Foundations - a world apart

Social, religious and cultural aspects

As part of the event "1521 - Fuggerei - 2021", 24.06.2022

Die Fuggerei ist nicht nur ein international bekanntes Wahrzeichen der einstigen Reichsstadt Augsburg, sondern eben auch ein exemplarischer Fall für eine frühneuzeitliche soziale Stiftung, mit der ihre Gründer, zu Reichtum und Adel gelangte Bürger und zugleich international agierende Kaufleute, ihren wirtschaftlichen Erfolg zum Anlass einer sozialen Selbstverpflichtung nahmen, wie es Dietmar Schiersner in seinem Vortrag zeigt. Stefan Ihli führt uns vor, dass auch das Stiften nach bestimmten Regeln vollzogen werden musste und muss, die aus einer Gegenwart stammen und von deren Bedingungen reguliert werden.

Das historische und religiöse Umfeld

Fremd erscheint den Menschen von heute das oft überstarke gesellschaftliche Gefälle, irritierend für Viele ist angesichts einer säkularen Umwelt die damals selbstverständliche, wechselseitige Durchdringung von Weltlichem und Religiösem, Erscheinungsformen des menschlichen Lebens und Denkens, die in der Erfahrungswelt des modernen Menschen meistens säuberlich getrennt sind. Bis in die Neuzeit hinein waren Religion und Gesellschaft eine den Alltag bestimmende, lebensweltliche Einheit, die Lebensvollzug und Glaubenspraxis ebenso prägte wie sie auf Berufsausübung, politische und gesellschaftliche Verhältnisse Einfluss hatte.

Hinzu kam die starke Betonung der Eschatologie seit dem späteren Mittelalter. Auf dem Fundament biblischer Aussagen und ihrer Interpretation durch die Kirchenväter, vor allem Augustinus, und die mittelalterlichen Theologen war die Lehre von den Letzten Dingen und ihre katechetische Vermittlung vielerorts in Bildern gegenwärtig. Der Einzelne wusste sich in der Spannung zwischen der eigenen Sündhaftigkeit und der Vollendung im Jenseits, war sich eines neuen Lebens nach dem Tod gewiss, dem die Auferstehung des Leibes vorausgehen musste.

Voraussetzung für die neue, endzeitliche Existenz war die strenge und gerechte Beurteilung des irdischen Lebens durch Gott als Richter und die Zuweisung eines Aufenthaltsorts für die Ewigkeit, Himmel oder Hölle, zugeteilt und bemessen nach erworbenen Verdiensten oder begangenen Verfehlungen. Neu hinzugekommen war die Lehre vom Fegfeuer, mit dem man die unterschiedlichen neutestamentlichen Gerichtsvorstellungen, Einzelgericht nach dem Tod und das alle Menschen betreffende Weltgericht am Ende der Zeiten, ausglich. Die Hoffnung auf das fürbittende Gebet, das die Leiden der Armen Seelen zu lindern vermöchte, die Hoffnung auf die Fürsprache der ­Heiligen, aber auch auf die Wirkung guter Werke, sogar stellvertretend zum Nutzen anderer, verfestigten ökonomisierende Vorstellungen.

Hinzu kam noch, dass seit dem Hochmittelalter die Sorge um die Erinnerung (memoria) zu den individuellen Grundanliegen gehörte. Dies betraf nicht nur das eigene Erinnern, sondern auch die stetige, institutionalisierte Erinnerung in Liturgie und Geschichte. Zu den grundlegenden Erkenntnissen der Memoria-Forschung in den Geschichtswissenschaften gehört, dass das Modell des öffentlichen stetigen Erinnerns an Personen oder Institutionen in allen Gattungen der Überlieferung präsent und durch viele religiöse, historische und rechtliche Faktoren ebenso bestimmt war wie durch ökonomische, politische und kulturelle Motive.

Man spricht von „Memoria als Kultur“ und definierte die Sorge um die Erinnerung als eine Schlüsselkategorie des Mittelalters. Im Spätmittelalter, das der englische Historiker Francis Du Boulay nicht ohne Grund als age of ambition bezeichnet hat, als Zeitalter des Ehrgeizes, gelang es immer öfter Persönlichkeiten mit besonderen Begabungen, die Schranken des Systems zu durchbrechen, vermochten solche, modern gesagt, Sozialaufsteiger immer öfter, nicht aufgrund von Herkunft und Geburt, sondern durch individuelle Leistung Anerkennung, Erfolg und gesellschaftlichen Rang zu erreichen.

