Lieber Monsignore Schuller, meine sehr verehrten Damen und Herren,
mein Beitrag wird als Grußwort qualifiziert; man wollte es offensichtlich absetzen von den beiden Vorreden, die eher Beiträge sind. Ich weiß nicht, ob das geplant war, oder ob man meint, der Erzbischof solle sich da doch im Inhaltlichen etwas beschränken – was er meistens nicht tut. Das Grußwort ist ja auch deswegen hier angeführt, um ein Wort des Dankes zu sagen. Ich will keinen inhaltlichen Beitrag geben wie meine beiden Vorredner, die ich natürlich unglaublich gerne weiter kommentieren würde, aber das bleibt mir versagt – vielleicht später. Sondern ich will noch einmal auf die Persönlichkeit schauen und ein herzliches Wort des Dankes sagen, ein Vergelt’s Gott für diese 18 Jahre, auch im Namen aller bayerischen Bischöfe
Ich bin ja selbst einige Jahre Akademiedirektor gewesen, war auch im Kontakt mit Ihrem Vorgänger, und für uns war schon damals die Katholische Akademie in Bayern das Flaggschiff der gesamten Akademieszene. Einer meiner Nachfolger in der Kommende in Dortmund ist ja hier, wie ich gerade sehe. Wir haben mit großer Bewunderung auf diese Katholische Akademie geschaut, und als ich Erzbischof von München und Freising wurde, war es nicht die geringste Freude, auch in Kontakt zu kommen mit der Katholischen Akademie. Nicht nur mit den vielen anderen Herausforderungen des Erzbistums, den schönen Landschaften, den vielen Kirchen, den faszinierenden Begegnungen, der Neugierde auf Bayern – all das war natürlich auch lebendig; aber die Katholische Akademie war für mich ein Begriff, nicht nur durch die Zeitschrift „zur debatte“, die ich mit großer Neugierde jedes Mal sehr intensiv gelesen habe, sondern auch durch die Begegnungen hier.
Deswegen möchte ich ein sehr, sehr herzliches Dankeschön sagen, ein Vergelt’s Gott. Es war mir in den zehn Jahren, in denen wir zusammengewirkt haben, nicht so oft möglich, all das an Angeboten in Anspruch zu nehmen, was hier möglich wird. Aber Msgr. Schuller gehört zu denen, die – so wurde es ja eben auch schon von der Akademieleitung gesagt – die Kompetenzen anderer gut entdecken können, und so hat er sich sehr schnell auf den neuen Erzbischof eingestellt und ihn gelockt mit sozialethischen Themen, den Diskussionen über die Enzyklika Laudato si‘ oder ähnlichen Perspektiven, die mich angesprochen haben. Aber mein Interesse ist natürlich auf das ganze breite Feld gerichtet, das hier in der Akademie angeboten wurde und wird. Ich konnte dem nicht immer nachkommen, einfach als Teilnehmer dazusitzen und nicht irgendetwas zu sagen, sondern einfach einmal zu hören und sich fortzubilden, weiterzubilden, zu diskutieren.
Wenn man auf Florian Schuller schaut – das kam mir jetzt in diesen Tagen noch einmal so in den Blick –, dann sieht man doch auf eine im guten Sinne sehr klassische priesterliche Biographie, die hoffentlich auch in Zukunft noch da sein wird; wir fragen uns das manchmal. Aus einer Familie, die bildungsgeprägt war, in Augsburg, kam er sofort zum Humanistischen Gymnasium. Damals gab es das noch, in voller Form, mit Griechisch und Latein, und Hebräisch wahrscheinlich auch ein bisschen. Dann ging es sofort nach Rom an die Gregoriana, zum Germanicum. Dann das Lizentiat in Philosophie, in Theologie; mit einer Spannweite von Johann Gottlieb Fichte bis Wolfhart Pannenberg. Dann eine Promotion über einen Theologen, den ich nicht kenne (Fritz Buri, Schweizer reformierter Theologe, 1907-1995). Aber jedenfalls eine Bandbreite, die doch beeindruckend ist.
