Stephen Pattison (1988, 1993, 2000) stellt fest, dass der Begriff „Seelsorge“ häufig verwendet, aber selten definiert wird.
Was ist Seelsorge?
Er plädiert nachdrücklich für eine Definition und schlägt diese vor: „Seelsorge ist jene Tätigkeit, die von repräsentativen christlichen Personen ausgeübt wird und darauf ausgerichtet ist, Sünde und Leid zu beseitigen und alle Menschen in Christus vollkommen vor Gott zu stellen.“
Ich schlage nicht vor, dass wir diese Definition von Seelsorge übernehmen. Ich halte sie in mehrfacher Hinsicht für unzureichend und irreführend, und da sie über drei Jahrzehnte alt ist, kann ich mir vorstellen, dass Pattison selbst damit nicht zufrieden wäre. Aber sie ist ein hilfreicher Ausgangspunkt, weil sie Folgendes deutlich macht: dass Definitionen wichtig sind, es verschiedene Definitionen von Seelsorge gibt, wir speziell die christliche Seelsorge betrachten, theologische Konzepte wie Sünde, Trauer und Heiligung eine Rolle spielen, auch wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt werden, wie es in seiner Definition der Fall ist.
Wollen oder brauchen trans- und intergeschlechtliche Menschen Seelsorge?
Diese Frage muss gestellt werden. Und die Antwort lautet: in vielen Fällen nicht mehr als jede andere Person. Einige trans- und intergeschlechtliche Menschen suchen die Seelsorge nicht wegen ihrer Identität. Andere haben vielleicht besondere seelsorgliche Bedürfnisse, die mit ihrer Geschlechtsidentität oder damit zusammenhängen, dass sie eine Person mit intergeschlechtlichen Merkmalen sind. Zum Beispiel kann eine intergeschlechtliche Person Seelsorge in Anspruch nehmen, wenn sie aufgrund ihrer Variation medizinische Hilfe benötigt.
Wenn man über Seelsorge für trans- und intergeschlechtliche Menschen nachdenkt, ist es wichtig, nicht zu suggerieren, dass trans- und intergeschlechtliche Menschen ein Problem darstellen. Sie mögen mit Erfahrungen und Umständen konfrontiert sein, die speziell mit ihrer Identität zusammenhängen, aber das gilt auch für viele andere Gruppen von Menschen.
Hier ist also der erste Leitgedanke aus Großbritannien. In den Worten des Erzbischofs von Canterbury (ABC 2017) (als Reaktion auf die Abstimmung der Generalsynode der Kirche von England, den Vorschlag des House of Bishops, dass die Kirche LGBTIQ+ Menschen gegenüber freundlicher sein sollte, aber gleichgeschlechtliche Ehen in ihren Kirchen nicht gefeiert werden könnten, nicht „zur Kenntnis zu nehmen“): „Kein Mensch ist ein Problem oder eine Angelegenheit. Die Menschen sind nach dem Bild Gottes geschaffen. Wir alle, ohne Ausnahme, sind in Christus geliebt und berufen. Es gibt keine ‚Probleme‘, es gibt einfach nur Menschen“.
Ich finde diese Aussage sowohl bewegend als auch tiefgründig. Sie erschien auch in einem Brief, der das ins Leben rief, was später Living in Love and Faith (LLF) wurde, ein großes Projekt der Kirche von England, das „christliche Lehre und Lernen über Identität, Sexualität, Beziehungen und Ehe“ anbietet. Ich war in den ersten fünfzehn Monaten als Beraterin für LLF tätig, zog mich dann aber zurück, weil einige Leute in dem Projekt ganz offensichtlich trans- und intergeschlechtliche Menschen sowie Lesben und Schwule als Problem betrachten. Oder sich so verhalten, als ob wir nicht existierten. Meine Freundin Sara zum Beispiel, die intergeschlechtlich ist, teilte ihre persönlichen Erfahrungen und ihre Zusammenarbeit mit Akademiker:innen auf diesem Gebiet mit LLF, aber diese Perspektiven fehlten in dem veröffentlichten LLF-Buch.