Auch sie mussten – so erwartete es ihre Umwelt, so sahen sie sich auch selbst in der Pflicht – für ihre memoria sorgen. Auch sie taten das durch aufwendig gestaltete Grabmäler, aber auch durch Stiftungen mit weiterreichender sozialer Relevanz. Ich beschränke mich auf drei Beispiele, die ich etwas näher vorstellen möchte und die für mich beredte Exempel für das Phänomen „Stiftung“ sind, an ihnen werden unterschiedliche Aspekte erkennbar, die sie auf unterschiedliche Weise mit der Fuggerei in Augsburg verbinden.

Krankenhausstiftung mit Sozialstation – Cusanus und Geschwister

Mein erstes Beispiel geht auf den Theologen, Philosophen und Mathematiker Nikolaus von Kues (1401–1464), lat. Cusanus ­zurück, einen der bedeutendsten Philosophen seiner Zeit. Er wurde 1401 in Kues an der Mosel (heute Bernkastel-Kues) als Sohn eines vermögenden Fährunternehmers auf der Mosel geboren und begann 1415 mit dem Grundstudium der Artes liberales in Heidelberg, setzte sein Studium 1417 in Padua fort, wo er 1423 zum Doktor der Dekrete promoviert wurde; er war also Jurist, Fachmann für kirchliches Recht. 1425 studierte er in Köln Philosophie und Theologie, 1427 wurde er Sekretär des Trierer Erzbischofs. Dieser sandte ihn fünf Jahre später zum Konzil nach Basel, um die Interessen des Bischofs zu vertreten. In Basel schloss sich Cusanus Papst Eugen IV. an und wurde zwischen 1436 und 1440 zum Priester geweiht, 1448 zum Kardinal ernannt und 1450 zum Bischof geweiht, ein Amt, das er in Brixen wahrnehmen sollte.

In der Folgezeit bereiste er zwei Jahre lang als päpstlicher Legat die deutschen Länder und bemühte sich um die Reform der Kirche in Bistümern und Klöstern, als Bischof von Brixen allerdings vergeblich. Dauernder Streit mit dem Herzog von Tirol (1427–1496) zwangen ihn, Tirol zu verlassen. Er ging 1458 zu seinem Freund Enea Silvio Piccolomini (1405–1464), dem gelehrten Papst Pius II. (1458–1464), nach Rom. Dort war er bis zu seinem Tod 1464 an der Kurie als Generalvikar in Rom tätig.

1458 hatte er mit seinen Geschwistern in seinem Geburtsort das St. Nikolaus-Hospital (Cusanusstift) als Armen- und Altenheim gestiftet. Die Stiftung gründete auf dem Erbe der Eltern, vor allem Weinbergen und landwirtschaftlichen Gütern. In der Stiftungsurkunde heißt es: „Da nach den Worten des Apostels wir alle vor dem Richterstuhle Christi stehen werden, um Lohn oder Strafe zu empfangen, je nachdem wir im leiblichen Leben Gutes oder Böses getan haben, so müssen wir dem Tag der letzten Ernte zuvorkommen durch Werke der Barmherzigkeit und im Ausblick auf die Ewigkeit auf Erden säen, was wir im Himmel verdienen wollen zu ernten aus der Hand des mit vielfacher Frucht vergeltenden Herrn; denn wer spärlich säet, wird auch spärlich ernten, wer aber Gutes säet, wird auch Gutes ernten.“

Cusanus und seine Familie stiften 10.000 Goldgulden für den Neubau, um „33 arme und notleidende abgearbeitete Personen nach der Zahl der Jahre aufzunehmen, welche Christus, unser Erlöser, auf Erden zugebracht hat, sechs Priester, sechs Adelige und einundzwanzig gemeine Leute:“ Cusanus regelte genau Unterkünfte und Versorgung von Dienstboten und Priestern, die in der Kapelle Gottesdienst halten, Seelsorge leisten und die Sakramente spenden sollten. Darüber hinaus wurden die Pflichten und Rechte des Rektors und der Aufsicht führenden Vistatoren sowie die Details des Lebens im Hospital sehr genau geregelt bis in Details der Kleidung. Die Lebensweise im Hospital sollte möglichst dem Vorbild der Laienbrüder der regulierten Chorherren von Windesheim folgen sowohl in der Lebensführung als auch in den Gebetsverpflichtungen, jedoch immer mit Rücksicht auf die Schwachen.

