Entstehung des Denkmalpflegegedankens in Deutschland
Große gesellschaftliche Umbrüche haben häufig zur Folge, dass die Menschen das Alte, Bekannte und Traditionelle verstärkt schätzen, die „gute alte Zeit“ eben. So war es auch im 19. Jahrhundert, als Karl Friedrich von Schinkel, der preußische Oberbaurat und höchste Architekt Friedrichs des Großen von der „Entdeckung des Bedrohten“ schrieb. Er erkannte damals die neu entstandene „Entstehung des Erfordernisses“, das Historische zu bewahren.
Den geistesgeschichtlichen Hintergrund für seine Überlegungen bildete ein tiefgreifender Wandel, der das 19. Jahrhundert prägte. Die freiheitliche Gesellschaft, die sich infolge der Aufklärung und der Französischen Revolution entwickelt hatte, gründete ihre Existenz auf das Streben „nach Erkenntnis und […] rationaler Beherrschung der Welt“.
Die rasant fortschreitende technologische Entwicklung der Industrialisierung führte zu einschneidenden Veränderungen – in der Gesellschaft, in der Natur, in der gebauten Umwelt. Die Menschen waren verunsichert, ihre Lebenswelt veränderte sich rasant, die Gesellschaft wandelte sich. Dieser Zeitenwechsel begründete das Bedürfnis, Historisches und Vergängliches zu erhalten, in Erinnerung an „das Bekannte“ als Sicherheit gebender, unveränderbaren Wertmaßstab in einer noch unbekannten, „neuen“ Zeit. Die Leistungen vergangener Zeiten wurden höher geschätzt, als zeitgemäße Errungenschaften. Und so fand eine längst vergangene Epoche, das Gotische, plötzlich viele renommierte Anhänger: gotische Bauten, die jahrhundertelang unvollendet und wenig beachtet in den Städten standen, wurden in dieser Zeit fertig gebaut. Damals entstanden auch die ersten Verordnungen zum Schutz historischer Bauten, die „klassische“ Denkmalpflege entwickelte sich ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Karl Friedrich von Schinkel hatte bereits 1815 die Einrichtung einer staatlichen Denkmalpflege gefordert; 1843 – zwei Jahre nach seinem Tod – wurde in Preußen das Amt des „Konservators für Kunstdenkmäler“ eingeführt. Schinkel hatte erkannt, dass die Erfassung des Bestandes an Bau- und Kunstdenkmälern, die Inventarisation, der Ausgangspunkt für eine gelingende Denkmalpflege ist. 1882 trat die „Verordnung über die Inventarisierung der Baudenkmäler in Bayern“ in Kraft; 1908 gründete Prinzregent Luitpold das „Generalkonservatorium der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns“ – das heutige Bayerische Landesamt für Denkmalpflege.
Theoriediskussion: konservieren, nicht restaurieren
Bis zur Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert hatten sich in der Denkmalpflege zwei gegensätzliche Haltungen entwickelt. Die einen forderten einen behutsamen Umgang mit der historischen Bausubstanz und ihre Erhaltung. Daneben gab es Verfechter einer historisierenden Rekonstruktion, einer Zurückführung auf den Ursprungszustand. Die Spannung zwischen den beiden Haltungen in der Denkmalpflege entlud sich um das Jahr 1900. In diesem Jahr hatte erstmals der Tag für Denkmalpflege in Deutschland stattgefunden; die Verfechter der traditionellen, historisierenden Restaurierung und die Vertreter der substanzschonenden Denkmalpflege lieferten sich dort heftige Auseinandersetzungen.
Der deutsche Kunsthistorischer Georg Dehio (1850-1932) und sein österreichischer Kollege Alois Riegl (1858-1905) definierten die Erhaltungsvorstellungen schließlich neu. Im Mittelpunkt ihrer Theorien stand die Denkmalsubstanz. Dehio verkürzte seine Auffassung prägnant zu „konservieren, nicht restaurieren“. Restaurieren bezeichnete damals eine Rekonstruktion, eine originalgetreue Wiederherstellung. Riegl stellte die „Denkmalwerte“ ins Zentrum seiner Theorie: etwa den Erinnerungswert, den historischen Wert, den Gebrauchs- und den Kunstwert. Wichtig war ihm insbesondere der Alterswert, „die Wertschätzung von Altersspuren, von Patina“ – für ihn eine „wesentliche Dimension des Denkmals“.
