Die Schlacht bei Nördlingen 1634

Ein Schlachtenszenario des Dreißigjährigen Krieges?

Im Rahmen der Veranstaltung "Der Dreißigjährige Krieg in Bayern", 25.10.2018

Einordnung

 

Der Chronist und Maler Johannes Müller (1752–1824) widmet dem Einzug des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf in die Freie Reichsstadt Nördlingen am 24. September 1632 nicht nur Einträge in seinen Chroniken, sondern auch dieses Gemälde. Es zeigt den Schwedenkönig hoch zu Ross inmitten des Nördlinger Marktplatzes. Müller zufolge war der König unter dem Jubel der spalierstehenden Bürgerschaft in die Stadt geritten, nachdem er im wenige Kilometer vor Nördlingen liegenden Dorf Ehringen von den ledigen Bürgersöhnen und der bürgerlichen Kavallerie empfangen worden war. Sein Quartier hatte der König im sog. Kaisersaal bei Bürgermeister Balthas Adam genommen. In Begleitung des Königs befanden sich: sein Kanzler Oxenstierna, Pfalzgraf Christian von Birkenfeld, Herzog Julius Friedrich von Württemberg, Markgraf Friedrich von Brandenburg sowie die Grafen von Hohenlohe und Oettingen. Um vier Uhr abends kam die Königin in Nördlingen an und bald darauf rückte die ganze schwedische Armee ins Ries ein. Der König besichtigte die Stadt und deren Festungswerk und zog am 25. September weiter.

Die Stadtchroniken berichten in der Regel ausführlich über dieses Ereignis, das in der Tat einen Wendepunkt in der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges markierte. Mit Schwedens Eingreifen in den nun schon 12 Jahre dauernden Krieg begann ein neuer Abschnitt, der als Schwedischer Krieg der Jahre 1630 bis 1635 in die Charakteristik dieses großen Krieges eingegangen ist. Erst in dieser Phase, genau genommen ab 1634, sollte der Krieg auch Nördlingen und das Ries zunehmend heimsuchen.

Wir können an dieser Stelle nicht auf die Vorgeschichte der Jahre 1618 bis 1630 eingehen. Vielmehr soll die Stadt Nördlingen am Vorabend der Schlacht auf dem Albuch am 5./6. September 1634 etwas näher angesehen werden.

Der Kupferstich von Matthäus Merian aus dem Jahre 1643 zeigt eine Stadt mit Kirchen, Rathaus, Spitalanlage, Stapel- und Bürgerhäusern und einer mächtigen Fortifikationsanlege, die offensichtlich den Eindruck der Wehrhaftigkeit dieser Stadt vermitteln soll. Die um 1600 etwa 8.900 Einwohner zählende evangelische Freie Reichsstadt Nördlingen war umschlossen von dem heute noch erhaltenen Mauerring und einem mit Brustwehr und Schießscharten versehenen, der Mauer vorgelagerten Zwinger. Vor der mächtigen Anlage des Baldinger Tores verläuft die „Kornlach“, die bei entsprechender Flutung geschickt in das Abwehrsystem eingebaut werden konnte.

Wie auf dem Kupferstich des Andreas Zeidler aus dem Jahre 1651 zu sehen ist, verlief vor dem Befestigungswerk der teils trockene, teils bewässerte Graben, der wiederum von einer Futtermauer eingefasst war. Vom Oberen Wasserturm bis über das Berger Tor hinaus war die Stadtmauer zu einer breiten Doppelmauer ausgebaut, um so schwere Geschütze postieren zu können. Zwei Basteien waren an der besonders gefährdeten Seite der Stadt der Mauer vorgebaut. Hier konnten insgesamt 40 Geschütze postiert werden. Die vor 1634 errichteten sog. Sternschanzen vor den Toren und vor einigen Türmen vervollständigten das Verteidigungssystem. In den letzten 60 Jahren vor der Belagerung des Jahres 1634 waren fast alle Tortürme in ihrem Mauerwerk verstärkt und mit Geschützplattformen ausgestattet worden.

Geleitet wurde die Stadt vom fünfköpfigen geheimen Rat, bestehend aus drei auf Lebenszeit kooptierten Bürgermeistern, die abwechselnd je vier Monate als Amtsbürgermeister regierten, und aus zwei geheimen Räten. Hinzu kam der kleine oder innere Rat von zehn Ratsherrn sowie ein Gericht von zehn Richtern mit dem Ammann als Vorsitzendem. Bei wichtigen städtischen Angelegenheiten konnte der geheime Rat den kleinen Rat und das Gericht zu Beratungen und Entscheidungen heranziehen. Nur in besonderen Fällen sollte der aus 25 Personen der einzelnen Zünfte bestehende große Rat einberufen werden.

Die Bevölkerung bestand in Friedenszeiten aus den Bürgern und ihren Familien mit Knechten und Mägden, aus den zünftigen Gesellen und Lehrjungen, aber auch aus den Paktbürgern, die durch einen besonderen Vertrag für eine begrenzte Dauer Bürger der Reichsstadt wurden. Die Zusammensetzung der Bevölkerung veränderte sich in Kriegszeiten nicht unerheblich. Flüchtlinge versuchten während der gesamten Kriegsjahre bei Verwandten in der Stadt ebenso eine Bleibe zu finden wie Nördlinger Spitaluntertanen aus den Riesdörfern. Da die Stadt wegen dieses Zustromes bald überfüllt war, musste der Rat Antragsteller zurückweisen und sogar die sich in der Stadt aufhaltenden Bauern – insbesondere diejenigen katholischen Glaubens – aus der Stadt weisen.