Die Priester, ausgenommen die gebrechlichen, sollten ihr Breviergebet gemeinsam nach dem Glockenzeichen in der Kapelle verrichten, nicht zu früh am Morgen, damit auch die Bewohner des Hospitals anwesend sein konnten, um ihre Gebete zu verrichten. Nach dem Vorbild einer spätgotischen Klosteranlage ließ er das noch bestehende Hospital errichten und wählte den hl. Nikolaus von Myra zum Patron des Hauses und dessen Kapelle. Das Hospital wurde zum Universalerben, dem Cusanus den größten Teil seines Vermögens, darunter auch seine wertvolle, umfangreiche und weithin berühmte Privatbibliothek, vermachte. Seine Stiftung besteht bis heute.

Hospitalstiftung – Nicolas Rolin und Guigone de Salins

Mein zweites Beispiel ist die Stiftung von Nicolas Rolin (1376–1462). Nach dem Studium der Rechte hatte er sich hochgearbeitet bis zur Position des Kanzlers der Herzöge von Burgund, die er vierzig Jahre innehatte und während deren er einer der reichsten und mächtigsten Politiker seiner Zeit wurde. Er galt als harter, auf seinen Vorteil bedachter Taktiker, hatte seit 1408 Herzog Johann Ohnefurcht gedient, danach dessen Sohn Philipp, der ihn 1424 zum Ritter schlug. Er war maßgeblich beteiligt an der Konsolidierungspolitik der reichen Herzöge, die durch Gebietserwerbungen eine beinahe zusammenhängende Ländermasse von Flandern im Norden über Holland und Luxemburg bis nach Genf im Süden beherrschten und das Zustandekommen eines unabhängigen Staats ­zwischen Frankreich und dem Römischen Reich anstrebten.

Nachdem sich Burgund im Hundertjährigen Krieg mit England gegen Frankreich verbündet hatte, handelte Rolin 1435 den Frieden von Arras aus. Selbst in den Niederadel erhoben, heiratete er schließlich eine Adelige, sein Sohn wurde Bischof von Autun und Kardinal. Mit seiner Ehefrau beschloss er, für die nach dem Hundertjährigen Krieg von Krankheiten und Hungersnot geplagte Region der ­Côte-d’Or im südlichen Burgund 1443 ein Hospital in Beaune zu gründen, wo der größte Teil der Bevölkerung hungerte. Der Bau nach dem Vorbild flämischer Hospitäler zog sich bis 1452 hin. Die Stiftung mit Krankenhaus und Apotheke besteht bis heute, finanziert sich vor allem durch Weinbesitz in den besten und teuersten Lagen der Côte d’Or.

Die Leitung der gesamten Institution nahm ein maître als Verwalter der Stiftung wahr. Rolin förderte bis zu seinem Tod die Entwicklung seiner Stiftung, des „Hôtel-Dieu“. Die Hauptgebäude (Nord- und Südflügel) stammen aus dem 15. Jahrhundert. Flämische Bauleute waren für die Ausführung verantwortlich, bei der Ausstattung wurde an nichts gespart, angefangen bei den glasierten Dachziegeln und Bodenfliesen bis zum großen Krankensaal und der Apotheke. Ein Inventar von 1501 belegt, dass Nicolas Rolin seine Stiftung reich mit Mobiliar Kunstwerken, Wandteppichen und anderen wertvollen Gegenständen ausgestattet hatte.

Vielleicht am wichtigsten war das mehrflügelige Retabel auf dem Altar der von den Krankenbetten und dem Tisch in der Mitte durch eine Schranke abgetrennten Kapelle. Rolin hatte es um 1450 beim bedeutendsten niederländischen Maler seiner Zeit in Auftrag gegeben: das Endgericht von Rogier van der Weyden. Dass der Stifter auf einen günstigen Ausgang bei der Seelenwägung durch Michael hoffte, zeigt, dass hinter den Aposteln als den Zeugen beim Gericht in zweiter Reihe, auf der Seite des Himmels auch Rolin selbst, der Herzog von Burgund, Rolins Sohn, der Bischof und hinter Petrus der Papst Eugen IV. ihren Platz zugewiesen erhalten hatten.

Rolin sorgte für die Steuerbefreiung seiner Stiftung, erwirkte Vergünstigungen für Ausstattung und Heizung, sorgte für einen exakten Aufgaben- und Pflichtenkatalog, zu erfüllen durch eine Gemeinschaft frommer Frauen (Beginen aus Mecheln), für die es seit 1459 auch eine Regel gab. Sie arbeiteten als Krankenschwestern und Hebammen. Für die Seelsorge waren die Kanoniker eines päpstlich privilegierten Kanonikerstifts zuständig. Ihnen schrieb Rolin genaue Regeln vor, wann und wie sie Gottesdienst zu feiern hatten, setzte Präsenzgelder aus, um längere Reisen und Abwesenheiten zu verhindern, und ordnete deutliche Sprechweise und Pünktlichkeit an, ließ die neuen Kanoniker einen Eid auf das Statutenwerk schwören, um sie zu deren Einhaltung zu verpflichten.

