Der gewiss ungewöhnlichste Text des Neuen Testaments ist die Apokalypse. Lange Zeit galt sie unbestritten als ein Werk des Evangelisten Johannes, da im Text der Name Johannes viermal genannt wird. Seit jeher hat dieser ebenso schillernde wie sperrige Text fasziniert. Entstanden in der frühen Zeit des Christentums, ist er Zeugnis einer ins Christliche gewendeten jüdischen Apokalyptik. In ungewöhnlicher Eindringlichkeit werden die Ereignisse der künftigen Endzeit bis zum Weltgericht geschildert, wird darüber gesprochen, was in Bälde geschehen muss (1,1). Von den anderen neutestamentlichen Büchern unterscheidet sich der überaus bildhafte und bilderreiche Text mit seiner komplexen Symbolik der Zeichen und Zahlen, der Farben und Steine vor allem durch seinen Chiliasmus, den endzeitlichen Ton, mit dem das tausendjährige Zwischenreich Christi vor dem Ende dieser Welt beschworen wird. Mit dem im Text entfalteten katastrophischen Szenario – bekanntlich Anstoß des inflationären Wortgebrauchs „apokalyptisch“ für nahezu alles Bedrohliche und Gefährliche – ist die Botschaft der Apokalypse jedoch keineswegs erschöpft. Vielmehr verheißt der Text, dass die satanischen Mächte zwar zeitweise im Vorteil zu sein scheinen, letztlich aber untergehen müssen, denn in diesem Streit wird der endgültige, in Ewigkeit fortdauernde Sieg Gott zuteilwerden und denen, die auf seiner Seite sind.
Den Text prägt die Erwartung, dass diese endzeitlichen Ereignisse unmittelbar bevorstünden, in greifbarer Nähe seien. Je länger sich das Eintreffen allerdings hinauszögerte, desto mehr erwies es sich als notwendig, diesen Text zu interpretieren, ihn symbolisch zu erklären. Der Text gewann an scheinbarer neuer Aktualität vor allem dann, wenn die politischen oder gesellschaftlichen Verhältnisse Verunsicherungen mit sich brachten und Ereignisse die nahende Endzeit anzukündigen schienen. Ob dies rechtfertigte, die Apokalypse des Johannes zu den kanonischen Schriften der Bibel zu rechnen, war lange umstritten; seit dem 3. Jahrhundert war sie dann Teil des Kanons, in den östlichen Kirchen aber längere Zeit, vom 9. bis 14. Jahrhundert, nicht als kanonisch anerkannt, auch die Reformatoren zweifelten an der kanonischen Bedeutung, wollten aber nicht auf die Apokalypse verzichten.
Seit der Zeit Konstantins, vom vierten Jahrhundert an, machte man in der Kunst immer wieder vom konzeptionellen Angebot der Apokalypse Gebrauch und nutzte den darin entfalteten Reichtum an literarischen Bildern für die Bildkünste, zunächst weniger die eschatologischen Motive, sondern vor allem die verschiedenen Formen der Theophanie, in denen Gott als sichtbar beschrieben wird, in erster Linie das Bild des thronenden Christus, die Maiestas Domini, die in der Kunst der Romanik und Gotik unzählige Male begegnet, gerade an den großen Tympana über den Kirchenportalen oder als Apsismalerei. Es ist bemerkenswert, dass es ungeachtet aller Variationen von Deutungen und Auslegungen der Apokalypse nur wenige vergleichbare Bildtraditionen gibt, die über einen ähnlich langen Zeitraum hinweg in erstaunlich großer Textnähe und vergleichbarer Einheitlichkeit der biblischen literarischen Vorlage folgen. Betrachtet man diese Tradition genauer, zeigt es sich, dass einzelne Motive der Apokalypse offenbar immer als besonders aussagekräftig empfunden und deswegen zitathaft als Bildformeln in unterschiedlichstem Zusammenhang verwendet wurden. Dazu gehören Bilder wie die Maiestas Domini oder das Gotteslamm (wie man es auch dem Genter Altar sehen kann), ebenso wie das Paradies mit den Paradiesflüssen, das Himmlische Jerusalem, das Buch mit den sieben Siegeln, die vier Wesen (die dann als Symbole der vier Evangelisten galten), das Weltgericht oder das Bild der Apokalyptischen Frau (Abb. 1). Dass die Bildmotive, die auf Christi Wiederkehr zum Gericht und den endzeitlichen Triumph Gottes verweisen, immer wieder repetiert wurden und jahrhundertelang besonders an den Triumphbögen und den Bildern in der Apsis zur Ausstattung der römischen Basiliken gehörten, ist durch viele Beispiele belegt. So sieht man es auch in der um 530 ausgestalteten römischen Basilika SS. Cosma e Damiano. Die Parusie, die zweite Wiederkehr Christi mit den Wolken (Offb 1,7) ist in der Apsis dargestellt, Petrus und Paulus empfehlen dem ewigen Richter die Heiligen Cosmas und Damia; am Triumphbogen in der Mitte der Thron mit dem Lamm und dem Buch mit den sieben Siegeln; man sieht die sieben Leuchter und die vier Engel, die Vier Lebenden Wesen, von denen nur zwei erhalten sind. Der hl. Augustinus hatte in seinem berühmten Werk De civitate Dei erläutert, dass das Himmlische Jerusalem für die aus dem Judentum hervorgegangene Kirche des Petrus stehe, das Himmlische Bethlehem aber für die Heidenchristen, die Kirche des Paulus.
