Von wilden Jägern, prophetischen Vögeln und heiligen Hainen

Der Wald als Raum der Sehnsucht und des Schreckens in der Musik der Romantik

Im Rahmen der Veranstaltung Waldperspektiven, 09.05.2022

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„Waldeinsamkeit“

Wie klingt es im Wald? Ein sanftes Grundgeräusch, das Wiegen der Wipfel im Wind. Das Summen wilder Bienen, die in den Spitzen der Fichten, in blühenden Sträuchern und in den Blüten einsamer Blumen ihren Honig sammeln. Ab und zu vielleicht das Knacken von dürrem Holz oder trockener Blätter, wenn der samtpfotige Fuchs oder das leichtfüßige Reh den Boden betritt. Vor allem aber: die Stimmen der Vögel. Von allen Seiten erklingt ihr Gesang. Was wollen sie uns sagen in der Waldeinsamkeit?

„Waldeinsamkeit“ ist ein Schlüsselbegriff der deutschen Romantik. Ludwig Tieck hat in einem Gedicht seines Märchens Der blonde Eckbert von 1796 das Wort geprägt:

„Waldeinsamkeit,
Die mich erfreut,
So morgen wie heut
In ewger Zeit,
O wie mich freut
Waldeinsamkeit.“

Schlicht und kunstvoll zugleich führt uns das Gedicht von außen nach innen, von der Waldeinsamkeit über die damit verbundene Freude im Hier und Jetzt bis zur Aufhebung der Zeit in einer Erfahrung ruhender Ewigkeit. Von dort führt der Weg des Bewusstseins in einer spiegelbildlichen Entfaltung wieder zurück nach außen. Auch Joseph von Eichendorff liebte das Wort. Er griff es auf und bereicherte es durch eine subjektive Perspektive. Robert Schumann vertonte das Gedicht In der Fremde in seinem Eichendorff-­Liederkreis opus 39.

„Aus der Heimat hinter den Blitzen rot
Da kommen die Wolken her,
Aber Vater und Mutter sind lange tot,
Es kennt mich dort keiner mehr.

Wie bald, ach wie bald kommt die stille Zeit,
Da ruhe ich auch und über mir
rauschet die schöne Waldeinsamkeit.
Und keiner mehr kennt mich mehr hier.“

In seiner Vertonung erzeugt Schumann eine dunkle, sehnsüchtige Stimmung. Die Tonart fis-Moll steht für seelische Schauer und Abgründe, für einsame Versponnenheit, für das Unheimliche und die Todesahnung. Die auf- und abwogende Klavierbegleitung in gebrochenen Akkorden klingt, als würde sich der einsame Sänger selbst auf seiner Harfe begleiten. Die Melodie spricht von Resignation und stiller Akzeptanz. Sie bewegt sich in engen Intervallen. Erst die aufspringende Quart zu den Worten „Wie bald, ach wie bald“ scheint einen Weg ins Freie zu eröffnen, und die Stimme schwingt sich in höhere Lagen auf. Aber die Hoffnung gilt nicht dem Aufbruch in ein neues Leben, sondern der Sehnsucht nach dem Tod, der „stillen Zeit“, die mit der Sexte erreicht wird, dem Intervall der Sehnsucht. Zu den Worten „da ruhe ich auch“ ist der Gipfelton e erklommen und damit die Tonart A-Dur, die ins Helle gewendete obere Terz der Grundtonart fis. Solche Mediantverhältnisse sind typisch für die Musik der Romantik; sie bezeichnen das Ausweichen in eine Parallelwelt. Schon bei der Wiederholung ziehen Melodie- und Bassstimme wieder abwärts. Die „schöne Waldeinsamkeit“ erklingt in h-Moll, der Subdominante der Grundtonart, die bald wieder erreicht ist. Das Ende ist in den Anfang verschlungen.

„Mein aller Romantischstes“ nannte Schumann seinen Liederkreis nach Gedichten von Joseph von Eichendorff in einem Brief an Clara Wieck vom 22. Mai 1840). Romantische Schwermut wird in diesem Lied beschworen. Was ist Heimat? Sie ist verloren. Wo sind Vater und Mutter? Sie sind tot. Wo bin ich? In der Fremde. Wo gehe ich hin? In den Tod. Was kommt danach? Die „stille Zeit“. Wo finde ich sie? In der „Waldeinsamkeit“. Die Romantiker stellten sich den Tod gern als ewige, stille Naturbetrachtung vor, als Einswerdung mit dem Urgrund des Seins. Die „schöne Waldeinsamkeit“ ist der Initialimpuls für den „Friedwald“ der heutigen Zeit.

„Was will dieses Grau’n bedeuten?“

Doch der Wald zeigt uns mitunter auch seine unheimliche Kehrseite. Das erfahren wir im Zwielicht, ebenfalls aus dem Eichendorff-Liederzyklus von Robert Schumann. Mitten im Wald bricht der Abend ganz plötzlich über uns herein. Das Licht, das eben noch freundlich, aber gebrochen durch die Zweige schien, nimmt auf einmal eine bedrohliche dunkle Farbe an. Wir sehen die Welt im Zwielicht.

