Die Rede aller Reden

Eine Einführung in die Bergpredigt

Im Rahmen der Veranstaltung Die Bergpredigt, 03.04.2023

Carl Bloch (1877) / Wikimedia Commons, Public Domain

Die Bergpredigt tröstet und provoziert. Sie ist leise und laut, zärtlich und wuchtig, persönlich, aber auch politisch. Die Bergpredigt hat es – in jeder Hinsicht – in sich.

Friedrich Dürrenmatt nannte sie die „Rede aller Reden“. In der Tat: Die Bergpredigt ist anders als alle anderen Reden. Allein die Tatsache, dass sie schon seit 2000 Jahren Geschichte schreibt und Biografien prägt, macht sie so besonders.

Ihr sprachlicher Glanz, ihre inhaltliche Dichte, ihre zum Buchstaben geronnene Weisheit faszinierten – durch alle Jahrhunderte hindurch – Mönche und Mächtige, Privatleute und Politiker, Pazifisten und Kommunisten, Wissenschaftler und Literaten, Frauen und Männer über alle Religions- und Konfessionsgrenzen hinweg.

Mit den diesjährigen Biblischen Tagen rücken wir den wohl markantesten Text des gesamten Neuen Testaments in den Mittelpunkt: die Bergpredigt.

Die Vielseitigkeit der Bergpredigt spiegelt sich in den behandelten Themen. Der Spannungsbogen reicht von der Frage nach dem Inhalt und den Themen der Bergpredigt, über die Herkunft und die Überlieferung dieser großen Rede, über die facettenreiche Auslegungs- und Wirkungsgeschichte bis hin zur Frage nach der Bedeutung der Bergpredigt – im interreligiösen Dialog, für die heutige Kirche und für den persönlichen Glauben.

Die Themen

Im Matthäusevangelium ist die Bergpredigt die erste große öffentliche Rede Jesu. Wie ein Programm, wie ein Manifest setzt sie das Matthäusevangelium an den Anfang. Sie soll all das zusammenfassen, wofür Jesus steht, wofür er unterwegs ist, was seine Verkündigung ausmacht und beinhaltet.

Die Bergpredigt setzt mit den Seligpreisungen ein (Mt 5,3–12): „Selig, die arm sind vor Gott; selig die Trauernden; selig, die Frieden stiften; selig, die verfolgt werden…“ Das muss man sich vorstellen: „Selig“ wurden in der Antike Götter oder Heroen genannt. Hier preist und adelt Jesus hungerleidende Habenichtse, Nachteulen aller Art, Menschen, mit denen man nun wirklich nicht tauschen möchte. Das ist eine Umwertung sondergleichen, ein gänzlich anderer Blickwinkel: Wenn das stimmt, dann stechen die gängigen Trümpfe unserer Welt nicht mehr. Dann steht alles Kopf.

Nicht weniger bekannt dürften die Worte vom Licht und vom Salz der Erde sein (Mt 5,13–16): Bauern und Tagelöhner und die (heimatlosen) Jüngerinnen und Jünger Jesu werden Salz und Licht genannt. Sie sind die entscheidende Würze und die Sonnenstrahlen für diese Welt.

Radikal muten die sogenannten Antithesen an (Mt 5,21–48): Jesus stellt gängigen Geboten seine Sicht der Dinge gegenüber, etwa: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten einst gesagt worden ist, Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage Euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.“ (Mt 5,43–44) Nicht erst der Mörder, sondern schon jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein. Der alte Grundsatz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wird über Bord geworfen. Vielmehr soll nun gelten: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, halt ihm auch die andere hin. (…) Will einer dein Hemd, gib ihm auch den Mantel.“ (Mt 5,39–40)

Ist das realistisch? Funktioniert das? Bismarck sagte einst kopfschüttelnd über solche Sätze: „Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen!“ Die Frage ist berechtigt: Wie praktikabel ist die Bergpredigt?