Das Himmlische Jerusalem
Die Vorstellung eines Aufenthaltsorts der Erlösten am Ende der Zeiten im Zustand absoluter Gottesnähe war in den Schriften des Alten und Neuen Testaments an verschiedenen Stellen formuliert. Bestimmend war das Motiv einer himmlischen Stadt, in der Apokalypse des Johannes Teil der Endzeitvision. Dem Text der Apokalypse nach ist das künftige Himmlische Jerusalem eine Stadt, in der die Kirche, gereinigt durch das Blut des Lamms, durch den freiwilligen Sühnetod Christi am Kreuz, zu ihrer endzeitlichen Vollendung gelangen wird. Darstellungen der eschatologischen Himmelsstadt sind aus dieser Zeit nur vereinzelt überliefert, am bekanntesten ist wohl jene in den Apsismosaiken Roms im frühen 5. Jahrhundert in S. Pudenziana, entstanden zwischen 402 und 417. Vor dieser Kulisse und unter dem Kreuz und den vier Wesen ist in der Apsis eine Gerichtsszene zu sehen: Christus ist, wie in der Apokalypse angekündet, zum endzeitlichen Gericht zurückgekehrt und thront als Richter, umgeben von den Aposteln (Abb. 2).
Der Autor der Apokalypse hatte geschrieben, er habe die Stadt von Gott her aus dem Himmel herabkommen sehen, geschmückt wie eine Braut (Offb 21,2–4). Einer der sieben Engel, die die sieben Schalen mit den sieben Plagen getragen hätten, sei an ihn herangetreten und habe ihn im Geist auf einen Berg geführt, um von dort aus die vom Himmel herabgekommene heilige Stadt Jerusalem zu zeigen. Es folgt eine ausführliche Schilderung des prächtigen Schmucks dieser Stadt (Offb 21,11–27), die das ganze Mittelalter hindurch immer wieder Anlass zu allegorischen Auslegungen gab und die man in zahlreichen bildlichen Darstellungen zu vergegenwärtigen suchte: Der Glanz dieser Stadt gleiche einem kostbaren Stein wie hellem Jaspis. Umgeben sei sie von einer hohen Mauer mit zwölf Toren, mit Engeln auf den Toren und mit den Namensinschriften der zwölf Stämme Israels. In jede Himmelsrichtung öffnen sich drei Tore, die Mauer der Stadt habe zwölf Grundsteine, auf ihnen seien die Namen der zwölf Apostel des Lammes zu lesen (Abb. 3). Der Engel, der Johannes in seiner Vision dies alles zeigt, führt einen goldenen Maßstab mit sich, um die Stadt, ihre Tore und ihre Mauer zu messen: Der Leser erfährt nun, die Stadt sei als Viereck mit gleichen Seiten gebaut; Länge, Breite und Höhe seien gleich und betrügen zwölftausend Stadien (Offb 21,11–16). Die Mauer selbst sei aus Jaspis, die Gebäude der Stadt aber seien lauteres Gold. Die Grundsteine seien Edelsteine: der erste ein Jaspis, der zweite ein Saphir, daneben gebe es Chalcedon, Smaragd, Sardonyx, usw., der zwölfte Grundstein schließlich sei ein Amethyst.