„Dämmrung will die Flügel spreiten / Schaurig rühren sich die Bäume.“ So beginnt das Gedicht. Wie ein großer dunkler Vogel senkt sich die Nacht herab. Das Zwielicht weckt die Geister der „Ent-Zweiung“: Es drohen Zwiespalt, Zweifel und Zweideutigkeit. Gib acht! Das Reh, das du liebhast, wird von lauernden Jägern ermordet; der Freund, mit dem du dich verbunden fühlst, sinnt auf Verrat. Deshalb: „Trau ihm nicht zu dieser Stunde!“ Die Scheidung des Lichts bedeutet auch „Ent-Scheidung“: Wird die Nacht uns das Liebste nehmen? „Was heut müde gehet unter, hebt sich morgen neu geboren. Manches geht in Nacht verloren“.

Wer aber ist es, der hier seine Flügel spreitet und die Welt mit Zwist, Zweifel und Entzweiung bedeckt? Wirklich nur ein Naturphänomen? Nein, das Geschehen hat eine kosmische Dimension. Ich behaupte: Es ist Lucifer, wörtlich: der „Lichtträger“, der gefallene Engel, der Abtrünnige. Lucifer war Gott am nächsten. Doch er rebellierte gegen dessen Allmacht. Lucifer ist der Rebell, der die primordiale Zwietracht sät, der im Abfall von Gott die Welt entzweispaltet und im Zwielicht der Dämmerung das Böse auf die Welt bringt.

Deshalb die eindringliche Mahnung des letzten Verses: „Hüte dich, bleib wach und munter!“ Seit uralter Zeit fürchten sich die Menschen vor dem Schlaf. Seine Gefahren sind Schutzlosigkeit und Kontrollverlust, auch das Abgleiten ins Unbewusste, in dem wir dem Einfluss Lucifers, des Einflüsterers, ausgeliefert sind. Im Schlaf sind wir Albträumen und Nachtgespenstern ausgeliefert, wie Johann Heinrich Füsslis Gemälde Der Nachtmahr sie uns eindringlich vor Augen führt. Lucifer, der Teufel mit den glühenden Augen, treibt sein böses Spiel. Wahnsinn, Irrnis und Verlust drohen. All dies spiegelt sich in der bedrohlichen Stimmung des Gedichtes Zwielicht.

Robert Schumann hat die luziferische Dimension des Gedichtes offenbar genau verstanden. Denn in seiner Vertonung kommt einem ganz besonderen Intervall strukturelle Bedeutung zu, das seit alters her als Ausdruck für den Zwiespalt gilt: dem Tritonus. Als „diabolus in musica“ ist er ein ausdrucksstarkes Symbol für Klage und Sünde, für das Abkommen vom rechten Weg und natürlich für den Teufel. Der Tritonus umspannt drei Ganztöne. Er spaltet die Oktave genau in der Mitte, gleichsam an der verletzlichsten Stelle. Er schlägt sie sinnbildlich in zwei Stücke. Die durch einen Tritonus bezeichneten Töne sind im Quintenzirkel am weitesten voneinander entfernt. Beispiel: c-fis oder (wie im Zwielicht) g-cis. Da der Tritonus je nach Kontext als übermäßige Quarte oder verminderte Quinte gedeutet werden kann, ist er in der Tat ein zweideutiges und damit höchst zwielichtiges Intervall. Er klingt dissonant und wirkt extrem instabil. So lässt sich der Tritonus in Schumanns Zwielicht als das tönende Sinnbild des Lucifer auffassen, der sich mit gespreizten Flügeln zur Erde niedersenkt und die zerstörerischen Kräfte des Zweifels, des Zwiespalts und der Lüge entfacht.

Die Klavierstimme beginnt mit einem schweifenden, wie haltlos wirkenden Lineament, das sich erst abwärts, dann wieder aufwärts wendet. Vielleicht sind das die dünnen Sonnenfäden im Wald, die Spinnweben des Altweibersommers, gewiss aber auch das Senken und Heben der luziferischen Schwingen, die der Bildtradition nach wie die gezackten Flügel der Fledermaus gestaltet sind. Dann spaltet sich eine zweite Stimme ab – Sinnbild der „Ent-Zweiung“ im Sinne des Zwielichts.

Das Intervall des Tritonus prägt dieses ganze Lied. Er wirkt sowohl vertikal als auch horizontal beherrschend: als gleichzeitiges Erklingen von cis und g beziehungsweise g und cis sowie als Intervallsprung von g nach cis oder umgekehrt, jeweils in Klavier- und Singstimme. Jede Strophe wiederholt dieses Modell mit spezifischen Varianten. Wie eine Spinne, die ihre Fäden immer dichter über ihrer Beute zusammenzieht, bis sie darin erstickt, so bewegen sich diese Linien einander überkreuzend und umschlingend. In der dritten Strophe, wenn von dem tückisch auf Krieg sinnenden Freund die Rede ist, wirkt das Netz besonders dicht. Hier erweitert sich die ­Zweistimmigkeit zur polyphon verwobenen Dreistimmigkeit von barockem Zuschnitt, fast wie in einer Invention von Bach, in enger, von chromatischen Wendungen durchzogener Lage.