Teil der Bergpredigt ist das Vaterunser (Mt 6,9–13): die Bitte um das tägliche Brot und um die Vergebung von Schuld. So viele Sätze und Passagen der Bergpredigt sind Teil des kollektiven Gedächtnisses der Christenheit geworden: „Sammelt Euch Schätze im Himmel“ (Mt 6,20), oder „Bittet und es wird euch gegeben“ (Mt 7,7), aber auch „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ (Mt 7,1). Da ist die Rede vom Haus, das in den Sand gesetzt oder auf tragfähigen Felsen gebaut wird (Mt 7,24–27). Und schließlich gehört zur Bergpredigt auch die goldene Regel: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen!“ (Mt 7,12)

Es sind nicht nur einzelne Bücher, sondern ganze Bibliotheken, die über die Bergpredigt verfasst wurden. Sie ist heute noch so aktuell wie damals: gerade heute inmitten aller Konflikte, inmitten der Herausforderungen unserer Zeit. Zugegeben: Die Bergpredigt geht nicht runter wie Öl, manchmal liegt sie einem schwer im Magen. Aber immer lockt sie mit der Vision von einer besseren, einer gerechteren Welt!

Die Herkunft

Die Bergpredigt ist eine kunstvoll gestaltete Rede. Sie ist die reife theologische Frucht eines Autors, der unterschiedliche Traditionen, Textsorten, Themen und Motive miteinander zu einem großen Ganzen verbindet.

Das heißt aber auch: So wie die Bergpredigt im Matthäusevangelium steht, wurde sie vom historischen Jesus wohl nie gehalten. Die Bergpredigt ist kein Stenogramm, kein wortwörtlicher Mitschnitt. Sie ist eine aus überlieferten Jesus-Traditionen gestaltete, literarisch durchmodellierte, auf die Adressaten hin entworfene, exemplarische Texteinheit.

Zugleich aber ist sich die Forschung aufs Ganze gesehen einig: Dem Grundbestand, ihrem Kern und Ansatz nach geht die Bergpredigt auf den historischen Jesus zurück. Seine Vorstellung von der „größeren Gerechtigkeit“, von der Liebe selbst zu den Feinden, aber auch seine Sicht Gottes als „Abba“ (als „geliebter Vater“), seine besondere Zuwendung zu Außenseitern – all das gehört zum Urgestein der Verkündigung Jesu. Diese Themen wurden in der Bergpredigt zu einer kunstvollen Rede verwoben.

Aussagen und Sätze, die Jesus bei verschiedenen Gelegenheiten gesprochen hat, stellen das Material dar, aus denen die Bergpredigt gestaltet wurde. Teils stammen diese Sätze aus der mündlichen Überlieferung, teils schon aus ersten schriftlichen Notizen und Quellen. Die Bergpredigt ist aber nicht nur eine Sammlung und Aneinanderreihung von Original-Tönen Jesu. Sie stellt schon eine Übersetzung der Jesus-Botschaft dar: Matthäus übersetzt die Verkündigung Jesu für seine Adressaten, in eine sich verändernde Zeit hinein. Er macht Konsequenzen der Verkündigung Jesu deutlich. Er strukturiert und gestaltet einen dynamischen, inhaltlich durchdachten, die Wirkung auf die Adressaten möglichst verstärkenden Spannungsbogen.

Das wird deutlich, wenn man etwa die Bergpredigt im Matthäusevangelium mit der Feldrede im Lukasevangelium vergleicht. Beide Reden speisen sich aus dem gleichen Überlieferungsstrom. Doch durch die Übersetzung der Evangelisten ergeben sich markante Unterschiede. Während es im Lukasevangelium heißt: „Selig, ihr Armen“ (Lk 6,20), lautet der Satz im Matthäusevangelium „Selig, die arm sind vor Gott“ (Mt 5,3). Matthäus vertieft die Aussage: Es geht nicht mehr nur um die blanke physische Armut („selig, ihr Armen“), sondern auch um das eigene Selbstverständnis, um das Bewusstsein der eigenen Armut, um Demut im Angesicht Gottes („selig, die arm sind vor Gott“).