Dehio und Riegl forderten eine Abkehr vom Weiterbau am Original, wie er im 19. Jahrhundert häufig vorgenommen worden war. Sie lehnten den Versuch, Bauten nachträglich zu vervollständigen ab. Indem sie die Erhaltung der Substanz zum obersten Ziel erklärten, legten Georg Dehio und Alois Riegl den Grundstein für das heutige Verständnis der Denkmalpflege in Deutschland.
Zerstörung & Wiederaufbau in München – die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, denkmalpflegerische Ansätze nach 1945
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam auch in München die Diskussion über die Erhaltung der historischen Substanz wieder auf, allerdings stellte sich diese Frage angesichts der immensen Zerstörungen nur am Rande, vielmehr ging es darum, nach der Schütträumung, der größten Baumaßnahme der Stadt München aller Zeiten, die unmittelbaren Lebensgrundlagen möglichst schnell wieder herzustellen. In der Denkmalpflege standen sich nach dem Zweiten Weltkrieg, wie schon knapp 50 Jahre zuvor zu Zeiten Dehios und Riegls, in der Theoriediskussion verschiedene Ansätze gegenüber. Jeder von ihnen fand im Wiederaufbau Münchens in gewisser Weise Anwendung. Eine „Substanzdiskussion“ im klassischen Stil, wie sie von Dehio und Riegl Anfang des 20. Jahrhunderts geführt wurde, hatte angesichts eines Zerstörungsbildes von bis zu 75 Prozent in der Münchener Altstadt allerdings keine Aussicht auf Erfolg, sie wurde denn auch nicht geführt.
Von besonderer Bedeutung war in München der städtische Wiederaufbauplan vom Stadtbaurat Karl Meitinger, das „Neue München“, welcher bereits bei der zweiten Sitzung des Münchner Stadtrats am 9. August 1945 beschlossen worden war und der die Grundzüge des Wiederaufbaus für viele Jahrzehnte festlegte. München sollte sein typisches Gepräge nicht verlieren und auch nach diesen umfassenden Zerstörungen des Krieges und der Schutträumung, bei der sehr viele der noch intakten Fassaden Sicherheitsaspekten geopfert werden mussten, erkennbar „münchnerisch“ bleiben. Karl Meitinger, der Vater des späteren TU-Präsidenten und Ehrenbürgers der Stadt München, Otto Meitinger, entwickelte unter großen persönlichen Gefahren bereits während der Kriegszeit dieses Wiederaufbaukonzept, das vorsah, Straßen, Wege und Plätze sowie monumentale Bauten wiederaufzubauen, aber an den Orten der größten Zerstörungen auch „im Sinne der Altstadt“ neu zu bauen.
So war es möglich, dass unter diesem Wiederaufbaukonzept zeitgleich verschiedene denkmalpflegerische Wiederaufbaukonzepte zur Umsetzung kamen – von der Erhaltung des noch Vorhandenen und der Reparatur der Ruinen bis hin zum kompletten Neubau.
Die wichtigsten denkmalpflegerischen Grundsätze in der unmittelbaren Nachkriegszeit in München waren
- die „restauratorische Denkmalpflege“, welche keine Veränderung an der historischen Substanz, und lediglich die Sicherung und den Erhalt der historischen Substanz als „authentisches Zeugnis (Dehio)“ vorsah. Aufgrund des immens hohen Zerstörungsbildes gibt es für diesen idealistischen Ansatz, wie ihn Georg Dehio und Alois Riegl zu Beginn des 20. Jahrhunderts, gleichsam als das „Mantra der modernen Denkmalpflege“ prägten, keine Beispiele.