Erst die letzte Strophe bringt einen vollen akkordischen Satz, der in einen entschlossenen Kadenzschluss mündet: „Hüte dich, sei wach und munter!“ Aus dem „bleib“ des Eichendorff-Gedichts hat Schumann ein „sei“ gemacht. Der Zwietracht nicht zu erliegen, fordert einen immerwährenden Zustand der Achtsamkeit und der Bewusstseinsschärfe.

„Wehe! Das wilde Heer!“

Wir wandern weiter durch den Wald, auf unbekannten Pfaden, durch Dickicht und ins Unterholz. Rückwärts geht die Zeitreise, sie führt uns in die finsteren Böhmischen Wälder der Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg. Dort spielt Der Freischütz von Carl Maria von Weber. Doch ist diese düstere Zeit nur eine Metapher für die Epoche nach den Napoleonischen Befreiungskriegen, die der romantischen Generation nur Enttäuschung gebracht hat. Seit der Uraufführung am 18. Juni 1821, auf den Tag genau sechs Jahre nach der Schlacht von Waterloo, gilt die Oper als nationalromantisches Wald-Heiligtum.

Springen wir ohne Umschweife mitten hinein in das tönende Waldtableau der Ouvertüre! Hier begegnet uns der Wald in seiner romantischen Doppeldeutigkeit.

Da ist zuerst der geheimnisvolle Initialklang, der fragend beginnt und in seiner dynamischen Steigerung vom Pianissimo zum Forte, im ungewissen Sprung über die Oktave zur doppeldominantischen None unversehens die Eintrittspforte in die Anderswelt öffnet. Denn der Wald ist, wie jeder weiß, ein Initiationsraum. Wer sich in den Wald begibt, muss sich auf alles gefasst machen. Prüfungen, Verirrungen, Gefahren, Abenteuer. Wir betreten ein unbekanntes Reich, wo die Dämonen wohnen, aber auch die Gespenster des eigenen Unbewussten. Wie beschwichtigend führt die sanfte Linie der Violinen wieder abwärts, ins Bekannte, aber der Ruf in die Ferne ertönt ein zweites Mal.

Und dann, nach einer Fermate, beginnt jenes unverkennbare, auf und absteigende Waldweben, und wir sind mittendrin. Eigentlich ist das nur eine schlichte Begleitfigur in C-Dur, die Ruhe und Ordnung suggeriert und der folgenden Melodie der Hörner einen Teppich aus ­weichem Moos unter die Füße breitet.

Das Horn ist natürlich das Waldinstrument schlechthin. Jagdhörner sind das tönende Signet des Waldes. Über die Hornsignale verständigen sich die Jäger über einen weiten Raum hinweg. Was ihnen Lust und Vergnügen ist, bedeutet den Tieren des Waldes Tod und Grauen. Wenn ein Mensch die Jagdhörner aus der Ferne vernimmt, verführen sie ihn ins Ungewisse. Hier verbreiten sie sich als „schöne Melodie“, Ruhe und Sicherheit ausstrahlend. Doch der Schein trügt: Nach dem Ende der freundlichen Melodie auf der Dominante stellen Paukenschläge, bebende Tremoli und instabil schweifende Melodien alles in Frage und konfrontieren uns mit einem unbekannten Grauen. Wie in einem Vexierbild kippt die Szenerie um, und es bietet sich plötzlich eine bedrohliche Perspektive.

Und dann bricht es los, das Chaos. Hinkend gegeneinander verschobene Akzente und verminderte Septakkorde erzwingen den Blick in den Abgrund des Entsetzlichen. Das „Unheimliche“, sagte Carl Maria von Weber, bilde „den Hauptcharakter der Oper“. Diese Passage wird später in der Arie des Max Takt für Takt wiederholt:

„Doch mich umgarnen finstre Mächte!
Mich fasst Verzweiflung, foltert Spott!
O dringt kein Strahl durch diese Nächte?
Herrscht blind das Schicksal? Lebt kein Gott?“

Zweifel, der zur Verzweiflung führt: Das Luziferische, bei Eichendorff und Schumann als kosmischer dunkler Vogel mehr geahnt als gewusst, wird hier als bedrohliches Schicksal, als Abwesenheit des lebendigen Gottes scharf konturiert. Sein Klangsymbol ist der verminderte Septakkord, die grauenvollste Dissonanz der damaligen Zeit. Das Grauen hat in dieser Oper auch einen Namen: Samiel, der „schwarze Jäger, ein Abgesandter des Höllenfürsten Lucifer. Der Jägerbursch Kaspar, der als Landsknecht die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges miterlebt hat, ist ihm verfallen. Samiel ist, modern gesprochen, der personifizierte dunkle Schatten einer von Krieg und Gewalt traumatisierten Gesellschaft. Um seine Lebensfrist zu verlängern, muss er dem Teufel immer neue unschuldige Seelen ausliefern.