Konflikte zwischen den Konfessionen konnten da nicht ausbleiben. Wie konfliktbeladen der Glaubenskrieg für eine evangelische Reichsstadt jedoch grundsätzlich war, zeigt sich an folgendem Zwiespalt: Einerseits wollte die Reichsstadt grundsätzlich protestantisch bleiben, andererseits konnte sie die Reichsfreiheit nur in Treue und Gehorsam gegenüber dem katholischen Kaiser bzw. gegenüber einem anderen Stadtherrn erhalten. Wenn man hier auf das falsche Pferd setzte, konnte das fatale Folgen haben. Welche Option war die richtige?

Die Stadt musste sich den jeweiligen politischen Konstellationen anpassen, so dass sich für die Dauer des Krieges feststellen lässt: Bei mehrmaligem Wechsel gehörte die Reichsstadt Nördlingen zweimal zur protestantisch-schwedischen Partei und war zweimal den katholisch-kaiserlichen Truppen unterworfen: 1623-1632 kaiserlich-katholisch, 1632-1634 schwedisch-protestantisch, 1634-1645 erneut kaiserlich und 1645-1650 schwedisch-französisch. Im Folgenden soll nun insbesondere das Jahr 1634 näher beleuchtet werden.

 

Vorgeschmack: Einquartierungen und Verschlechterung der Lage

 

Seit Beginn des Jahres 1634 mehrten sich die Anzeichen für eine zunehmende Belastung der Stadt. Die Korrespondenz des Rates zeigt, dass zunehmend Einquartierungen, Kontributions- und Naturallieferungen an das schwedische Heer anstanden. Hinzu kam die Unsicherheit über die militärische Situation, weil man nie genau wusste, wo sich der Feind gerade aufhielt. Am 6. März erschien ein öffentliches Patent des Rheingrafen Otto gegen die „Exorbitantien der Soldatesca“, aus dem hervorgeht, dass die Soldaten weder vor Plünderung und Raub noch vor körperlichen Grausamkeiten zurückschreckten. Einen Vorgeschmack auf die schwere Zeit im Spätsommer 1634 brachte bereits der April dieses Jahres. Am 16. April traf in Nördlingen der Befehl Herzog Bernhards von Weimar ein, das Blaue Regiment bis auf weitere Anordnung des schwedischen Kanzlers Oxenstierna aufzunehmen. Im Verlauf des 17. April rückte das Regiment in Nördlingen ein. Die 14 Kompagnien hatten eine Gesamtstärke von 1058 Mann, hinzu kam der noch einmal 1019 Personen umfassende Tross. Das Verhalten der in den Gaststätten einquartierten Offiziere und auch der in Bürgerquartieren untergebrachten einfachen Soldaten löste eine Welle an Beschwerden seitens der Wirte und der Bürgerschaft aus. Aber erst am 18. Mai zog das Blaue Regiment aus Nördlingen wieder ab, um sich zum Hauptsammelplatz Bernhard von Weimars nach Dinkelsbühl zu begeben.

 

Der Krieg kommt näher

 

Das war aber nur ein Vorspiel. Nur wenige Wochen später, am 12. Juni 1634, erfolgte der Überfall kaiserlich-bayerischer Truppen unter General Johann von Wird, was den Rat in Nördlingen über Vorsichtsmaßnahmen beraten ließ. Eine Chronologie der Geschehnisse dieser Zeit vermittelt einen Eindruck davon, wie sich der Krieg langsam aber sicher dem Ries und Nördlingen näherte. Am 26. Juli fiel Regensburg in die Hand der Kaiserlichen. In Nördlingen erfuhr man aus sicherer Quelle, dass die Stadt das nächste Ziel der Kaiserlichen auf ihrem Weg in das Ries und in Richtung Württemberg wäre. Am 7. August brach König Ferdinand III. mit der kaiserlichen und bayerischen Armee morgens um 7 Uhr von Regensburg auf, vier Tage später traf er mit seinem Hofstab in Ingolstadt ein. Das schwedische Heer unter Bernhard von Weimar hatte zu diesem Zeitpunkt sein Hauptquartier in Lauingen, Horn stand mit seinen Truppen noch weiter südlich in der Gegend um Mindelheim.

Am 13. August brachten Dragoner des bayerischen Obristleutnants Johann Christoph Gans das von nur 45 schwedischen Soldaten verteidigte Wemding in den Besitz des bayerischen Kurfürsten Maximilian. Am gleichen Tag erschienen kaiserliche und bayerische Reiter vor Donauwörth, während einen Tag später, d.h. am 14. August, Ferdinand Ingolstadt verließ, um am Abend das Hauptquartier der Kaiserlichen und der Bayern in Rennertshofen aufzuschlagen. Zu diesem Zeitpunkt vereinigten Horn und von Weimar ihre Heere bei Günzburg.