Die Worte Jesu sind durch die Feder des Evangelisten hindurchgegangen: Wer die Bergpredigt hört, hört also nicht nur die Stimme des historischen Jesus. Die Bergpredigt stellt schon eine erste Auseinandersetzung mit der Verkündigung Jesu dar: eine Übersetzung in sich verändernden Umständen und für das Leben der Adressaten.

Die Auslegung

Zu allen Zeiten wurde die Frage hitzig diskutiert, wie die Bergpredigt zu verstehen und zu interpretieren ist. Lässt sich die Bergpredigt wörtlich nehmen? Oder ist sie gar nicht buchstäblich gemeint: eher als Anstoß, als eine Provokation, die „nur“ in Gang setzen und zur Auseinandersetzung reizen will? Aber wird damit die Bergpredigt nicht entschärft und für gänzlich irrelevant oder unpraktikabel erklärt?

Gilt die Bergpredigt für alle Christen oder nur für solche, die Jesus radikal nachfolgen wollen: in einem Orden, als Asketen, in einer überdurchschnittlichen Strenge und Ernsthaftigkeit? Im Lauf der Geschichte wurde versucht, die Bergpredigt von einer Zwei-Stufen-Ethik her zu verstehen: die eher leichten Forderungen seien dabei durchaus für die Allgemeinheit gedacht, die herausfordernden Sätze würden sich dagegen an jene wenden, die Jesus radikal nachfolgen wollen. Von verschiedenen Adressatenkreisen und Zielgruppen aber ist in der Bergpredigt nicht die Rede.

Wie weit reicht der Relevanzrahmen der Bergpredigt? Will sie „nur“ den privaten und persönlichen Bereich prägen? Eignet sie sich auch als Regelwerk, um Staat und Gesellschaft zu gestalten? Wie politisch ist die Bergpredigt? Luther sprach von zwei Reichen, in denen jeder Christ lebt: in einem geistlichen und persönlichen Reich (in dem man sich an die Bergpredigt halten kann) und in einem weltlichen und politischen Reich (das nach anderen staatlichen Regeln und Gesetzen funktioniert und nicht auf die Forderungen der Bergpredigt achten kann).

Schließlich stellt sich die Frage, ob die Bergpredigt heutzutage überhaupt noch gültig ist. Funktionieren die radikalen Forderungen nur, wenn man mit dem baldigen Weltende rechnet? Albert Schweitzer sprach von einer „Interimsethik“: So radikal wie die Bergpredigt ist, kann sie allenfalls in einer begrenzten Übergangsfrist beachtet werden. Für eine ganze Welt- oder Kirchengeschichte, für Jahrhunderte und Jahrtausende aber sei die Bergpredigt nicht gedacht und nicht geeignet.

Die Bedeutung

Die verschiedenen Auslegungsansätze machen deutlich, wie sehr zu allen Zeiten um die richtige Interpretation der Bergpredigt gerungen wurde. Welche Bedeutung hat die Bergpredigt? Die Frage stellt sich nicht nur Christinnen und Christen. Die Bergpredigt ist auch Thema im interreligiösen Dialog: Könnte die Bergpredigt nicht Religionen zusammenführen und im gemeinsamen Bemühen stärken, Frieden zu schaffen und Gerechtigkeit zu suchen?

In der Bergpredigt spiegeln sich Vorstellungen und Diskussionen des Judentums zur Zeit Jesu. Sie verbindet – von ihren jüdischen Wurzeln her und durch ihre christliche Überlieferung – Juden und Christen. Doch auch ein Mahatma Gandhi ließ sich von der Bergpredigt inspirieren. „Es ist“, sagte er einmal, „die Bergpredigt, die mich Jesus liebgewinnen ließ.“

Wie wird die Bergpredigt von anderen Religionen wahrgenommen? Besitzt sie das Potential, Menschen und Gruppen zu einen und eine konfessions- und religionsübergreifende Praxis zu etablieren?

