zwar auf allen Ebenen.
Nicht nur national. Nicht nur vor Ort. Sondern wir brauchen die Zusammenarbeit sowohl auf regionaler, als auch auf nationaler und auf internationaler Ebene. Die Zusammenarbeit sowohl von Privatunternehmen, als auch von Investoren und dem Durchschnittsbürger. Das Paris-Abkommen ist ein gutes Beispiel dafür, wie dies möglich ist. Es ist ein Paradigmenwechsel, und er bedeutet einen enormen Wandel im Denken. Aber es ist notwendig. Unser Preisträger, Professor Ottmar Edenhofer, hat sich nicht nur dieser Aufgabe gestellt, sondern auch die Aufgabe selbst mitgestaltet. Daher ist es eine Freude, heute hier zu sein, um Professor Ottmar Edenhofer mit dem Romano Guardini Preis zu ehren.
Er hat den Preis wirklich verdient. Als…
- Chefvolkswirt des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung;
- Gründungsdirektor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change; und
- Professor für die Ökonomie des Klimawandels an der Technischen Universität Berlin ist er es, der diesen großen Paradigmenwechsel vorantreibt.
Er verbindet seine hervorragenden Leistungen in den Naturwissenschaften mit der Ökonomie und der Philosophie. Und genau wie Romano Guardini hat er sich um die Interpretation von Zeit und Welt verdient gemacht. Er repräsentiert jene Art von Mensch, von der wir mehr brauchen: analytisch, aber auch vorausschauend; besorgt, aber auch optimistisch; kritisch, aber auch motivierend. Das hat er natürlich nicht über Nacht geschafft. Für Professor Edenhofer war es ein langer Weg, einer unserer führenden Klimaökonomen zu werden.
Und auch wenn es eine große Freude wäre, die komplette Geschichte dieser Reise zu erzählen, würde es doch zu lange dauern. Lassen Sie mich daher einige Höhepunkte herausheben. Professor Edenhofers Studium begann genau hier, in München, wo er auch als Unternehmer tätig war, und dann in den Jesuitenorden eintrat.
1991 ging er auf den Balkan, wo er eine humanitäre Hilfsorganisation leitete, die versuchte, die Auswirkungen des Krieges und des Zerfalls Jugoslawiens abzumildern.
1994 kehrte er an die Technische Universität Darmstadt und in das akademische Leben zurück, promovierte in Wirtschaftswissenschaften und kam 2001 nach Potsdam. Dort wurde er schnell zu einer intellektuellen Säule des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
An diesem Punkt unserer kleinen Reise in die Vergangenheit ist es wichtig anzumerken, dass Professor Edenhofer ein Leitmotiv bei all seinen Bemühungen den Weg gewiesen hat: dass man die Welt nicht nur interpretieren, sondern auch aktiv gestalten muss.
Deshalb gründete er vor fünf Jahren sein Institut, das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change.
Ziel war es, die Erfahrungen aus seiner Zeit beim Weltklimarat IPCC in die Praxis der wissenschaftlichen Politikberatung zu übertragen. Professor Edenhofers IPCC-Erfahrung ist natürlich eine ganz andere spannende Geschichte. Es ist auch eine entscheidende Geschichte, die unsere Arbeit beim UN-Klimaschutz beeinflusst hat und sich in der Sprache des Paris-Abkommens widerspiegelt.
Denn durch die führende Rolle von Professor Edenhofer im Fünften Sachstandsbericht des IPCC hat er das Fundament für die internationale Klimapolitik geschaffen und Standards für die wissenschaftliche Politikberatung gesetzt. Seine Klimaforschung umfasste drei Teile: wissenschaftliche Politikberatung, Klimaökonomie und Ethik. Sie alle hatten großen Einfluss.
Man kann ruhigen Gewissens sagen: Der Fünfte Sachstandsbericht des IPCC hat die wissenschaftlichen Grundlagen für das Paris-Abkommen gelegt. Und ebenso ruhigen Gewissens lässt sich sagen, dass das Zwei-Grad-Ziel, das im Mittelpunkt des Abkommens steht, ihm zu verdanken ist. Er hat aber nicht nur dazu beigetragen, den politischen Entscheidungsträgern ein Ziel zu geben, sondern er hat auch darauf gedrängt, verschiedene Pfade beim Klimaschutz in Betracht zu ziehen.