Obwohl die geschlechtliche Vielfalt in den LLF-Ressourcen respektvoll behandelt wird, haben die Organisator:innen wiederholt eine Arbeitsgruppe zu Geschlechtsidentität und Transition vorgeschlagen. Damit soll versucht werden, den jüngsten gesellschaftlichen „Debatten“ über Trans-Menschen einen Sinn zu geben. Dieser Vorschlag, der derzeit auf Eis liegt, stößt bei mir und anderen auf starken Widerstand, weil er die Gefahr birgt, die Debatten der Gesellschaft zu wiederholen, indem genderkritische Ansichten für bare Münze genommen werden, die allgemein bejahende Politik und Praxis der Kirche von England in Bezug auf transgeschlechtliche Menschen zu untergraben, im Gegensatz zur Erklärung des Erzbischofs von Canterbury zu implizieren, dass transgeschlechtliche Menschen durchaus ein Problem darstellen könnten.
Trotz dieser Beispiele für die Nichteinhaltung dieses Grundprinzips durch LLF halte ich diesen Leitgedanken für grundlegend, weshalb ich mit ihm begonnen habe: „Kein Mensch ist ein Problem oder eine Angelegenheit. Die Menschen sind nach dem Bild Gottes geschaffen. Wir alle, ohne Ausnahme, sind in Christus geliebt und berufen. Es gibt keine ‚Probleme‘, es gibt einfach nur Menschen.“
Seelsorge ist immer eine Begegnung mit einer Person oder mit Menschen.
Pattison definierte Seelsorge als eine „Aktivität“. Ich bevorzuge das Wort „Begegnung“ – Begegnung mit einem anderen Menschen oder mit einer Gruppe von Menschen. Dieser Leitgedanke bezieht sich auf einen Satz aus dem vorhergehenden: „Die Menschen sind nach dem Bilde Gottes geschaffen“. Wer diese grundlegende Wahrheit übersieht, läuft Gefahr, den Menschen zu versachlichen. Seelsorge geschieht in der Begegnung mit einem kostbaren Kind Gottes und sollte nicht als „Begegnung mit einer trans- oder intergeschlechtlichen Person“ verstanden werden, sondern als Begegnung mit einem Menschen, der zufällig trans- oder intergeschlechtlich ist.
Seelsorge bedeutet, den Geschichten der Menschen zuzuhören.
Wir haben vielleicht viele Bücher und Artikel über trans- oder intergeschlechtliche Menschen gelesen, aber in der Seelsorge haben wir eine Begegnung mit jemandem, der geschlechtliche Vielfalt oder Varianz der Geschlechtsmerkmale erlebt hat. Wir haben das Privileg, uns die persönliche Geschichte eines Menschen anzuhören. Es gelten die üblichen Regeln für die Vertraulichkeit in der Seelsorge.
Das Zuhören der Geschichten von Trans-Personen ist ein zentraler Bestandteil meiner gemeinsamen Arbeit in diesem Bereich. In This is my Body (Beardsley & O’Brien 2016) haben wir klinische, historische und theologische Artikel aufgenommen, aber die Hälfte des Buches ist eine Sammlung von Erzählungen, die von trans- und intergeschlechtlichen Christ:innen geschrieben wurden. Mein derzeitiger Mitarbeiter, Pfarrer Dr. Chris Dowd, hat für seine Doktorarbeit zwölf Transgender-Christ:innen interviewt, und ihre Geschichten bilden den Kern unseres Buches Transfaith (Dowd & Beardsley 2018). Unser neuestes Buch Trans Affirming Churches: How to Celebrate Gender-Variant People and Their Loved Ones (Beardsley & Dowd 2020) basiert auf Fokusgruppen, in denen wir Trans-Menschen, ihre Eltern und Partner:innen befragt haben. „Zuhören und teilen“ ist die erste Empfehlung der Studie von Dr. Esther MacIntosh und Dr. Sharon Jagger (2021: 103f.), Supporting Trans and Non-Binary Staff and Students.