Eben wurde schon angedeutet: das gilt auch für seine pastorale Tätigkeit. Die ganze Spannweite von Pfarrseelsorge, Hochschulseelsorge, Erwachsenenbildung, Pfarreiarbeit und eben wissenschaftliche Arbeit, Weiterbildungsarbeit. Das ist schon eine beeindruckende Möglichkeit, die im Raum der Kirche geboten wird. Ich arbeite dafür, und wir alle sollten uns bemühen, dass es diesen Raum weiter gibt, in dem sich solche Biographien entfalten können, die auch zurecht von meinen beiden Vorrednern gewürdigt wurden. Im Raum der Kirche entfaltet sich Leben, Denken, Fühlen, Nachdenken, Kunst. All das kann man an der Person Florian Schuller, an seiner Biographie gut nachlesen.
Das ist ein erster Blick auf diese Person, die eine große Spannweite – gerade heute sage ich es – priesterlichen Wirkens deutlich macht, in überzeugender Weise, und das ist etwas, was bei den Menschen nicht nur ankommt, sondern was aufgenommen wird – auch das wurde eben schon gesagt –, was glaubwürdig ist als Zeugnis, durch die ganze Bandbreite des pastoralen Wirkens, in der intellektuellen Herausforderung und in der seelsorglichen Herausforderung. Das spürt man bei Ihnen.
Ein zweiter Blick auf die Akademie: 18 Jahre – das ist eine Ära, wie man so schön sagt, und hier stimmt es wirklich. Weil ich selbst Akademiedirektor war, natürlich nicht in dieser „premium league“ wie die Katholische Akademie in Bayern, aber doch auch in demütigem Selbstbewusstsein aktiv, würde ich einmal sagen, mit unseren Themen in Dortmund (was von München aus natürlich so ungefähr Sibirien ist oder etwas weiter weg, fußballtechnisch sowieso eine etwas prekäre Landschaft). Aber was mir immer wichtig war, auch gerade beim Treffen der Akademieleiter: Die Akademie, auch damals von der Gründung her, Karl Forster und Kardinal Wendel stehen ja hier am Anfang, und mein Vorgänger auch, der das 25 Jahre begleitet hat, verkörpert das Zeichen, dass die Kirche vernetzt sein muss mit der Welt.
Der Dialog mit der Welt, der auch in die Kirche selbst hinein wirken muss, ist nicht nur ein Dialog in dem Sinne, dass wir anderen etwas zu sagen haben, sondern wir lernen von der Welt, wie es „Gaudium et spes“ sagt. Wie oft habe ich das unterstrichen, und wie oft muss man es unterstreichen, auch in der aktuellen Situation. Wir müssen von der Welt lernen! Wir haben nicht alles, sondern das war eine große Erkenntnis gerade des Konzils: Wir brauchen die andere und den anderen. Es gibt keine Identität als Person und als Gesellschaft und als Kirche ohne die anderen und den anderen und das andere, und zwar in der Anerkennung des anderen als anderen, nicht in der Assimilierung des anderen für mich. Das ist eine große Herausforderung für die Gesellschaft, aber auch für die Kirche, das zu sehen, zu begreifen und wirklich in einen Dialog einzutreten, in einen lernenden Dialog.
Deswegen ist für mich auch in der Zukunft – das sage ich auch im Namen der Freisinger Bischofskonferenz – der Wunsch, dass die Akademie auch in Zukunft ein solch lebendiger Ort des Dialogs, des Austauschs mit den Wissenschaften, mit der Politik, mit der Kunst, mit der Kultur, mit dem Nachdenken ist, und zurückwirkt auch in die Kirche selbst hinein. Das ist ein entscheidender Punkt für die Identität der Kirche und für ihren Weg in die Zukunft, auch wenn es manchmal der Kirche selbst oder dem, was manche tun wollen, weh tut. Die Auseinandersetzung mit der Welt und die Auseinandersetzung in der Kirche sind nicht immer sanft. Aber wir brauchen die Auseinandersetzung, wir brauchen einen echten Geist des Dialogs, der den anderen ernstnimmt und vom anderen lernen will. Eine nur narzisstische Kirche, wie es Papst Franziskus so schön sagt, eine sich um sich selbst drehende Theologie, die vielleicht faszinierend spekulativ ist, aber niemandem etwas zu sagen hat, ist keine Perspektive, die die Kirche in die Zukunft führt. Deswegen ist es wichtig, dass wir Akademien haben.