Man gab die Himmlische Stadt mit ihren Toren entweder umgeben von einem konzentrischen Mauerring wieder oder – entsprechend dem Wortlaut Offb 21,16, wonach die Stadt im Viereck und mit gleicher Länge wie Breite erbaut sei – als urbs quadrata. Hinzu kamen dann, wenn man nicht nur den Mauerring darstellte, im Mittelpunkt das Lamm, oftmals umgeben von den Seligen innerhalb der Stadt, sowie oft Engel als Wächter auf Türmen oder Zinnenkranz. Einen konzentrischen Mauerring boten Wiedergaben des Himmlischen Jerusalem in den karolingischen, aber auch in späteren Apokalypse-Handschriften und manchen Handschriften theologischen Inhalts. Die Stadt mit viereckigem Grundriss zeigen zunächst vor allem die illustrierten Handschriften mit dem Kommentar des Beatus von Liébana, die meisten aus Spanien oder dem südlichen Frankreich (Abb. 4).
Das Weltgericht
Die Apokalypse bot auch eine der biblischen Grundlagen dafür, wie man sich das Weltgericht am Ende der Zeit vorstellen musste. In Verbindung mit den beiden neutestamentlichen Gerichtsvisionen im Matthäus- und Johannesevangelium wusste man, was die Gläubigen am Ende der Zeit erwarten würde. Die Endzeiterwartung betraf jeden einzelnen Menschen und die Gesamtheit aller. Die Kirchenväter, besonders Augustinus, formulierten die Lehre von den letzten Dingen, das als verbindlich geltende Deutungsmodell, worin für den glaubenden Menschen die Erfahrung der Sterblichkeit des Leibes und der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele aufgingen. Voraussetzung dafür waren die in den Schriften des Alten und Neuen Testaments formulierten, keineswegs übereinstimmenden Aussagen über das Ende dieser Zeit und die damit anbrechende neue Ordnung. Gemeinsam ist allen diesen Endzeitmodellen die Vorstellung eines neuen Lebens nach dem Tod mit der Auferstehung des Leibes, die Beurteilung des vergangenen irdischen Lebens durch Gott als Richter sowie die endzeitliche Zuweisung eines Aufenthaltsorts für die Ewigkeit gemäß einer klaren Hierarchie von Lohn und Strafe, bemessen nach den während des Lebens erworbenen Verdiensten oder Verfehlungen, die man sich hat zuschulden kommen lassen. Zum Kern der christlichen Verkündigung und Lehre gehörte bereits in den frühen Zeiten der Glaube an die in der Apokalypse angekündigte Wiederkehr Christi am Ende der Zeiten. In ihm werde die Königsherrschaft Gottes, in der Gestalt des auferstandenen und verklärten Christus Wirklichkeit, werde Gott am Ende der Zeiten in Herrlichkeit wiederkehren. Erst mit dieser Wiederkehr Christi zum Weltgericht breche die Endzeit an, geschehe die leibliche Auferstehung der Toten, werde diesen endgültig Himmel oder Hölle zugewiesen. Für die Bildkonzeption des Weltgerichts gab es bald eine breite Überlieferung, aus der die einzelnen Motive der Darstellungen bezogen werden konnten. Im Tympanon von Beaulieu in der Dordogne etwa, entstanden im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts, halten Engel das Kreuz Christi, Erinnerung an Christi Erlösungstod am Kreuz (Abb. 5).