Mit Freikugeln verführt er seinen Kameraden Max zu frevlerischem Tun. Der muss, um die Tochter des Erbförsters zu ehelichen, am Tag seiner Hochzeit einen erfolgreichen Probeschuss ablegen. Kein Wunder, dass er von Versagensangst gepeinigt ist. Freikugeln sollen ihm zu einem sicheren Schuss verhelfen. Doch damit hat es eine gefährliche Bewandtnis: „Sechse treffen, sieben äffen.“ Die siebte Kugel gehört dem Teufel, und der hat es auf Agathe abgesehen, die unschuldige, die reine Braut. Deren Kantilene der Liebe und der Hoffnung wird in dieser Ouvertüre ebenfalls angestimmt, denn „das Ganze schließt freudig“.

Aber das sparen wir an dieser Stelle aus und klettern gleich hinab in den dunklen Abgrund der Wolfsschlucht. „Furchtbare Waldschlucht“, „Schwarzholz“, ringsherum Felsen und ein Wasserfall, der bleiche Vollmond, zwei Gewitter, aus verschiedenen Richtungen gegeneinander aufziehend, ein vom Blitz zerschmetterter Baum, der vor Fäulnis grünlich schimmert (Lucifer = Phosphorus). Eine Eule mit „feurig rädernden Augen“, aus denen die Flammen der Hölle schlagen. Unglücksraben, „Waldgevögel“ und unsichtbare Geister, vom Höllenfürsten Samiel befehligt – das sind Spiegelungen psychischer Bewusstseinszustände, wie wir sie dem Bild von Füssli gesehen haben.

Beginn und Schluss der Szene stehen in fis-Moll, der Tonart des Unheimlichen. Auch in der Wolfsschlucht erhält, wie im Zwielicht, der Tritonus als „diabolus in musica“ eine strukturprägende Funktion, und zwar vor allem bezüglich der übergeordneten Tonartendisposition. Der Mittelteil der Wolfsschluchtszene, der von den beiden fis-Moll-Abschnitten eingerahmt wird, erklingt im Tritonus-Abstand c-Moll. Dieser Mittelteil enthält wiederum Episoden in a-Moll und Es-Dur, die ihrerseits im Tritonus-Abstand stehen.

Wenn wir die Abfolge der Tonarten zu einem einzigen Akkord zusammenfügen, so erhalten wir fis-a-c-Es-fis. Das ist derselbe verminderte Akkord, der in der Ouvertüre, in der Arie des Max und an zahlreichen anderen Stellen den luziferischen schwarzen Jäger Samiel charakterisieren. Auf diese Weise ergibt sich eine höchst auffällige Verschachtelung von Tritonus-Abschnitten – ein Verhängnis, aus dem die Protagonisten aus eigener Kraft sich nicht befreien können. Es bedarf einer höheren, einer transzendenten Kraft, um den Zauber zu lösen. Erst das Machtwort des Eremiten im Finale des dritten Aktes vermag eben jenen Würgegriff der vernichtenden Geisterwelt durch einen neuerlichen, waghalsigen Tritonussprung von fis nach c zu überwinden („doch jetzt erhebt noch eure Blicke / zu dem, der Schutz der Unschuld war“) und schließlich ins jubelnde C-Dur einer gottgefälligen Schluss-Apotheose zu entrücken.

Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Die erregten Streichertremoli zu Beginn der Wolfsschluchtszene werden vom Klang der tiefen Klarinetten und Posaunen, den Instrumenten der Hölle, des Todes und des Weltgerichts, grundiert – denken Sie an die letzte Posaune des Dies irae. Die poetischen Insignien der Schauerromantik in den litaneiartig auf einen Ton deklamierten Worten des Geisterchors, vom grellen „Uhui!“ der Eulen unterbrochen, ließen den Zeitgenossen das Blut in den Adern gefrieren. Schwarze Romantik, wie in den Blumen des Bösen bei Charles Baudelaire, gibt dem Libretto seine krassen Farbkontraste:

„Milch des Mondes fiel aufs Kraut,
Spinnweb ist mit Blut betaut,
Eh noch wieder Abend graut
Ist sie tot, die zarte Braut!“

Hier wird eine satanische Messe zelebriert. Die von Kaspar um Mitternacht in einem magisch-alchemistischen Prozess der Beschwörung herbeizitierte Erscheinung Samiels ist musikalisch als Epiphanie einer dunklen Macht gestaltet: mit einer Tritonus-Rückung von fis-Moll nach c-Moll, mit mächtig sich steigernden Tremoli und dem Samiel-Akkord – bis der Teufel leibhaftig vor uns steht und der Schrecken des Numinosen uns durchschauert.