Liturgische Memorialstiftung – Familie Fugger

Nicolaus Cusanus und Nicolas Rolin waren Juristen, die bei ihren Stiftungen nichts dem Zufall überließen, sondern den bestehenden Verhältnissen ihrer Zeit misstrauten und wussten, dass Beständigkeit und Funktionieren einer geregelten Ordnung bedarf. Wie verhielt es sich bei einer Kaufmannsfamilie? Mein drittes Beispiel kommt ganz aus der Nähe. Der Charakter der Fugger-Stiftung war eine liturgische Memorialstiftung, anlässlich einer Familiengrablege.

Von der reichen spätmittelalterlichen Ausstattung der Abteikirche der Benediktiner von St. Ulrich und Afra in Augsburg war wegen des Bildersturms in der Reformationszeit kaum etwas erhalten. Nach 1537 ging man daran, die Kirche wieder mit dem für die Liturgie erforderlichen Mobiliar auszustatten – ein Vorhaben, dessen Ausführung sich bis in die 1620er Jahre hinzog und an dem die Fuggerfamilie sich engagiert beteiligte.

Bereits in den sechziger Jahren hatten mehrere Mitglieder der Familie Fugger die Ausstattungen für Seitenkapellen der Kirche gestiftet und das Recht erworben, dort Grablegen für ihre Familien einzurichten, die mit fünf Grüften den größten Teil neuzeitlicher Bestattungen in der Kirche ausmachen. Da St. Anna mit der Fuggerkapelle Kirche der neuen evangelischen Gemeinde geworden war, kam sie als künftige Grablege der altgläubig gebliebenen Familie nicht mehr in Frage, so dass Begräbnisse in anderen katholischen Kirchen eingerichtet wurden.

Jakob Fugger (1542–1598), Herr von Babenhausen und der jüngste Sohn Anton Fuggers, hatte 1580 in St. Ulrich eine Grablege gestiftet, die in der fünften Langhausarkade, vor dem (von Osten gezählt) fünften Langhauspfeiler lag. Die Einzelheiten dieser Stiftung wurden durch den Vertrag zwischen dem Stifter und Abt und Konvent festgelegt. Der Stifter dürfe „einen bestimbten Plaz“ in der Kirche „zue ainer Capellen vnd Begräbnuß“ nutzen. Der Raum dafür sollte durch ein Gitter um den Bereich vor dem Altar mit der Grablege genau abgegrenzt werden. Dieses wurde durch den Augsburger Kunst­schmied Hans Mezger ausgeführt und 1588 aufgestellt.

Am östlichen der beiden Pfeiler sollte ein Altar errichtet werden. Zu den Vereinbarungen mit der Abtei gehörte ferner, dass an Sonn- und Feiertagen um halb neun Uhr eine Messe gefeiert werden sollte, außerdem wurden eine vierteljährliche Seelenmesse und auch ein Jahrtag festgelegt. Dem Stifter und seinen Erben wurde das Recht eingeräumt, dass ihre Witwen mit ihren Dienern zwei Kirchenstühle vor der Kapelle benutzen durften, und dass Verstorbene – der Stifter oder auch Angehörige seiner Familie – beim Leichenzug in die Kirche vom Schulmeister und den Schülern der Schule von St. Ulrich sowie vom Organisten begleitet werden sollten.

Das Dokument enthält auch ein Protokoll der vom Stifter bezahlten Ausstattung mit Altar, Kirchenstühlen, Grabstein sowie mit Tüchern, Paramenten und liturgischem Gerät. Die Abtei gestattete dem Stifter auch die im Sinn der memoria wichtige Anbringung von heraldischen „Monumenten“ wie Schilden oder Helmen. Gleichzeitig stiftete Jakob Fugger eine Orgel für 2500 Gulden, oberhalb der Kapelle, wahrscheinlich am Fuß des Obergadenfensters, mit deren Bau 1581 der Augsburger Orgelbauer Eusebius ­
Amerbach beauftragt wurde.

Sie sollte nur von einem katholischen Organisten bedient werden, dessen Anstellung und Entlassung sich Jakob Fugger selbst vorbehielt. Auch der Bereich der Orgel war verschlossen; Schlüssel dafür sollten Stifter und Abtei erhalten. In dem hinter der Obergadenwand gelegenen Bereich im Dachstuhl des Seitenschiffs wurden die Bälge untergebracht. Zu diesem Bereich hatte allein der Stifter einen Schlüssel.