Bildzyklen
Neben den Einzelmotiven aus der Apokalypse gibt es eine Fülle von Bildzyklen in vielen Gattungen der Bildkünste, die mehr oder weniger ausführlich die einzelnen Szenen der Apokalypse im Bild darstellen, einsetzend mit der Vorrede und der Einleitungsvision des an die sieben Gemeinden gerichteten Sendschreibens, es folgt eine Himmelsvision mit dem Thron Gottes, umgeben von den vier Wesen und Gott mit einer Rolle (häufig als Buch dargestellt), die mit sieben Siegeln verschlossen ist. Das Lamm, das Johannes nun sieht, kann die Siegel öffnen und öffnet die ersten drei Siegel, woraufhin drei Reiter erscheinen, die Katastrophen mit sich bringen wie Hungersnot und Tod. Er sieht vier Engel mit Schalen mit den vier Winden. Nachdem das siebte Siegel geöffnet ist, sieht Johannes sieben Engel vor Gott. Sie lassen ihre Posaunen erklingen und kündigen die Ereignisse an, die das Weltende ankündigen. Es folgen vernichtende Katastrophen, Hagel und Feuer, zuletzt die Racheengel, die über die Welt kommen und ein Reiterheer, das Tod und Verwüstung mit sich bringt. Die siebte Posaune erklingt, der Tempel Gottes im Himmel ist offen, die Bundeslade sichtbar. Ein Beben erschüttert die Erde, am Himmel erscheint eine schwangere Frau, mit der Sonne umkleidet, den Mond unter ihren Füßen. Die Bilder zeigen die Frau mit ihrem Kind und das zweite Zeichen, den Drachen mit sieben Köpfen, der das Kind verschlingen will. Das Kind, das herrschen wird mit eisernem Zepter über alle Völker, wird zum Thron Gottes entrückt, der Drache von Michael auf die Erde gestürzt. Er kann aber dort der Frau nichts anhaben, da sie zwei Flügel erhielt, um zu fliehen. Dann sieht Johannes ein siebenköpfiges Ungeheuer aus dem Meer aufsteigen, später das Lamm Gottes auf dem Berg Sion und sein großes Gefolge. Es folgt die Ankündigung des Gerichts durch den Engel. Sieben Engel mit den sieben letzten Plagen tragen sieben Schalen mit Gottes Zorn, die schließlich über die Erde ausgegossen werden und verheerende Wirkungen haben. Es folgt das Gericht über Babylon, die Ankündigung von Babylons Sturz und die Klage der Könige der Erde über den Untergang Babylons. Im Himmel erklingt Jubel, schließlich sieht der Verfasser den Himmel offen und einen Reiter auf einem weißen Pferd, sein Name ist Wort Gottes. Es beginnt seine tausendjährige Herrschaft, dann wird der Satan endgültig besiegt und das zweite Gericht über alle Toten findet statt. Am Ende der Apokalypse wird der neue Himmel und das neue Jerusalem ausführlich beschrieben, der Zustand einer neuen Welt mit einem Strom, der Wasser des Lebens führt und vom Thron Gottes und des Lamms ausgeht. Es wird nichts mehr geben, was der Fluch Gottes trifft. Die Knechte Gottes werden ihm dienen und sein Angesicht schauen. Es wird keine Nacht mehr geben und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten. Man weiß, dass es wohl schon in der Spätantike in Italien Bildzyklen mit Wandgemälden gegeben haben dürfte, die frühesten sind aus dem 7. Jahrhundert bezeugt. Obwohl nichts davon erhalten blieb, nimmt man an, dass eine Gruppe frühmittelalterlicher Handschriften das Programm dieser Bildfolgen belegen, die älteste von ihnen ist die karolingische Apokalypse-Handschrift aus dem frühen 9. Jahrhundert in Trier, die 74 ganzseitige Bilder enthält. Die meisten mittelalterlichen Bildfolgen sind in Handschriften überliefert, wobei auffällig ist, dass man neben dem Psalter, den man für das Stundengebet brauchte, und den Evangelien für den Gebrauch in der Messe auch die Apokalypse als einzelnes Buch gestaltete, offenbar weil man es für Studium und Lektüre der Kleriker benötigte. Manche dieser Codices illustrieren den biblischen Text noch getreuer als dies in der Trierer Handschrift geschehen war, so etwa die berühmte Apokalypse, die Kaiser Heinrich II. und seine Frau Kunigunde zwischen 1002 und 1007 dem Kanonikerstift St. Stephan in Bamberg schenkten. Es war eine überaus kostbare, von den Mönchen auf der Reichenau geschriebene und mit Bildern versehene Handschrift. Die Darstellungen zur Apokalypse spiegeln die künstlerische Qualität des Reichenauer Skriptoriums in ottonischer Zeit. Sie sind in ihrem markanten Figurenstil von einprägsamer Klarheit. Die Maiestas mit den Ältesten, das Bild zur Öffnung des siebten Siegels zeigt auch den Engel, der das Weihrauchfass hält, um den Altar zu inzensieren und es dann auf die Erde zu werfen, wo es zu Donner und Blitz führt. Der fünfte Engel, der in die Posaune stößt, ruft damit dämonische Heuschrecken aus der Erde hervor. Johannes, der zwei Tiere aus dem Meer steigen sieht, ein vielköpfiges aus der Erde und das Lügentier aus dem Meer oder der Sturz Babylons sind Beispiele dafür.