Was uns beim Gießen der sieben Freikugeln im Höreindruck so bestürzend romantisch vorkommt, kann bei näherer Betrachtung als einfache, in steter Steigerung befindliche Variationenreihe nach barockem Vorbild betrachtet werden. Nach jeder gegossenen Kugel steigt eine andere kompositorische Idee wie der Geist aus der Flasche: Flatternde Waldvögel, ein vorüberpreschender Eber, eine Sturmkaskade, funkenwerfende Räder, das Wilde Heer mit Hörnerschall, Gewieher, Hundegebell und einem Geisterchor. In den Rauhnächten zwischen Weihnachten und Neujahr, aber auch in stürmischen Gewitterfronten ziehen die gestürzten germanischen Götter lärmend über den Himmel, um Kriege und Katastrophen anzukündigen. Nach der 6. Kugel erklingt das Verzweiflungsmotiv des Max, und nach der siebten erscheint der leibhaftige Samiel, doch bringt der Glockenschlag auf eins den Spuk zum plötzlichen Stillstand.

Vogel als Prophet

Wir haben den tiefsten und gefährlichsten Punkt unserer Expedition erreicht und schreiten wohlgemut wieder aufwärts ans Licht. Am hellen Tag, wenngleich im gedämpften Licht und inmitten der Stille einer weltabgeschiedenen Waldeinsamkeit, wartet ein ganz besonderes, ein staunenswertes Erlebnis auf uns. Das siebte Stück aus Robert Schumanns Waldszenen für Klavier opus 82, entstanden im Januar 1849, heißt Vogel als Prophet.

Was will der geheimnisvolle Vogel uns sagen? Er spricht zu uns, doch in wunderlichen Arabesken, die wir nicht verstehen. Dissonante Klänge wechseln mit vollkommenem Wohllaut. Auch dem Tritonus begegnen wir wieder, dazu der großen Septime und der verminderten Oktave. Doch die scharfen Intervalle wirken hier höchst anziehend und faszinierend. Der Gesang des Vogels bewegt sich in der hohen Diskantlage; kein Bassfundament verleiht ihm Erdhaftung. Rhythmische Dehnungen und Verschiebungen entheben uns des Takt- und damit auch des Zeitgefühls. Die ornamental gewundenen Arabesken entspringen der Stille, und sie entlassen uns auch wieder in die Stille, sobald der Vogel einen Abschnitt seiner Strophen beendet hat. In den kurzen Pausen wird die Stille fast schmerzlich spürbar. Dieser Vogel atmet, bevor er von Neuem beginnt, wir aber lauschen beinahe atemlos.

Ach, wüssten wir doch, was seine Botschaft für uns bedeutet! Wir lauschen und lauschen… und da, gerade hat der Vogel eine neue Strophe begonnen, glauben wir etwas zu verstehen. Plötzlich: ein Lied. Ein Choral vielleicht, auf jeden Fall etwas Vertrautes, etwas Menschliches.

Und nun scheint auf einmal alles klar zu sein. Der Gesang bewegt sich in der gemäßigten Mittellage einer menschlichen Stimme, in typischem Choralsatz, mit harmonisch stützender Begleitung. Die kleinen Intervalle und fasslichen Rhythmen ahmen die gesprochene Sprache nach. Sogar ein solides Bassfundament ist gegeben, Ausdruck von Sicherheit und
Geborgenheit. Tröstlich und verheißungsvoll klingt dieser Gesang. Er steht in G-Dur, der Tonart des Gotteslobs, der ländlichen Idylle, der Glaubensgewissheit. Hier sind wir Gott ganz nahe!

Nach fünf Takten wird der Choral in einer unvermittelten harmonischen Rückung von G-Dur nach Es-Dur versetzt und in eine höhere Lage enthoben, als wolle er sich in höhere Sphären aufschwingen. Wir horchen überrascht auf – doch genau in diesem Moment bricht der Choral ab, und der Vogel beginnt aufs Neue seinen einsamen, unverständlichen, faszinierenden Gesang.

Das Buch der Natur erschien den Romantikern verrätselt, aber in erleuchteten Augenblicken offenbart es seinen Sinn. Hier werden wir Zeuge einer solchen Epiphanie. Allerdings gelingt es dem Lauschenden nicht, sein Bewusstsein dauerhaft auf dieser Höhe zu halten. Und so bricht der Choral ab; das Bewusstsein verdunkelt sich wieder, und wir hören erneut den Gesang des Vogels als rätselhaft-unverständlichen Naturlaut.

Schumann wollte diesem zauberhaften Stück ein Motto mit auf den Weg geben: „Hüte dich, sei wach und munter“. Die letzten beiden Verse des Gedichts Zwielicht also, das er fast zwei Jahrzehnte zuvor komponiert hatte, ebenfalls eine Miniatur von kosmischer Bedeutung. Wenn wir unser Bewusstsein hüten, wenn wir wach, entspannt und geistesklar im Hier und Jetzt verweilen, dann offenbaren die Stimmen der Natur ihren göttlichen Ursprung, und wir vernehmen die Sprache Gottes als eine verständliche Botschaft vom Glück des Daseins.