Zur Seelsorge gehört die Bereitschaft, von Menschen zu hören, die aufgrund ihrer Trans- oder Intergeschlechtlichkeit stark gelitten haben.
Es gibt eine wachsende Zahl autobiografischer Werke von Trans-Personen, einschließlich Trans-Christ:innen. Das Buch Heaven Come Down: The Story of a Transgender Disciple von Chrissie Chevasutt (2021), das im letzten Sommer veröffentlicht wurde, erzählt von ihrem turbulenten Kampf mit dem Christinsein und der Transgeschlechtlichkeit. Obwohl Chrissies Geschichte letztlich lebensspendend ist, war ihre Erfahrung besonders intensiv und ist nicht untypisch. Chrissie schreibt über ihren letzten Workshop: „Ich habe einfach Geschichten erzählt, wahre Geschichten, die die Herzen auf unglaubliche Weise geöffnet haben, anstatt Informationen und Bildung zu vermitteln. Am Ende waren wir alle aufgebrochen und in Tränen aufgelöst. … Ich war selbst schockiert über den rohen, viszeralen Schmerz, dem wir alle begegneten.“ Ihre Beschreibung verweist auf den nächsten Leitgedanken.
Seelsorgerliche Begegnungen beruhen auf Gegenseitigkeit und können gemeinsame Gefühle mit sich bringen.
Die seelsorgerliche Betreuung, vor allem wenn sie von einer religiösen Führungspersönlichkeit angeboten wird, birgt ein gewisses Ungleichgewicht oder eine scheinbare Ungleichheit in sich, aber die Begegnung kann und sollte auf Gegenseitigkeit beruhen. Die Begegnung zwischen Seelsorger:in und Gemeindemitglied ähnelt dem Modell Therapeut:in/Klient:in, das beiden Parteien Sicherheit und Grenzen bietet. Übertragung und Gegenübertragung müssen gehandhabt und ausgehandelt werden. Die Begegnung kann im/in der Pastor:in einen „rohen, viszeralen Schmerz“ hervorrufen, der verarbeitet werden muss, vielleicht in einer Supervision. Wenn der Seelsorgende das Gefühl hat, „überfordert zu sein“, sollte er:sie die Person an eine:n andere:n Betreuer:in oder eine:n Spezialist:in verweisen.
Der Weg eines jeden Menschen ist einzigartig.
Wenn man die Geschichten von trans- und intergeschlechtlichen Menschen vergleicht, tauchen zwar gemeinsame Themen auf, aber der Weg eines jeden Menschen ist einzigartig, so dass Annahmen über Ergebnisse oder Prozesse nicht hilfreich sind.
Seelsorge ist immer heilig, denn sie ist eine Begegnung mit einem geliebten Kind Gottes.
Einem anderen Menschen zuzuhören ist selbst ein „heiliger Raum“, in dem sein Weg einem anderen erzählt und als heilig anerkannt werden kann. In einem Schreiben an die britische Regierung vom April 2022 beschrieben mehrere Kirchenführer:innen Transgeschlechtlichkeit als eine „heilige Reise, auf der man ganz wird: wertvoll, geehrt und geliebt, von sich selbst, von anderen und von Gott“ (Chalke 2022). Einige konservative Christ:innen lehnten diesen Satz ab und stellten die Heiligkeit von Trans-Menschen in Frage. Ein Jahr zuvor, im Februar 2021, hatte die US-amerikanische römisch-katholische Schwester Luisa Derouen (2021) auf der Grundlage ihrer zwei Jahrzehnte währenden Tätigkeit als Seelsorgerin für Hunderte von Trans-Personen die Heiligkeit von Trans-Personen nachdrücklich bekräftigt:
„Transgender-Personen sind viel mehr als die meisten von uns auf die Realität eingestimmt, dass wir Menschen eine komplexe, geheimnisvolle Körper-Geist-Schöpfung Gottes sind, und sie wollen nichts anderes, als diese Realität zu ehren (sic!). Ihr Prozess der Transition ist ein Prozess des Wachstums zu Ganzheit und Heiligkeit. Was sie erleben, ist eine klassische christliche Bekehrung des Lebens, eine Verwandlung in Gott. Was ich Hunderte von Malen in ihrem Leben erlebt habe, ist das, was wir Katholiken das Ostergeheimnis nennen.“
Gott ist an dieser Begegnung beteiligt.
