Hochwürdigste Allheiligkeit, Patriarch Bartholomäus, Eminenzen, Exzellenzen, meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, dass Sie bei der heutigen Preisverleihung auch an den Staat gedacht und die Staatsregierung eingeladen haben. Deshalb überbringe ich Ihnen die allerherzlichsten Grüße der Bayerischen Staatsregierung, insbesondere unseres Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder.
Bei der Ökumene ist es ähnlich wie in der Politik auch: Man muss „den Laden“ irgendwie zusammenhalten. Und das gelingt am besten, indem man sich nicht auf die vielen kleinen trennenden Dinge konzentriert, sondern auf das Verbindende, auf die gemeinsamen Wurzeln. Denn dann kommt man am Ende auch zu besseren Ergebnissen.
Der Anlass heute ist ganz besonders, denn Sie verleihen den Ökumenischen Preis der Katholischen Akademie in Bayern und den Abt-Emmanuel-Heufelder-Preis erstmals gemeinsam an denselben Preisträger – noch dazu an eine ganz besondere Persönlichkeit, an den Patriarchen Bartholomäus. Dazu gratuliere ich sehr herzlich, denn wahrscheinlich gibt es keinen idealeren Preisträger für die gemeinsame Verleihung. Ein Preisträger, der sich zur Ökumene nicht nur mit Worten bekennt, sondern sie jeden Tag engagiert und mit viel Herzblut lebt. Eine herausragende geistliche Persönlichkeit, ein Brückenbauer zwischen den Kirchen, zwischen den Religionen, zwischen den Kulturen und zwischen der Religion und der Politik.
Eure Allheiligkeit,
als „Primus inter pares“ unter den Patriarchen im orthodoxen Christentum sind Sie Hirte über weltweit rund 300 Millionen Gläubige und haben zugleich Ihr Leben in den Dienst der Ökumene gestellt. Über die Konfessionen hinweg werden Sie als verlässlicher Partner geschätzt. Seit vielen Jahren stehen Sie für Dialog, Versöhnung und den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit. Mit diesem vielfältigen Engagement sind Sie ein leuchtendes Vorbild für unsere Zeit. Deshalb sage ich im Namen der Bayerischen Staatsregierung Danke und gratuliere Ihnen sehr herzlich zu diesen beiden Preisen.
Ihre Einladung auch an die Politik ist meines Erachtens auch deshalb wichtig, weil ich fest davon überzeugt bin, dass Christ sein auch heißt, politisch zu sein.
Glaube und Religion haben heute vielleicht mehr denn je gesellschaftspolitische Relevanz. Die gemeinsame Vorstellung, die uns der biblisch-christliche Blick auf den Menschen vermittelt, ist gewissermaßen der Violinschlüssel für unser gesellschaftliches, aber eben auch für unser politisches Handeln.
Vereinfacht gesagt ist die Vorstellung von Gottes Ebenbildlichkeit, die zum Konzept der Menschenwürde führt, verbunden mit Nächstenliebe und Barmherzigkeit, ein guter Handlungsmaßstab, um zu richtigen politischen Entscheidungen für unsere Gesellschaft zu kommen. Vielleicht gibt es nicht die Antwort auf jede einzelne Detailfrage, jede einzelne politische Frage des Alltags. Aber es gibt diesen Violinschlüssel, den Grundklang, der wichtig ist, nämlich als Fundament christlich-demokratischer Politik – am Menschen orientiert.
Das ist in Zeiten von Spaltung und Radikalisierung wichtiger denn je. Wir brauchen nicht nur die vernehmbare Stimme der Institution Kirche, sondern eines jeden einzelnen Christen – auch von uns, die wir in der Politik aktiv sind. Deshalb freue ich mich, dass in der Bayerischen Staatsregierung jedes einzelne Kabinettsmitglied bei der Vereidigung „So wahr mir Gott helfe“ bekräftigt hat, bei der neuen Bundesregierung fast alle. Ein Fortschritt.