„Dank, liebes Vöglein für deinen Rat!“

Wir gehen ein paar Schritte weiter in die Tiefe des unergründlichen Waldes und halten an einem sonnigen Vormittag Rast unter einer Linde auf einer kleinen Hochebene. Im Hintergrund sehen wir durch grün belaubte Bäume einige zerklüftete Felsen und den Eingang zu einer Höhle, aber das muss uns jetzt nicht beunruhigen. Im hellen Licht des Vormittags treffen wir auf einen jungen Mann. Er ist wild im Wald aufgewachsen; Vater und Mutter hat er nie gekannt, sie sind gestorben, bevor er das Licht der Welt so recht erblickte. Sein Ziehvater hat ihm das Schmieden beigebracht, und die Tiere des Waldes waren seine Spielgefährten. Nun soll er das Fürchten lernen, was ihm bislang nie gelungen ist, denn er ist ja eins mit dem Wald, wovor sollte er da Angst haben? Sein Ziehvater will ihm nichts Gutes, aber das weiß er noch nicht. Hier soll er mit einem Drachen kämpfen, der sich gegen Mittag aus der Höhle hervorwälzen wird, um an der nahegelegenen Quelle seinen Durst zu stillen.

Doch bis dahin ist noch Zeit, und so verfällt er in „schweigendes Sinnen“ und fragt nach seiner Herkunft. „Wie sah mein Vater wohl aus?“ Die Antwort ist klar: „Ha! gewiss, wie ich selbst!“. Doch ihn bewegt noch etwas anderes. „Er lehnt sich tiefer zurück und blickt durch den Baumwipfel auf. Tiefe Stille. – Waldweben.“

„Waldweben“ – den Begriff hat Richard Wagner geprägt. Acht Jahre nach Robert Schumann träumt der einstige Dresdner Revolutionär in der Einsamkeit seines Zürcher Exils wieder von einem Vogel als Propheten einer glücklichen Zukunft: in Siegfried, dem vorletzten Werk der Tetralogie Der Ring des Nibelungen. Für den unwissenden Knaben, der das Fürchten nicht kennt, bietet die Einsamkeit des Waldes Gelegenheit zur Reflexion über die Urfragen des Menschseins: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was ist der Sinn des Lebens? Der Wald ist ein Raum der Erkenntnis und der Initiation an der Schwelle zum Erwachsenwerden.

Sanft geht die Luft durch die Zweige der Linde, und sie verströmt ihren zarten Duft. Es ist ein mütterlicher Duft, denn seine Mutter hieß „Sieglinde“, fast wie der Baum. Und da kommt ihm die Frage, die er sich stellen muss und auf die er keine Antwort weiß: „Aber – wie sah meine Mutter wohl aus? Das kann ich nun gar nicht mir denken!“ Aber die Musik weiß es. Das freundliche Waldweben entspinnt sich in einem zarten Auf und Ab von horizontal sich entfaltenden Sechzehntelfiguren der solistisch besetzten, gedämpften Streicher in tiefer und mittlerer Lage über einem tragenden Grund aus Horn und Bassklarinette, die fortgesetzt den liegenden Ton e spielen. Das ergibt ein zartes, versponnenes Klangbild. Dort hineingewoben ist eine ausdrucksvolle, traurige Melodie in der Klarinette. Der Hörer kennt sie aus der Walküre, das ist Sieglindes Motiv. Sie scheint aus der Seele des Baumes zu dem Sohn zu sprechen, der sich nach ihr, der Unbekannten, sehnt. Das Schönste, was er im Wald je gesehen hat, waren die „hell schimmernden Augen“ eines zarten Rehs. So stellt er sich seine Mutter ähnlich vor – „nur noch viel schöner!“

Die Musik des Waldes und die Ahnungen des sinnenden Knaben wechseln einander ab, und es entspinnt sich eine zarte Zwiesprache zwischen dem Menschen und der Natur, in die er eingebunden ist. Diese Natur ist jung und schön, und sie ist feminin. Das verrät uns das Orchester nach den Worten „meine Mutter – ein Menschenweib!“

Das diffuse Waldweben weitet sich zu großflächig über den Klangraum ausgespannten Akkorden, über die eine zarte Violinmelodie gelegt ist – ein Zitat aus dem Lobpreis von „Weibes Wonne und Wert“ aus dem Rheingold. Die das Leben erschaffende und erhaltende Magna mater ist die ewige Mutter, vorgestellt als junge Frau, als Geliebte und als Nährende, wie sie in allen Kulturen seit ewigen Zeiten verehrt wird – zuerst als Freia und Holda, später im Bild der Jungfrau Maria. Aus ihrem Klang löst sich zwanglos der Gesang eines Vogels in Flöte und Klarinette. Es ist die Stimme der Großen Mutter, die zu ihm spricht und die er noch nicht verstehen kann. Lauschen wir ­
lauschen jetzt mit ihm:

Ein uralter Initiationsritus, von dem fast alle alten Kulturen künden, besagt, dass der junge Mann seine Identität durch eine entschlossene, meist blutige Tat zu erweisen hat. Mühelos ist der Drache erlegt. Nachdem er von seinem Blut gekostet und die Lebenskraft seines Opfers sich zu eigen gemacht hat, versteht Siegfried, nunmehr erwachsen geworden, auch die Sprache des Vogels. Anders als bei Schumann singt er dieselbe Melodie, jedoch mit verständlich unterlegten Worten.