Diese Szenarien reichen von der Transformation des Energiesystems auf Basis erneuerbarer Energien und Energieeffizienz bis hin zu Szenarien, die hauptsächlich auf Kernenergie und Kohle in Verbindung mit CO2-Abscheidung und -Speicherung basieren.
Und unter seiner Leitung betonte der IPCC, dass die Atmosphäre als sehr begrenzte Deponie für Kohlenstoffdioxid angesehen werden muss, während die entsprechenden im Boden gespeicherten Ressourcen in Form von Kohle, Öl und Gas jedoch um ein Vielfaches größer sind.
Vielleicht erkennen Sie etwas von dieser Sprache wieder. Schließlich beeinflusste sie die päpstliche Enzyklika Laudato Sí. Seit 2008 berät Professor Edenhofer den Vatikan in Fragen des Klimaschutzes. Dies basiert unter anderem auf dem, was ich zu Beginn dieser Rede angesprochen habe: die Idee des Schutzes der globalen Gemeinschaftsgüter und der Paradigmenwechsel, den wir vornehmen müssen, um das zu erreichen. Dies ist auch in Edenhofers Buch „Global, aber gerecht“ erläutert.
Wir sehen seinen Einfluss in Schlüsselsätzen in Laudato Sí. Unter anderem heißt es da:
„Die Atmosphäre ist ein gemeinsames Gut, von allen und für alle.“ Hier spricht Papst Franziskus davon, dass keine Einzelperson und auch keine Gruppe das Recht hat, öffentliche Güter zu benutzen, wie er oder sie es für richtig hält. Dies fordert auch alle Menschen auf, sich den ethischen Herausforderungen von Wissenschaft und Technik zu stellen. Morgen werde ich im Vatikan über den Klimawandel sprechen. Ich denke, dass die in Laudato Sí skizzierten Themen, beeinflusst von Professor Edenhofer, ein entscheidender Teil der Diskussion über den Klimawandel sind.
Ich denke zudem, dass die Glaubensgemeinschaft selbst eine wichtige, aber sehr wenig genutzte Ressource in unseren Diskussionen über den Klimawandel ist. Wir von der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen werden unsere Arbeit mit Menschen aller Glaubensrichtungen weiter verstärken.
Aber mit den Leistungen von Professor Edenhofer sind wir noch nicht ganz fertig. Denn er ist auch einer der führenden Befürworter einer CO2-Bepreisung, die entweder durch ein funktionierendes Emissionshandelssystem oder durch eine Steuer ausgestaltet werden kann. Er war einer der ersten, der darauf hinwies, dass ohne ein signifikantes CO2-Preissystem die Emissionen weltweit weiter steigen würden. Leider hat er Recht behalten. Klimaschutz und Wirtschaftswachstum sollten nach Ansicht von Professor Edenhofer nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Stattdessen verweist er darauf, dass Kohlenstoffpreise sehr wichtig für die Finanzpolitik sein können: Sie können ein wirksames Mittel zur Verringerung der Ungleichheit und zur Bekämpfung der Armut in Industrie- und Entwicklungsländern sein. Dies wiederum kann ein entscheidender Faktor sein, um die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung voranzubringen. Wie ich bereits erwähnte, sind Klimawandel und Umweltschutz eng mit einigen der größten Herausforderungen der Menschheit verbunden.
Vor genau diesem Hintergrund ist Professor Edenhofer ein so großer Befürworter des Paris-Abkommens. Er betont jedoch, dass der Erfolg dieses Abkommens von internationaler Zusammenarbeit abhängt, bei der gegenseitiges Engagement eine sehr wichtige Rolle spielt. Wenn zum Beispiel Nationen feststellen, dass ihre eigenen Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels nicht von anderen honoriert werden, dann haben die Staaten weniger Anreize, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Das erinnert uns noch einmal daran, dass der Weg in das 21. Jahrhundert von der Art und Weise unserer Zusammenarbeit bestimmt wird und nicht von der Art und Weise, wie wir konkurrieren.