Nördlingen nahm angesichts der auf die Stadt zukommenden Gefahr zwei schwedische Regimenter auf, zusammen etwa 400 Soldaten, die unter dem Kommando des Obristleutnants Erhard von Deibitz standen. Am 15. August erschien dieser vor dem Nördlinger Rat und erklärte nach Besichtigung der Verteidigungsanlagen, dass er sich glücklich schätze, eine so gut bewehrte Stadt verteidigen zu dürfen. In einem 6-Punkte-Papier formulierte er die wichtigsten Maßnahmen, die einen guten Einblick in den Alltag der Stadt ermöglichen: Verdächtige Personen und unnützes Volk sollten der Stadt verwiesen werden. Die Bürger sollten auf Feuer und eingeworfene Granaten achten, das Getreide war in den unteren Etagen der Häuser aufzubewahren und nicht zuletzt mussten die Tore verschüttet und verbarrikadiert werden. Alle reifen Feldfrüchte und das Getreide sollten eingefahren werden.

Am 16. August schickte Nördlingen den ersten Hilferuf an den Herzog von Württemberg und an die Reichsstadt Ulm. Aus dem Schreiben geht hervor, dass König Ferdinand bereits sein Quartier auf Schloss Harburg verlegt habe, dass die Schlösser Alerheim und Niederhaus in Brand gesteckt seien und die Grafschaft Oettingen zu einem reinen Durchgangsland geworden wäre. Den Schluss des Briefes ziert ein cito, cito, citissime! Die Zeit drängte also, denn das Ziel der kaiserlichen und bayerischen Truppen nach der Eroberung Donauwörths am 16. August war klar: Die Wiedergewinnung der Reichsstädte Nördlingen, Weißenburg, Dinkelsbühl, Windsheim und Rothenburg. Im fruchtbaren Ries aber, nur wenige Kilometer von Donauwörth entfernt, konnten die ligistischen Soldaten ihr Lager aufschlagen, um nun auf den Zuzug der spanischen Armee unter Kardinalinfant Ferdinand zu warten.

 

Der Feind steht vor der Stadt

 

Zu diesem Zeitpunkt standen Weimar und Horn noch südlich der Donau, von Nördlingen also noch zwei Tagemärsche entfernt. Ihr Ziel war es, dem Gegner den direkten Weg nach Württemberg abzuschneiden, hofften aber noch auf Verstärkung aus Franken und vom Oberrhein. Vier Tage später erreichten sie Bopfingen. Von hier aus konnten sie schnell eingreifen, hier hatten sie auch die logistisch wichtige Verbindung mit dem Herzogtum Württemberg.

Bereits am Morgen des 18. August zogen gegnerische Infanterie und Artillerie unter dem Kommando des kaiserlichen Feldmarschall-Leutnants Baron de Suis vor Nördlingen und bezogen Stellung auf dem Stoffels- und Galgenberg, um dort gegen Mittag acht große Geschütze (Stücke) in Stellung zu bringen. Am Mittag wurde der erste Schuss auf die Stadt abgefeuert und am Abend forderte ein kaiserlicher Trompeter am Berger Tor die Stadt zur Übergabe auf.

Der Rektor der Lateinschule, Johannes Mayer, gibt 1637 in seiner Erinnerungsrede an die Schüler ein sehr anschauliches Bild der Vorgänge dieser Tage. Er berichtet, dass die Nördlinger Gebäude und Zäune vor der Stadt niedergebrannt und entfernt hätten. Der Feind habe die Lebensader der Stadt, die durch die Stadt fließende Eger, abgegraben und umgeleitet, so dass die Mühlen nicht mehr mahlen konnten und man auf Hand- und Rossmühlen ausweichen musste. Zum Löschen eventueller Feuer häufte man in den Gassen Mist und legte Weiher an. Die Bürger füllten Säcke mit Erde und verrammelten damit die fensterähnlichen Öffnungen der Stadtmauer. Auch wenn Mayers Ausführungen mitunter poetisch überhöht sind, so können wir seiner Schilderung der Schicksale einzelner Personen und der Vorkommnisse in der Stadt vertrauen, weil er vieles selbst erlebt haben dürfte.

 

Die Beschießung beginnt

 

Seit dem 19. August wurde Nördlingen täglich vom Galgenberg und Totenberg aus beschossen. Deibitz veranlasste den Rat, eine Feuerordnung anzufertigen und eine Feuerwache von 100 Mann aufzustellen. Einen Tag später erfolgte die zweite Aufforderung zur Übergabe, die aber von Deibitz und dem Rat abgelehnt wurde. Nur der Stadtschreiber mahnte zur Vorsicht und gab die Folgen einer möglichen tödlichen Verwundung des Stadtkommandanten zu bedenken. An diesem Tag ging der Bauer Adam Jäcklin, genannt Weckerlin, in geheimer Mission in das schwedische Lager nach Aalen mit der Bitte um Hilfe. Zurückgekehrt konnte er vermelden, dass das schwedische Heer aufbrechen werde, sobald die Verstärkung des Rheingrafen und des württembergischen Landausschusses eingetroffen wäre.