Dreimal folgt Siegfried dem weisen Rat des Waldvogels: Er holt Ring und Tarnhelm aus Fafners Höhle, er durchschaut die lügnerischen Absichten seines Ziehvaters Mime, der ihm nach dem Leben trachtet, und er folgt schließlich dem Vöglein aus dem Wald fort auf den feurigen Fels, um die schlafende Brünnhilde zu erwecken. Dem bergenden Schoß des mütterlichen Waldes ist er damit entwachsen. Das hört man der drängenden, leidenschaftlich bewegten Musik sofort an. Aus dem Jungen, der nach Vater und Mutter fragt, ist ein Mann geworden, den es zur Frau drängt.

„Hier im heil’gen Walde!“

Ein letztes Waldbild bleibt uns am Schluss: Richard Wagners Parsifal, das „Weltabschiedswerk“. Es führt uns in einen heiligen Hain, in dem wir Gott begegnen. Am Ende seines Lebens war Richard Wagner zunehmend ökologisch bewegt, wie wir heute sagen würden. Das Ende militärischer Aufrüstung und der Schutz der Tiere lagen ihm am Herzen. Seine von Zweifeln und Sehnsucht bewegte Suche nach dem Göttlichen verschmolz er in seinem letzten Werk zu einer Synthese aus christlicher Mystik und buddhistischen Gedanken, projiziert auf die keltische Sage vom heiligen Gral. Damit reagierte er auf die Krise der Religion, die er neu zu definieren suchte. „…die Wahrheit zu sehen, nicht mehr den Schein der Dinge, macht den Gott aus…“, sagte Wagner einmal zu seiner Frau Cosima.

Wagners Religion des Mitleidens, die er in Parsifal und in den begleitenden Spätschriften darlegt, umfasst Mensch und Natur gleichermaßen, denn beide entspringen derselben Wurzel: jenem „Willen zum Dasein“, den der Philosoph Arthur Schopenhauer in seinem Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung (1819) als Urgrund der Welt dargelegt hat. Egoismus, Gewalt und Naturzerstörung sind die Triebfedern dieses Willens. Sie zu überwinden, um Natur, Mensch und Gott in einem gewaltfreien, verantwortungsbewussten Leben miteinander zu versöhnen, ist Wagners Vision. Insofern ist das Werk gerade heute ganz aktuell.

Zwei von sechs Bildern in Wagners letztem Musikdrama spielen im Wald – in jenem geheimnisvollen Bezirk unberührter Natur, dessen felsige Klüfte, von außen unsichtbar, einen Tempel in sich bergen. Dieser Tempel wiederum bewahrt den Kelch, in welchem Joseph von Arimathia das Blut Christi am Kreuz aufgefangen hat. Mit der Einsetzung des heiligen Abendmahls – „Nehmet hin meinen Leib, nehmet hin mein Blut um unsrer Liebe willen“ – hatte Christus einst die Religion des Mitleidens als Utopie einer neuen, friedvollen Gesellschaft gestiftet. Die Gralsritter folgen ihm nach, so gut sie es vermögen. Doch dazu gehört Triebverzicht, und daran scheitern sie. „Durch Mitleid wissend“ wird schließlich Parsifal, der „reine Tor“, der durch einen schmerzlichen Prozess der Selbsterkenntnis und der Bewährung hindurch geht und zum Nachfolger Christi wird.

Der Gralswald ist ein geschützter Raum. Mensch und Natur leben hier friedlich zusammen. Darin gleicht er dem wieder hergestellten sündenlosen Garten Eden und ist ein Sinnbild der durch Christus erneuerten Erde, wo Lämmer neben Löwen grasen und die Tiere vom Menschen nichts zu fürchten haben. Doch Parsifal, der wie von ungefähr in den Gralswald verschlagen wird, weiß davon nichts. Er erlegt einen wilden Schwan, in kindlichem Stolz auf seine Geschicklichkeit. Der alte Gralshüter Gurnemanz hält ihm das „unerhörte Werk“ des Mordens drastisch vor und öffnet ihm die Augen für die Schönheit der Natur und für die Zerbrechlichkeit des Lebens, das ­er achtlos zerstört hat.