Dies war noch nie so wichtig wie jetzt, insbesondere im Hinblick auf das Paris-Abkommen und das, was wir in diesem entscheidenden Jahr im Vorlauf zur COP24 in Polen zu erreichen versuchen. Gegenwärtig reichen die Selbstverpflichtungen der Länder beim Klimaschutz einfach nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Die derzeitigen Zusagen werden zu höheren Temperaturen führen. Und, wie wir festgestellt haben, wird das zum Bedrohungsmultiplikator für viele weitere unserer aktuellen Herausforderungen werden. Die Staaten werden ihr Ambitionsniveau im Rahmen des Paris-Abkommens erhöhen müssen – und zwar schnell.
Sie werden zudem die Umsetzungsrichtlinien für das Paris-Abkommen – auch bekannt als das Arbeitsprogramm – ausbuchstabieren müssen. Wenn wir die Macht des Paris-Abkommens wirklich entfesseln wollen, müssen diese Aufgaben erfüllt werden. Dabei haben wir nur ein kleines Zeitfenster, um das zu tun.
Ich möchte Sie alle auffordern, Ihren Einfluss geltend zu machen, wo immer Sie können, insbesondere auf nationaler Ebene, um diese Klimaschutz-Verpflichtungen zu verstärken.
Da wir nun langsam zum Ende dieser allzu kurzen Reise kommen, will ich noch einmal betonen, wie sehr wir auch Professor Edenhofers starke Meinungen und die bekannte Bereitschaft, seine Meinung zu sagen, schätzen!
Der regelmäßige Kontakt mit globalen Persönlichkeiten – dem Papst, Ministern, Staatssekretären oder anderen – hat ihn nie daran gehindert, seine gut informierte Meinung zu äußern. Eine gut informierte und eine unabhängige Meinung. In einer kulturell und politisch sehr gespaltenen Welt gilt Professor Edenhofer als unabhängig. Während er vor politischen Auseinandersetzungen nicht zurückschreckt, kann er die Analyse und Bewertung politischer Optionen von der Politik selbst trennen. Er respektiert seinen Gegner voll und ganz und ist daher in der Lage, einen echten Dialog mit allen Beteiligten zu führen. Wir brauchen mehr davon in der Welt.
Meine Damen und Herren, wenn das nicht schon deutlich genug gesagt wurde, dann möchte ich es ganz klar sagen: Professor Edenhofer ist mehr als ein Mann unserer Zeit, er ist ein Mann der Zukunft. Und ich bin stolz darauf, ihn als Verbündeten und Begleiter auf dem Weg zum Klimaschutz zu bezeichnen. Obwohl seine bisherigen Beiträge wichtig sind, bin ich mir sicher, dass er zustimmen wird, wenn ich sage, dass es darauf ankommt, was als nächstes folgt.
Und was als nächstes folgt, ist das zu erreichen, was wir alle wollen: eine Welt, die weder rein ökonomisch definiert ist, noch rein logistisch, noch durch den Verdrängungswettbewerb der Staaten untereinander der Vergangenheit, sondern eine Welt, in der wir, wie Edenhofer es ausdrückt, gemeinsam für unsere globalen Gemeinschaftsgüter Sorge tragen. Eine Welt, in der sich Umwelt und Wirtschaft nicht ausschließen, sondern vollständig ineinander greifen.
Eine Welt, in der die gemeinsame Sorge um die Menschheit – und die gemeinsamen Herausforderungen, vor denen wir stehen – Vorrang vor dem Bestreben Einzelner hat.
Und eine Welt, die nicht nur sauberer und grüner ist, sondern eine Welt, in der wir wirklich dauerhaften und nachhaltigen Fortschritt, Wohlstand und Frieden für alle erreichen können. Nochmals vielen Dank, Herr Professor Edenhofer, für all die Arbeit, die Sie geleistet haben, um uns an diesen Punkt zu bringen, und für die Arbeit, die Sie weiterhin tun werden, die uns in diese Richtung führen wird.