Zweifellos: Die Bergpredigt ist radikal. Sie fordert von allen Zuhörerinnen und Zuhörern eine tiefgreifende Auseinandersetzung. Das Wort „radikal“ leitet sich vom lateinischen Wort „radix“ („Wurzel“) ab. Darum geht es: Die Bergpredigt zielt auf die Wurzel, auf die grundlegende Einstellung und Haltung des Menschen. Es geht um eine neue Sicht der Dinge und nicht nur um eine oberflächliche Beachtung einzelner Vorschriften. Nicht von ungefähr heißt es in der Bergpredigt: „Seid vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“ (Mt 5,48) Die Bergpredigt will den ganzen Menschen erreichen: sein Denken, Trachten und Handeln. Das macht sie so radikal und herausfordernd. Der Bergpredigt geht es eben nicht nur um eine oberflächliche Beachtung des Buchstabens, sondern um den ganzen Menschen. Sie kommt dort ans Ziel, wenn sie Einstellungen zu ändern und Verhaltensweisen zu modifizieren vermag.

Der Anfang

Im Lauf der Biblischen Tage sollen verschiedene Texte der Bergpredigt genauer in den Blick genommen und exegetisch untersucht werden. Immer wird es auch um die Frage gehen, wie diese „Rede aller Reden“ heute verstanden werden kann: Welches aktuelle Inspirationspotential besitzt die Bergpredigt?

Bevor wir mit der Bergpredigt im eigentlichen Sinn beginnen, möchte ich mit Ihnen den Berg besteigen und den Anfang der Bergpredigt hören. Matthäus gestaltet die ersten Verse, bevor die eigentliche Rede beginnt, mit Bedacht: mit viel theologischem Feingefühl und literarisch-narrativem Vermögen. Die Beschreibung des Kontextes liefert entscheidende Leseschlüssel, um die Worte Jesu zu verstehen.

„Als er aber die vielen Leute sah, stieg er hinauf auf den Berg, und als er sich gesetzt hatte, kamen seine Jünger zu ihm. Und er öffnete seinen Mund, lehrte sie und sagte.“ (Mt 5,1–2)

Der Anfang der Bergpredigt greift auf den unmittelbar vorausgehenden Vers zurück (Mt 4,25). Dort war von einer „großen Volksmenge“ die Rede – „aus Galiläa, der Dekapolis, Jerusalem und Judäa und von jenseits des Jordan“. Viele Menschen folgen Jesus. Sie versammeln sich nun und werden als Hörerinnen und Hörer der Bergpredigt vorausgesetzt.

Die Bergpredigt ist – nimmt man die von Matthäus angegebene Hörerschaft ernst – keine Rede für den kleinen Kreis. Im Gegenteil: Jesus hält seine erste programmatische Rede vor einer sehr gemischten, keineswegs nur jüdischen, sondern weitläufigen Adressatenschaft.

Diskussionen rief in der Forschung der Hinweis hervor, dass – aus der Volksmenge heraus – „seine Jünger zu ihm“ treten. Sollte damit die besondere Relevanz der Predigt für die Jünger herausgestellt werden? Will Matthäus damit deutlich machen, dass vor allem die Jünger die Forderungen der Bergpredigt zu verwirklichen haben?

Erhellend ist in dieser Hinsicht, wie Matthäus die Bergpredigt beschließt: „Als Jesus diese Rede beendet hatte, war die Menge sehr betroffen von seiner Lehre.“ (Mt 7,28) Keineswegs also hören nur die Jünger die Rede Jesu. In der Betroffenheit der Menge spiegelt sich die umfassende Relevanz der Worte: Was Jesus gesagt hat, gilt für alle Zuhörer. Zudem ist die Bergpredigt – im Gegensatz zur lukanischen Feldrede – in der 3. Person gehalten. Matthäus spricht nicht von „euch“ oder „ihr“, sondern in genereller Form von „den Armen“, „den Reichen“, von „Bösen und Guten“… Schließlich dehnt der Schluss des Matthäusevangeliums die Verkündigung Jesu auf alle Menschen aus, wenn es heißt: „Macht alle Völker zu Jüngern (…) und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe.“ (Mt 28,19–20) Was den Jüngern gesagt wurde, betrifft nicht nur sie. Was ihnen geboten wurde, gilt ebenso für alle Menschen. Die Bergpredigt wird missverstanden, wenn sie auf eine besondere Hörergruppe eingeschränkt würde. Sie gilt – der Intention Jesu und der Darstellung des Matthäusevangeliums nach – allen Menschen guten Willens.