Doch der Belagerungsdruck der Kaiserlichen nahm deutlich zu. Am 22. August wurde Nördlingen mit 130 Granaten und über 1000 Kugeln beschossen. Stadtgericht und Großer Rat wurden einberufen. Die Geistlichen der Stadt wollten den Rat zur Übergabe bewegen. Aber Deibitz machte Mut und verwies auf das Versprechen Bernhard von Weimars, die Stadt unter allen Umständen zu befreien. Eine Übergabe der Stadt an den Feind lehnte er ab. Am 24. August gelang es Gustav Horn, weitere 200 schwedische Soldaten in die Stadt zu bringen. Dies konnte nur gelingen, weil die Kaiserlichen ihn auf der entgegengesetzten Seite der Stadt erwartet hatten. So aber konnte Horn selbst in die Stadt kommen und Mut machen. Obwohl sich damals größere Truppenteile beider Lager gefährlich nahegekommen waren, unterblieb ein Kampfgeschehen. Die Nördlinger aber nutzten die Gelegenheit, bei einem Ausfall die gegnerischen Laufgräben zuzuschütten und Batterien zu zerstören. Tags darauf, am 25. August, versuchten die Kaiserlichen, Breschen in die Stadtmauer zu schießen, allerdings mit der Folge, dass ihnen allmählich die Munition ausging und diese erst wieder herbeigekarrt werden musste. Die Stadt hatte eine Verschnaufpause! Andererseits breiteten sich in ihr zunehmend Hunger und Krankheiten aus. Adam Weckerlin, der unerschrockene Meldegänger, wurde erneut in das schwedische Lager geschickt. Die Zeit drängte, denn nun war das Heer des Kardinalinfanten mit 19.000 Mann bereits in Blumenthal bei Aichach eingetroffen und sollte in wenigen Tagen vor Nördlingen stehen. Weckerlin überbrachte die Nachricht, dass in zwei oder drei Tagen das schwedische Heer zum Entsatz der Stadt aufbrechen würde. Bei zwei weiteren Ausfällen konnten die Nördlinger gegnerische Geschützbatterien zerstören und Gefangene machen. Aber Hunger und Krankheit breiteten sich in der Stadt immer mehr aus. Weckerlin wurde zum dritten Mal in das schwedische Lager geschickt.

Noch am 1. September machte Deibitz der Bürgerschaft Hoffnung auf das baldige Eintreffen des schwedischen Heeres. Würden Horn und von Weimar, so Deibitz, sich dem Gegner nicht gewachsen fühlen, würden diese ihn das wissen lassen. Weckerlin kam in der Nacht mit einem Brief zurück, in dem Horn und von Weimar die Stadt zum Durchhalten aufforderten. Auf der gegnerischen Seite wartete man noch auf das Eintreffen des Heeres des Kardinalinfanten, so dass der auf den 1. September geplante Generalangriff auf die Stadt noch nicht erfolgte.

Am 2. September traf das spanische Heer im Lager der Kaiserlichen und der Bayern ein. Peter Paul Rubens hat diese Begegnung in einem monumentalen, heute im Kunsthistorischen Museum Wien gezeigten Gemälde dargestellt. Eingetroffen ist damals auch Herzog Karl von Lothringen, dem der bayerische Kurfürst den Oberbefehl über die bayerischen Truppen übertragen hatte. Tags darauf wurde Nördlingen stark beschossen. An zwei Stellen konnte der Feind Breschen in die Stadtmauer schlagen. Am 4. September, um 1 Uhr nachmittags, wurde die Stadt zum dritten Mal zur Übergabe aufgefordert. Deibitz erbat Bedenkzeit bis zum nächsten Morgen, gewährt wurden ihm nur zwei Stunden. Nach Ablauf der Frist begann der Generalsturm auf die Stadt. Bürger und Bauern kämpften neben den schwedischen Soldaten, auch Frauen und Kinder wurden einbezogen. Als der Feind in den Deininger Torturm eindrang, zündete man den Turm an. Siebenmal rannten die Kaiserlichen vergeblich an. In der Nacht gab man vom “Daniel“ aus Notzeichen in Richtung Breitwang zum schwedischen Heer. Die Signale wurden nun endlich verstanden.

 

Hilfe naht: Das schwedische Heer verlässt den Breitwang

 

Das schwedische Heer brach in den Morgenstunden des 5. September auf. Matthäus Merian hat diese Situation in der ersten Szene seiner Darstellung der Schlacht bei Nördlingen festgehalten. Zur Täuschung des Gegners zogen die Schweden zuerst nach Süden in Richtung Donau, um schon bald in Richtung Nordosten zu schwenken und sich im Zuge der Ulmer Straße dem Ries zu nähern. Bernhard von Weimar gelang noch am frühen Abend des 5. September mit der Eroberung des „Lindle“ ein kleiner, aber nicht unbedeutender Erfolg. Merians Schlachtenszenario zeigt, dass die Schweden nach dem Lindle auch die angrenzenden Höhenrücken einnehmen konnten, ohne jedoch diese zunächst günstige Ausgangssituation ausnutzen zu können. Erstens hatte sich der Anmarsch der zum Angriff notwendigen Truppen verzögert. Zweitens war der anfänglich nur schwache Widerstand der katholischen Truppenteile doch stärker geworden und drittens musste der sofortige Angriff auf den Albuch wegen der einbrechenden Dunkelheit und mangelnder Ortskenntnisse abgebrochen werden.