Sie haben das in der ganzen Bandbreite getan. Die Akademieleitung hat das eben schon gesagt; ich will das nicht wiederholen. Da sind so viele neue Dinge entstanden; ich habe das immer wieder verfolgt, als ich noch nicht in München war, habe immer genau hingeschaut auf die Programme, habe immer geschaut, wen haben Sie eingeladen, ist das ein interessanter Mensch, das muss ein interessanter Mensch sein, wenn die Akademie in Bayern ihn eingeladen hat. Da müsste man sich das Buch vielleicht doch anschauen, müsste es sich bestellen und noch einmal nachfassen. Vergelt’s Gott dafür, und ich hoffe, dass das sehr gut weitergeht.
Das haben Sie auch in der Katholischen Erwachsenenbildung geleistet. Das ist ein großes Feld auch gerade bei uns hier in Bayern, wobei Sie angetrieben haben, dass das ein wichtiges Feld auch des kirchlichen Lebens ist und profiliert bleibt.
Einen dritten Punkt will ich nennen: Monsignore Florian Schuller ist ein unglaublich fleißiger Mensch. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man drei Vollzeit-Jobs eigentlich unter einen Hut bekommt. Na, ein bisschen kann ich es mir doch vorstellen… Aber ich kann jedenfalls ahnen, wie anstrengend das ist, und wie viel Disziplin es braucht, zusätzlich Pfarrer zu sein, seit 1992, glaube ich, in der Pfarrei, und das haben Sie auch nie aufgegeben. Es war Ihnen immer wichtig, am Sonntag mit der Gemeinde Eucharistie zu feiern und auch die anderen seelsorglichen Herausforderungen genauso wichtig zu nehmen. Der Erstkommunionunterricht hat dieselbe Bedeutung, letztlich, wie ein Gespräch mit Jürgen Habermas und Kardinal Ratzinger. Das ist etwas, was wirklich von großem Fleiß und von großer Disziplin zeugt: die Erwachsenenbildung, die Akademie und Pfarrer zu sein.
Und natürlich die Vernetzung. Vernetzung ist das positive Wort; es gibt ja andere Worte. Sie haben ja eben sogar von Mafia gesprochen, oder Klüngel, oder was man alles so kennt. Aber das ist nicht gemeint. Das ist ein großer Unterschied. Vernetzung bedeutet: nicht den anderen zu benutzen für sich, sondern wirklich interessiert sein am anderen, und sich verbinden mit vielen, und zwar mit dem Element der Freundschaft, worauf Aristoteles ja auch hinweist. Dieses Element der Freundschaft war mir gerade im Reformationsgedenken 2017 besonders wichtig. Ohne Freundschaft gibt es keine Verbindung und kein Verstehen zwischen Menschen. Freundschaft heißt, dem anderen wohl gesinnt sein, ihn annehmen. Nur wer diese Fähigkeit aufbringt, wer diese Fähigkeit in sich wachruft, kann wirklich Vernetzung herstellen in alle Gebiete hinein, der Wissenschaft, der Institutionen dieser Stadt, der kirchlichen Einrichtungen. Es ist ein ganz starkes Netzwerk entstanden für diese Akademie, auch durch Ihre Fähigkeit zur Kooperation.
Und die Fähigkeit zum Fest: Wir wollen das nicht unterschätzen. Eine Katholische Akademie ohne eine Kultur der Feier und des Festes wäre gar nicht denkbar, erst recht nicht in Bayern: die Maifeste, die Nachbarschaftsfeste, die ich für einige Jahre verhindert habe, weil ich hier gewohnt habe. Aber dafür habe ich eben als Nachbar die Freundschaft der Akademie kennen gelernt, und es war für mich eine schöne Ehrung, als ich das Freundeszeichen der Akademie bekam, ein Freundeszeichen eben, als ich die Nachbarschaft hier – manchmal denke ich, leider, leider – verlassen habe, mit dem schönen Garten und der Anbindung an diese schöne Kommunität und die Möglichkeit, mal eben eine Ausstellung anzuschauen und nicht erst in die Straßenbahn oder ins Auto zu steigen. All das habe ich jetzt nicht mehr. Insofern war das Freundeszeichen für mich auch eine Bestätigung. Diese Fähigkeit zum Fest, zur Freundschaft, zur guten Nachbarschaft, die Sie gepflegt haben hier in Schwabing, hat der Akademie und hat der Kirche gut getan.