Ausdrücklich oder stillschweigend. 1996 gründete Jay Walmsley die Sibyls, ein im Vereinigten Königreich ansässiges christliches Spiritualitätsnetzwerk für Trans-Menschen und ihre Angehörigen, um sich gegenseitige geistliche und praktische Unterstützung zu bieten. In den Anfängen feierten verständnisvolle Geistliche bei jedem Treffen das Heilige Abendmahl, und die Wochenendtreffen hatten das Format von Exerzitien, einschließlich der täglichen Andachten, aber mit anderen Zeiten, in denen die Menschen miteinander reden konnten. Viele Sibyllen haben versucht herauszufinden, wie sie ihre geschlechtliche Vielfalt in dieser fürsorglichen, betenden Atmosphäre handhaben oder ausdrücken können.
In den USA konzentrierte sich Schwester Luisa Derouen auf die geistliche Begleitung von LGB- und in letzter Zeit auch von Trans-Menschen. Als sie von ihrem Bischof gedrängt wurde, bei diesen Begegnungen die offizielle Lehre der Kirche zu erläutern, argumentierte Derouen (2014:17), dass ihre „Rolle nicht darin bestand, eine moralische Position durchzusetzen, sondern Menschen in ihrer Beziehung zu Gott zu begleiten“.
Seien Sie offen und ehrlich über Ihre theologische Position!
Die Kirche von England bekennt sich offiziell zu LGBTI+ Menschen, aber einige ihrer Gemeinden verbergen ihre Ablehnung von hormonellen und chirurgischen Eingriffen für Trans-Menschen. „Seelsorgerische Betreuung“ in diesen Einrichtungen kann beinhalten, dass man den Menschen rät, nicht zu transitionieren, oder, wenn sie es bereits getan haben, zu de-transitionieren. Für transgeschlechtliche Menschen ist es beunruhigend, wenn sie feststellen, dass die Kirche, die sie besuchen, sich aus theologischen Gründen nicht zu Trans-Menschen bekennt. Trans-Personen möchten, dass trans-inklusive Kirchen dies öffentlich kundtun (Beardsley & Dowd 2020: 128–132; McIntosh & Jagger 2021: 106–108).
Sicherstellen, dass kirchliche Einrichtungen und Diskussionen sichere Orte sind!
Meine Freundin Sara sollte bei einem Diözesantreffen, das zur Förderung eines besseren Verständnisses veranstaltet wurde, über ihre Erfahrungen mit dem Intersex-Sein sprechen. Vor der Veranstaltung war sie Gegenstand anonymer Gerüchte, doch als sie dieses Verhalten dem Bischof und seinen Mitarbeiter:innen meldete, erhielt sie wenig Unterstützung. In ähnlicher Weise wurde Sara während einer privaten Sitzung des LLF-Projekts von jemandem angegriffen, der konservative theologische Ansichten vertrat, was im Widerspruch zu den eigenen pastoralen Grundsätzen der LLF (Church of England 2019) über das respektvolle Zuhören gegenüber anderen steht.
Die Bekehrung zu Christus erfordert nicht, dass jemand seine Geschlechtsidentität oder seine Realität als intergeschlechtliche Person verleugnet.
Einige britische Christ:innen verlangen dies jedoch. In einem Schreiben vom Dezember 2021 (Ministers’ Consultation Response 2021) an die britische Regierung zum vorgeschlagenen Verbot der „Konversionstherapie“, das von über 2546 christlichen Geistlichen und Seelsorger:innen unterzeichnet wurde, wird behauptet, dass das Verbot sie an der Ausübung ihres Dienstes hindern würde.