- Die „rekonstruktive Denkmalpflege“, bei der weniger der Substanzbezug im Mittelpunkt stand, sondern vielmehr ein „Wiederaufbau im alten Stil“, wenn nötig, auch ohne authentische Substanz, mit dem Ziel des Erhalts einer „typischen“ städtebaulichen Situation. Der um den Wiederaufbau Münchens sehr verdiente Architekt Erwin Schleich war der wohl renommierteste Anhänger der „rekonstruktiven Denkmalpflege“. Ihm verdankt z.B. das Alte Rathaus in München seinen Turm: im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde das Alte Rathaus ab 1952 wieder aufgebaut, zunächst ohne Turm. Dessen Wiederherstellung beschloss der Stadtrat erst 1970. Erwin Schleich rekonstruierte ihn 1971-74 nach dem Vorbild des gotischen Originals von 1493. Dieser Turm wurde 2018 als ein „Denkmal des Wiederaufbaus“ auf die Denkmalliste genommen. Ein weiteres Beispiel ist das am Rücken der Feldherrnhalle gelegene Preysing-Palais, das vom selben Architekten in idealisierter Form wieder aufgebaut wurde.
- Bei der „schöpferischen Denkmalpflege“ ging es um den Erhalt prägender Substanz, aber mit der Möglichkeit der „freien Interpretation im Inneren“, also dort, wo die größten Schäden an den Gebäuden entstanden sind. Diese Form der „Fassadendenkmalpflege“ hatte das Ziel des Erhalts einer „übergeordneten Gesamtsituation“. Georg Lill, Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 1929-1950, Karl Meitinger und der Architekt Rudolf Esterer beispielsweise waren Vertreter dieser „schöpferischen“ Denkmalpflege: Für Esterer, den ersten Nachkriegspräsidenten der Bayerischen Schlösserverwaltung, stand die „Schöpferische Denkmalpflege“ im Gegensatz zum „konservieren, nicht restaurieren“ Dehios und Riegls. In der Praxis ging er soweit, dass er den noch vorhandenen, (beschädigten) Bestand im Sinne des Originals neu interpretierte, etwa bei der Wiederherstellung der Kaiserburg Nürnberg. In München gab er zugunsten des Einbaus des Herkulessaals die nach dem Krieg noch erhaltene Raumfolge des Thronsaals im Festsaalbau der Residenz auf, griff also auch massiv in historische Substanz ein. Ein weiteres typisches Beispiel dieses sehr häufig angewandten Konzepts ist der Wiederaufbau der Alten Akademie in der Neuhauser Straße durch den Architekten Josef Wiedemann.
- Die „kreative Denkmalpflege“ war ein Mischling zwischen schöpferischer und restauratorischer Denkmalpflege, hier sollte der noch vorhandene Bestand gesichert und die Schäden am Gebäude, ausgebessert durch Neubauteile, sichtbar gemacht werden. Ein besonders schönes Beispiel dieses Konzeptes ist die Instandsetzung der Alten Pinakothek durch den Architekten Hans Döllgast, der in vergleichbarer Weise auch beim Kloster Sankt Bonifaz tätig gewesen war.
- Eine weitere Herangehensweise war der Abriss zerstörter Gebäude und an deren Stelle „im Sinne der Altstadt“ errichtete Neubauten. Ein gutes Beispiel für die Architektur der Nachkriegszeit ist auch die von Sep Ruf und Theo Papst gestaltete Neue Maxburg: Die Ruine wurde bis auf den Turm, der in den Neubau intergiert wurde, abgetragen. Die bis 1957 fertiggestellte Neue Maxburg ist eine freie Interpretation des historischen Vorbilds. Die Stahlbeton-Skelett-Konstruktion zeigt eine moderne Architektursprache, die städtebauliche Konzeption als offene Hofanlage entspricht dem Plan Karl Meitingers. Seit 1999 steht die Neue Maxburg unter Denkmalschutz.
In Bayern gelang es, trotz der weitreichenden Schäden, große Teile des baulichen Erbes zu erhalten. In besonderer Weise ist es der Stadt München gelungen, den „Charakter der Stadt“ durch vorausschauende Planungen zu erhalten. Den größten Anteil an dieser Erfolgsgeschichte hatte der Stadtbaurat Karl Meitinger, der – noch während des Zweiten Weltkriegs – seine Schrift „Das neue München“ entwickelt hatte, die der Münchener Stadtrat unter Oberbürgermeister Thomas Wimmer sehr schnell, bevor andere architekturtheoretische Diskussionen Gewicht bekamen, als sein Stadtentwicklungsplanung beschlossen hatte.
