Es ist zu erwarten und zu hoffen, dass die Mobilität in der Post-Corona-Zeit bald wieder ansteigen wird. Denn Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis und eine Funktionsbedingung moderner Gesellschaft. Zugleich gehört Mobilität zu den größten Klimakillern und damit zu den entscheidenden Herausforderungen für die Frage, ob der Kurswechsel zu einer postfossilen Gesellschaft, wie er vielfach versprochen und beschlossen wurde, gelingt.
Der Hyperloop ist ein spektakulärer Hoffnungsträger, der nicht nur von dem kreativen Vordenker und finanzstarken „Anpacker“ Elon Musk, der als Gründer von Tesla und von Space-X weltweit bekannt wurde, gehypt wird. Auch in München hat sich der Hyperloop zu einem höchst dynamischen Forschungsfeld entwickelt. Daran hat unsere Referentin, Frau Professorin Dr. Agnes Jocher, einen nicht unwesentlichen Anteil. Sie wurde letzten Sommer mit 33 Jahren als jüngste Professorin an die neu gegründete Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie der Technischen Universität München (TUM) mit Sitz in Taufkirchen und Ottobrunn berufen. Mit insgesamt 55 Professuren soll die Fakultät ein weltweit sichtbares Forschungszentrum werden, dessen Kernidee mit der Benennung des Lehrstuhls von Frau Jocher anschaulich umschrieben ist: Sustainable Future Mobility.
Wenn es der Menschheit vor gut 50 Jahren gelungen ist, auf dem Mond zu landen, und sie seit kurzem auch den Mars zu erobern beginnt, warum sollte es dann nicht möglich sein, völlig neue Modelle fossilfreier, schneller Mobilität zu entwickeln? Es ist eine Frage der kollektiven Willensbildung, ob wir die Kraft menschlicher Vision und Innovation nicht nur in den Himmel richten, sondern auch auf die Erde bannen und für ökologische Ziele nutzen. Angezielt ist mit dem Hyperloop ein Transport mit nahezu Schallgeschwindigkeit in Röhren mit Teilvakuum und daher sehr geringem Luftwiderstand. Wie eine Art spätmoderne Rohrpost in Kapseln für Menschen und Waren. Man wäre in 45 Minuten von München in Berlin. Erste Teststecken in Kalifornien gibt es schon. Erste bemannte Testfahrten mit vorerst 170 km/h gab es schon. Nach den Berechnungen von Musk belaufen sich die Kosten für den Bau solcher Röhren, durch die man Menschen mit 1200 Stundenkilometern an ihr Ziel „schießen‘“ kann, auf einen Bruchteil der Kosten für Hochgeschwindigkeitszüge. Man könnte einen erheblichen Teil des Flugverkehrs für Kurz- und Mittelstrecken auf den Boden verlagern. Der Energieverbrauch läge mit 4,4 kWh pro 100 Personenkilometer halb so hoch wie beim ICE und bei einem Siebtel von durchschnittlichen Flügen. Die Erzählungen zum Hyperloop hören sich an wie eine Realität gewordene Science-Fiction.
Natürlich gibt es auch Kritiker, die meinen, dass der Hyperloop nicht hinreichend sicher realisierbar wäre und dass die Kostenberechnung von Musk aus Propagandazwecken höchst unvollständig ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die technischen und ökonomischen Probleme lösen lassen, bleibt eine grundsätzliche Anfrage aus umweltethischer Sicht: Die Erfahrungen der vergangen zwei Jahrhunderte zeigen, dass technische Entwicklungen nicht nur vorhandenen Bedarf befriedigen, sondern ebenso neuen Bedarf schaffen. Das gilt auch für den Hyperloop: Wenn man so hyperschnell an entfernte Orte reisen kann, wird die Nachfrage nach Mobilität entsprechend steigen. Man spricht vom „Rebound-Effekt“ (Bumerang-Effekt).
Es ist von daher zu erwarten, dass der Hyperloop nicht in erster Linie dazu beitragen wird, den Flugverkehr zu mindern und damit die Umwelt zu entlasten, sondern dazu, dass wir noch mehr unterwegs sind. Er wird die Reichen, die sich die vermutlich sehr teure Mobilität mit dem Hyperloop leisten können, weiter privilegieren. Wir werden ein zusätzliches Verkehrsmittel haben, das neue Wohlstandschancen schafft, aber vor allem durch den enormen Bedarf an Stahlbeton für die Stützpfeiler der Röhren die Umwelt weiter belastet – so die Befürchtung.
Was ist von dem Argument zu halten? Man kann ihm eine positive Wendung geben und es als Aufgabe politischer Gestaltung adressieren: Nur wenn der Hyperloop durch ordnungsrechtliche Maßnahmen flankiert wird, wie z.B. durch eine drastische Einschränkung von Inlandsflügen, wie sie im Rahmen von Klimaschutzstrategien weltweit diskutiert wird, kann er eine ökologisch sinnvolle Wirkung entfalten. Unter dieser Bedingung lässt sich der Hyperloop durchaus als Baustein einer nachhaltig zukunftsfähigen Mobilität bewerten. Die ethische Ambivalenz teilt er mit vielen anderen technischen Großprojekten – nicht zuletzt auch mit dem gescheiterten Transrapidprojekt.
Diese Ambivalenz sollte als Gestaltungsaufgabe und nicht als prinzipielles Gegenargument verstanden werden. Lufthansa führt seit 2016 Gespräche mit Hyperloop Transportation Technologies. Die Vereinigten Arabischen Emirate, die russische Regierung und viele andere zeigen Interesse und lassen schon Berechnungen anstellen für mögliche Teststecken. Will, kann, soll auch München Zukunft wagen?