Manfred Mayerle

Vernissage zur Ausstellung

Im Rahmen der Veranstaltung "Vernissage – Werke von Manfred Mayerle", 08.10.2019

I.

 

Erstmal vor gut eineinhalb Jahren hatten wir – Sie, lieber Herr Mayerle, und ich – uns getroffen, um über die Möglichkeit einer Ausstellung im Kardinal Wendel Haus der Katholischen Akademie in Bayern zu sprechen. Und das weiß ich noch, diese Idee hat Ihnen gefallen, es hat Sie gereizt, hier in den Räumen der Katholischen Akademie einmal ausstellen zu können.

Bei den weiteren Treffen, bei den Rundgängen hier im Haus und dann auch den beiden ausführlichen Atelierbesuchen in der Jachenau haben wir uns intensiv ausgetauscht. Wir sprachen über Sie und Ihre Arbeiten und wir trafen eine erste Auswahl. Das war gar nicht so einfach, hatten wir doch ein große Anzahl an Werken, Werkgruppen und Serien vor uns.

Bevor ich sogleich näher auf Ihr Werk und die hier gezeigten Arbeiten eingehe, ist es sicherlich angebracht, wenigstens kurz einige Daten zu nennen.

Vor acht Jahrzehnten sind Sie hier in München geboren; im Frühjahr diesen Jahres durften Sie deshalb einen runden Geburtstag feiern. Es ist ziemlich genau 60 Jahre her, dass mit dem Studium in der Akademie der bildenden Künste in München begonnen haben. Dieses haben Sie ab 1963 als Meisterschüler fortgesetzt. Nur zwei Jahre später hatten Sie eine Assistentenstelle in der Mal- und Zeichenklasse von Professor Helmut Kaspar. In dieser Zeit bekamen Sie Ihre ersten Stipendien und konnten eine erste Italienreise antreten; diese führte Sie nach Florenz. Das Geld dazu kam von der Jubiläumsstiftung der Stadt München. Sie waren für ein Stipendium in der Villa Massimo nominiert und sie sind dann im Jahr 1966 für drei Monate zu einem Studienaufenthalt nach New York gegangen.

In den Vor-Wirren der 1968er Jahre gründeten Sie die Gruppe „Team 1967“. Daran waren andere Meisterschüler der Akademie wie Klaus Caspers und Max Reithmann, genauso beteiligt wie weitere Maler, Bildhauer, Musiker, Kunsthistoriker, Architekten und auch Mediziner. Gemeinsam mit dem Bildhauer Andreas Sobeck und dem Architekten Marc Kneißel gewannen Sie vor genau 50 Jahren den Kunstwettbewerb für die neue Mensa der Universität München an der Leopoldstraße. Das war so etwas wie der Startschuss, die Initialzündung für Ihr Werk im öffentlichen Raum. Sie machten sich selbstständig – und Sie haben das bis heute nicht bereut.

Seither haben Sie mehr als 800 Arbeiten im öffentlichen Raum verwirklichen können. Ihre Werke sind in weit mehr als 50 Städten und Gemeinden zu sehen. Und ich bin sicher, wir alle kennen Arbeiten von Ihnen, denen wir begegnen, ohne es zu wissen. Alleine in München, sogar hier in Schwabing, haben Sie viele Räume gestaltet. Dabei handelt es sich vielfach um Wand- oder immer wieder auch Raum- und ebenso Platzgestaltungen. Neben dem bereits erwähnten Wettbewerbsgewinn beim Mensagebäude der LMU (1969, Überarbeitung EG 2012/13) haben Sie hier nebenan in der Werneckstraße (1999) die Supraporten an der Fassade im Traufbereich bemalt und zeichnen auch für die horizontale Bepflanzung der Fassade verantwortlich. Sie haben den farbigen Himmel des Casinos der Stadtsparkasse München in der Ungererstraße (1987) gestaltet; dort haben Sie eine 400 Quadratmeter große Arbeit, Acryl auf perforiertem Blech, gemalt. Mehrmals sind Sie für die Münchner Rück tätig gewesen, im Sitzungszimmer (1984-86), im Café Leo (1994, künstlerisches Gesamtkonzept) und auch im Riemerschmid-Zimmer im Altbau (2001).