Die Spitzen des schwedischen Heeres waren bis auf wenige Kilometer an das feindliche Lager herangerückt, getrennt nur durch teilweise bewaldete Bergrücken. Denn das kaiserlich-katholische Heer war ja bereits im Besitz des benachbarten Höhenzuges des Albuch. Wer diesen innehatte, hatte den großen Vorteil, aus überhöhter Position heraus attackieren zu können. Dieser Höhenzug musste also im Mittelpunkt des Geschehens stehen.

 

September: Die Hauptschlacht beginnt

 

In den frühen Morgenstunden des 6. September begann das Ringen um den Albuch. Auf der linken Bildhälfte positioniert Merian den Kampf der Truppen Gustav Horns mit den spanischen Verbänden. Horn war der Sturm auf den Albuch zugefallen, der von den spanischen Verbänden verteidigt wurde. „Lachberg“ und „Lindle“, auf der rechten Bildhälfte dargestellt, hielt Bernhard von Weimar besetzt. Sein linker Flügel hatte defensive und den Angriff Horns absichernde Funktion. Auf katholischer Seite bildeten die kaiserlichen und bayerischen Verbände den rechten Flügel. Auf dem Albuch wurden in der Nacht drei etwa 90 cm hohe Schanzen aufgeschüttet und vierzehn Geschütze installiert, die den Verteidigern Rückhalt und Feuerschutz geben sollten. Fußtruppen und weitere Kavallerie lagen zur Verstärkung bereit. Gewaltige Heermassen standen sich gegenüber. Man geht von einer Truppenstärke von 33 bis 36.000 Mann auf der kaiserlich-katholischen Seite und von 22 bis 24.000 Mann auf der Gegenseite aus.

Das Schlachtgeschehen selbst kann in drei Momentaufnahmen skizziert werden. Die erste Szene: Kurz nach dem Morgengrauen begann der Angriff der Schweden auf die Albuchhöhe. Horns Angriff verlief zunächst verheißungsvoll. Seine Infanteriebrigaden konnten schnell die mittlere Schanze nehmen. Weil die Angreifer aber weit über die eroberte Schanze hinaus agierten, stießen sie im Getümmel letztlich aufeinander; und als Pulverladungen explodierten, machten Dampf und Rauch die Lage vollkommen unübersichtlich. Diese Situation nutzte ein spanisches Infanterieregiment und ging zusammen mit der Reiterei zum Gegenangriff über und drängte Horns Infanterie zurück, der den Ansturm noch 15 Mal vergeblich wiederholen ließ. Da konnte auch eine Brigade von Weimars Reitern, die zu allem Unglück gegen die falsche, nördlich gelegene Schanze anritt, nichts ausrichten.

Die zweite Szene: Der katholischen Seite blieben die Abnutzungserscheinungen auf der gegnerischen Seite nicht verborgen. Ihr Ziel war es, den rechten und linken Flügel des Gegners zu durchschneiden. Fraglich war, ob Horn dem Druck der spanischen Regimenter und der kaiserlich-bayerischen Verbände noch länger standhalten konnte. Während von Weimars Stellung ungefährdet zu sein schien, war Horn in aussichtsloser Lage entschlossen, seine Truppen bis zur Höhe der Ulmer Straße zurückzuziehen.

Die dritte Szene: Die Ausgangsposition für das gewagte Manöver war schwierig, denn Horn musste sich nicht nur aus dem Kampf lösen, sondern von Weimar musste Horns Rückzug absichern können. Horn konnte sich wohl, wie geplant, entlang des Rezenbachtales, zum Teil geschützt durch die angrenzenden Höhen zurückziehen, doch blieb die Deckung Bernhard von Weimars aus. Dieser musste sich nämlich heftigen Attacken des Gegners erwehren, die schnell die Absicht Horns erkannt hatten. Die Infanterie Herzog Bernhards wurde zusehends aufgerieben und seine Kavallerie in die Flucht geschlagen. Die Fliehenden und die Abziehenden suchten sich durch das Tal in Richtung Ulmer Straße zu retten, wobei sich die Truppen Horns und Weimars zu allem Unglück gegenseitig behinderten.

Zahllose Fliehende wurden niedergemacht oder gefangen, Artillerie und Bagage waren verloren. Die Katastrophe der schwedisch-protestantischen Streitmacht war perfekt, ausgelöst nicht durch einen entscheidenden Fehler eines einzigen, sondern durch Fehler und Versäumnisse der beiden Feldherren. Die Folgen waren katastrophal: Auf der Seite des schwedischen Heeres waren etwa 8.000 Tote zu beklagen, 3.000 bis 4.000 Mann gerieten in Gefangenschaft. Auf der Seite des verbündeten katholischen Heeres waren 1.200 Tote und etwa ebenso viele Verwundete zu zählen. Überall lagen Leichen und Kadaver, die zur Verunreinigung der Luft beitrugen und Reisenden ein Bild des Schreckens boten, wie am 12. September 1634 der Reichspfennigmeister und kaiserliche Oberkommissar in einem Schreiben an den Rat der Stadt ausführte. Unter den erschlagenen, erschossenen und niedergemachten toten Körpern seien viele hohe Offiziere, Grafen und Herren, vornehmer reichs- und ausländischer Adel, ein schrecklicher Anblick für die Vorbeireisenden. Für die hier lebenden Menschen sei der Gestank der Luft unerträglich und die Gefahr der Infizierung sehr groß, meinte der Oberkommissar, um die Zivilbevölkerung dazu aufzurufen, die Menschen und Kadaver zu bestatten bzw. zu vergraben.