Auslegungstraditionen in der Bildüberlieferung
Es gab neben der reinen Textüberlieferung eine reiche Auslegungstradition der Apokalypse, die eines der meistkommentierten biblischen Bücher des Mittelalters überhaupt war. Diese lange Geschichte der Deutung schlug sich auch in der Bildüberlieferung nieder. Wichtige theologische Autoren wie Beda, Ambrosius Autpertus, Haimo von Auxerre und viele hoch- und spätmittelalterliche Theologen kommentierten den biblischen Text. Ungewöhnlich ist die Bedeutung, die der Kommentar des Mönchs und Priesters Beatus von Liébana erlangte, der in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts im nordspanischen Kloster Liébana lebte und um 780 (776/784) einen ausführlichen Kommentar zur Apokalypse verfasste, besser: aus älteren Texten zusammenstellte. Sein gewöhnlich mit 75 Miniaturen illustrierter Text war weit verbreitet, bis heute sind aus der Zeit vom 9. bis zum 16. Jahrhundert insgesamt 36 Handschriften und Fragmente davon bekannt.
Vielleicht mit der nachhaltigsten Wirkung kommentierten die Apokalypse der italienische Zisterzienser Joachim von Fiore im 12. Jahrhundert und der deutsche Franziskaner Alexander von Bremen im 13. Jahrhundert, genannt Alexander Minorita. Beide nahmen – modern gesagt – eine Historisierung des Textes vor, münzten die endzeitliche Perspektive aktualisierend um. Joachim von Fiore gliederte die Geschichte der Trinität gemäß in drei große Epochen, das Zeitalter des Vaters, das dem Alten Testament entsprach, des Sohnes, das mit dessen Geburt einsetzte und – wie Joachim annahm – 1260 ende. Joachim von Fiore deutete den Drachen – hier die Darstellung im großformatigen Band seines Kommentars in Oxford – als Sinnbild der Verfolgung der Kirche. Die einzelnen Köpfe stehen für Herodes, Nero, den arianischen Kaiser Konstantin II., Mohammed, einen Almohadenkalif, dessen Name verballhornt als Mesemotus genannt wird, der sechste Kopf steht für Saladin, der 1187 Jerusalem erobert hatte, der siebte Kopf für den Antichrist. Bevor aber das Zeitalter des Heiligen Geistes, eine von der geistlichen Einsicht gelenkte Zeit des Glücks, beginnen könne, müsse der Antichrist von einem Mann der Kirche überwunden werden. Spekuliert wurde später, wer dies sein konnte. Eine innerhalb des Franziskanerordens entstandene schwärmerische Gruppe mit fundamentalistischen Tendenzen, die Spiritualen, sah in dieser Rolle den hl. Franziskus. Auf die Franziskaner geht wohl auch die Anregung zu einer ganzen Gruppe illustrierter und kommentierter Apokalypse-Handschriften in England zurück, die nach französischen Vorbildern seit 1240 im Umfeld des englischen Hofs in Westminster entstanden. Die berühmteste war die Douce Apocalypse, zwischen 1265 und 1270 in Oxford, entstanden in der Zeit, in der der englische König Edward I. in Palästina bei einem Kreuzzug kämpfte. Programmatisch für diese Handschriften ist die Verknüpfung von Endzeiterwartung und ritterlich-höfischer Ideologie. Die Bilder zeigen die für und gegen Gott streitenden Krieger als zeitgenössische Ritter. Manche Bilder spielen auch auf Zeitgenössisches an, etwa wenn die beiden in Kapitel 11 der Apokalypse genannten Zeugen als Franziskaner dargestellt werden. In den Bildern folgen diese Handschriften französischen Vorbildern, denen auch die Teppichfolge in Angers verpflichtet war.
Einige Jahrzehnte nach Joachim von Fiore spitzte der Minorit Alexander von Bremen dieses Modell zu und formulierte eine stark ethisch geprägte Aktualisierung. Er verstand die Apokalypse als eine Art Weltchronik, die mit Christus einsetzt. Er war der Erste, der die Visionen der Apokalypse mit den Ereignissen der zeitgenössischen Kirchengeschichte bis zum Konflikt zwischen dem Kaiser Friedrich II. und dem Papsttum gleichsetzte. In diesem Geschichtsmodell wird der Kampf gegen den großen Drachen mit dem Kampf des byzantinischen Kaisers Herakleios gegen Chosrau gleichgesetzt. Die Apokalyptische Frau wird zum Bild der Kirche, Chosrau, der am Beginn des 7. Jahrhunderts Syrien und Palästina und das Kreuz Jesu in Jerusalem erobert hatte. Herakleios konnte ihn schließlich besiegen und die Kreuzreliquie nach Jerusalem zurückbringen.