Alleine diese kleine Aufzählung zeigt schon, dass Sie häufiger mehrfach für einen Auftraggeber tätig werden konnten. Und das ist natürlich ein Beweis dafür, wie erfreut und sicherlich auch zufrieden diese mit Ihrer Arbeit waren. Ansonsten hätten Sie natürlich in den seltensten Fällen einen Folgeauftrag erhalten.

 

II.

 

Nun will ich noch erzählen, wann und wie ich Ihrem Werk das erste Mal begegnete. Ich hatte gerade mein Theologiestudium hier in München beendet und mir überlegt, im Bereich Kunst und Kirche eine Dissertation anzustreben. In dieser Zeit, kurz nach der Mitte der 1980er Jahre, lebte ich mit meiner Familie hier in München und begann, mich in der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst zu engagieren. Dort gab es eine Galerie – die gibt es heute noch -, in der Ausstellung wichtiger Gegenwartskünstlerinnen und -künstler gezeigt wurden, die für meinen damaligen Geschmack mehr oder weniger etwas mit der Kirche zu tun hatten. Im damaligen Vorstand saß ein gewisser Manfred Ehrhard, zu dieser Zeit Diözesanbaumeister im Erzbistum Bamberg (später hatte er eine Professur in Weimar). Er wusste, dass ich, von dort gebürtig, mich intensiver mit Kunst und Kirche zu beschäftigen begonnen hatte. Und er lud mich ein, an einem Wettbewerbsverfahren, das im Jahr 1988 durchgeführt wurde, als Begleiter und Protokollant teilzunehmen. Es ging um die Ausgestaltung der Kapelle des Priesterseminars in Bamberg. Den Wettbewerb für die Gestaltung der Seminarkapelle gewannen schließlich Rudolf Bott – er gestaltete Altar, Ambo, Tabernakel- und Evangeliar-Stelen – und eben Manfred Mayerle. Von ihm stammt das Bild, das die gesamte Rückwand einnimmt. Es misst etwa fünf auf zehn Meter – und ist damit noch lange nicht das größte Werk, das Manfred Mayerle schuf. Auf der Homepage des heute zum Bistumshaus mutierten ehemaligen Priesterseminars steht lapidar: „Seminarkapelle neugestaltet 1994 … Altarwand (Manfred Mayerle) abstrakt flimmernd“.

„Abstrakt flimmernd“, das mag einen beim ersten Hören oder Lesen irritieren. Wer heute in diesem nach wie vor als Hauskapelle genutzten Raum eintritt, wird nicht anders können, als seine Augen auf Ihre Arbeit zu richten. Und das weniger, weil sie so groß und damit übermächtig wäre, nein, es ist ihre Ausstrahlung, die unsere Blicke darauf lenkt. Und wenn ich das jetzt Ausstrahlung nenne, dann meine ich damit ihre Intensität, ihre Kraft und Ihre Ruhe, die sie auszeichnet. Die ins Lila gehende Farbgebung für den Hintergrund, die rötlichen und hell ockerfarbenen Streifen, die für mich nach oben weisen, erzeugen bei mir eine Stimmung, die mich zum einen beruhigt, zum anderen über diesen Raum hinausweist. Wohin bleibt mir überlassen; diese Arbeit ist für mich der eigentliche Anlass, dass ich heute hier stehe. Sie hat mich derart eingenommen und überzeugt, dass ich diesen Künstler, der fähig ist, so etwas zu schaffen, näher kennenlernen, andere seiner Werke sehen wollte.

 

III.

 

Und damit komme ich zu den Arbeiten, die hier in der Katholischen Akademie gezeigt werden. Wir können uns nicht jedem einzelnen Werk zuwenden. Aber lassen Sie uns ein wenig herumwandern, jetzt mit den Augen oder im Kopf und anschließend per pedes, um sich die Arbeiten nochmals näher anzusehen. Nachdem wir in den Genuss des Hörens und die hinführenden Gedanken dazu schon eingetaucht sind, führt uns das vielleicht doch zur Frage, wie denn der Künstler arbeitet und wie er zu seinen Themen kommt.