Alle die vorgenannten denkmalpflegerischen Herangehensweisen konnten unter dem übergeordneten Konzept von Karl Meitinger umgesetzt werden, da dieses ausreichend Freiräume hierfür bot. Allerdings reichten die Grundaussagen des „Meitinger-Plans“ völlig aus, um die stark zerstörte Stadt wieder in typischer Weise aufzubauen, anstatt sie in modernen Formen neu zu errichten, wie dies damals vielfach gefordert wurde. Seine Vorschläge sind von großer Weitsicht, sensiblem Umgang mit der Geschichte und klarem Blick für die Potenziale der noch in Trümmern liegenden Stadt geprägt: Die Nutzung der historischen Grundrisse und Straßenzüge bildete zusammen mit der Reparatur stadtbildprägender Einzelbauten und der Einbeziehung erhaltener Fassaden die Basis des Münchener Wiederaufbaus.
Um die verbliebenen baulichen Strukturen herum konnten sich moderne Neubauten behutsam in das gewachsene Stadtbild einfügen. Meitinger integrierte zudem ein neues Ringstraßensystem in das Stadtgefüge, das ein stark zunehmendes Verkehrsaufkommen aufnehmen konnte. Geradezu visionär muten angesichts der Zerstörung seine Vorschläge für ein künftiges U-Bahn-System an.
Der Wiederaufbau auf historischen Grundrissen und Straßenführungen war im Jahr 1946 alles andere als eine Selbstverständlichkeit. In Hannover z.B. wurden stattdessen die historischen Strukturen von Straßen, Wegen und Plätzen aufgelöst. Die Ruinen historischer Bauten wurden fast vollständig abgetragen; nur herausragende Denkmäler wie z.B. Kirchen blieben, gleichsam als „Traditionsinseln“, stehen. In Hannover orientierte man sich, dem Motto „Räder können rollen“ folgend, am Ideal der autogerechten Stadt.
Der Wiederaufbau Münchens entwickelte eine eigene Sprache, es entstand eine typische Münchener Wiederaufbauarchitektur, für die beispielhaft etwa die von Josef Wiedemann erneuerte und ergänzte Alte Akademie steht.
War der Umgang mit der historischen Substanz in der Zeit des Wiederaufbaus teilweise noch recht frei, änderte sich dies Anfang der 1960er Jahre – bedingt auch durch massive Veränderungen in den Strukturen der Städte. Dieser Wandel ist – knapp 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – nachvollziehbar: Der Bauboom der Wirtschaftswunderzeit wurde vielerorts als eine „zweite Zerstörungswelle“ empfunden, die den übriggebliebenen Rest historischer Bausubstanz wegzuschwemmen drohte. Historische Bauten erschienen als gefährdet. Nach dem umfassenden „Weiterbauen am Denkmal“ wurde die Authentizität von Denkmälern in Form ihrer historischen Substanz wieder in den Mittelpunkt gerückt.
Die Charta von Venedig: der Substanzbegriff kehrt zurück
Die Isola di San Giorgio Maggiore war im Jahr 1964 Schauplatz des Internationalen Kongresses der Architekten und Techniker der Denkmalpflege. Hier entstand die Charta von Venedig – ein Thesenpapier, das die Prinzipien, die in der Theoriediskussion um 1900 erarbeitet worden waren, neu formulierte. Die Charta gilt auf internationaler Ebene als Grundlage für den Umgang mit historischer Bausubstanz. Sie definiert Denkmäler als lebendige Zeugnisse jahrhundertelanger Entwicklung. Die Menschheit sei dafür verantwortlich, ihr gemeinsames Erbe für künftige Generationen zu bewahren, so die Charta. Einen Schwerpunkt legten die Verfasser des Dokuments auf den Wert der Instandhaltung. Dabei sollen alle Epochen respektiert und die historischen Werte erhalten werden.
Die Charta von Venedig setzte Standards, die in der Denkmalpflege bis heute Gültigkeit haben: Sie definierte erstmals den Begriff des „städtebaulichen Ensembles“, sie beschreibt Kulturlandschaften ebenso als schützenswert, wie Industriebauten.