Das aber war nicht ungefährlich, denn die von den durchziehenden kaiserlichen und schwedischen Soldaten ausgehende Gefahr war nach wie vor nicht unerheblich. Durchzüge, Einquartierungen und Plünderungen gehörten zum damaligen Alltag der Menschen. Wer außerhalb der Stadt wohnte, konnte die Märkte nicht besuchen und wer innerhalb wohnte, konnte aus Furcht vor den Soldaten nichts feilhalten und keinen Laden öffnen. Kurz: „Es ist ye ein Erbarmlich ding,“ wie ein Zeitgenosse meinte. In dieses Bild passte die Aussage des Totengräbers, dass viele Toten im Außenbereich der Stadt liegen würden und dass er beauftragt sei, zusammen mit seinem Kollegen die Toten sieben Schuh tief zu vergraben. War unter diesen Umständen an eine Rückkehr in den Alltag zu denken?

 

Rückkehr in den Alltag?

 

Die Niederlage des schwedischen Heeres bedeutete für die Reichsstadt Nördlingen die Übergabe an den Feind und damit den Abzug des Stadtkommandanten Deibitz. Am 7. September nachmittags um 2 Uhr rückten die Kaiserlichen ein und besetzten das Baldinger Tor. Zwei kaiserliche Kompagnien sollten Deibitz sicher in Richtung Ulm geleiten. Aber noch vor seinem Auszug wurden viele seiner Soldaten zum Übertritt in die kaiserliche Armee gezwungen. Letztlich kam Deibitz nur noch mit fünf Mann und einem Pferd in Ulm an. Ab 8. September wurden zahlreiche kaiserliche und bayerische Soldaten einquartiert. Der Rat versuchte in Form schriftlicher Bittgesuche, aber auch in Form persönlicher Abordnungen und Bittgänge zum König, die reichsstädtischen Freiheiten erhalten und die Lage der Bürger verbessern zu können. Vor dem Rathaus wurden von kaiserlichen Kommissären den versammelten Bürgermeistern, Räten und Bürgern folgende Schuldvergehen vorgelesen: Auflehnung gegen den Kaiser; bewaffneter Widerstand gegen den Stadtherrn, Verrat an diesem insbesondere durch das mit dem Schwedenkönig eingegangene Bündnis, Ignorieren des Übergabe-U­ltimatums. Nördlingen habe viel Schuld auf sich geladen und müsse das entstandene Blutvergießen vor Gott verantworten. Am 9. September kam von seinem Hauptquartier Reimlingen König Ferdinand III. nach Nördlingen, um die Unterwerfung der Stadt entgegenzunehmen. An der südlichen Kirchentür von St. Georg baten Rat und Bürgerschaft kniefällig um Verzeihung. Die Stadt wurde in Gnaden aufgenommen, nach einem feierlichen Gottesdienst kehrte der König wieder nach Reimlingen zurück.

Nach dreitägiger Plünderung forderten die kaiserlichen Kommissäre 100.000 Reichstaler Brandsteuer und Strafgeldsteuer. Nach Bitten beim König konnte die Brandsteuer um die Hälfte verringert werden, so dass nur noch 50.000 Reichstaler bezahlt werden mussten. Hinzu kamen 12.000 Gulden an einen Generalwachtmeister sowie 8.000 Gulden an einen Marchese de Grana, sozusagen als Kriegskostenersatz für die kaiserliche und bayerische Artillerie zur Auslösung der Glocken und der Kanonen, auf die der Gegner ein Anrecht gehabt hätte. Das kaiserliche Regiment Baron de Suys musste als Besatzung aufgenommen werden. Die Stadt hatte in mehrfacher Hinsicht Glück: Ferdinand III. gewährte Nördlingen „Pardon“, in einem „Accord“ wurden die Abzugsbedingungen festgehalten. Der Rat, d.h. die Zivilverwaltung, blieb im Amt, es gab keinen „Elitentausch“, ja, sogar der für den Widerstand der Stadt mitverantwortliche Stadthauptmann Johann Melchior Welsch taucht in der Folgezeit als Ratsmitglied auf; der Sieger erzwang auch keinen Konfessionswechsel; der Status einer freien Reichsstadt blieb erhalten.

Nur schrittweise normalisierte sich der Alltag. Nachdem die Plünderungen vorüber waren, kehrte man zu den Morgen- und Abendbetstunden zurück, Pfarrer Hauff hielt wieder einen Gottesdienst, die Schulen wurden wieder geöffnet, im Karmeliterkloster wurde seit Wochen wieder eine Leichenpredigt gehalten. Die Bürger verkauften alles, was sie an Kleidern, Schmuck, Büchern und wertvollen Haushaltswaren hatten. Alle von den Fremden hinterlegten Güter wurden durch Aufkäufer der städtischen Kasse zugewiesen, den Bauern wurde das Getreide abgenommen und in die Stadt geführt. Die Pest hatte zwischenzeitlich die Stadt heimgesucht. Rektor Mayer schildert in seiner Erinnerungsrede: „Und die Bürger machten sie ansteckend, weil sie, auch wenn sie von dieser Seuche ergriffen waren, von den Soldaten gezwungen wurden, in der Öffentlichkeit zu verkehren. Da sahen wir Leute, die mit Geschwüren und Eiterbeulen im Gesicht gezeichnet waren“.