Die Apokalypse von Albrecht Dürer
Wahrscheinlich die berühmteste Bildfolge zur Apokalypse in nachmittelalterlicher Zeit waren jedoch die 14 meisterhaften, großformatigen Holzschnitte Albrecht Dürers, die den erst 27-Jährigen mit einem Schlag europaweit bekanntmachten. Mit Hilfe seines Paten, des Anton Koberger in Nürnberg, war es Dürer möglich, 1498 eine lateinische und eine deutsche Ausgabe zu veröffentlichen (Abb. 6). Die Nachfrage war so groß, dass 1511 die lateinische Ausgabe erneut aufgelegt wurde, nun mit neuem Titelblatt. Dürer stellte der Bildfolge zur Apokalypse ein Bild zum Verfasser Johannes mit seinem Martyrium voraus und brachte sie dann auch in Buchform heraus. Die dramatisch komponierten Szenen der Apokalypse sind auf zwei Themenkreise konzentriert, die den Kampf gegen den Satan und das Strafgericht vor Augen bringen, und dies sehr treu gegenüber dem Wortlaut des biblischen Textes. Dies gilt für die einleitenden Visionen ebenso wie für die Apokalyptischen Reiter, die Plagen und das Weltgericht. Dürers Bildfolge war unmittelbares Vorbild für spätere zahlreiche Illustrationen der Apokalypse in ganz Europa. Dies gilt für Lucas Cranach, der apokalyptische Bildmotive auch für die polemische Bildpublizistik der Reformationszeit nutzte mit dem Papst als Antichrist u. ä., und für viele andere. In der Neuzeit verlor die Apokalypse als Bildthema an Bedeutung. Es blieben – von Ausnahmen abgesehen – nur die Einzelmotive übrig. Bekannt sind aus der Barockzeit Darstellungen des Lamms Gottes mit dem Buch mit den sieben Siegeln oder Darstellungen Mariens als Apokalyptische Frau. Es gibt Beispiele aus dem 19. Jahrhundert von Julius Schnorr von Carolsfeld oder die von 1843 bis 1867 entstandenen Entwürfe von Peter von Cornelius für Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, die für den geplanten Camposanto in Berlin bestimmt waren. Bekannt sind auch Darstellungen zur Apokalypse von Odilon Redon, Giorgio de Chirico und Lovis Corinth. Die meisten modernen Künstler waren fasziniert vom Motiv der apokalyptischen Reiter, die sie, abweichend vom Text der Apokalypse, in der Regel alle vier als Sinnbilder für Pest, Hunger, Krieg und Tod verstanden, wie etwa Arnold Böcklin. Wohl die bekannteste Bildfolge der Moderne war die Folge von 27 Lithographien, die Max Beckmann im Amsterdamer Exil 1941/1942 schuf. Es war eine Auftragsarbeit eines Frankfurter Gönners, für den Beckmann ein Exemplar persönlich mit Aquarellfarben kolorierte (Abb. 7a+b). Wenngleich Beckmann sich hier mit den sonst häufigen Anspielungen zurückhielt, weiß man doch aus seinen Aufzeichnungen, dass er sich durch die Apokalypse die Ängste von der Seele zeichnete.
Die Apokalypse, das letzte in der Reihe der kanonischen Bücher der Bibel, war in seiner literarischen Gestalt so ungewöhnlich, es enthält eine Fülle von bildmächtigen Vorstellungen, die seit dem 4. Jahrhundert auch künstlerisch genutzt wurden. Während in der Spätantike vor allem die Beschreibungen der Theophanie, der Gotteserscheinung, umgesetzt wurden, wurde die Apokalypse im Hochmittelalter eine der maßgeblichen Quellen für die Vorstellungen von Endzeit und Weltgericht. Die Bildfolgen, meist in Handschriften des Texts und seiner Kommentierungen bezeugt, bebildern den Wortlaut und sind oft mitbestimmt durch die aktualisierenden Auslegungen im späteren Mittelalter. Folgenreich war Dürers Zyklus bis in die Moderne, in der ein meist verengtes Verständnis die Apokalypse oft nur in ihren Katastrophen vor Augen stellte.