Ich hatte eingangs schon davon gesprochen, dass der junge Maler Manfred Mayerle an der Akademie der bildenden Künste in München einige Preise gewonnen hat. Einen möchte ich jetzt noch erwähnen, nämlich den für die beste Portraitzeichnung. Als Manfred Mayerle diesen Preis gewann – er war mit einer erklecklichen Summe von einigen Tausend DM dotiert – konnte er nicht nur zeitweise seinem doch eher kärglichen Studentenleben entfliehen und sich wieder etwas mehr leisten, dieses Ereignis führte ihn auch dazu, mit der gegenständlichen Malerei zu brechen. Er ging dazu über Torsi, unvollständige Körper, nicht vollendete Dinge zu malen. In der Reduktion auf Teile, auf Teilflächen entstand für ihn eine neue Form der Konzentration. Das Erlebnis des Rudimentären, in dem doch die Fülle des Vollkommenen spürbar war, machte die Spannung in seinem Werk aus. Ein herausragendes Beispiel aus dieser Zeit finden wir hier an der Stirnwand. Der Torso für zwei entstand im Jahr 1986 und zeigt diese Auseinandersetzung in ganz besonderer Weise.

Als Manfred Mayerle Ende der 1950er Jahre an die Akademie der bildenden Künste kam, beherrschte dort die Frage nach dem Gegenständlich-Figürlichen oder der Abstraktion in der Malerei die meisten der Diskussionen unter den Studierenden. Seine Kenntnis der italienischen Malerei des Quattrocento und die intensive Beschäftigung mit der Monumentalmalerei eines Diego Rivera oder auch eines Juan O’Gormans in Mexiko – dorthin kam er Mitte der 1960er Jahre erstmals – ließen ihn vieles bedenken. Da zeitgleich in ihm das reifte, was wir heute von ihm kennen, – er beschäftigte sich intensiv mit dem Verhältnis von Farbe, Material und Proportion im Raum und der Maßstäblichkeit von Figuren und künstlerischen Arbeiten im Raum – ist. sein Weg in gewisser Weise vorgezeichnet.

Einen gewissen Einschnitt in der Entwicklung seiner Arbeiten bedeutet der Bezug seines Ateliers auf Mallorca. Er richtete alles her, wie er es für sich als notwendig erachtete. Und als er nach der Fertigstellung der Räume dort mit einigen seiner Arbeiten im Gepäck ankam, „spürte er, daß viele der älteren Arbeiten, die dem Thema Figur und ihren vielfältigen Varianten gewidmet waren, an einem Endpunkt angelangt waren. Suchend reagierte er radikal und verbrannte einen Teil seiner frühen Arbeiten auf Papier. Übrig blieben Asche und ein leeres Atelier“. Und was passierte dann? Es war keine Verzweiflungstat, es war eher so etwas wie eine Befreiung. Und daraus entstanden dann die ersten seiner Aschearbeiten. Drei davon, nicht aus dieser frühen Phase, sondern aus dem Jahr 1995 finden Sie in der Kapelle: Weisses Establiments. A,B,C.

Hier im großen Saal sehen Sie Gemälde, darunter eine Auswahl von neun von deutlich mehr Goldbergvariationen; einige weitere hängen derzeit noch bis Ende Oktober in Passau im Ordinariat. Auch wenn ich damit Werbung für einen anderen Ort mache, finde ich die dortige Ausstellung im Treppenhaus wie in den historischen Prunkräumen sehr gelungen und lade Sie herzlich ein, sie zu besuchen. Die Goldbergvariationen hier sind sicherlich an Bachs eine Arie und deren 30 Variationen angelehnt, von der „polyphon durchdrungenen Musik“ inspirierte Bild-Varianten. Damit sind sie ein Beispiel für die vielfach seriellen Werkgruppen Manfred Mayerles.