In dem Schreiben heißt es, dass „unsere Kirchen … viele Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Ansichten willkommen heißen und ihnen Liebe entgegenbringen, einschließlich … Formen der Geschlechtsangleichung“. Ihr Willkommensgruß ist jedoch an Bedingungen geknüpft, da sie auch glauben, dass „die Verleugnung des von uns geschaffenen Geschlechts Sünde ist. … Es ist schlicht und ergreifend schädlich, wenn irgendjemand, vor allem junge Menschen, glauben, dass ihre Identität nur in ihren Gefühlen zu finden ist und dass sie ihr Glück darin finden, ihren gesunden Körper zu missbrauchen und zu schädigen. Doch die [Regierungs-] Vorschläge würden uns anscheinend dafür kriminalisieren, dass wir uns um die Menschen kümmern und versuchen, sie von dieser Art von Schaden abzuhalten“.
Der allgemeine evidenzbasierte Konsens (MoU 2022) lautet hingegen, dass der Versuch, die Geschlechtsidentität einer Person zu ändern, „unethisch und potenziell schädlich ist“. Eine verantwortungsvolle Seelsorge sollte sich an diesem Konsens orientieren.
Seelsorge sollte nicht im Widerspruch zum medizinischen oder therapeutischen Konsens stehen.
Geistliche und Laien haben nicht nur das von der britischen Regierung vorgeschlagene Verbot der Konversionstherapie in Frage gestellt, sondern auch eine Petition an den Erzbischof von Canterbury gerichtet, damit dieser die pastoralen Leitlinien der Kirche von England für das Gebet mit transgeschlechtlichen Menschen zurückzieht. Beide Vorstöße stellen den medizinischen und therapeutischen Mainstream-Konsens in Frage, der in der Version 8 der Standards of Care (SOC) der World Professional Association for Transgender Health (WPATH 2022) festgelegt ist, und dulden stillschweigend eine seelsorgliche Betreuung, die diesem Konsens zuwiderläuft, indem sie sich auf klinische Minderheitsmeinungen oder genderkritische Perspektiven berufen.
Seelsorge sollte informiert sein. Seelsorge, insbesondere wenn sie sich auf den Seelsorgezyklus stützt, beinhaltet die Beachtung der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und der besten therapeutischen Praxis. Pastor:innen sollten Menschen nicht zu Handlungen raten, die im Widerspruch zu medizinischen oder therapeutischen Ratschlägen stehen. Die Forschungsergebnisse von McIntosh und Jagger (2021: 104f.) raten den Seelsorger:innen, „zu lernen“.
Seelsorge kann soziale Stigmatisierung abbauen.
Im Vereinigten Königreich findet die Seelsorge in einem neuen Kontext statt. Der britische Gender Recognition Act von 2004 und die Bestimmungen des Equality Act 2010 haben die jahrzehntelange soziale Stigmatisierung von genderdiversen Menschen verringert. Leider hat die 2018 eingeleitete Konsultation der britischen Regierung zur Reform des Gender Recognition Acts eine Flut von genderkritischer Rhetorik ausgelöst, die dazu geführt hat, dass sich viele transgeschlechtliche Menschen beschämt und stigmatisiert fühlen. Anfang dieses Jahres kündigte die britische Regierung (OAG 2022) unerwartet an – entgegen der Position der medizinischen und therapeutischen Berufsverbände des Vereinigten Königreichs (MoU 2022) –, dass Trans-Personen nicht in das von ihr vorgeschlagene Verbot der „Konversionstherapie“ einbezogen werden sollen. Die Gegenreaktion ist so groß, dass einige transgeschlechtliche Menschen aus dem Vereinigten Königreich in andere Länder umgezogen sind.