Uns muss nämlich bewusst sein: Dort wo Lücken entstehen, werden sie immer auch gefüllt. Und wenn sich die Christen nicht zu Wort melden, dann ist die Gefahr groß, dass Ideologen übernehmen. Dass Schwurbler, Verschwörungstheoretiker oder Radikale in diese Lücken vorstoßen. Deshalb ist es wichtig, sich, gerade auch in Zeiten des Zweifelns und antidemokratischer Umtriebe, immer klarzumachen und bewusst zu werden, was es heißt, Christ zu sein. Was es heißt, Christ in der Politik zu sein.
Darum ist es meine feste Überzeugung, Christ sein heißt auch politisch sein. Und das bedeutet wiederum, sich einzumischen und vor allem nicht stumm zu bleiben. Es gibt wohl nicht viele andere Religionen mit diesem politischen Element: Durch die Entscheidung Gottes, seinen Sohn in eine konkrete politische Situation, in eine konkrete Gesellschaft zu schicken, lässt er ihn Mensch werden und damit eine bestimmte soziale Identität annehmen. Und das bedeutet eben, dass christlich sein auch heißt, immer zur Veränderung beizutragen. Denn auch Jesus selbst wird wirksam in dieser Gemeinschaft und bekennt sich zu ihr und zu Gott.
Deshalb werden wir alle unweigerlich auch zu politischen Wesen und zwar jeden einzelnen Tag. Davon bin ich fest überzeugt, denn alles andere hieße, sich mit einer gesellschaftlichen Wirkungslosigkeit des Christentums abzufinden. Das können wir nicht wollen! Denn das prägt uns alle in Europa, das verbindet uns in Europa, Europa ist christlich. Das ist nicht als Ausgrenzung gemeint, sondern als Einladung.
Das christliche Erbe in Europa ist nicht Geschichte oder museal, sondern es ist ein lebendiger Quell, aus dem wir auch heute noch Orientierung, Kraft und Hoffnung schöpfen können. Wie Jörg Lauster in Die Verzauberung der Welt darstellt, hat die Säkularisierung nicht zur Entzauberung geführt. Religion verschwindet nicht einfach, sondern sie wandelt sich, sie passt sich an und findet immer wieder neue Ausdrucksformen. Und auch Kardinal Marx verfolgt diesen Gedanken in seinem Buch Kult.
In dieser ökumenischen Verbundenheit können wir hoffnungsfroh in die Zukunft gehen, nicht mit der Vorstellung des Abbaus und Rückgangs. Auch die Gründerväter eines vereinten Europas waren tief im christlichen Glauben verwurzelt.
Das ist auch eine Verpflichtung für uns heute in unseren Verfassungen, in denen der Rekurs auf Gott niedergeschrieben ist, wie es vielleicht in heutigen Gesellschaften gar nicht mehr möglich wäre.
Die Europäische Menschenrechtskonvention stellt die Würde und Freiheit des Einzelnen in den Fokus, und zwar unverkennbar im Erbe und in der Tradition der christlichen Ethik. Europa ist christlich und das zeigt sich in unseren Werten. Sie sind das Fundament unserer freiheitlichen Demokratien. Das verbindet uns über die Grenzen in Europa hinweg.
Deshalb ist Ökumene echtes Vorbild und echter Auftrag für uns alle: für Verständigung und gelebte Nächstenliebe und wie wir mit diesen Elementen unsere Gesellschaft stärken können. In einer Welt von Polarisierung und zunehmenden Spaltungen zeigt gerade die Ökumene, dass Miteinander im Glauben möglich ist und was es bedeutet: einen unschätzbaren Beitrag zu Frieden, Freiheit und Vielfalt.
Der Ökumenische Preis der Katholischen Akademie in Bayern und der Abt-Emmanuel-Heufelder-Preis sind dafür sichtbare Zeichen und heute kulminiert in dieser herausragenden Persönlichkeit noch einmal etwas ganz Besonderes. Deshalb dem doppelten Preisträger eine doppelte Gratulation im Namen der Bayerischen Staatregierung!
Herzlichen Glückwunsch und alles Gute!