Oftmals arbeitet er in Serien, nähert sich einem Thema auf vielfache und damit vielfältige Art und Weise. Das kann und wird nicht zuletzt damit zu tun haben, dass er einen strengen Tagesablauf pflegt. So ist jeder Morgen und jeder Abend davon geprägt, dass er sich zurückzieht und zeichnet. Zeugnis dafür geben die kaum noch überschaubare Zahl seiner Skizzenbücher – einige davon sind in Passau zu sehen – sowie auch eine ganze Reihe an seriellen Werken, die diese stete, letztlich meditative Arbeit wiedergeben. Diese von innerer Ruhe und Konzentration gekennzeichneten Zeiträume sind Momente des Rückzugs aus dem Alltag, sind Ausgangspunkt und wohl auch Inspiration für seine anderweitigen Aufgaben.

Manfred Mayerle hat ja nicht nur, wie bereits erwähnt, hunderte von öffentlichen Aufträgen umgesetzt; Manfred Mayerle ist auch stets regional wie überregional für die Sache der Kunst engagiert.

So leitete er beispielsweise jahrelang den Münchner Künstlerbund und ist seit vielen Jahren aktiv im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst tätig. Der Überschritt zur abstrakt genannten Malerei oder auch auf Linien und Flächen zurückgenommene Zeichnungen ist somit nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden. Vielmehr ging dieser Entschluss vermehrt oder nahezu nur noch so gut wie ungegenständlich zu malen aus einer inneren Konsequenz hervor. Doch diese Werke sind, und das ist mir wichtig, nicht einfach nur abstrakt. Andreas Kühne hat in einem Text zu Manfred Mayerles Roten Bildern festgestellt: „Paradoxerweise ist das Werk Manfred Mayerles immer individueller geworden, je weiter es sich von Figur, Gegenstand und Erzählung entfernt hat.“

Genau das meine ich zu spüren. Wenn Sie vor einem dieser Roten Bilder oder auch einem anderen seiner nicht-gegenständlichen Werke stehen, dann merken Sie, dass diese Farben richtiggehend kräftig sind, Sie ansprechen. Diese Arbeiten sind Ausdruck von Empfindungen und Gefühlen, sie geben Energie. Und natürlich, das kommt nicht von ungefähr: Manfred Mayerle baut diese Bilder in Schichten Stück für Stück auf. Fläche und Linie stehen nebeneinander, grenzen sich voneinander ab und leben doch aus der Beziehung und der Spannung, die sie im Betrachtenden erzeugen. Die Farbfelder, die Sie sehen, sind von größter Dichte und sie lösen bei jeder und jedem von uns etwas aus. Die sinnliche Wahrnehmung, das Aufnehmen und Empfinden dieser Farbe(n) ist viel mehr als ein bloßes Sehen. Für den Künstler Manfred Mayerle „stehen Farbe und Linie sinnbildlich und gleichberechtigt für das Zusammenspiel von Geist, Emotion und Energie.“

Die Farbe wird dabei zum Mit- und zum Gegenspieler der Linie. Da die Linie selbst zum Thema wird, erhält sie Eigenständigkeit. Die in der Regel freihändig geführte Feder variiert entsprechend der aufgenommenen Menge im Farbauftrag. Der Strich wird autonom, ist aber immer Teil einer Gesamtheit. Ich sehe in diesen Bildern vielfältige Fassaden, andere mögen darin Proportionsstudien, wieder andere unterschiedlich intensiv gemalte Linien sehen. Das ist nicht nur erlaubt, die Arbeiten leben davon, dass die und der Betrachter jeweils etwas anderes assoziieren. Das einmal Gültige gibt es nicht, vielmehr geht die künstlerische Freiheit mit der Offenheit bei der Wahrnehmung durch den Rezipienten einher.

Mit Manfred Mayerles eigenen Worten will ich schließen: „Die Linie ist für mich das Denken mit der Hand, sie ist eine Form meiner Sprache, meines Ausdrucks, ein bewusster, aber auch unbewusster Prozess.“

Ich lade Sie ein, Manfred Mayerles Linien und seine farbigen Energiefelder auf sich wirken zu lassen.

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