Die Klagen der Bürger über die einquartierten Soldaten häuften sich. Die vielen Klagepunkte zeigen die Überforderung der Bürger und ihrer Familien mit gewalttätigen Soldaten, mit dem hohen Verbrauch an Lebensmitteln und Futter für die Pferde. Der Rat konnte seine Bürger gegen die Übergriffe der Soldaten nicht in ausreichender Form schützen. Im Gegenteil: Er musste die Bürgerschaft, aber auch die Spitaluntertanen zu Sachleistungen und zum Teil zu drastischen Steuererhöhungen verpflichten, um die Kriegskosten bezahlen zu können. Dies hatte der Rat seinen auf dem Marktplatz versammelten Bürgern bekannt zu geben. Interessanterweise zeigte eine unmittelbar nach der Übergabe der Stadt auf Befehl des Siegers durchgeführte Zählung der Bestände an Vieh, Korn und Wein, dass keineswegs alle Vorräte aufgebraucht waren. Auffallend häufig wurden die offensichtlich gehorteten Vorräte nun zu Wucherpreisen weitergegeben. Und Piccolomini hielt den Nördlingern vor, dass viele Personen noch während der Zeit der Belagerung mit vollem Bauch, goldenen Ketten, stattlichen Kleidern usw. herumgegangen wären.

Wolfgang Wüst bemängelt zu Recht das weitgehende Fehlen einer Alltagsgeschichte des 30-jährigen Krieges. Wie also sah es aus mit den Kommunikations-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Verfassungsänderungen dieser Zeit? Die zuletzt vorgetragenen Beobachtungen gehen vielleicht in diese Richtung, wobei deutlich wird, dass die Auswertung der „Kriegsakten“ allein nicht genügt, vielmehr eine ganze Reihe anderer Archivalien wie die Missiven, d.h. die Korrespondenz der Stadt, die sog. Suppliken, also die Bittschriften der Bevölkerung, Ordnungsbücher, Ratsprotokolle, Stadtkammerrechnungen sowie die Chroniken heranzuziehen sind. Mit ihrer Auswertung könnten der Erforschung des reichsstädtischen Alltags in der Zeit des 30-jährigen Krieges in der Tat neue Impulse gegeben werden.

Fragen wir abschließend noch nach den Folgen der Schlacht, dann können wir mehrere Überlegungen anstellen.

 

Die Folgen der Schlacht – eine kritische Bilanz

 

Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob der Dreißigjährige Krieg wirklich entscheidend für die weitere Entwicklung der Stadt gewesen war? Eine Antwort auf diese Frage könnte die Auswertung der Steuerbücher sowie der Kirchenbücher bringen. Der Historiker Christopher Friedrichs hat beide Quellen in seiner Dissertation ausgewertet und konnte dabei folgendes feststellen:

An Hand der Steuerbücher kann für die 40 Jahre vor dem Krieg eine Anzahl von 1.600 bis 1.800 Haushaltungen ermittelt werden, was einer Einwohnerzahl von 8.000 bis 9.000 entspricht. Wenn nun für die Jahre 1627 bis 1640 800 Familien weniger ermittelt werden, so heißt das, dass bis in die Jahre um 1640 die Bevölkerung um die Hälfte zurückgegangen ist. Auch wenn für die folgenden Jahrzehnte ein deutlicher Zuwachs zu verzeichnen war, konnte der Vorkriegszustand erst wieder 1939 erreicht werden.

Interessanterweise zeigt die Untersuchung der Kirchenbücher, dass die Anzahl der Geburten schon vor dem Krieg gesunken war, weil damals vermutlich die Zahl der Einwanderer beschränkt worden war. Deutlich wird auch, dass die Zahl der Geburten nach dem Krieg wieder deutlich angestiegen ist, um erst nach 1690 wieder abzunehmen. Friedrich hat diese und andere Ergebnisse in einer Grafik festgehalten.

Diese Grafik verdeutlicht auch die Bevölkerungsverluste. Dabei muss jedoch festgehalten werden, dass die Verluste zwischen 1627 und 1640 ohne Zweifel auf die hohe Zahl von Todesfällen in den Jahren 1631 bis 1635 zurückzuführen sind. Denn allein im letzten Drittel des Jahres 1634 waren 1.273 Stadtbewohner verstorben. Allerdings starben diese weniger durch unmittelbare Kriegseinwirkung, sondern durch Krankheit, Seuchen und Pest. Allerdings begann die Stadt schon bald, diese Verluste durch verstärkte Eheschließungen, Erhöhung der Geburtenanzahl und Neubürgeraufnahmen zu überwinden.