Seelsorger:innen müssen sich dieser negativen Entwicklung und ihrer Auswirkungen auf transgeschlechtliche Menschen in Form von Beschimpfungen und erhöhter Angst bei der Nutzung öffentlicher, insbesondere geschlechtsspezifischer Räume bewusst sein. Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Öffentlichkeit transgeschlechtlichen Menschen gegenüber positiv eingestellt ist. Seelsorger:innen sollten erklären, dass genderkritische Ansichten zwar lautstark und in den Medien allgegenwärtig, aber in der Minderheit sind.
Einige trans- und intergeschlechtliche Menschen sind von Glaubensgemeinschaften verletzt und abgelehnt worden.
Die Geschichten von Menschen, die in den Büchern, die ich mitverfasst habe, berichtet werden, zeigen dies. Maria zum Beispiel ist römisch-katholisch und wurde von ihrem Pfarrer als potenzielle Kommunionausteilerin identifiziert, aber die Idee wurde stillschweigend fallen gelassen, als sie transitionierte (Beardsley & Dowd 2020: 72).
Unter diesen Umständen besteht die seelsorgerische Betreuung wahrscheinlich darin, das Vertrauen der Person in ihre Glaubensgemeinschaft wiederherzustellen, sie an Quellen der Heilung zu führen und sie in ihrem Kampf um Integrität und Gerechtigkeit zu unterstützen. (McIntosh und Jagger 2021: 106, 110f.) raten Seelsorger:innen, „Einfluss zu nehmen“ und „Ressourcen bereitzustellen“, wozu auch die Überprüfung und Entwicklung einer trans-inklusiven Politik in den Einrichtungen gehört, in denen sie arbeiten.
Trans- und intergeschlechtliche Menschen können versuchen, sich mit ihrem Glauben und ihren Glaubensgemeinschaften zu versöhnen.
Zu diesem Ergebnis kam mein Freund Shaan Knan (2017), der mehrere Queer Oral History-Projekte kuratiert hat, darunter Twilight People: Stories of Faith and Gender beyond the Binary. In einer anderen Veröffentlichung schreibt Shaan Knan (2019: 16): „Die geschlechtliche Reise von Trans-Personen kann viele Unsicherheiten mit sich bringen, manchmal ohne klare Antworten. In solchen Fällen können die eigenen Glaubenstraditionen die wichtigste Quelle der Unterstützung bei der Suche nach dem Verständnis der eigenen Geschlechterreise sein. … Für manche Menschen ist die Transition eine spirituelle Reise, über die sie gerne sprechen möchten. Glaubens- und Gemeinschaftsführer, die für solche Gespräche offen und gut informiert sind, sind in einer idealen Position, um zu helfen.“
Die Würdigung von genderdiversen Menschen in der Bibel vermittelt die Botschaft: „Wir waren schon immer da!“
„Genderdiverse Menschen gab es schon immer, in jeder Kultur und Gemeinschaft, auch in den Religionsgemeinschaften. Nicht alle Kulturen und Glaubenstraditionen haben streng definierte binäre Geschlechterrollen“ (Knan 2019: 8). Die jüdische Mischna und der Talmud enthalten zahlreiche Erwähnungen von tumtum, was so viel bedeutet wie „eine Person, deren Geschlechtsmerkmale unbestimmt oder verborgen sind“. In klassischen jüdischen Texten kann sich saris „auf einen Männlichen beziehen, der sich in der Pubertät nicht vollständig entwickelt und/oder jemand, dem anschließend die Geschlechtsorgane entfernt werden“ (Knan 2019: 14). Saris kann sich auch auf einen Hofbeamten beziehen. In der Genesis wird Josef in Ägypten zum Saris, weil er ein Schamane ist, ein Traumdeuter. Auch Schamanen werden mit Androgynität in Verbindung gebracht, und sowohl jüdische als auch christliche Kommentator:innen interpretieren Josef in diesem Sinne (Dowd & Beardsley 2018: 167–171).
Familien brauchen oft Liebe, Bestätigung und Unterstützung durch ihre Kirchen, um sich an ihre neue Realität anzupassen. Sie brauchen auch Zeit, um zu trauern und zu verstehen, und das ist in Ordnung.
