Der klimagerechte Umbau der Wirtschaft und die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels kosten viel Geld. Offen ist, wer die Investitionen in klimafreundliche Technologien, erneuerbare Energien, nachhaltige Infrastruktur und Anpassungsmaßnahmen weltweit finanzieren soll. Wie komplex und vielschichtig die Suche nach Geldgebern für Klimaschutzprojekte ist, zeigte das Dialogforum im Rahmen des Münchner Klimaherbst 2024.
„Unser Klima ist ein globales öffentliches Gut. Aber die Verantwortung und die Fähigkeit zu investieren, sind ungleich verteilt. Kein Land kann das alleine lösen“, skizzierte Dr. Heike Henn, Leiterin der Abteilung Klima, Energie und Umwelt im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die Problematik. Für viele Entwicklungs- und Schwellenländer gehe es zunächst darum, mehr Wohlstand zu erreichen, in Industrieländern wie Deutschland müsse die Transformation gesellschaftlich akzeptiert werden. Nach der bis heute gültigen Logik der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen von 1992 tragen die Industrieländer die Hauptverantwortung und müssen die Investitionen für die Entwicklungsländer übernehmen. „Dabei wird aber übersehen, dass viele der damaligen Entwicklungsländer wie China oder Indien inzwischen selbst ein relativ hohes Wohlstandsniveau erreicht haben.“
Billionen an Investitionen nötig
Henn bezifferte die Lücke in der Klimafinanzierung nach unabhängigen Studien auf 2,4 Billionen US-Dollar jährlich. „Das betrifft so unterschiedliche Bereiche wie den Umbau der Energiesysteme, Anpassung und Resilienz, den Umgang mit Verlusten und Schäden oder nachhaltige Landwirtschaft.“ Weite man den Investitionsbedarf auf die Erreichung aller 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) aus, komme man sogar auf eine Summe von 5,4 Billionen US-Dollar. Henn kritisierte, dass die von den Industrieländern ab 2020 zugesagten 100 Milliarden US-Dollar jährlich von öffentlichen und privaten Geldgebern für Klimaschutz und Anpassung in Entwicklungsländern erst 2022 erreicht worden seien. Das lasse das Vertrauen in die internationale Klimapolitik erodieren.
Dabei bleibe die Zahl der privaten Kapitalgeber hinter den Erwartungen zurück. „Deutschland hat im vergangenen Jahr 9,94 Milliarden Euro für die Klimafinanzierung bereitgestellt, wovon nur knapp fünf Prozent aus dem Privatsektor stammten“, so Henn. Die Bundesregierung strebe an, mit ihren Mitteln verstärkt privates Kapital zu hebeln und damit die Wirksamkeit zu erhöhen, etwa im Bereich der sogenannten Green Bonds. „Für die UN-Klimakonferenz COP 29 im November 2024 in Baku wünsche ich mir, dass wir analog zum Pariser Klimaabkommen von 2015 einen multilateralen Durchbruch bei der Klimafinanzierung erzielen und zeigen, dass die Weltgemeinschaft handlungsfähig ist.“
Prinzip der historischen Schuld umstritten
Bei der Suche nach Geldgebern für den Klimaschutz stellt sich immer auch die Frage nach Fairness und Gerechtigkeit. Johannes Wallacher, Professor für Sozialwissenschaften und Wirtschaftsethik sowie Präsident der Hochschule für Philosophie München, kann dem ethisch nicht unproblematischen Prinzip der historischen Schuld wenig abgewinnen. Denn: „Weder ist die heutige Generation für frühere Emissionen verantwortlich, noch wussten frühere Generationen, was sie anrichten.“ Stattdessen plädiert er dafür, sich an der Klimaschutzkapazität einzelner Länder zu orientieren, die oft stark mit kumulierten CO2-Emissionen korreliert. „Historische Verantwortung ergibt sich aus der unterschiedlichen Verteilung der Fähigkeiten und bedeutet nicht, auf Emissionen zu verzichten. Vielmehr geht es darum, die eigenen besseren Möglichkeiten zu nutzen, um andere auf dem Weg zu einem nachhaltigen Emissionspfad zu unterstützen“, so der Professor.
Faire Lastenverteilung anstreben
Für David Ryfisch, Leiter der Abteilung Internationale Klimapolitik bei Germanwatch e.V., müssen Schäden und Verluste, etwa durch Extremwetterereignisse, den Anstieg des Meeresspiegels oder die Häufung von Dürren stärker in den Fokus rücken. „Verschiedene Studien zur fairen Lastenverteilung zwischen den Staaten kommen zu dem Ergebnis, dass die Hauptverantwortung noch bei den Industrieländern liegt. Mit der Zeit wird sich dieses Bild verschieben und auch Länder wie die Golfstaaten, Russland oder China werden Verantwortung übernehmen müssen“, sagte der Experte. Der jüngst etablierte Fonds für Verluste und Schäden sei ein wichtiger Fortschritt, auch wenn die Mittel von 700 Millionen US-Dollar bei weitem nicht ausreichten. „Wir müssen Wege finden, hier in neue Dimensionen vorzustoßen“, forderte er.