Sie sind ein überzeugender Priester mit einer positiven Ausstrahlung, mit demütigem Selbstbewusstsein. Das wurde ja gerade noch einmal betont. Das schönste Bild von Karl V. hängt ja bei uns in München, wie Sie wissen, Herr Nesselrath. Ich habe einmal in meinen ersten Jahren in München einen Abendspaziergang durch die Alte Pinakothek gemacht mit dem damaligen Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Professor Dr. Reinhold Baumstark. Dann habe ich ihm gesagt, ein Bild möchte ich jetzt sehen: Karl V. von Tizian. Wir haben lange vor diesem Bild gestanden, das von einer gewissen Melancholie umweht ist. Man sieht die Krankheit ein wenig, aber das Selbstbewusstsein ist da. Ein demütiges Selbstbewusstsein leuchtet in diesem Bild von Tizian, das mir eines der wichtigsten Bilder geworden ist. Aber jetzt fange ich schon an, wieder tiefer hineinzugehen in eine Kommentierung der Vorredner…
Demütiges Selbstbewusstsein, das bedeutet auch Blicken auf Demut. Demut ist ein Schlüsselwort. Gibt es eigentlich selbstbewusste Demut? Ich glaube, das ist etwas ganz anderes. Aber schauen wir einmal auf das Wort demütig. Das ist für die alte Kirche „humilitas“, sich auf die Erde legen, auf den Boden legen. Es gibt eine wunderschöne Schriftstelle von Augustinus, wo – er ist ja ein Intellektueller gewesen durch und durch – man ihn am Schreibtisch sieht, wie er die Briefe beantwortet aus der ganzen lateinischen Welt und der griechischen Welt zum Teil. Er konnte ja nicht so ganz gut griechisch, aber ein bisschen schon. Da schreibt ihm ein Student: Was ist das Christentum? Und man merkt, dem Intellektuellen ist das eigentlich lästig, auf so eine Frage zu antworten – er hat so viel zu tun –, bis er dann endlich anfängt. Man sieht, wie er den Brief langsam beginnt: So, du fragst mich, was ist das Wichtigste am Christentum. Ich antworte: „humilitas“, Demut. Du fragst mich noch einmal, ich antworte: „humilitas“. Du fragst mich immer wieder, immer wieder, immer wieder, und immer wieder antworte ich: „humilitas“, Demut. Denn als ich begriffen habe, dass Gott der Unbegreifliche in Jesus von Nazareth in Demut auf mich zugekommen ist, da bin ich Christ geworden.
Der schöne Satz von Willi Lambert, dem Jesuiten, der immer wieder in spiritueller Literatur zitiert wird, gilt auch hier: „Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit“. Demut bedeutet, sich auf die Wirklichkeit einlassen, auf die Wirklichkeit, die eben von unten kommt, auf uns zukommt. Die Menschwerdung Gottes bedeutet, Gott hat sich mit dieser Wirklichkeit verbunden, in Demut. Das gilt auch für die aktuellen Herausforderungen der Kirche. Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit, und wir müssen hinschauen lernen, sehen lernen, mit den Augen, die uns demütig leiten, aber hinschauen. Und das, denke ich, hat Herr Schuller getan, oder mitgeholfen dazu, und dafür bin ich außerordentlich dankbar. Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie es hier ohne Sie weitergeht, aber es wird weitergehen; und wir werden gleich etwas hören, wie es weitergehen kann. Aber mir ist ganz, ganz wichtig, in Ihrer aller Namen, denke ich, ein herzliches Vergelt’s Gott für diese 18 Jahre zu sagen. Danke schön!
Das Grußwort wurde frei gesprochen und für die Veröffentlichung sprachlich bearbeitet.