In diese Richtung weist auch ein Blick auf die Entwicklung des Realvermögens der Bürger. Konkret: Während das gesamte Realvermögen der Bürgerschaft im Laufe der Kriegsjahre merklich zurückging, war nach dem Krieg ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen, der erst nach 1670 wieder sinken sollte. Somit kann festgestellt werden, dass auch in wirtschaftlicher Hinsicht von einer Erholungsphase unmittelbar nach dem Krieg ausgegangen werden muss, wobei diese Erholungsphase durch die weiteren Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts mit ihren hohen finanziellen Aufwendungen merklich abgeschwächt wurde. Das aber heißt: Nicht der Dreißigjährige Krieg, sondern die späteren Kriege haben die Finanzen der Stadt auf lange Sicht zerrüttet.

Friedrichs bahnbrechende Forschungen werden durch die Analyse der Neubürgeraufnahmen bestätigt. Diesbezüglich ist festzustellen, dass die Zahl der Zuwanderer auch in der Zeit vor dem Krieg mit einer Quote von 7 bis 28 Zuwanderern pro Jahr keineswegs konstant war. 1621 waren es bereits 37 Neubürger und 1636, also zwei Jahre nach der Schlacht bei Nördlingen, sogar 61, was den absoluten Höchststand für den untersuchten Zeitraum bis 1650 bedeutete. Dahinter verbirgt sich eine geschickte Einwanderungspolitik des Rates, dem daran gelegen war, die Bevölkerungsverluste wieder auszugleichen und gleichzeitig das Handwerk zu stärken. Wie also sah es im Handwerk aus?

Auch hierzu gibt es interessante Beobachtungen, die ich aber nur kurz andeuten will. Tatsächlich brachte der Krieg auch im Handwerk eine deutliche Zäsur. Zwei Beispiele: Arbeiteten 1618 in Nördlingen 84 Metzger, so waren es 1638 gerade noch 45. Und von ehemals 74 Bäckern sind nach 1634 noch 38 nachweisbar. Beide Berufszweige hatten sich bis 1652 wieder erholt, ohne allerdings den Vorkriegszustand zu erreichen.

Ähnliches ist auch für das Textilgewerbe zu beobachten. Arbeiteten 1618 noch 371 Loder, so waren es 1638 noch ganze 103. Bei den Feintuchwebern lässt sich eine ähnliche Abwärtsentwicklung beobachten: Ihre Zahl ist von 33 Handwerkern auf 3 zurückgegangen.

Diese statistischen Angaben belegen die deutlichen Kriegsverluste des Handwerks, sie belegen aber auch eine gewisse Erholungsphase in der Nachkriegszeit, so dass noch einmal mit Christopher Friedrichs festgehalten werden kann: Nicht der Dreißigjährige Krieg, sondern die späteren Kriege haben Wirtschaft und Finanzen der Stadt auf lange Sicht zerrüttet. Kommen wir zum letzten Punkt, der Bedeutung der Schlacht.

 

Bedeutung der Schlacht in historischer Sicht

 

Der Schlacht bei Nördlingen wird überregional keine andauernde historische Bedeutung beigemessen, auch wenn ihr Ausgang eine neue politische Konstellation geschaffen hatte. Das 1634 entstandene politische Ungleichgewicht zugunsten der kaiserlich-katholischen Seite rief ja Frankreich auf den Plan, das nun aktiv in das Kriegsgeschehen eingriff, um auf schwedisch-protestantischer Seite zu kämpfen. Und wie steht es um die historische Bedeutung der Reichsstadt Nördlingen in diesem Geschehen? Auch hierzu meint die Forschung: Da die Schlacht nicht wegen Nördlingen geschlagen worden wäre, sondern eben bei Nördlingen, so käme ihr keine andauernde historische Bedeutung zu. Da die Reichsstadt Nördlingen jedoch den Zugang in das protestantische Württemberg und Franken versperrte, hatte sie zumindest eine strategische Relevanz. Und denkt man an die hohen Bevölkerungsverluste und an das schreckliche Leiden weiter Bevölkerungskreise, so muss der Schlacht unter lokaler und regionaler Fragestellung ohne Zweifel eine große Bedeutung zugemessen werden. Dies gilt ohne Einschränkung, auch wenn weder der Krieg noch die Schlacht den wirtschaftlichen Niedergang der Stadt Nördlingen verursacht haben. Dafür waren, und das sollte heute aufgezeigt werden, der bereits etwa 150 Jahre zuvor einsetzende allgemeine wirtschaftliche Strukturwandel und die Reichskriege des 17. und 18. Jahrhunderts verantwortlich.

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Optionen der demokratischen Mehrheit
Akademiegespräch am Mittag mit Prof. Dr. Ursula Münch und Marco Wanderwitz
Mittwoch, 12.11.2025
Kathedral-Bau im 19. und 21. Jahrhundert als Konstruktion von Geschichte und Identität
Samstag, 22.11.2025
Transformation theologisch gedeutet
Montag, 24.11. - Mittwoch, 26.11.2025
Heike Steinweg/Suhrkamp Verlag
Jenseits der Schutzzonen
Literarischer Abend mit Nora Bossong
Montag, 24.11.2025
Die astrophysikalische Forschung zu Exoplaneten
Mittwoch, 26.11.2025
Wikimedia Commons
Literatur als Therapie
Erich Garhammer trifft Rilke-Biograf Manfred Koch
Donnerstag, 04.12.2025