Privates Kapital mobilisieren
Was kann der öffentliche Sektor beitragen, um mehr privates Kapital zu mobilisieren? „Der Staat muss bereit sein, mehr Risiken zu übernehmen. Er könnte Förderbanken mit Bürgschaften ausstatten, damit sie auch riskantere Projekte finanzieren“, erklärte Florian Egli, Professor für Public Policy for the Green Transition an der Technischen Universität München. Gerade im Bereich Klimaschutz ließe sich privates Kapital gut einsetzen, in den Bereichen Schäden oder Klimaanpassung funktioniere es weniger. Am schwierigsten seien Projekte zu finanzieren, die keine marktfähigen Produkte hervorbringen, wie die Speicherung von CO2 oder Investitionen in Biodiversität. Grüne Energien hingegen bräuchten keine staatlichen Garantien, da sich solche Investitionen über den Stromverkauf amortisieren.
Preis für Verschmutzungsrechte zu günstig
Eine Möglichkeit, den Ausstoß des schädlichen CO2 zu verringern und gleichzeitig Investitionen für mehr Klimaschutz zu finanzieren, ist der Emissionshandel. Der sogenannte verpflichtende CO2-Markt funktioniert nach dem Prinzip: Wer mehr verschmutzt, muss mehr bezahlen. Je nach Nachfrage entwickelt sich der Preis für die Verschmutzungsrechte, deren Menge vom Staat festgelegt wird. Soweit die Theorie, denn in der Praxis sind die CO2-Zertifikate teilweise viel zu billig, um eine Steuerungswirkung zu entfalten. Deshalb plädieren einige Klimaexperten wie Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, für die Einrichtung einer „Kohlenstoff-Zentralbank“. Sie soll dafür sorgen, dass der Preis für die Zertifikate nicht unter ein bestimmtes Niveau fällt.
„Daneben gibt es auch den freiwilligen CO2-Markt, der zum Beispiel bei der CO2-Kompensation von Flugreisen zum Tragen kommt“, erläuterte Egli. Hier werden die Gelder in der Regel für Klimaschutzprojekte eingesetzt, die weit weg vom Ort der Emissionsentstehung liegen. Der freiwillige CO2-Markt ist laut Egli nicht nur sehr klein, 90 Prozent der Investitionen halten auch nicht, was sie an CO2-Einsparungen versprechen. „Damit dieser Markt etwas bewegen kann, muss die Zertifizierung anders funktionieren und es müssen Interessenskonflikte vermieden werden“, sagte Egli. Je weiter geographisch entfernt CO2-Emissionen kompensiert werden, desto komplexer würden Fragen der Compliance und der Überprüfbarkeit. Zudem, ergänzte Germanwatch-Klimaexperte Ryfish, würden sich viele Unternehmen mit dem freiwilligen CO2-Markt einen grünen Anstrich geben, indem sie ihre Emissionen über Zertifikate kompensieren, statt sie selbst zu reduzieren. „Sogenannte Netto-Null-Koalitionen von Unternehmen sind wichtig“, räumte er ein, „stoßen aber irgendwann an ihre Grenzen.“ Hier sei der Staat gefragt, um auch solche Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, die nicht bereit sind, CO2 einzusparen.
CO2-Bepreisung ausweiten
„Ich bin aus ethischen Gründen gegen Kompensationskonzepte, weil sie das Element des Ablasshandels in sich tragen“, schränkte Professor Wallacher ein. Egli ergänzte, dass eine Erweiterung des verpflichtenden Marktes auf andere Bereiche wie die Konsumwirtschaft oder die Landwirtschaft geprüft werden sollte, um die Finanzierungsbasis für Klimaprojekte zu verbreitern.
Wird die anstehende Klimakonferenz COP 29 im November Lösungen bringen? „Ich hoffe, dass alle in Baku vertretenen Länder zu einem tragfähigen Beschluss zur Klimafinanzierung kommen“, hofft Henn. Deutschland habe sich in der internationalen Gemeinschaft viel Vertrauen erarbeitet und könne als Brückenbauer fungieren. „Damit Deutschland weiterhin eine führende Rolle in den Verhandlungen einnehmen kann, dürfen wir trotz der angespannten Haushaltslage nicht zu sehr nach innen schauen und die Klimafinanzierung vernachlässigen“, forderte Ryfish. Als Ergebnis für Baku wünscht er sich ein neues ambitioniertes Klimafinanzierungsziel deutlich über 100 Milliarden US-Dollar. Bei der Mittelbeschaffung würden innovative Finanzinstrumente an Bedeutung gewinnen, um beispielsweise auch Milliardäre in die Pflicht zu nehmen oder auch Sektoren wie den Flugverkehr. „Es gibt ein großes Potenzial, neue Quellen zu erschließen“, ist Ryfish überzeugt.
Versicherungslösungen für Klimarisiken
Ein weiteres Thema, das die Bundesregierung vorantreibt, ist laut Henn die Klimaversicherung. Dazu wurde aufbauend auf der InsuResilience Global Partnership ein Globaler Schutzschirm gegen Klimarisiken geschaffen, der die Aktivitäten im Bereich der Klimarisikoversicherung und -vorsorge bündelt. Dadurch werden Hilfen einfacher und schneller für Menschen und Behörden zugänglich, die sie im Katastrophenfall dringend benötigen. Versicherungen haben jedoch dort ihre Grenzen, wo Schadensereignisse zu häufig auftreten.
Klimafinanzierung ist also nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale und ökonomische Herausforderung. Man darf gespannt sein, wie entschlossen die Klimakonferenz in Baku dieses Thema angehen wird. Nötig sind eine Neudefinition der globalen Prioritäten und eine Umverteilung der Ressourcen im Sinne einer nachhaltigen Zukunft für alle.