Seelsorge kann sich auch praktisch ausdrücken. So wie die Quäker-Älteste und ihr Ehemann, die ihr Haus als sicheren, nicht verurteilenden Raum für einen jungen Trans-Mann in ihrer Glaubensgemeinschaft öffneten, als seine Familie mit seiner Genderreise zu kämpfen hatte (Beardsley & Dowd 2020: 93). Seine Familie konnte ihn besuchen, wann immer sie wollte, aber die Vereinbarung erlaubte es allen Beteiligten, das Geschehen in ihrem eigenen Tempo zu verarbeiten.
Die seelsorgerische Betreuung kann fehlen. Nach dem Coming-out ihrer transgeschlechtlichen Tochter verlor eine Mutter sowohl ihre Kirche als auch ihre Familie, weil deren konservative Theologie transgeschlechtlichen Menschen keinen Platz einräumen konnte (Beardsley & Dowd 2020: 91f, 94f). Keine Familie sollte von anderen Christ:innen so behandelt werden. Im Handbuch meiner Gemeinschaft, der Kongregation Mariens, Mutter der Priester:innen, heißt es: „Das Mitgefühl ist Ausdruck der Liebe Gottes zu den Menschen und zeigt sich besonders in den Herzen Jesu und Mariens. Priester:innen der Kongregation“ – und ich möchte hinzufügen, alle Christ:innen – „sollten als Bot:innen der Barmherzigkeit bekannt sein, eine sichere Zuflucht vor dem Urteil der Welt.“
Einige Kritiker des pastoralen Leitfadens der Kirche von England über das Gebet mit transgeschlechtlichen Menschen beklagten sich darüber, dass er die pastoralen Bedürfnisse der Partner:innen und Familien von transgeschlechtlichen Menschen ignoriert habe. Als eine von drei Trans-Geistlichen, die konsultiert wurden und an der Ausarbeitung dieses Leitfadens beteiligt waren, kann ich bestätigen, dass wir darauf gedrängt haben, die Familien von Trans-Menschen zu erwähnen, aber unser Rat wurde nicht beachtet. Transfaith (Dowd & Beardsley 2018: 178–200) enthält Liturgien, die den Angehörigen helfen sollen, sich mit dem Coming-out eines Familienmitglieds als transgeschlechtlich und den damit verbundenen Folgen zu arrangieren.
Erwägen Sie die Unterstützung von und die Zusammenarbeit mit Institutionen und Organisationen, die Transgender- und Intersex-Klient:innen haben!
Forschungen von Professorin Susannah Cornwall (2021) über die spirituelle Betreuung von Menschen, die eine Transition durchlaufen, zeigen, dass Verbesserungen in der Ausbildung sowohl von Religionsführer:innen als auch von Fachärzt:innen für Gendermedizin das Potenzial haben, die Gesundheit und das Wohlbefinden von trans- und intergeschlechtlichen Menschen zu verbessern, und dass es Möglichkeiten für die seelsorgerlich-spirituelle Betreuung von Kliniken für Geschlechtsidentität gibt.
Unterstützung von Menschen mit geschlechtlicher Vielfalt bei der Entwicklung inklusiver Theologien!
McIntosh und Jagger (2021: 105) greifen McMahons (2016) Aufruf auf, geschlechtlich diverse Menschen in die Entwicklung von trans-affirmativen Theologien einzubeziehen, indem sie Hochschulseelsorger:innen ermutigen, diejenigen mit Führungspotenzial zu fördern und Möglichkeiten zur Reflexion anzubieten.
Kirchen können Projekte initiieren, um geschlechtlich diverse Menschen zu erreichen.
Im Januar 2022 ernannte die St. Columba’s United Reformed Church in Oxford Chrissie Chevasutt zu ihrer ersten Mitarbeiterin für trans-, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen. Mit Organisation, Finanzierung und Engagement können lokale Kirchen und nationale kirchliche Einrichtungen das Leben von trans-, nicht-binären und intergeschlechtlichen Menschen positiv verändern.