1973: ein Denkmalschutzgesetz für Bayern
Wie schon etwa 100 Jahre zuvor lösten die tiefgreifenden Veränderungen in der Lebenswelt der Menschen einen Bewusstseinswandel aus. Die Stimmung in der Bevölkerung ändert sich in diesen Jahren auch in Bayern. Als in München das Roman-Mayr-Haus am Marienplatz zugunsten eines Neubaus für eine Filiale von Kaufhof abgerissen werden soll, fordern Bürgerproteste rechtlichen Schutz gegen „das Wüten der Architekten“. Mit der Verabschiedung des von Dr. Erich Schosser mitinitiierten Denkmalschutzgesetzes im Jahr 1973 erhält die Arbeit der staatlichen Denkmalpflege in Bayern eine gesetzliche Grundlage. Das Denkmalschutzgesetz ergänzt die Bayerische Verfassung, die in Artikel 141 schon seit 1946 festlegt: „Staat, Gemeinde und Körperschaften des öffentlichen Rechts haben die Aufgabe, Denkmäler zu schützen und herabgewürdigte Denkmäler ihrer früheren Bestimmung wieder zuzuführen…“. Was ein Denkmal ist, definiert das Bayerische Denkmalschutzgesetz seit 45 Jahren folgendermaßen: „Ein Denkmal ist eine vom Menschen geschaffene Sache aus vergangener Zeit […], deren Erhaltung aufgrund ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt.“
Der Begriff der Substanz findet sich auch im Bayerischen Denkmalschutzgesetz. Artikel 5 fordert: „Baudenkmäler sollen möglichst entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung genutzt werden.“ Und, falls dies nicht möglich sein sollte: „sollen die Eigentümer […] eine der ursprünglichen gleiche oder gleichwertige Nutzung anstreben. Soweit dies nicht möglich ist, soll eine Nutzung gewählt werden, die eine möglichst weitgehende Erhaltung der Substanz auf die Dauer gewährleistet. […]“.
Aktuelle Fragestellungen – oder: Nichts Neues?
Die Fragestellungen, mit denen sich die Denkmalpflege heute auseinanderzusetzen hat, sind – wenn auch unter veränderten Vorzeichen – immer wieder dieselben. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn wie die Geschichte zeigt, ist die Denkmalpflege auch ein Spiegel der Entwicklung, sie ist ein gesellschaftliches Anliegen. Das Bedürfnis, Altes zu erhalten, die gewohnte Umwelt zu schützen, tritt immer dann besonders stark auf, wenn massive Veränderungen passieren.
Denkmalverluste erschüttern uns nach wie vor. Ich erinnere an dieser Stelle nur an zwei unwiederbringliche Verluste im letzten Jahr: In Donauwörth wurde das so genannte Wagenknechthaus im 700. Jahr seines Bestehens abgebrochen – zugunsten des Neubaus eines Geschäftshauses.
In Giesing verschwand das so genannte Uhrmacherhäusl: Innerhalb weniger Minuten wurde das alte Handwerkerhaus abgerissen – eigentlich sollte es instandgesetzt werden, die zwischen Landesamt für Denkmalpflege und Stadt München abgestimmte Genehmigung für eine behutsame Sanierung war wenige Wochen zuvor erst erteilt worden, für den Abriss selbstverständlich nicht. Die entsetzten und verärgerten Nachbarn wurden tätig: sie informierten die Behörden und die Medien, organisierten Informationsveranstaltungen und Mahnwachen, brachten das Thema an die Öffentlichkeit.
Das Bürgerschaftliche Engagement zugunsten der Denkmalpflege wächst momentan – Beispiele wie das Uhrmacherhäusl, zu dessen Gedenken es immer noch Mahnwachen von Bürgerinnen und Bürgern gibt, zeigen dies. Aber auch für die Tierklinik in München, die drei alten Häuser an der Sailerstraße und viele andere Gebäude gibt es engagierte Fürsprecher. Nicht immer handelt es sich bei diesen Bauten um Denkmäler, nicht immer ist es mit den Instrumentarien des Denkmalschutzgesetzes möglich, diese „gefühlten Denkmäler“ zu erhalten.