Noch zu Lebzeiten wurde der zur Stiftung gehörende, reiche Bestand der Kapelle zweimal aufgelistet, in den Jahren 1586 und 1597. Aus diesen Aufzeichnungen geht hervor, dass für den Altar ein Retabel des Malers Christoph Giltlinger angeschafft wurde. Da der Stifter Jakob Fugger 1598 in Babenhausen beigesetzt wurde, erinnerte in St. Ulrich fortan eine Gedenktafel daran. In der Folgezeit sorgten seine vier Söhne dafür, dass die im Stiftungsvertrag festgelegten Vereinbarungen erfüllt wurden, und kümmerten sich um die Kapelle und ihre Ausstattung. Bald nach dem Tod des Vaters beschlossen sie eine Zustiftung: Die Orgel wurde von ihrem ungünstigen Ort ins erste westliche Joch des Mittelschiffs verlegt. Dazu wurde eine Musikempore 1606/1607 errichtet, 1607 die Orgel durch den Orgelbauer Marx Günzer ­(1579–1628) dorthin verlegt und ihr Werk erweitert. Das neue Gehäuse wurde 1608 von Matthias Kager entworfen, ebenso die Gemälde.

Mit dieser Zustiftung beteiligten sich die Söhne Jakob Fuggers an der umfassenden Neuausstattung der Kirche. Die Söhne entschieden, einen neuen, größeren Altaraufbau in zeitgemäßen Formen und ein neues Altargemälde in Auftrag zu geben. Sie entschieden sich für einen der immer noch bekanntesten Augsburger Maler, Johann Rottenhammer d. Ä., der nach seiner Ausbildung in München 1588 in Venedig, seit 1590/91 in Rom tätig gewesen war. Seit 1606 lebte Rottenhammer in Augsburg, wo er Bürgerrecht und Meistergerechtigkeit erworben hatte. 1611 wurde er sogar Ratsmitglied.

Nach besonders erfolgreichen Jahren zwischen 1610 und 1615 hatte er allerdings durch Verschwendung und Krankheit Vermögen und Auftraggeber verloren und konnte kaum noch arbeiten. Nach 1620 hatte sich seine Lage offenbar stabilisiert, denn in seinen letzten Lebensjahren erhielt er auch wieder Aufträge.

Zu den letzten Werken Rottenhammers gehörte das Gemälde für den Michaelsaltar in St. Ulrich und Afra. Der Maler hatte mit der Arbeit an diesem Bild begonnen, konnte es vor seinem Tod am 14. August 1625 nicht mehr fertigstellen. Das große Leinwandgemälde Rottenhammers, das wahrscheinlich von seinem Sohn Hans vollendet wurde, bot mit dem Kampf Michaels ein klassisches Thema der Gegenreformation, das in der Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts große Bedeutung gewonnen hatte. Wie die historische Aufnahme belegt, war die große Figur des Erzengels Michael mit ausgebreiteten Flügeln bildbestimmend. Der Engel hat seine Lanze erhoben, um Luzifer in den Abgrund zu stürzen.

Das im Stadtarchiv Augsburg erhaltene Foto aus dem dritten Viertel des 19. Jahrhunderts, eine der ältesten Aufnahmen des Inneren von St. Ulrich, erlaubt nur einen unzureichenden Blick auf den Altar. Bei der Renovierung 1873 entfernte man den frühbarocken Aufbau, der offenbar die Ordnungsvorstellungen der für die Restaurierung von 1873 Verantwortlichen störte. Das Retabel überließ die Kirchenverwaltung 1880 der 1835 gegründeten Benediktinerabtei St. Stephan in Augsburg, wo es 1944 verbrannte. Später war sogar an dieser Stelle zeitweilig die Skulpturengruppe Hans Dauchers aus der Fuggerkapelle von St. Anna aufgestellt. Heute steht auf dem Altar ein kleines Flügelaltärchen im Stil des Friedrich Sustris aus der Zeit um 1570/80.

Meine drei Fallbeispiele sollten zeigen, dass jede Stiftung eine Welt für sich ist, konstituiert durch soziale, religiöse und kulturelle Aspekte, die sich je nach Auftraggeber unterscheiden können, die, auch wenn sie unterschiedlichen Gattungen angehören, alle jedoch die Funktion der memoria erfüllten und einen „Mehrwert“ für die Allgemeinheit leisteten, unabhängig davon, ob er in einem Hospital, einem Krankenhaus mit Sozialstation oder in Kirchenausstattung bestand.

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