Der Ort der Rede, der Berg, den Jesus besteigt, mag dabei zunächst einfach das Ziel verfolgen, inmitten der großen Menge besser hörbar zu sein. Der Berg bietet Jesus ein zur vorausgesetzten Größe der Adressatenschaft passendes Podium.

Neben diesem praktischen Grund dürfte der Berg aber – gerade für die judenchristlichen Adressaten des Matthäusevangeliums – eine theologische Bedeutung haben. Berge sind im Alten Testament Orte der Offenbarung. Der Berg ruft Erinnerungen wach: Wie Mose am Berg Sinai dem Volk Israel das Gesetz gibt (Ex 24,3), so wendet sich Jesus mit der Bergpredigt an die Menschen. Der Ort verleiht den Worten Jesu Anspruch und Autorität. Der bestimmte Artikel – „der“ Berg – lässt sich zudem als deutlicher Hinweis auf die Bedeutsamkeit des Ortes lesen. Es geht nicht um einen beliebigen Berg, nicht um einen geografischen Ort: Der Berg ist im Matthäusevangelium (vgl. Mt 28,16) ein theologischer Ort voller Würde und Autorität. Der Ort unterstreicht die besondere Relevanz, den Offenbarungscharakter der Rede.

Bedeutungsvoll ist der Hinweis, dass sich Jesus setzt. Das Sitzen Jesu steht konträr zur zeitgenössischen Vorstellung und Praxis, wonach ein Lehrer steht und im Stehen doziert. So erheben sich an anderen Stellen der neutestamentlichen Überlieferung Petrus (Apg 1,15; 15,7) oder Paulus (Apg 13,16), um eine Rede zu halten. Das Sitzen Jesu dagegen erinnert an ein hoheitliches Thronen, an einen herrscherlichen Gestus (vgl. Mt 25,31; 27,19). Der Ort und die Haltung Jesu verleihen den Worten Gewicht. Was Jesus hier sagt, ist mit allem Nachdruck versehen.

Etwas schwerfällig klingt die Formulierung, dass Jesus „seinen Mund öffnet“. Dieser Ausdruck ist mehr als nur eine beiläufige Rede-Einleitung. In diesen kurzen Versen wird von Matthäus nichts dem Zufall überlassen. Jede Aussage ist mit Bedacht gewählt und gesetzt. Matthäus macht es feierlich: Wie in Zeitlupe beginnt die Rede. Die Formulierung verleiht den Worten eine besonders feierliche Aura und unterstreicht die Bedeutung der Rede.

Die Worte Jesu werden „Lehre“ genannt: „Er lehrte sie und sagte.“ Auch dieser Ausdruck ist mit Bedacht gewählt. Das Matthäusevangelium unterscheidet zwischen „Lehre“ und „Verkündigung“. Der Unterschied wird deutlich, wenn man die ersten summarischen Beschreibungen des Wirkens Jesu im Matthäusevangelium verfolgt: „Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.“ (Mt 4,23) Die Verkündigung ist grundlegender Natur und betrifft die Ankündigung des Himmelreichs. Die Lehre aber ist angezeigt, wenn das Himmelreich bereits verkündigt wurde. Die Lehre ist die Entfaltung und Erläuterung, der Unterricht zur Verkündigung. Da die Nähe des Himmelreichs bereits verkündet wurde (Mt 4,23), entfaltet nun „die Lehre“ der Bergpredigt die innere Logik, die Wertigkeiten und das Programm der Himmelsherrschaft.

Wir sind auf dem Berg angekommen. Mit wenigen kraftvollen und bewusst gesetzten Pinselstrichen leitet Matthäus die Bergpredigt ein. Die narrative Eröffnung der Rede macht deutlich, dass die nun folgenden Worte Jesu schwergewichtig und von entscheidender Bedeutung sind, dass sich das Hinhören lohnt auf diese „Rede aller Reden“.

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