Historische Gebäude, Denkmäler oder auch nicht, sind vielfach bedroht. In den Ballungsräumen vom großen Siedlungs- und Baudruck, in den ländlichen Regionen vom Leerstand. Mit dem Kommunalen Denkmalkonzept – kurz KDK – bietet das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege seit Kurzem ein neues Instrumentarium an: Es richtet sich an alle Gemeinden in Bayern, die sich mit ihrer historischen Identität auseinandersetzen und sie bewahren wollen. Das bauliche Erbe eines Ortes ist eine wertvolle Ressource, es bietet Alleinstellungsmerkmale. Ein KDK ist auf zehn bis fünfzehn Jahre angelegt und zeigt in drei Schritten Wege auf, diese Qualitäten zu erhalten und weiterzuentwickeln: nach der Analyse der Stärken, der erhaltenswerten, prägenden Bausubstanz, wird der Handlungsbedarf definiert.
Ziel des KDK ist die Stärkung der lokalen Identität – im dritten Schritt werden daher konkrete Lösungsvorschläge für die jeweilige Kommune erarbeitet. Dann geht es z.B. darum, Nutzungskonzepte für leerstehende ehemals landwirtschaftlich genutzte Bauten zu entwickeln, oder zu überlegen, wie die Nachverdichtung denkmalverträglich gestaltet werden kann. Aktuell gibt es rund 20 Projekte, die über ganz Bayern verteilt laufen. Das KDK wird von den Kommunen gut angenommen; es wird hoffentlich die Zukunft vieler Denkmäler und historischer baulicher Strukturen sichern.
Denkmäler der Zukunft – Zukunft der Denkmäler
Denkmalpflege ist das „Bewahren der vorletzten Generation“. Es braucht einen gewissen Abstand zu den baulichen Zeugnissen vergangener Zeit, um sie in ihrer Qualität wirklich beurteilen zu können. Bei den Gebäuden der letzten 30, 40, 50 Jahre braucht es – neben den weiterhin wichtigen traditionellen Methoden – neues Wissen: wie gehen wir mit den Baustoffen um, die in der Nachkriegsmoderne Verwendung fanden? Beton, Aluminium, Glas – sie wurden verbaut, ohne dass man wusste, wie sie Nutzung und Witterung überdauern. Die Gestaltung der Bauten orientierte sich primär an deren Aussehen, es wurde für die Ästhetik gebaut; Nachhaltigkeit oder Reparaturfähigkeit spielten eine untergeordnete Rolle. Für diese Bauten braucht die Denkmalpflege neue Herangehensweisen – auch muss die Forderung nach der Erhaltung der „historischen Substanz“ in diesem Zusammenhang möglicherweise überdacht werden.
Bauliche Qualitäten der 1970er, 1980er Jahre, die sich bis heute erhalten haben, werden wir nur mit „aktuellem Know-How“ erhalten können. Wer weiß, vielleicht stehen eines Tages architektonische Zeugnisse der Münchener Geschichte wie der Gasteig, die Pinakothek der Moderne oder die Fünf Höfe auf der Bayerischen Denkmalliste? Dies allerdings nur, wenn diese Gebäude ihre „erste Phase der gesellschaftlichen Prüfung“ überstehen, und beim Gasteig kann man sich inzwischen fast sicher sein, dass dies nicht passieren wird. Dieses hoch funktionale, akustisch keineswegs schlechte und architektonisch sehr typische Gebäude der 80-er Jahre wird nicht überleben. Er wird eines der abgegangenen „Fast-Denkmäler“ sein, wie das Schwabylon oder das schwarze Hochhaus an der Münchner Freiheit, das – um die Stadtsilhouette zu schonen – bis auf wenige Geschosse abgetragen und zu einem architektonischen Krüppel umgestaltet wurde. Schade!
Aber die Denkmalliste wird in jedem Fall fortgeschrieben werden – neue Denkmäler, die im Interesse der Allgemeinheit erhaltenswert sind, und die diese „erste Phase ohne Schutz“ überlebt haben, werden hinzukommen. Dass Denkmalpflege ein gesellschaftliches Anliegen ist, daran gibt es keinen Zweifel: sie spiegelt gesellschaftliche Bedürfnisse wieder, ihre Aufgaben verändern sich mit den gesellschaftlichen Entwicklungen.