Wagner webt ein reiches Geflecht von Leitmotiven über das ganze Werk, die uns seine Philosophie mitteilen. „Des Haines Tiere nahten dir nicht zahm?“ ist eine Variante des Glaubensthemas und verweist auf das Ethos der Gewaltlosigkeit, dem sich die Ritter verschrieben haben. Sobald die Rede auf den „treuen Schwan“ kommt, verschiebt sich die musikalische Perspektive vom Naiven ins Dunkel-Sentimentalische. Beim Flügelschlag des Schwans, der sich zum Kreisen über den See aufschwingt, erinnert Wagner an die traurigen Schwanenakkorde aus dem Lohengrin. Die hinzukommenden reichen Harfenfigurationen verweisen auf die Symbolik dieses Vogels als Träger des Lichtes, der Reinheit und der spirituellen Transformation.

Der Schwan steht für die menschliche Seele, die sich sehnsüchtig zu Gott aufschwingt. Die Taube wiederum, die am Schluss des Bühnenweihfestspiels aus der Höhe der Transzendenz zu den Menschen herabkommt, ist Zeichen des neuen Bundes und steht in christlicher Symbolik für den Heiligen Geist. Der wilde Schwan im Gralswald präfiguriert somit die heilige Taube des Schlussbildes im Tempel. Sein Tod ist letztlich die Voraussetzung für die Erneuerung des Gralsmysteriums, zu der Parsifal berufen ist.

Indem Gurnemanz dem Bogenschützen das Leiden und den Tod des schönen und schuldlosen Tieres vor Augen führt, macht Parsifal eine entscheidende Erfahrung: Er lernt, die Welt aus der Perspektive seines Opfers zu betrachten. Daraus erwächst eine Erweiterung seines Bewusstseins vom Ich zum Du, vom Egoismus zum Mitgefühl. Der künftige Erlöser hat seine erste Lektion gelernt. Er zerbricht seinen Bogen. Zum Zeichen für diese innere Wandlung erklingen chromatisch abwärts gerichtete, schmerzlich-expressive Wendungen. Dieses motivische Fragment bildet den Abschluss der sogenannten „Heilandsklage“. Dieses bedeutsame Thema symbolisiert laut Auskunft des Komponisten Jesus selbst, „die Klage des liebenden Mitleides“ und das „göttliche Schmerzensleiden des Golgatha“. In jedem leidenden Geschöpf leidet Christus mit. Die „Heilandsklage“ ist das musikalische Zentrum der Parsifal-Konzeption.

Erst nach schweren Prüfungen und langer Irrfahrt darf Parsifal, nunmehr durch die Erfahrung des universalen Mitleidens vollkommen verwandelt, in den Gralswald zurückkehren. Es ist an einem Karfreitag, und das Wiederaufblühen der Natur ausgerechnet jetzt ist für Parsifal ein unbegreifliches Mysterium: „O wehe, des höchsten Schmerzentags! Da sollte, wähn‘ ich, was da lebt und wieder lebt, nur trauern, ach! und weinen!“ Doch Gurnemanz antwortet ihm schlicht: „Du siehst, das ist nicht so.“ Halm Blume auf der Aue, sagt Gurnemanz, können den Gekreuzigten nicht sehen, wohl aber den „erlösten Menschen“, der sich der Natur gegenüber ganz anders verhält als sonst: Dass er „sie schont mit sanftem Schritt“, dass er sie nicht zerstört, sondern sie achtet und liebevoll wahrnimmt, ist Ausdruck der Gralsutopie, wie sie uns bereits in der Schonung der Tiere begegnet ist. Die Natur erfährt ihren „Unschuldstag“ also in doppelter Vermittlung: Christus leidet für den Menschen, der Mensch wiederum gibt dieses Mitleiden weiter an die Natur, die ihrerseits aufblüht. So geht Versöhnung!

In der Osterliturgie heißt es, dass die Erde, vom „Glanz aus der Höhe“ überstrahlt, das Lob des Schöpfers singt. In frühchristlicher Tradition wurde dies mit der uralten Symbolik von Tod und Wiedergeburt, mit tellurischen Fruchtbarkeitsriten verknüpft. In einer Exsultet-Rolle aus der Kathedrale von Bari ist eine weibliche Gestalt abgebildet, die einen Kranz von Blättern und Blüten auf dem Kopf trägt; ihr Gewand ist mit Lilien übersät. In ihren Händen hält sie zwei Baumstämme, aus denen junge Zweige emporsprießen. Sie ist von Tieren umgeben, die zu ihr aufblicken oder friedlich grasen. Diese Botschaft tritt uns aus dem Karfreitagszauber entgegen.

In einer Zeit, da der Wald aufgrund einer schonungslosen Ausbeutung der Ressourcen der Erde der Zerstörung durch den Klimawandel anheimgeben ist, in dem die Artenvielfalt bedenkenlos zerstört wird, in der wir der Erde mehr wegnehmen als sie uns geben kann, sollten wir über diese Botschaft wieder einmal ganz bewusst nachdenken. 

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